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Florence Nightingale: Bemerkungen zur Krankenpflege

Rezensiert von Dr. phil. Hubert Kolling, 08.04.2021

Cover Florence Nightingale: Bemerkungen zur Krankenpflege ISBN 978-3-86321-601-6

Florence Nightingale: Bemerkungen zur Krankenpflege. Die "Notes on Nursing" neu übersetzt und kommentiert von Christoph Schweikardt und Susanne Schulze-Jaschok. Mabuse-Verlag GmbH (Frankfurt am Main) 2021. 5. aktualisierte Auflage. 287 Seiten. ISBN 978-3-86321-601-6. D: 36,95 EUR, A: 38,00 EUR, CH: 46,60 sFr.

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Thema

Vier Jahre nach ihrer Rückkehr aus dem Krimkrieg veröffentlichte Florence Nightingale (1820-1910) 1859 ihre „Notes on Hospitals“, deutsch als „Bemerkungen über Hospitäler“ 1866 verlegt, und 1860 ihr Buch „Notes on nursing“ – das noch im selben und darauffolgenden Jahr (1861) in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Florence Nightingale`s Anmerkungen zur Krankenpflege“ beziehungsweise „Die Pflege bei Kranken und Gesunden“ erschien. Französische, dänische und schwedische Übersetzungen folgten kurz nach der Veröffentlichung in Großbritannien, die auch in den USA eine große Leserschaft fanden. Eindringlich vertrat sie darin aufgrund ihrer Erfahrungen Grundsätze guter Krankenpflege, die auch heute noch Vorbildcharakter haben. Bei der vorliegenden Veröffentlichung handelt es sich um eine von Christoph Schweikardt und Susanne Schulze-Jaschok neu übersetzte und kommentierte Ausgabe der „Notes on Nursing“, von der nun die fünfte aktualisierte Auflage vorliegt.

Autor*innen

Nachdem Christoph Schweikardt (Jahrgang 1967) an der Universität Gießen Medizin studiert und 1996 zum Dr. med. promoviert hatte, begann er ein Zweitstudium der Geschichte, das er 1997 als Master of Arts an der Universität Leiden abschloss. Im Jahre 2006 habilitierte er sich an der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum mit einer pflegehistorischen Studie, die 2008 als Buch mit dem Titel „Die Entwicklung der Krankenpflege zur staatlich anerkannten Tätigkeit im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Das Zusammenwirken von Modernisierungbestrebungen, ärztlicher Dominanz, konfessioneller Selbstbehauptung und Vorgaben preußischer Regie“ erschien (https://www.socialnet.de/rezensionen/7877.php). Der Autor, der zahlreiche Buch- und Zeitschriftenbeiträge sowie Lexikartikel zu medizinhistorischen Themen veröffentlichte, arbeitet derzeit als Privatdozent beziehungsweise Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für „Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin“ der RWTH Aachen.

Susanne Schulze-Jaschok (Jahrgang 1971) ist Oberstudienrätin am Albrecht-Dürer-Gymnasium und Ausbildungsbeauftragte am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung in Hagen.

Entstehungshintergrund

Im Jahre 2005 legten Christoph Schweikardt und Susanne Schulze-Jaschok eine neu übersetzte und kommentierte Ausgabe der „Notes on Nursing“ vor, die von Anfang an auf großes Interesse stieß. 2011, 2016 und 2020 erschienen jeweils Neuauflagen; aktuell (2021) liegt das Buch in der fünften aktualisierten Auflage vor.

Aufbau und Inhalt

In einem einführenden Kapitel (S. 11–26) geben die Autoren zunächst einen Überblick über Leben und Werk von Florence Nightingale sowie ihren Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit, bevor sie anschließend die Ziele und Grundgedanken der „Notes on Nursing“ erläutern. Der Hauptteil, die Übersetzung (S. 27–242), gliedert sich entsprechend dem zugrundeliegenden Werk nach Vorwort (S. 27) und Einführung (S. 28–33) in insgesamt 16 Kapitel: 1. Lüften und Wärmen (S. 34–51), 2. Gesundheit von Häusern (S. 52–70), 3. Organisation im Alltag (S. 71–83), 4. Geräusche (S. 84–102), 5. Abwechslung (S. 103–109), 6. Nahrungsaufnahme (S. 110–116), 7. Welche Nahrung (S. 117–128), 8. Bett und Bettzeug (S. 129–136), 9. Licht (S. 137–149), 10. Sauberkeit von Zimmern und Wänden (S. 141–149), 11. Sauberkeit des einzelnen Patienten (S. 150–153), 12. Schwatzhaft ausgesprochene Hoffnungen und Ratschläge (S. 154–164), 13. Kranke beobachten (S. 165–192), 14. Schlussfolgerung (S. 193–203), 15. Nachtrag (S. 204–235), 16. Die Versorgung von Babys [1861] (S. 236–242).

Das sich anschließende Nachwort (S. 243–262) informiert über den Forschungsstand sowie das Vorgehen bei der Übersetzung und den Umgang mit der Ausdrucksweise Nightingales. Ergänzt wird die Darstellung durch einen Anhang (S. 263–273) mit einem tabellarischen Lebenslauf von Florence Nightingale, einem Glossar wichtiger Krankheitsbegriffe sowie einem Verzeichnis wichtiger Maße und Gewichte. Ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 275–287) runden das Werk ab.

Bereits in ihrem Vorwort zur ersten Auflage 2005 machten Christoph Schweikardt und Susanne Schulze-Jaschok völlig zurecht darauf aufmerksam, dass das Anliegen von Florence Nightingale, der Bevölkerung die Bedeutung und Grundsätze guter Pflege vor Augen zu führen, bis heute aktuell geblieben ist. Vor dem Hintergrund der weltweiten Covid-19-Pandemie weisen sie in ihrem aktuellen Vorwort darauf hin, dass die Bedeutung grundlegender Hygienemaßnahmen, die Florence Nightingale in ihren „Bemerkungen zur Krankenpflege“ immer wieder betont, nichts an Aktualität verloren hat. Dasselbe gelte auch für ihre Aufforderung, die persönliche Verantwortung ernst zu nehmen. Zur Intention ihrer Veröffentlichung halten sie sodann wörtlich fest: „Ziel dieser Ausgabe ist es, die Übersetzung der ‚Notes on Nursing’ mit aktualisiertem Forschungsstand der Leserschaft zugänglich zu machen. Die Einleitung wurde zudem um eine Skizze des literarischen Kontextes erweitert“ (S. 7).

Diskussion

Sie ist nicht nur in ihrem Heimatland England und darüber hinaus in Europa, sondern vermutlich weltweit die berühmteste Krankenschwester aller Zeiten: Florence Nightingale (1820-1910), eine außergewöhnlich gebildete Frau aus den höheren gesellschaftlichen Kreisen Englands, die als „The Lady with the Lamp“ (Die Dame mit der Lampe) und „Heldin des Dienstes“ (so der Untertitel eines populären Buches aus dem Jahre 2005), vor allem aber als „Pionierin“ und „Wegbereiterin der modernen Krankenpflege“ in die Geschichtsbücher einging. Anlässlich ihres 200. Geburtstags hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Jahr 2020 als „Jahr der Pflegenden und Hebammen“ ausgerufen.

Im Krimkrieg von 1853 bis 1856 zwischen Russland und einer Allianz aus England, Frankreich, der Türkei und Sardinien-Piemonts wurde Florence Nightingale vom britischen Kriegsministerium als Leiterin einer Gruppe von 38 Krankenschwestern mit einer Sondermission – der Pflege und Versorgung von verwundeten und erkrankten englischen Soldaten – in den Lazaretten von Skutari (dem heutigen Üsküdar, einem Vorort von Istanbul) beauftragt. In unermüdlichem Einsatz sorgte sie hierbei nicht nur für die Verbesserung der Krankenpflege, sondern auch – in der ständigen Auseinandersetzung mit konservativen Militärmedizinern und Verwaltungskräften – für mehr Hygiene, eine bessere Ernährung der Verletzten sowie eine verbesserte Organisation und Beseitigung von Versorgungsmängeln, wie etwa bei Wäsche und Kleidung.

Ihre Erfahrungen im Krieg waren entscheidend dafür, dass sie vier Jahre nach ihrer Rückkehr (1860) ihre „Notes on Nursing“ veröffentlichte. Das Werk, in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Die Pflege bei Kranken und Gesunden“ 1861 in Leipzig erschienen, erregte sofort weltweites Aufsehen. Eindrücklich vertritt sie darin Grundsätze guter Krankenpflege, die auch heute noch Vorbildcharakter haben. Im Gegensatz zu ihren Zeitgenoss*innen betonte Nightingale, zu deren Verdiensten unter anderem auch die Gründung einer Krankenpflegeschule am St. Thomas Hospital in London 1860 zählt, dass der Krankenpflege eine entscheidende Rolle bei der Versorgung der Patienten zukommt. Besonders wichtig ist ihr dabei nicht nur ein von Achtung geprägter Umgang mit den Patienten, sondern auch Ruhe, Ernährung, Licht und die Beachtung der Hygiene. Ein zentrales Aufgabenfeld der Krankenschwester sieht sie in der genauen Beobachtung der Patienten, ein Part, der ihr auch im Hinblick auf die ärztliche Therapie wichtig erschien.

Zur Bedeutung und Absicht ihrer Schrift schreibt Florence Nightingale in ihrem Vorwort: „Die folgenden Bemerkungen sind keineswegs als Leitfaden gedacht, mit dessen Hilfe Krankenschwestern sich selbst die Pflege beibringen können, noch weniger als ein Lehrbuch, um Krankenschwestern die Pflege zu lehren. Sie sind einfach dazu gedacht, Frauen Denkanstöße zu geben, die persönlich für die Gesundheit anderer verantwortlich sind“ (S. 27).

Mit der Veröffentlichung wandte sie sich an die breite Öffentlichkeit, wobei sie davon ausging, dass „jede oder zumindest fast jede Frau in England“ irgendwann in ihrem Leben die Verantwortung für die individuelle Gesundheit von jemanden zu tragen hat, sei es für ein Kind oder einen gebrechlichen Menschen. Oder, wie sie es mit anderen Worten formulierte: „Jede Frau ist eine Krankenschwester.“ Zudem bekomme jeden Tag Wissen über gesundheitliche Dinge oder Kenntnisse in der Krankenpflege „einen höheren Rang“, wozu sie den Frauen „einige Hinweise“ geben möchte.

Da Florence Nightingale die Krankenpflege als eine letztendlich religiös begründete Liebestätigkeit am Nächsten sah, gehörte für sie zu einer idealen Krankenschwester „die Berufung zur Krankenpflege“, ohne die der Beruf nicht ausgeübt werden sollte. In der Einführung zu den „Notes on Nursing“ definiert Florence Nightingale auch ihr Verständnis von „Krankenpflege“ indem sie festhält: „Ich benutze das Wort Krankenpflege, weil ich kein besseres kenne. Man hat den Sinn dieses Begriffs darauf beschränkt, dass er kaum mehr umfasst als das Verabreichen von Arzneien und das Auflegen von Umschlägen. Er sollte jedoch bedeuten: richtiger Gebrauch von frischer Luft, Licht, Wärme, Sauberkeit, Ruhe und die richtige Wahl und Verabreichung der Diät – all dies bei geringstmöglicher Schwächung der Lebenskraft des Patienten“ (S. 29).

Mit ihren Büchern „Notes on Hospitals“ und mehr noch „Notes on nursing“, die jeweils mehrere Auflagen erfuhren, beflügelte Florence Nightingale – vor dem Hintergrund der seinerzeit durch Jean Henry Dunant (1828-1910) neu entstandenen Rot-Kreuz-Bewegung und ihren Bemühungen um eine verbesserte Kriegskrankenpflege – weltweit, insbesondere jedoch in Europa, die Reformbestrebungen in der Krankenpflegeausbildung. Mit Hilfe der von Christoph Schweikardt und Susanne Schulze-Jaschok übersetzten und kommentierten Ausgabe der „Notes on nursing“ ist es leicht möglich, sich mit Florence Nightingale und ihren Grundsätzen guter Krankenpflege auseinanderzusetzen. Für die dabei am wissenschaftlichen Diskurs interessierte Leserschaft wurden für die fünfte Auflage der „Bemerkungen zur Krankenpflege“ sowohl Quellen, Literatur und Links als auch der Forschungsstand aktualisiert und ergänzt.

Neben den Autoren sei auch dem Mabuse-Verlag, der sich seit mehr als 40 Jahren neben seinem Büchern auch mit der Zeitschrift „Dr. med. Mabuse“ für ein solidarisches Gesundheitswesen engagiert, dafür gedankt, dass er das vorliegende Buch erneut in sein Programm mit aufgenommen hat. Dies ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit und umso beachtenswerter, wenn man bedenkt, dass die allermeisten Verlage an der Veröffentlichung von Büchern in Kleinstauflagen – wozu gemeinhin auch pflegehistorische Themen zählen – keinerlei Interesse haben.

Fazit

Florence Nightingale hat mit ihrem Buch „Notes on nursing“ vor mehr als 150 Jahren ein bahnbrechendes Werk zur Krankenpflege veröffentlicht, dessen Lektüre sich auch heute noch lohnt. Von daher seien die von Christoph Schweikardt und Susanne Schulze-Jaschok in deutscher Übersetzung vorgelegten „Bemerkungen zur Krankenpflege“ allen ans Herz gelegt, die in der Krankenpflege beschäftigt oder für deren Ausgestaltung mit verantwortlich sind. In den Bibliotheken des Gesundheitswesens, insbesondere im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Pflegenden, sollte das Buch in jedem Fall seinen festen Platz haben.

Rezension von
Dr. phil. Hubert Kolling
Krankenpfleger, Diplom-Pädagoge und Diplom-Politologe
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Es gibt 193 Rezensionen von Hubert Kolling.

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ISSN 2190-9245