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Sarah Hübscher, Elvira Neuendank (Hrsg.): missing links

Rezensiert von Dr. Lea Putz-Erath, 29.04.2022

Cover Sarah Hübscher, Elvira Neuendank (Hrsg.): missing links ISBN 978-3-7639-6268-6

Sarah Hübscher, Elvira Neuendank (Hrsg.): missing links. Lehr- und Leerstellen der Gegenwartsgesellschaft. wbv (Bielefeld) 2020. 156 Seiten. ISBN 978-3-7639-6268-6. 24,00 EUR.

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Thema

Im Buch versammeln die Herausgeberinnen vielfältige Texte rund um die Fragestellung wie sich aus der multidisziplinären Auseinandersetzung mit dem Fremden, dem nicht Bekannten, pädagogische und erziehungswissenschaftliche Ableitungen für wichtige Fragestellungen der Gegenwartsgesellschaft ergeben.

Herausgeberinnen

Sarah Hübschner ist Kunst- und Kulturwissenschaftlerin und lehrt am Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft und Berufspädagogik der TU Dortmund. Die Mitherausgeberin Elvira Neuendank ist wissenschaftliche Assistentin am selben Institut sowie freie Mitarbeiterin der Abteilung „Bildung und Kommunikation“ des Museums Ostwall in Dortmund. Das Buch ist Ergebnis eines 2018 umgesetzten Universitären Innovationsprozesses bei dem räumlich und inhaltlich neue Lehr-Lern-Situationen implementiert wurden.

Entstehungshintergrund

Das Buch ist ein interdisziplinärer Sammelband, der die unterschiedlichsten Vorlesungen im Rahmen der Ringvorlesung „missing links – Lehr und Leerstellen der Gegenwartsgesellschaft“ zusammenholt. Dabei wird Interdisziplinarität als innerhalb der Wissenschaft, gemeinsam von Vertreter:innen unterschiedlicher Disziplinen kooperatives Arbeiten an Fragestellung, Forschungs-Design und -problem verstanden.

Aufbau und Inhalt

Das Buch umfasst neun inhaltliche Beiträge. Ein Vorwort der Herausgeberinnen, sowie Geleitworte von Thomas Goll und Ulrike Mietzner umrahmen die Texte gemeinsam mit einem abschließenden Autor:innenverzeichnis.

Das Buch besticht haptisch durch glattes Papier mit höherer Grammatur. Zwischen den einzelnen Abschnitten finden sich künstlerisch gestaltete Grafiken sowie schwarze Seiten voll gefüllt mit Hashtags. Etwa nach dem ersten Drittel bekommen die Leser:innen die Möglichkeit das dem Buch zugrunde liegende Projekt mit Fotos, Screenshots und teilweise bearbeiteten Bildern auch optisch zu erfassen.

Diese Umsetzung des Buches verdeutlicht auf mehreren Rezeptionswegen die interdisziplinären Innovationen, die bei der Konzeption der Lehrveranstaltungen erarbeitet wurden.

Im Vorwort „Wir müssen reden“ geben die Herausgeberinnen Sarah Hübscher und Elvira Neuendank vertieften Einblick in die Entstehungsgeschichte des vorliegenden Sammelbandes. Das Werk soll die unterschiedlichen Zugänge der Vortragenden der Ringvorlesung missing links Lehr- und Leerstellen der Gegenwartsgesellschaft nachhaltig nutzbar machen. Die Leser:innen erhalten so auch ein Verständnis für die örtlichen Gegebenheiten in Dortmund ohne je dort gewesen zu sein.

Thomas Goll eröffnet mit dem ersten Geleitwort und verdeutlicht die theoretischen Standpunkte zum Begriff der Interdisziplinariät sowie eine soziologische Annäherung zum Begriff des Fremden. Denn die Annahme hinter den Missing links lautet, „dass eine angemessene (sozial-)wissenschaftliche Auseinandersetzung mit pädagogischen und erziehungswissenschaftlichen Fragen der Gegenwartsgesellschaft vor allem auch die Auseinandersetzung mit dem Fremden benötigt.“ (S 13).

Das zweite Geleitwort wurde von Ulrike Mietzner verfasst. Sie stellt den Ansatz der Herausgeberinnen, dem Ästhetischen im Lehrkonzept einen wichtigen Platz einzuräumen, um Diskurs über die Verflechtungen der Gesellschaft zu ermöglichen ins Zentrum.

Darauf folgen neun Beiträge, die jeweils die schriftliche Form der Inhalte von Lehrveranstaltungen im Gesamtkonzept „Missing links“ umfassen.

Sarah Hübschners Betrag „Komplexität als Trigger – kulturelle Denkräume erforschen. Childish Gambinos ‚This is america‘“ (S 23–34) bietet eine Heranführung an zwei wesentliche begriffliche Konzepte: Komplexität und Trigger. Am Beispiel des Songs „This is America“ der 2018 damit das Internet erheblich beeinträchtigte zeigt die Autorin auf wie in der Form der Kultur gesellschaftliche Komplexität aufgegriffen wird. Inhalte und Statement finden Ausdruck in Sound, Text, Bild, Video und weiteren differenzierten Ebenen. Das Video stellt einen Anstoß für Tranformation dar.

„Erfahrungen der Gegenwart. Gegenwartsfilme als Erfahrungsräume“ lautet der von Elvira Neuendank verfasste zweite Beitrag (S35-43). Neuendank greift dabei nicht direkt auf die Lehrveranstaltungen 2018 zurück, sondern aktualisiert ihren Beitrag mit Geschehnissen aus der Covid-19-Pandemie 2020. Exemplarisch wird deutlich wie in Filmen die aktuelle Lebenssituation von Kindern in der Pandemie (als „außeralltägliches Geschehnis) festgehalten werden kann und im Rückblick die Möglichkeit für pädagogisches Arbeiten bietet. Dabei diskutiert die Autorin wie im Film zwar Primärerfahrungen verarbeitet werden können, jedoch dennoch über die Medien eine Sekundärerfahrung entsteht. So entsteht durch einen Film in der Rückschau zukünftige Geschichte.

Im dritten Teil „missing links. Im sozialen Netz – in Bildern und Zahlen“ finden sich auf etwa 20 Seiten Bilder und (bearbeitete) Fotos von Studierenden der Begleitseminare.

Anschließend daran lesen wir die folgenden weiteren sechs Beiträge der Co-Autor:innen, welche sich aus unterschiedlichsten Perspektiven den Lehrstellen der Gegenwartsgesellschaft nähern:

Barbara Welzel: Alles hier im Plural. Kulturelles Erbe gemeinsam erben (S 65–76) beschäftigt sich mit der Kunst von Edmund de Waal und gibt Einblick in Modellveranstaltungen der Bildung von angehenden Lehrkräften für Kunst an der TU Dortmund.

Yvonne Kehren nimmt in ihrem Beitrag: Bildung als Widerspruch und Widerstand. Zur bildungstheoretischen Erschließung der Forderung der Vereinten Nationen nach einer ‚nachhaltigen Entwicklung‘ (S 77–92) die Nachhaltigkeit als Perspektive für Ausbildung von Lehrkräften der Kunst auf. Wo spießt es sich beispielsweise, wenn Nachhaltigkeit im Widerspruch zu bürgerlichen Konzepten von Wachstum und Verwertung stehen?

In Sky’s the Limit? (Vermittlungs-)Wege der politischen Bildung (S 93–106) spannt Thomas Krüger einen inhaltlichen Bogen von Individuellen politischen Perspektiven auf Macht und Kontrollverlust hin zu Macht in der von Digitalisierung geprägten Demokratie. „Technik bleibt nicht länger Werkzeug. Sie konstituiert, anders als in den vorangegangenen Jahrhunderten, Umwelt und Lebensraum.“ (S 97). Darauf aufbauend skizziert er die Rolle von politischer Bildung. Dabei versteht er Bildung an sich schon als eine politische Angelegenheit, die sich bei politischer Bildung potenziert und stellt den „Wahl-O-Mat“ als gelungenes Beispiel dar. Damit ist es möglich politische Bildung so umzusetzen, dass sie über die reine kognitive Vermittlung von Wissen auch in neuen Settings hinaus geht.

Im TextGendered Spaces. Zur Relevanz von Gender im Design“ (S 107–124) versammelt Uta Brandes Inhalte aus ihrem Buch zum Gender Design. Sie verdeutlicht dabei, welche Positionen und Beziehungen Personen unterschiedlicher Geschlechter im Raum entfalten und welche Gegenstände Bedeutung einnehmen. Dem berühmten „eigenen Zimmer“ gibt sie dabei ebenfalls Platz wie einer sehr spannenden Analyse der Handlung des Wartens im öffentlichen Raum mit all den Dimensionen von Macht und Kultur die sich darin zeigen. Die Handtasche beschreibt und analysiert Brandes als machtvolles weibliches Objekt.

Manuel Zahn ist Autor des vorletzten Beitrags: Digitale Medialität und Ästhetische Bildung. Bildungstheoretische Reflexionen auf den Zusammenhang von digitaler Medienkultur, ästhetischer Praxis und Subjektivierung (S 125–140). Er weist zunächst darauf hin, dass auch Digitalisierung ein sehr heterogener Begriff ist, der in der Medienkultur auf unbewusster Ebene Wirkung entfaltet. Demensprechend ist es essentiell im Rahmen von Kultureller Bildung darauf einzugehen und Bewusstsein dafür zu schaffen. Nur damit wird es breiten Bevölkerungsteilen möglich sein „kritisch und gestaltend“ an den „digitalen Kulturen“ zu partizipieren.

Der abschließende Beitrag wurde von Carmen Mörsch verfasst: Critical Diversity Literacy an der Schnittstelle Bildung/​Kunst. Einblicke in die immerwährende Werkstatt eines diskriminierungskritischen Curriculums (S141-153). Die Herausforderungen besteht darin: Dominanzverhältnisse, die untersucht werden sollen nicht unreflektiert selbst zu reproduzieren. Dazu prüft sie gemeinsam mit anderen laufend die verwendeten Lehrmaterialien auf ihre Tauglichkeit für diskriminierungskritische Lehre.

Diskussion

Der vorliegende Sammelband vereint Texte rund um Lehrveranstaltungen die 2018 an der TU Dortmund durchgeführt wurden. Alle Beiträge ranken sich um pädagogische und erziehungswissenschaftliche Diskurse zwischen fixierten Stellen in den Räumen des Fremden und Unbekannten. Dabei kann es um vermeintlich Bekanntes gehen, das sich beim genauen Blick als unbekannt herausstellt wie die Digitalisierung, es kann aber auch um Leerstellen gehen, die durch Widersprüche entstehen wie der Diskurs von Yvonne Kehren zeigt.

Die Beiträge sind sehr unterschiedlich, was – so vermutet die Leserin – dem Lehrkonzept entspricht, damit maximale Varianz und Vielfalt für die Studierenden, Leser:innen und anderen Beteiligten entsteht.

Fazit

Ich, die Rezensentin, bin Sozialarbeiterin mit Erfahrung in der Hochschullehre. Die Zugänge zu diesem Buch musste ich mir doch erst erarbeiten. Was es nicht minder spannend für mich gemacht hat. Der Band ist empfehlenswert für all jene, die sich auf Beiträge zur innovativen Hochschullehre einlassen möchten, die vollgefüllt sind mit Anregungen und Inspiration zu interdisziplinärem Arbeiten. Sicherlich ist der Sammelband für Vertreter:innen der Pädagogik und Didaktik im Bereich Kunst direkt erschließ- und nutzbar. Doch auch Lehrende anderer Disziplinen lädt das Werk ein zum wohlüberlegten Arbeiten mit Begriffen, zum Mehrwert von Interdisziplinarität und zum kooperativen Experiment in der Hochschullehre.

Rezension von
Dr. Lea Putz-Erath
Geschäftsführerin femail – Verein für Frauenberatung und zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit, AT
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Es gibt 21 Rezensionen von Lea Putz-Erath.

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Zitiervorschlag
Lea Putz-Erath. Rezension vom 29.04.2022 zu: Sarah Hübscher, Elvira Neuendank (Hrsg.): missing links. Lehr- und Leerstellen der Gegenwartsgesellschaft. wbv (Bielefeld) 2020. ISBN 978-3-7639-6268-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28181.php, Datum des Zugriffs 06.12.2024.


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