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Steffen Kröhnert, Rainer Ningel et al. (Hrsg.): Ortsentwicklung in ländlichen Räumen

Rezensiert von Jens M. Schneider, 10.03.2022

Cover Steffen Kröhnert, Rainer Ningel et al. (Hrsg.): Ortsentwicklung in ländlichen Räumen ISBN 978-3-8252-5424-7

Steffen Kröhnert, Rainer Ningel, Peter Thomé (Hrsg.): Ortsentwicklung in ländlichen Räumen. Ein Handbuch für planende und soziale Berufe. UTB (Stuttgart) 2020. 336 Seiten. ISBN 978-3-8252-5424-7. 30,00 EUR. CH: 37,50 sFr.
Reihe: UTB - 5424. Soziologie.

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Thema

Das Buch setzt sich fächerübergreifend mit den zentralen Themen der Sozialraumentwicklung in ländlichen Räumen auseinander, zeigt die Anforderungen, aber auch die Herausforderungen auf und beleuchtet verschiedene Handlungsfelder. Dabei werden sowohl infrastrukturelle und baulich-planerische als auch sozial-daseinsvorsorgende Aspekte thematisiert. Das Buch richtet sich an Student*innen planender und sozialer Berufe wie auch an Praktiker*innen, die sich mit der Vielschichtigkeit nachhaltiger Ortsentwicklung auseinandersetzen wollen.

Herausgeber

Prof. Dr. Steffen Kröhnert ist Sozialwissenschaftler und seit 2014 Professor für das Lehrgebiet „Demografischer Wandel und Soziale Arbeit“ an der Hochschule Koblenz. Er ist ebenfalls Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat Demografie der Landesregierung Rheinland-Pfalz.

Prof. Dr. Rainer Ningel ist Psychologe und Therapeut. Er arbeitet als Hochschullehrer für Interventionslehre in der Sozialen Arbeit an der Hochschule Koblenz.

Prof. Dr. Pether Thomé ist Architekt und seit 2017 als Hochschullehrer für das Lehrgebiet „Strategien ländlicher Räume“ an der Hochschule Koblenz tätig.

Entstehungshintergrund

Der ländliche Raum unterlag in den vergangenen Jahrzenten einem tiefgreifenden Wandel. Seine Funktion und seine Bedeutung haben sich damit einhergehend verändert und neue Herausforderungen im Hinblick auf eine auf den Wandel reagierende Strategieentwicklung evoziert. Vor diesem Hintergrund sehen die Herausgeber das Handbuch als Versuch sowohl die Herausforderungen zu erfassen als auch einen Kompass für planvolles Handeln und Gestalten in ruralen Gebieten vorzulegen. Dabei wird ein interdisziplinärer Ansatz gewählt, der verschiedene Perspektiven beinhaltet und somit einen ganzheitlichen Überblick ermöglicht. Dieser ist die Grundlage für die Entwicklung des ländlichen Raumes in eine tragfähige Zukunft.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist in drei Themenbereiche gegliedert:

  1. Die Entwicklung in ländlichen Räumen,
  2. Aktuelle Handlungsfelder und
  3. Methodische Zugänge.

Nach einem Vorwort der Herausgeber stellt Rainer Ningel in seinem Beitrag Der Umgang mit dem Ländlichen Raum als gesellschaftliche Herausforderung – Kongruente Beziehungsgestaltung als «Conditio sine qua non» neben der Unterscheidung von Stadt und Land einen Zusammenhang mit der Globalisierung her und geht auf die durch Migration entstehenden Herausforderungen ein. Zudem macht er auf die Ambivalenz ökonomischer Zwänge und sozialer Berufe aufmerksam. Er resümiert, dass ländliche Räume zwar Ressourcen und Potenziale haben, die Aufgabe jedoch sei, diese zu entdecken respektive zu nutzen.

Im zweiten Beitrag Ländliche Räume und demografische Entwicklung steht die Definition bzw. die rahmengebende Beschreibung und Deutung ländlicher Räume (absolute und relationelle Kritierien) im Fokus. Steffen Kröhnert stellt in diesem Kontext auch die siedlungsstrukturelle und demografische Entwicklung in ländlichen Räumen dar. Zuletzt widmet er sich der heterogenen Entwicklung. Die Entwicklung ländlicher Räume, so Kröhnert, ist umso günstiger, je besser die Erreichbarkeit urbaner Zentren ist. Ersetzt seine Ausführungen im dritten Kapitel zu Lebensbedingungen in ländlichen Räumen und der Diskurs um Gleichwertigkeit fort. In diesem Teil sind unter anderem Erläuterungen zum Vertrauensverlust in die Politik (Gefühl des „abgehängt“ sein), zu den sozialen und ökonomischen Verhältnissen bzw. zu starken und benachteiligten ländlichen Räumen sowie zur technischen und sozialen Infrastruktur zu finden.

In dem Beitrag Wirtschaftliche Entwicklungen in ländlichen Räumen geht Ulf Hahne eingangs auf ländliche Räume in der urbanen Wissensgesellschaft ein. Ebenso erläutert er den sektoralen Strukturwandel und die Entwicklung der Produktivität in ländlichen Räumen. Er fügt hier auch Aspekte der Beschäftigungsentwicklung ein und schließt mit der Problematik abgehängter Regionen.

Umfangreich legt Gerhard Henkel im fünften Kapitel Das Dorf im Wandel Zwischen Selbstverantwortung und fortgesetzter Entmündigung und Schwächung durch Bund und Länder dar, wie sich Dörfer zum einen positiv, zum anderen aber auch negativ entwickelt haben bzw. bilanziert er den aktuellen Zustand. Ein wichtiger Bestandteil seines Beitrags ist die Frage, was Bürger und Kommunen tun können, um die Zukunft des Dorfes zu sichern. Antworten findet er unter anderem in Bürgervereinen und einer entsprechenden Kommunalpolitik. Auch die Entmündigung und Schwächung der Dörfer werden von Henkel besprochen.

Im sechsten Artikel Landschaften und Siedlungsstrukturen im Wandel definiert Peter Thomé zunächst den Begriff Landschaft, um dann auf die Dynamik der landschaftlichen Veränderungen einzugehen. Zudem stehen die Siedlungsentwicklung und das Verhältnis von Dorf und Stadt im Vordergrund des Kapitels. Der erste Beitrag im zweiten Themenbereich ist ebenfalls von Thomé und beschäftigt sich mit dem Thema Siedlungsstruktur. In diesem Kontext erläutert er ortsstrukturelle Herausforderungen des gesellschaftlichen und ökonomischen Wandels, Leerstand und Wachstum in Dörfern sowie den Flächenverbrauch in ländlichen Siedlungen. Zuletzt werden Handlungsfelder beschrieben, wie z.B. die Ortsmitte oder das Leerstandsmanagement.

Mit der Nahversorgung beschäftigt sich Patrick Küpper, indem er aktuelle Trends und deren Auswirkungen auf ländliche Räume darlegt. Ein Resultat dieser Trends sieht er in der zunehmenden Schwierigkeit, die Nahversorgung in ländlichen Räumen zu sichern. Darüber hinaus sind Handlungsansätze Bestandteil seines Beitrags, wozu unter anderem privatwirtschaftliche oder Initiativen der Bürger*innen gehören.

Im neunten Kapitel Medizinische Versorgung in ländlichen Räumen – Herausforderungen und Lösungsansätze setzen sich mehrere Autor*innen (Wolfgang Hoffmann, Ulrike Stentzel, Melanie Görsch, Fabian Klenke, Friederike Thome-Soos, Neeltje van der Berg) mit Herausforderungen auseinander, die beispielsweise mit dem Anstieg älterer Menschen und der große Einzugsbereich von gesundheitlichen Leistungserbringern zusammenhängen. In diesem Zusammenhang stellen sie innovative Konzepte in der regionalen Versorgung ländlicher Räume vor. Diese werden unter anderem von sektorenübergreifenden Kooperationen und regionalen Vernetzungen getragen.

Der zehnte Beitrag Kulturelle Aktivierung in ländlichen Räumen, verfasst von Rainer Ningel, fokussiert den ländlichen Raum als kulturelle Herausforderung und die professionelle Aktivierung kultureller Ressourcen, was laut Ningel vor allem das bürgerschaftliche Engagement erfordert. Er verdeutlicht seine Ausführungen mit einem Praxisbeispiel aus Hambuch, wo eine Dorakadamie vor dem Hintergrund verschiedener konzeptioneller Bausteine (bspw. Ressourcenorientierung, Kooperation, Bedarfsorientierung und Echtheit) erarbeitet resp. umgesetzt wurde.

Das Thema Integrierte Mobilitätskonzepte in Räumen schwacher Verkehrsnachfrage – Chancen und Risiken von Lösungsansätzen verfolgen Dirk Wittowsky und Patrick Hoenninger. Nach einer kurzen Erläuterung der Rahmenbedingungen im ruralen Raum vertiefen sie die Aspekte der Erreichbarkeit und Mobilität, bevor sie Ziele eines integrierten Mobilitätskonzeptes vorstellen. Dies sind zum einen Mobilitätsangebote wie z.B. Carsharing, Bike-Sharing oder Bürgerbusse. Zum anderen sind Integrationserfordernisse und Handlungsträger gefragt, worunter eine Koordination auf regionaler und lokaler Ebene fallen. In einer umfangreichen Übersicht nennen sie Säulen wie Nachfragesteuerung oder betriebliche Optimierung, neben anderen Aspekten auch die Beteiligung Dritter.

Der Sozialen Arbeit im ländlichen Raum widmet sich Robert Frietsch im zwölften Kapitel des Handbuchs. Ziel Sozialer Arbeit ist dabei, die Lebensbedingungen von Menschen im Sozialraum (hier im ländlichen Raum) zu verbessern, wobei die Digitalisierung zunehmend an Relevanz gewinnt. Einen besonderen Stellenwert hat die Sozialraumorientierung als umfassendes Konzept der Aneignung, Verbesserung und Nutzung des physischen und psychischen Sozialraums. Eine wesentliche Unterscheidung Sozialer Arbeit im städtischen Kontext ist in diesem Zusammenhang die Struktur der Hilfeangebote. Ferner bettet Fritsch die handlungswissenschaftliche Ausrichtung der Fachwissenschaft in die Thematik ein, wo insbesondere das Casemanagement als spezifische Handlungstheorie fokussiert wird.

Das dreizehnte Kapitel heißt Mittelstand in ländlichen Räumen – Status quo und Perspektiven und wurde von Holger Reinemann verfasst. Zunächst definiert er den Begriff des Mittelstands und geht dann auf dessen Struktur und Bedeutung ein. Hier sind u.a. Erläuterungen zu mittelständischen Unternehmen zu finden. Die Beiträge des Mittelstands zur Entwicklung in ländlichen Räumen werden ebenfalls behandelt. Hierzu zählt der Autor Beschäftigungsmöglichkeiten, Innovation, Wertschöpfungsbeziehungen und die gesellschaftliche Verantwortung. Herausforderungen sieht Reinemann neben der demografischen Entwicklung auch in digitalen Transformationsprozessen.

Der Beitrag Digitalisierung und ländlicher Raum – Digitaler Wandel vollzieht sich auch im Ländlichen von Anne Schulze schließt den zweiten Teil des Handbuchs ab. In ihrem Artikel führt die Autorin aus, was erstens Digitalisierung – insbesondere im ländlichen Raum – bedeutet, zweitens stellt sie dar, welche Relevanz Digitalisierungsprozesse in ländlichen Räumen haben. Darüber hinaus bildet die Autorin den aktuellen Status quo ab, wozu sowohl die Verfügbarkeit von Internet und Breitbandanschlüssen als auch die Nutzung des Internets. Weitere Aspekte sind die digitale Teilhabe, Spaltung und Ungleichheit. Außerdem verdeutlicht sie anhand von praktischen Beispielen digitaler Teilhabe wie Digitalisierung als Problemlösungsstrategie funktionieren kann.

Der dritte Teil des Handbuchs Methodische Ansätze, beinhaltet drei Kapitel. Das fünfzehnte Kapitel Planerische Instrumente der Ortsentwicklung ist dabei das erste. Verfasst wurde es von Julia Trapp. Sie leitet ihren Beitrag mit der Erfassung und Bewertung im Sinne einer ortsstrukturellen Analyse ein, die bspw. für ein Dorfentwicklungsprojekt eine Grundvoraussetzung darstellt. Dies integriert unter anderem Ortsbegehungen, die eine Grundlagenrecherche ermöglichen. Auch rechtliche Steuerungsinstrumente werden besprochen. Herausforderungen für die Umsetzung in der Praxis sind mangelnde Ressourcenausstattung, ein fehlendes Gesamtkonzept und schwerfällige Instrumente (insbesondere rechtliche Verfahren).

Der vorletzte Beitrag beschäftigt sich mit dem Thema Integrierte Sozialplanung im ländlichen Raum. Herbert Schubert beschreibt zunächst die Grundlagen der Sozialplanung und führt das Kapitel mit der integrierten Sozialplanung fort. Danach geht er spezifisch auf den Prozess und die Instrumente der integrierten Sozialplanung ein. Dazu werden die Sondierung, die Konzeptionierung sowie die Analyse, Planung und Partizipation gezählt. Ferner erläutert der Autor den letzten Bestandteil, die Umsetzung.

Bürger- und Akteursbeteiligung für die Orts- und Regionalentwicklung in ländlichen Räumen schließt sowohl den dritten Teil als auch das gesamte Handbuch ab. Die Verfasserin Barbara Malburg-Graf macht deutlich, dass die Einbindung von Personengruppen einen immer höheren Stellenwert in der Entwicklung ländlicher Räume enthält. Sie definiert zudem den Begriff der Beteiligung und exemplifiziert ihre Ausführungen mit drei praktischen Beispielen, aus denen sie dann Aspekte einer Beteiligungskultur resümiert. Zuletzt nennt die Autorin Kriterien, die eine gelingende Partizipation ermöglichen.

In ihrem Fazit tragen die Herausgeber zentrale Erkenntnisse in sechs Punkten zusammen. Diese sind Sozialraumorientierung, Baukultur und bauliche Ortsentwicklung, technische und soziale Infrastruktur, ferner die Akteure und rechtlichen Rahmenbedingungen. Die letzten Punkte sind die Rolle der integrierten Sozialplanung und Kommunikation, Partizipation und Teilhabe. Sie runden das Fazit mit der Anmerkung, dass eine fachlichen Kompetenz im Kontext der Entwicklung ländlicher Räume auch eine entsprechende berufsethische Haltung erfordert, um ganzheitlich Verantwortung zu tragen.

Diskussion

Das Handbuch geht weit über die Zusammenstellung verschiedener Perspektiven auf das Thema Ortsentwicklung hinaus. Zum einen liegt das daran, dass der Aufbau sowohl im Rahmen einer entsprechenden Aufteilung in Oberthemen, als auch in einer thematisch sinnvollen Reihenfolge gewählt wurde. Zum anderen beinhalten alle Beiträge Übungsfragen und zahlreiche Hinweise im Sinne weiterführender Ressourcen. Das Handbuch dient somit als Nachschlagewerk und als Grundlage für ein ausführliches Studium der Ortsentwicklung in ländlichen Räumen. Es können Student*innen, Lehrende oder Praktiker*innen aus verschiedenen Fachdisziplinen (Soziale Arbeit, Geographie, Architektur usw.) auf die Inhalte zurückgreifen und gleichzeitig den eigenen disziplinären Hintergrund durch die unterschiedlichen Betrachtungsweisen erweitern. Viele der Beiträge sind mit Statistiken oder Grafiken versehen, die einen schnellen Überblick ermöglichen und das Lesen abwechslungsreich machen. Hier sind deutlich didaktische Überlegungen zu erkennen.

Fazit

Insgesamt eine sehr gelungene und rund aufgearbeitete Sammlung wesentlicher Dimensionen des ländlichen Raums, die sich in umfangreicher Weise der Thematik annimmt. Hier wurde der doch teilweise noch randständig behandelten interdisziplinären Herangehensweise an den ländlichen Raum theoretisch, aber auch in weiten Teilen praktisch Rechnung getragen, was das Handbuch für soziale und planende Berufe sehr wertvoll macht. Die Zielstellung der Herausgeber und Autor*innen ist sehr sorgfältig erfüllt worden und lässt auf eine breite Wahrnehmung in den Fachwissenschaften hoffen.

Rezension von
Jens M. Schneider
Sozialarbeitswissenschaftler, M.A. (Hochschule Fresenius - Standort Frankfurt am Main)
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Es gibt 16 Rezensionen von Jens M. Schneider.

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ISSN 2190-9245