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Heinz Cornel: Resozialisierung durch soziale Arbeit

Rezensiert von Sarah Blume, 16.03.2021

Cover Heinz Cornel: Resozialisierung durch soziale Arbeit ISBN 978-3-17-036044-0

Heinz Cornel: Resozialisierung durch soziale Arbeit. Ein Lehrbuch für Studium und Praxis. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2021. 221 Seiten. ISBN 978-3-17-036044-0. 29,00 EUR.

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Entstehungshintergrund und Thema

Die begriffliche Verschränkung von Resozialisierung und Sozialer Arbeit im Titel verweist nicht nur auf den Anspruch des Lehrbuches herausstellen zu wollen, „was zu einer Sozialen Arbeit gehört, die der Resozialisierung von straffällig gewordenen Menschen verpflichtet ist“ (S. 41). Vielmehr vermittelt bereits die selbstverständliche Koppelung der Begriffe eine Idee davon, welchen bedeutsamen Stellenwert der Autor Sozialer Arbeit im kriminalpolitischen Kontext beimisst und mit Blick auf seine weitere Analyse für die Fortentwicklung eingriffsärmerer Gegen- bzw. Nebenentwürfe zur „ultima ratio“ der Freiheitsstrafe herauszustellen ersucht. Die Vielschichtigkeit des Begriffs der Resozialisierung beleuchtet Heinz Cornel in Verbindung mit entsprechenden Arbeitsfeldern sowie Querschnittsthemen auf der Basis seiner wissenschaftlichen Expertise als Pädagoge, Kriminologe und Jurist aus einer sozialpädagogischen sowie handlungspraktischen Perspektive. Dabei greift er mit Blick auf seine potentiellen Leser*innen (Student*innen, Praktiker*innen) bei der didaktischen Ausgestaltung u.a. auf seine langjährigen Erfahrungen als Lehrender im Bereich der Sozialen Arbeit zurück.

Autor

Dr. Heinz Cornel ist Jurist, Kriminologe und Pädagoge. Er ist Professor für Jugendrecht, Strafrecht und Kriminologie an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin und seit 2019 emeritiert.

Aufbau und Inhalt

Die 15 Lektionen, die zentrale Fragestellungen sukzessiv aufgreifen, sind z.T. untergliedert und jeweils mit Hervorhebungen, eingewebten Reflexionsanregungen, historischen Rückkoppelungen sowie vertiefenden Literaturhinweisen durchzogen. Eine ausführliche Fallgeschichte (S. 71–82) unterstützt darüber hinaus den reflexiven Anspruch des Lehrbuches. Die inhaltliche Betrachtung konzentriert sich darauf, eklektisch, theoretische Wissensbestände, empirische Befunde sowie aktuelle (kriminologische) Diskurse zur Resozialisierung für die Soziale Arbeit zusammenzuführen und den Status quo in historische Rückblenden und zukunftsweisende Veränderungspotenziale einzubetten.

  • Lektion 1–6: Begriffsannäherung, Sozialpädagogisches Selbstverständnis und Lebenslagen (S. 11–70): Ausgehend von einer zuweilen begrifflichen Mehrdeutigkeit konturiert der Autor den Begriff der Resozialisierung, indem er sich diesem kriminologisch, darauf aufbauend auch rechtsphilosophisch annähert und davon abgrenzend erste konkretisierte, trennscharfe sozialpädagogische Ableitungen trifft. Basierend auf einem professionellen Selbstverständnis, stellt er den Handlungsauftrag Sozialer Arbeit heraus, soziale Unterstützung und Hilfe im Bezugsrahmen der Resozialisierung zu leisten. Dabei analysiert er die Verwobenheit wie auch die einander bedingende Wechselbeziehung zwischen dem professionellen Handeln und der professionellen Haltung, die sich im jeweils anderen veräußert und damit nicht nur die Gestalt der Angebote beeinflusst, sondern sich aufgrund der professionseigenen Überlegungen unvermeidbar von anderen Disziplinen unterscheidet. Beeinflussend wirkt dabei der (normativ) vorstrukturierte Rahmen des Handlungsfeldes der Straffälligenhilfe, den der Autor anschließend unter Einbezug des Faktors Zwang betrachtet und diesbezüglich Transparenz schaffende und reflexiv angelegte, selbstpositionierende Handlungsanforderungen ableitet. Ausgewählte Themenschwerpunkte, die die Zusammenarbeit der Zielgruppe tangieren können (z.B. Dimensionen von Armut, Bindungs- und Beziehungserfahrungen, Übergänge) runden den ersten Teil des Lehrbuches in ihrer akzentuierten Analyse ab.
  • Lektion 7–12: Rechtsgrundlagen, Arbeitsfelder und spezifische Kompetenzen im Kontext der Resozialisierung (S. 83–198): Weiterhin konzentriert sich die inhaltliche Betrachtung stringent auf handlungsfeldspezifische Rechtsgrundlagen, bevor sich Cornel den Herausforderungen, Eigen- bzw. Besonderheiten, sowie Entwicklungspotenzialen spezifischer Arbeitsbereiche (u.a. Untersuchungshaft, Strafvollzug, Bewährungshilfe, Freie Straffälligenhilfe, Täter-Opfer-Ausgleich und Mediation in Strafsachen) differenziert und vielschichtig zuwendet. Als relevante Querschnittsthemen lokalisiert er neben den Besonderheiten von Jugenddelinquenz und den darauffolgenden normativen auf Erziehung sowie Förderung ausgerichteten Reaktionen, die einflussstarken Facetten von gendersensiblem und interkulturellem Bewusstsein. In der abschließenden Positionierung hebt der Autor u.a. eine Stärkung von nichtfreiheitsentziehenden Maßnahmen und der institutionsübergreifenden Zusammenarbeit bspw. mithilfe von Resozialisierungsgesetzen hervor; strebt einen kontinuierlichen Abbau freiheitsentziehender Maßnahmen insbesondere im Jugendstrafrecht an und fordert gleichsam eine aufklärende Öffentlichkeitsarbeit, die Verkürzungen und Stigmatisierungen entgegenwirkt.

Diskussion

Das Lehrbuch setzt den seit 2018 vom Autor mitangeregten Diskurs zur Frage nach dem Selbstverständnis Sozialer Arbeit resp. Fachlichkeit und Haltung im Handlungsfeld der Straffälligenhilfe fort (Cornel et al. 2018). Cornels Überlegungen eröffnen nicht nur einen kritisch-reflexiven Blick auf das professionelle Selbst, sondern strukturieren sich mit Blick auf die hiesigen Resozialisierungsangebote bei der Betrachtung und sozialpädagogischen Rahmung entlang der Bedürfnisse, Lebenswelten und Bewältigungsmuster von straffällig gewordenen Menschen, ohne Opferinteressen dabei außer Acht zu lassen. Ein respektvoller und wertschätzender Ton gegenüber der Zielgruppe, der Sozialarbeiter*innen wie auch weiterer an Resozialisierungsprozessen beteiligter Disziplinen begleitet die Analyse durchgängig; führt aber nicht zum Verzicht notwendige Veränderungen zu diskutieren, Missstände anzumerken oder Handlungsanforderungen zu formulieren. Damit reagiert Cornel nicht zuletzt auf Kritiker*innen, die ihm als Vertreter des „kritischen Paradigmas“ vorwerfen, „dass meistens unklar bleibt, wie eine Soziale Arbeit diese kritische Perspektive in die Praxis umsetzen soll“ (Zobrist 2018, S. 298). Vielmehr erschließt er Möglichkeitsräume, die die Soziale Arbeit im kriminalpolitischen Kontext stärken und dazu beitragen können, strafende durch lebenslagenverbessernde Reaktionsformen zu ersetzen.

Fazit

Eine klare Leseempfehlung für Studierende, Praktiker*innen und alle anderen Interessierten.

Literatur

Cornel, H.; Grosser, R; Lindenberg, K.; Lindenberg, M. (2018). Wissen, was wir tun. Überlegungen zur Rückbesinnung auf sozialarbeiterisches Handeln in der Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen. In: Bewährungshilfe, 65 (1), S. 77–90.

Zobrist, P. (2018): „Wissen, was wir tun“ heißt: Sich für Wissen öffnen. In: Bewährungshilfe, 65 (3), S. 293–306.

Rezension von
Sarah Blume
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, TU Dresden - Institut für Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Wohlfahrtswissenschaften
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Es gibt 2 Rezensionen von Sarah Blume.

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Zitiervorschlag
Sarah Blume. Rezension vom 16.03.2021 zu: Heinz Cornel: Resozialisierung durch soziale Arbeit. Ein Lehrbuch für Studium und Praxis. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2021. ISBN 978-3-17-036044-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28172.php, Datum des Zugriffs 20.09.2024.


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