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Kathinka Beckmann, Franziska Breitfeld u.a.: Kindeswohl­gefährdung - was kommt danach?

Rezensiert von Pauline Pakebusch, 07.09.2021

Cover Kathinka Beckmann, Franziska Breitfeld u.a.: Kindeswohl­gefährdung - was kommt danach? ISBN 978-3-7344-1158-8

Kathinka Beckmann, Franziska Breitfeld, Claus Gollmann, Katja Werner, Vera Morawetz: Kindeswohlgefährdung - was kommt danach? Ein multidisziplinärer Blick auf die Werdegänge 478 gewaltbelasteter Kinder und ihre Hilfesysteme auf Grundlage der KiD-Verlaufsstudie. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2021. 175 Seiten. ISBN 978-3-7344-1158-8. D: 22,90 EUR, A: 23,60 EUR.
Reihe: Wochenschau Wissenschaft.

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Thema

Als Kindeswohlgefährdung wird ein Verhalten bezeichnet, welches sich schädigend auf ein Kind auswirkt. Dabei können Kinder physisch als auch psychisch nachhaltig verletzt werden. Dadurch ist es vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ein Thema und wird im Buch multiperspektivisch, interdisziplinär als auch kritisch auf Basis einer Verlaufsstudie betrachtet. In besonderem Maße wird der weitere Werdegang von Kindern nach Feststellung einer Kindeswohlgefährdung auf Basis der Studie betrachtet.

Das Buch soll einen Beitrag leisten zur Thematik der transgenerationalen Gewaltweitergabe, welche zwar bereits in verschiedenen Publikationen, meist durch Einzelfallstudien, thematisiert wurde, jedoch der Datensatz von 478 Werdegängen eine Erweiterung der Erkenntnisse erbringen soll. Außerdem werden besondere Risikofaktoren für den weiteren Werdegang der Kinder analysiert.

Autor*innen

Kathinka Beckmann, Professorin im Studiengang „Pädagogik der Frühen Kindheit“, Leiterin des Studienschwerpunkts „Kinderschutz und Diagnostik“ im Master Kindheits- und Sozialwissenschaften der Hochschule Koblenz

Franziska Breitfeld, Volljuristin, Leiterin des Forschungs- und Fortbildungszentrum KindgeRECHT

Claus Gollmann, Paar- und Familientherapeut, Supervisor, Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeut, Gründer und Geschäftsführer der Dachorganisation „KiD Kind in Diagnostik“

Vera Morawetz, psychologische Psychotherapeutin, Schwerpunkte liegen bei der Arbeit bei „KiD Kind in Düsseldorf“ und „KiD Kind in Diagnostik“

Katja Werner, Sozialarbeiterin, Kriminologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei KindgeRECHT, Schwerpunkte sind Gewaltschutz, Gewalt unter Kindern und Diskriminierung von Kindern

Entstehungshintergrund

Die Autor*innen schildern, welche Werdegänge 478 Kinder eingeschlagen haben nach dem eine Gewaltbelastung festgestellt wurde. Dies wird auf Grundlage einer Verlaufsstudie der Düsseldorfer Diagnoseeinrichtung und Intensivgruppe „Kind in Diagnostik“ (KiD) erörtert. Überdies wird in der Studie ebenso darauf eingegangen was für Unterstützungsleistungen vor der Aufnahme bewilligt wurden und welche Verhaltensäußerungen bzw. Informationen die Kinder während des Aufenthalts im KiD preisgegeben haben.

Die KiD Verlaufsstudie entstand im Rahmen der Doktorarbeit von Kathinka Beckmann von 2005–2008 und wurde sowohl 2012 als auch 2018 zur Perspektiverweiterung weitergeführt.

Aufbau

  1. Ein Datensatz – drei Zugänge (S. 5–6)
  2. Kathinka Beckmann: Odysseen im Jugendhilfesystem: Werdegänge im Kontext struktureller Problematiken (S. 7–37)
  3. Claus Gollmann, Vera Morawetz: „Gewalt kommt selten allein…“ Werdegänge vor dem Hintergrund zusätzlicher Risikofaktoren (S. 38–98)
  4. Franziska Breitfeld, Katja Werner: Sexuelle Gewalt gegen Geschwisterkinder: Werdegänge im Kontext zweier Hilfesysteme (S. 99–148)
  5. Kathinka Beckmann: Das Forschungsdesign der KiD-Verlaufsstudie (S. 149–159)
  6. Anhang, Fragebogen, Interviewleitfaden, Autor*innen, Danksagung (S. 160–176)

Inhalt

Das erste Kapitel dient der Einleitung ins Buch. Vor allem wird auf die verschiedenen Blickwinkel der Beiträge eingegangen. Während Morawetz und Gollmann eher eine psychologisch-therapeutische Perspektive einnehmen, wird von Breitfeld und Werner eher eine kriminologisch-juristische Sichtweise eingenommen. Beckmann selbst nimmt eine sozialpädagogisch-politikwissenschaftliche Betrachtungsweise ein.

Im zweiten Kapitel geht Beckmann anfänglich darauf ein, dass in fast jeder Kita oder Schule Familien mit unterstützenden Maßnahmen anzutreffen sind. Das Personal hat diesbezüglich oft den Eindruck, dass das durch das Jugendamt entweder zu wenig oder das Falsche getan wird. Folglich wird in diesem Abschnitt darauf eingegangen was an den installierten Unterstützungsmaßnahmen kritisiert werden kann. Dem entsprechend wird erläutert welchen Stellenwert das KiD im Jugendhilfesystem hat, denn durch die Diagnostik und Empfehlung des KiD werden weitere Maßnahmen für die Kinder durch das Jugendamt entschieden.

Beckmann geht zunächst auf strukturelle Rahmenbedingungen der Jugendhilfe ein, erklärt das Wirtschaftsdreieck und geht auf finanzielle so wie strukturelle Probleme in Bezug auf die Bewilligung von Maßnahmen ein. Im weiteren Verlauf des Beitrags werden Maßnahmen vor Eintritt in das KiD als auch die diagnostische Arbeit im KiD beschrieben und auf die Empfehlungen des KiD für die Kinder sowie deren Berücksichtigung durch das Jugendamt eingegangen.

Innerhalb des dritten Kapitels werden thesenhaft Risikofaktoren behandelt, welche die Kinderschutzarbeit bei bereits eingetretener Kindeswohlgefährdung erschweren. Dabei wurde eine praxisorientiere Perspektive eingenommen, da sie anhand der Ergebnisse der Studie, wie spezifischer Fallbeispiele und Erfahrungen aus der Arbeit diskutiert werden. Behandelte Risikofaktoren sind beispielsweise transgenerationale Traumatisierung oder die strukturelle, finanzielle und qualitative Aufstellung der Akteurinnen in der lokalen Jugendhilfelandschaft.

Der Beitrag von Breitfeld und Werner im vierten Kapitel setzt sich in einer juristischen Sichtweise vertiefend mit einer der größten Gruppen von Schädigenden auseinander. Nach einer Einführung in die Thematiken innerfamiliäre Gewalt und Gewalt unter Kindern wird der Fokus auf sexuelle Gewalt im Hinblick auf Geschwisterkinder gelegt. In diesem Zusammenhang werden auch Risikofaktoren und Systematiken innerfamiliärer sexueller Gewalt dargelegt wie z.B. Veränderungen im Familiensystem oder sexuelle Gewalt als Symptom eines komplexen Zusammenhangs mehrerer Faktoren. Im letzten Punkt werden die Strafjustiz und das Hilfesystem der Kinder- und Jugendhilfe, in den Blick genommen. Im Mittelpunkt stehen die strukturellen, finanziellen Hürden der Systeme in Bezug auf Minderjährige und Angehörige als auch die psychischen Schwierigkeiten für die minderjährigen Akteur*innen und deren Familien.

Das letzte Kapitel stellt eine kompakte Darstellung des Forschungsdesigns und dessen Arbeitsschritte durch Beckmann dar.

Im Anhang befinden sich eine Reihe von Daten in Tabellen zusammengefasst, der genutzte Fragebogen und der Interviewleitfaden der Studie.

Diskussion

Das Buch enthält eine Fülle von Informationen und Anregungen, welche Hürden sowohl das Justizsystem als auch die Kinder- und Jugendhilfe, besonders das Jugendamt überwinden müssen, um nicht nur Kindeswohl herzustellen, sondern auch die Entwicklung der Kinder- und Jugendlichen positiv zu unterstützen. Die einzelnen Kapitel legen jeweils einen anderen Fokus und erbringen verschiedene Perspektiven auf die Thematik. Die Autor*innen kommen mit wenig komplizierten Ausführungen aus. Für die Durchdringung der Thematik relevante Begrifflichkeiten und Zusammenhänge werden verständlich dargelegt und erklärt. Alle Autor*innen lassen ausgewählte Ergebnisse aus der Studie in Form von Tabellen, einzelnen Satzpassagen aus den Interviews oder ausführliche Fallbeispiele in ihre Beiträge einfließen. Die verleiht den Beiträgen einen anschaulichen Einblick in die Praxis und fundiert die einzelnen Argumente.

In Bezug auf die Kritik an bestimmten Strukturen der Hilfesysteme wird pragmatisch dargestellt, dass am Grund der Probleme gearbeitet werden müsste beispielsweise an der Finanzierung von Maßnahmen und der Schaffung von Strukturen die mehr Personal ermöglichen. Einzelne Akteur*innen werden nicht verurteilt, sondern in Bezg zum gesamten System gesetzt und dadurch kritisch betrachtet.

In Bezug auf das KiD hätte zu Beginn eine längere Einführung erfolgen können. Das Konzept des Projekts wird erst im zweiten Beitrag dargelegt, obwohl es dem Lesen der Ausführungen zur Aufnahme und der Zeit im KiD im ersten Kapitel als Grundlage nützlich gewesen wäre.

Fazit

Insgesamt bietet das Fachbuch einen umfassenden Zugang und multiperspektivischen Blick auf den Umgang mit festgestellter Kindeswohlgefährdung. Die Autor*innen geben mit ihren Beiträgen einen Einblick in die Praxis des Kinderschutzes und legen verschiedene systematische Problematiken und Risikofaktoren offen.

Rezension von
Pauline Pakebusch
Master Bildungswissenschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
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Es gibt 1 Rezension von Pauline Pakebusch.

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Zitiervorschlag
Pauline Pakebusch. Rezension vom 07.09.2021 zu: Kathinka Beckmann, Franziska Breitfeld, Claus Gollmann, Katja Werner, Vera Morawetz: Kindeswohlgefährdung - was kommt danach? Ein multidisziplinärer Blick auf die Werdegänge 478 gewaltbelasteter Kinder und ihre Hilfesysteme auf Grundlage der KiD-Verlaufsstudie. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2021. ISBN 978-3-7344-1158-8. Reihe: Wochenschau Wissenschaft. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28259.php, Datum des Zugriffs 26.03.2023.


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