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Jacob Spallek, Hajo Zeeb (Hrsg.): Handbuch Migration und Gesundheit

Rezensiert von Prof. Dr. sc.hum. Nina Fleischmann, 17.05.2021

Cover Jacob Spallek, Hajo Zeeb (Hrsg.): Handbuch Migration und Gesundheit ISBN 978-3-456-85995-8

Jacob Spallek, Hajo Zeeb (Hrsg.): Handbuch Migration und Gesundheit. Grundlagen, Perspektiven und Strategien. Hogrefe AG (Bern) 2021. 496 Seiten. ISBN 978-3-456-85995-8. 44,95 EUR.

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Thema

Deutschland ist eins der wichtigsten Einwanderungsländer weltweit. Rund jede vierte Person hat selbst oder in zweiter Generation eine Einwanderungsgeschichte. Menschen mit Migrationshintergrund weisen andere Gesundheitschancen und -risiken durch biografische Expositionen, andere Lebensgewohnheiten, soziale Benachteiligung oder ein anderes Verständnis von Gesundheit auf. Dieses Handbuch von Spallek und Zeeb zeigt die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen zum Thema Gesundheit und Migration im deutschsprachigen Raum.

Herausgeber

Das Herausgeberduo Prof. Dr. Jacob Spallek und Prof. Dr. Hajo Zeeb ist im Feld der Gesundheitswissenschaften sowie Prävention und Evaluation wissenschaftlich tätig. Über 60 Autorinnen und Autoren haben an diesem Handbuch mitgearbeitet.

Aufbau

Auf 496 Seiten werden sechs inhaltliche Teile mit insgesamt 38 Kapiteln dargelegt:

  • Teil I befasst sich in fünf Kapiteln mit dem Phänomen Migration in Politik und Geschichte
  • Teil II zeigt in sieben Kapiteln Forschung und Theorien auf
  • Teil III nimmt in fünf Kapiteln die Arbeitswelt in den Blick
  • Teil IV fokussiert in sechs Kapiteln Versorgung und Praxis
  • Teil V bearbeitet in zehn Kapiteln Themen und Gruppen der Migration
  • Teil VI widmet sich fünf Kapiteln der Prävention und Gesundheitsförderung

Die Herausgeber richten sich an Praktiker und Forschende, Lernende und Lehrende aus gesundheitsbezogenen Disziplinen und Arbeitsbereichen.

Inhalt

Dauerhafte oder begrenzte Mobilität von Menschen über Landesgrenzen hinweg betrifft wesentliche Systeme der von modernen Staaten ausgeübten Herrschaft unmittelbar und zieht Regulierungs- bis hin zu Verhinderungsprozessen nach sich. Von einer kritischen Betrachtung des Begriffs des Migrationshintergrundes, den Einfluss von zentralen demografischen, sozialen und politischen Einflussfaktoren auf Gesundheitsversorgung über die Geschichte der Bevölkerungsmobilität in Deutschland und Europa seit dem 18. Jahrhundert bis hin zu Werten und Präferenzen, die die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten beeinflussen, zeichnen die Beitragenden im ersten Buchteil die essentiellen politischen und historischen Entwicklungslinien nach.

Im zweiten Teil werden zentrale sozialstrukturelle und politische Aspekte des Themas Migration und Gesundheit diskutiert. Neben dem problematischen „othering“, der Fremdzuschreibung und Generationenbegrifflichkeiten werden sozialepidemiologische Theoriestränge vorgestellt. Drei Modelle werden kontextualisiert: der „healthy migrant effect“, das Modell des gesundheitlichen Übergangs und das Lebenslaufmodell. Gesundheit steht mit Migration und Determinanten wie sozioökonomischen Status, sozialer Kohäsion sowie sozialem und biologischen Geschlecht in Verbindung. Daneben werden Herausforderungen in der Rekrutierung von Menschen mit Migrationshintergrund für epidemiologische Studien und die Anlage diversitätssensibler Designs verdeutlicht: gibt es typische Teilnehmerbarrieren? Welche migrationsbedingten Messfehler können bei Befragungen auftreten? Wie kann man Selektions- und Validitätseffekten begegnen?

Im dritten Teil stehen Migration und Arbeit im Fokus. Menschen mit Migrationshintergrund haben aufgrund physischer und psychischer Arbeitsbelastungen einen durchschnittlich höheren Bedarf an Rehabilitationsleistungen. Strukturelle Barrieren verhindern hier aber den Zugang und wirken sich negativ auf Versorgungszufriedenheit und Behandlungsergebnisse aus. Menschen mit Migrationshintergrund sind häufiger prekär beschäftigt, im Arbeitskontext körperlich und mental stärker belastet unterliegen höheren Unfallrisiken als die einheimische Bevölkerung. Es zeigen sich aber auch positive Seiten der Arbeitsmigration, bei denen das Vakuum des Fachkräftemangels in einem demografisch überalterten Land geschlossen werden soll (insbesondere in der Medizin und in der Pflege). Gemeinsamer Nenner in diesem Teil ist ein Plädoyer für eine migrationsinklusive Arbeitsmarktsteuerung, die neben Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung auch dem Bedarf an heterogenitäts- und diversitätssensibler Implementierung im Blick hat.

Akteure der Gesundheitsversorgung und ihre Berührungspunkte mit Menschen mit Migrationshintergrund stehen im vierten Teil im Mittelpunkt. Zum einen werden Mehrsprachigkeit und Kommunikationseinschränkungen thematisiert. Zum anderen wird eine Bilanz in Bezug auf Reaktionen des Gesundheitssystem auf die hohe Zuwanderung in 2015 gezogen und die absorptive, adaptive und transformative Kapazität analysiert. Auch bei Gesundheitssurveys braucht es mehr Flexibilität, andere Indikatoren und Konzepte, die Adressierung sprachlicher Barrieren sowie adäquate Schulung von Studien- und Forschungspersonal und Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund in Studienplanung, -durchführung und Ergebnisverwertung.

Teil V vertieft in methodischer und inhaltlicher Hinsicht das Verständnis für die besonderen Bedingungen, Anforderungen in der gesundheitlichen Versorgung und die Entstehung von Gesundheit und Krankheit von Menschen mit Migrationshintergrund. Themen sind hierbei Substanzkonsum und Suchtproblematiken, psychische Gesundheit, Versorgung unbegleitet minderjähriger Geflüchteter, fetale Programmierung sowie gesundheitliche Dimensionen von Rassismus und Diskriminierung.

Der sechste Teil handelt von Prävention und Gesundheitsförderung. Neben Health Literacy und Empowerment wird Kultursensibilität in der kommunalen Gesundheitsförderung und das Partizipationsmodell im Bereich Migration und Gesundheit bearbeitet.

Diskussion

Dieses Buch schließt eine seit Jahren bestehende Lücke in der umfassenden Analyse von Migration und Gesundheit in einem Werk. In dieser Breite und Umfang ist mir kein vergleichbares Buch bekannt. Neuartig an diesem Buch ist die Entstehungsweise in partizipativen Prozessen mit Ko-Editierenden mit Migrationshintergrund, die in den einzelnen Schritten, aber auch mit seinen Chancen und Herausforderungen aufgezeigt werden. Die den Teilen jeweils vorangestellten und von Co-Autoren verfassten Zusammenfassungen erleichtern Einordnung und Überblick.

Fazit

Ein grundlegendes und innovatives Buch für alle, die sich mit Migration und Gesundheit befassen. Facettenreich und mit vielen neuen Ideen ausgestattet wird damit der Weg in eine diversitätssensible Gesundheitsversorgung wie auch die Lücken gezeigt, die es in Forschung und Versorgung noch zu schließen gilt.

Rezension von
Prof. Dr. sc.hum. Nina Fleischmann
Hochschule Hannover Fakultät V - Diakonie, Gesundheit und Soziales
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Es gibt 86 Rezensionen von Nina Fleischmann.

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ISSN 2190-9245