Wolfgang Klug, Patrick Zobrist: Motivierte Klienten trotz Zwangskontext
Rezensiert von Dr. phil. Gernot Hahn, 30.06.2021

Wolfgang Klug, Patrick Zobrist: Motivierte Klienten trotz Zwangskontext. Tools für die Soziale Arbeit. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2021. 3., überarbeitete Auflage. 168 Seiten. ISBN 978-3-497-03038-5. D: 26,90 EUR, A: 27,70 EUR.
Thema
„‘Menschen sind lernfähig. Sie können ihr Verhalten ändern.‘ Handschriftliche Ergänzung: ‚…, wenn sie wollen!‘ (Türplakat eines Gruppenraumes der Bewährungshilfe in Zürich, 2009)“ (9).
Das dem Vorwort voran gestellte Zitat aus der Praxis der Bewährungshilfe umreist eindringlich, worum es in der Publikation der Reihe „Tools für die Soziale Arbeit“ geht: die Bedeutung motivationaler Aspekte in Zwangskontexten Sozialer Arbeit, die in ihren theoretischen Bezugspunkten erfasst werden und in einem Praxismanual zur Motivationsförderung als modularisiertes Handwerkszeug (Tool) angeboten werden.
Autorinnen und Entstehungshintergrund
Prof. Dr. Wolfgang Klug ist Dipl. Sozialpädagoge und lehrt Soziale Arbeit an der Katholischen Universität Eichstätt/Ingolstadt. Patrick Zobrist, Dipl. Sozialarbeiter/M.A. ist Dozent und Projektleiter im Departement Soziale Arbeit der Hochschule Luzern. Bei der aktualisierten Version handelt es sich bereits um die 3., überarbeitete Auflage, hinsichtlich Aufbau und Inhalt haben die Autoren keine Änderungen vorgenommen, lediglich im Literaturapparat wurden Ergänzungen vorgenommen, einige Titel aus der Vorauflage gestrichen. Zur Vorauflage bestehen zwei ausführliche Rezensionen (https://www.socialnet.de/rezensionen/​15159.php; https://www.socialnet.de/rezensionen/​15150.php) auf deren Inhalt hier verwiesen wird.
Aufbau und Inhalt
Der Band „Motivierte Klienten trotz Zwangskontext. Tools für die Soziale Arbeit“ ist in zwei Bereiche unterteilt. Teil A führt in die theoretischen und methodischen Grundlagen ein, Teil B beinhaltet das Praxismanual Motivationsförderung in Zwangskontexten Sozialer Arbeit.
Theoretische und methodische Grundlagen
Der erste Abschnitt definiert zunächst die Bedingungen und Dynamiken von/in Zwangskontexten, v.a. hinsichtlich Veränderungsbereitschaft bzw. Motivation, ebenso erfolgt hier eine Annäherung an das Konstrukt „Motivation“, mögliche Definitionen und Konzepte vorwiegend aus dem Bereich der Psychologie. Die Ausführungen werden dann mit dem Schwerpunkt „Behandlungsmotivation“ und „Veränderungsmotivation“ weiter ausformuliert, v.a. hinsichtlich auf die Bedingungen zur Motivationsentstehung in kognitiver und sozialer Hinsicht. Als Basis für das in Teil B formulierte Praxismanual wird dann das Transtheoretische Modell, das in seinen Ursprüngen auf Prochaska u.a. (1994) zurückgeht vorgestellt. Weiter finden sich Ausführungen zur Werten und Zielen in der Motivations-„arbeit“, Überlegungen zur Beziehungsgestaltung in Zwangskontexten und die Klärung spezieller methodischer Fragen. Zusammenfassend werden dann zentrale methodische Grundprinzipien im Kontext der Motivationsförderung formuliert.
Praxismanual Motivationsförderung
Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen führt Teil B in die modularisierten Praxismaterialien, die auch online abrufbar sind, ein. Die fünf Module thematisieren die Motivationsstufen
- Orientierung (Modul A) mit Schwerpunkten zur Auftrags- und Rollenklärung, Lebenswelt d. Klienten und Motivationsdiagnostik,
- Klärung des Veränderungsthemas (Modul B), mit Hinweisen zur Problemdifferenzierung bzgl. Verhalten und Haltung, sowie Einsichtsdifferenzierung,
- Stärkung der Veränderungsbereitschaft (Modul C), in dem die Arbeit mit Ambivalenzen, Erarbeitung von Zuversicht und Selbstvertrauen thematisiert wird,
- Zielentwicklung und Planung (Modul D), mit Hinweisen zur Entwicklung realistischer Veränderungsziele, Ressourcenerschließung und -aktivierung, Problemanalyse (hinsichtlich Umsetzung von Zielen) und zur Erarbeitung individuell bedeutsamer Zielperspektiven und Umsetzungspläne,
- Monitoring (Modul E), das abschließend den Prozess der Aufrechterhaltung veränderter Verhaltensansätze und die Verstärkung von Veränderungshandlungen, sowie den Umgang mit Rückfällen (in alte dysfunktionale Verhaltensmuster) fokussiert.
Im Anhang finden sich das überarbeitete Literaturverzeichnis (mit gut 20 neuen Literaturverweisen) und das aus der Vorlauflage übernommene Sachregister
Zielgruppe des Buches
Fachkräfte der Sozialen Arbeit, vorwiegend in Arbeitsfeldern, die einen deutlichen Zwangscharakter aufweisen. Bedingt auch einsetzbar in (Weiterbildungs-Masterstudiengängen Sozialer Arbeit, welche auf Berufserfahrung und -praxis der Teilnehmenden aufbauen.
Diskussion
Wolfgang Klug und Patrik Zobrist legen die mittlerweile dritte Auflage des bewährten Programms zur Motivationsförderung in Zwangskontexten vor. Damit zeigt sich der Bedarf nach solchen Tools in der Praxis und sicher auch die Wirksamkeit des modular gestalteten Programms. Fachkräfte Sozialer Arbeit sind immer wieder mit „scheinbar unmotivierten“ KlientInnen konfrontiert, hier Ansatzpunkte für eine gelingende Kommunikation, Motivationsförderung und einen Ausweg aus den typischen Fallen (zunächst) stark extern motivierter Beratungs- und Behandlungsanlässe zu finden ist das Verdienst der beiden Autoren. Offensichtlich erfolgten auf die beiden Vorauflagen zahlreiche Rückmeldungen zum Einsatz des Programms in der Praxis, entsprechend hatten Klug und Zobrist auch zu solchen Rückmeldungen aufgefordert (11). Für die vorgelegte 3. Auflage wäre es hilfreich gewesen, an diesen Rückmeldungen, auch Überlegungen zur Validität des Programms teilhaben zu können, um eigene „kritische Reflexionen und Evaluationen der Anwendung … Hinweise, welche die Weiterentwicklung der Motivationsförderung in Zwangskontexten unterstützen“ (11) können nachvollziehen zu können und mit eigenen Überlegungen und Erfahrungen abzugleichen. Als Praxismanual verzichten die Autoren auf einen Brückenschlag zu weitergehenden Theorieansätzen aus dem Bereich der Sozialen Arbeit, oder zur Beratung und Behandlung in Zwangskontexten, bei Kähler/Zobrist (2013), Böhnisch (2016) oder Sommerfeld et al. finden sich zahlreiche Hinweise, welche eine solche Verknüpfung bereichern würden.
Fazit
Ein differenziert formuliertes, modular gestaltetes Praxismanual zur Motivationsförderung in Zwangskontexten, das neben der Vermittlung konkreter Arbeitsschritte eine hervorragende Verschränkung zu einigen wichtigen theoretischen Grundlagen bietet. Fundiert, klar im Aufbau, verständlich in der Sprache, so ergibt sich ein hoher Nutzwert für die Praxis.
Literatur
Böhnisch, L. (2016). Lebensbewältigung. Ein Konzept für die Soziale Arbeit. Weinheim und Basel: Beltz Juventa
Prochaska, J. O.; Norcross, J. C.; DiClemente, C.C. (1994). Changing for good. A Revolutionary Six-Stage Programm for Overcoming Bad Habits and Moving Your Life Positively Forward. New York: Avon
Sommerfeld, P.; Hollenstein, L.; Calzaferri, R. (2011). Integration und Lebensführung. Ein forschungsgestützter Beitrag zur Theoriebildung der Sozialen Arbeit. Wiesbaden: Springer VS Verlag
Rezension von
Dr. phil. Gernot Hahn
Diplom Sozialpädagoge (Univ.), Diplom Sozialtherapeut
Leiter der Forensischen Ambulanz der Klinik für Forensische Psychiatrie Erlangen
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