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Carla Schriever (Hrsg.): fEMPOWER

Rezensiert von Vera Taube, 06.07.2021

Cover Carla Schriever (Hrsg.): fEMPOWER ISBN 978-3-8252-5546-6

Carla Schriever (Hrsg.): fEMPOWER. Ratgeber für angehende Wissenschaftlerinnen. UTB (Stuttgart) 2021. 122 Seiten. ISBN 978-3-8252-5546-6. D: 25,00 EUR, A: 25,70 EUR, CH: 32,50 sFr.
Reihe: UTB - 5546. Schlüsselkompetenzen.

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Thema

Ausgangspunkt des vorliegenden Promotionsratgebers ist die Erkenntnis der Autor:innen, dass fachliche Qualifikation oft nicht die einzige Zugangsvoraussetzung in die Wissenschaft darstellt. Weitere für eine Wissenschaftskarriere hilfreiche – wenn nicht sogar unabdingbare – Aspekte sind Kontakte, Motivation, Sozialkompetenz und Insiderwissen. Vor diesem Hintergrund setzt sich das Buch nicht nur das Ziel relevantes Wissen zum Promotionsprozess zu liefern, sondern möchte explizit einen Blick hinter die Kulissen von Academia ermöglichen und damit eine kritische Position zum gängigen Wissenschaftsbetrieb einnehmen. Im Rückgriff auf die dabei enthüllten Zusammenhänge und Mechanismen bietet fEMPOWER neben grundlegenden Informationen zum Promotionsprozess auch coachingorientierte Inhalte. Handlungsorientiert und mit hohem Aufforderungscharakter ergänzen sie gezielt die Hinweise zu fachlichen Qualifikationsanforderungen und integrieren darüber hinausgehende Anforderungen. Diese Kombination macht das Buch vor allem für Promotionsinteressierte und Promovierende interessant, deren Bildungsbiographie sich vom klassischen Weg in die Wissenschaft unterscheidet (Reuter et al. 2020) oder denen der nach wie vor herrschende Diversitätsmangel an Hochschulen Zugänge zum und Teilhabe am Wissenschaftssystem erschwert (Seeck & Theißl 2020).

Die Autor:innen versprechen – wie auch viele andere Promotionsratgeber – eine Sammlung von “konkreten, anwendungsorientierten Beispielen, Tipps und Tricks, die zur “gelungenen individuellen Karriere” in der Wissenschaft verhelfen sollen” (S. 9).

Was diesen Ratgeber allerdings von anderen unterscheidet ist der Anspruch, einen “systemkritische[n] Wegweiser” für Promotionsinteressierte zu liefern. Vor dem Hintergrund von Ausschließungs- und Marginalisierungsprozessen im Wissenschaftssystem betonen die Autorinnen, dass nicht nur die eigene Promotion, sondern auch das System in der sie stattfindet in den Blick genommen werden muss. Durch dieses System, das geprägt ist von “fehlende[r] Repräsentation von Diversität” (S. 14) führt der Weg zur Promotion. In diesem Sinne ist der Promotionsratgeber nicht nur als individuelle Hilfe für Promotionsinteressierte gedacht, sondern zielt vor allem darauf ab, sich im fremden, eventuell als problematisch oder gar feindlich erlebten Umfeld zurecht zu finden – und es zu verändern. Das Buch will das Streben nach “Veränderung von Ungerechtigkeiten, Ausbeutung, Gewalt und Diskriminierungen” (S. 9) aufgreifen und in Motivationspotenzial für die Arbeit an der eigenen Forschung umwandeln. Damit werten die Autor:innen systemimmanente Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten um und ermuntern, auch gegen Widerstände aktiv am Wissenschaftssystem teilzunehmen. Dazu sollen “innerhalb dieser Strukturen Wege [aufgezeigt werden], Ungleichheiten zu beseitigen” (S. 12). Die Autor:innen greifen gezielt Mythen im Promotionsprozess auf (z.B. “dass du dich für diese Arbeit jahrelang “einsiedeln” musst, S. 50) und entwickeln handlungsorientierte Ratschläge diese zu überwinden und mit den dahinter liegenden Herausforderungen umzugehen.

Autor:innen

Als Autorin der hier besprochenen Publikation wird Dr. phil. Carla Schriever auf dem Cover genannt. Das Buch wurde jedoch von einer Gruppe von Autor:innen verfasst und herausgegeben (nähere Angaben zu den beteiligten Autor:innen finden sich im Buch).

Dr. phil. Carla Schriever ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Bildungs- und Sozialwissenschaften der Universität Oldenburg. Sie ist Gründerin und Leiterin des Portals Fem4Scholars, das Wissenschaftlerinnen bei Karrierefragen coacht und angehende Wissenschaftlerinnen* (trans+/non-binary/​inter inclusive) beim Einstieg in eine Promotion zu unterstützen. Sie promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin und lehrt Philosophie, Bildungs- und Medienwissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg sowie an der Philipps-Universität Marburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind poststrukturalistische Ethik und Diversität.

Anspruch und Zielgruppe

Das Buch richtet sich an Promotionsinteressierte ohne disziplinäre Spezifizierung. Die Autor:innen werfen einen systemkritischen Blick auf den Wissenschaftsbetrieb, und weisen auf die Ungerechtigkeiten, Ausbeutung, Gewalt und Diskriminierungen hin, die in seinen (kapitalistischen) Strukturen eingebettet sind. Statt einen Promotionsratgeber zu entwickeln, der schlicht Anforderungen im Promotionsprozess und entsprechende Handlungsanweisungen präsentiert nehmen sich die Autor:innen vor, karriererelevante Informationen zur Promotion zu liefern. Darunter verstehen die Autor:innen, die Leser:innen zu befähigen gestaltend am Wissenschaftsbetrieb teilzuhaben und damit “so viele ungerechte Machtstrukturen wie möglich grundlegend zu zerschlagen” (S. 10). Dazu werden wichtige Stationen und Aufgaben im Promotionsprozess von Grund auf erklärt und mit handlungsorientierten Hinweisen versehen diese zu meistern. Damit spricht das Buch vor allem eine Gruppe von Leser:innen an, die sich im üblichen Wissenschaftsbetrieb kaum repräsentiert sieht und möchte motivieren, sich dort einzubringen, zu etablieren und das System und die Herstellung von Wissen mit zu gestalten.

Zum Einstieg listen die Autor:innen Zugangshürden und erschwerenden Bedingungen für den Einstieg und Verbleib im Wissenschaftssystem an:

  • Zugangshürden und implizite Regeln
  • In den meisten Wissenschaften “dominiert eine cis-männliche weiße Lehrendenschaft” (S. 13)
  • intellektuelle Grabenkämpfe statt wissenschaftlicher Austausch
  • mangelnder Rückhalt, Verständni und Unterstützung im familiären Umfeld 
  • Selbstzweifel
  • “fehlende Repräsentanz von Diversität” (S. 14).

Über den gesamten Text werden neben dem Blick hinter die Kulissen des Wissenschaftsbetriebs gezielte Hinweise für typische Herausforderungen im Promotionsprozess und der Einsozialisation in der Wissenschaft gegeben. Schriever et al. bringen das Ziel ihres Buches in einem Satz auf den Punkt: “ Es ist eine Art Anleitung, die dir helfen soll, dich empowern soll, deine Zweifel und Ängste zu überwinden und mutig deinen Weg zu gehen” (S. 14).

Aufbau und Inhalt

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, geben die Autor:innen umfassende Hinweise zu den Phasen einer Promotion und ihren spezifischen Herausforderungen. In neun Kapiteln und auf 122 Seiten erhalten Leser:innen Einblick in die Anforderungen, die bewältigt werden müssen. Darüber hinaus bietete das Buch Tipps, Übungen und Erfahrungsberichte darüber, wie diese bewältigt werden können. Als Einstieg dient ein kritischer Blick auf das Wissenschaftssystem und eine direkte Ansprache der Leser:innen, die Ungerechtigkeiten und Herausforderungen dort als Motivationsfaktor statt als Hinderungsgrund zu verstehen. Darüber hinaus gehen sie erklärend und coachend auf die Konkretisierung des eigenen Forschungsprojektes, seine Umsetzung und die Erstellung der Dissertation sowie die Endphase bis zur Veröffentlichung ein. Das vorliegende Buch zielt dabei vor allem auf Kernthemen der wissenschaftlichen Tätigkeit wie Konferenzaktivitäten, Finanzierungsfragen, Karrierewege, Publikationen und Lehre ab. In jedem der neun Kapitel finden sich Informationen über die Rolle der jeweiligen Aktivität im Wissenschaftsbetrieb, welcher Nutzen für die eigene Promotion und Karriere darin eingebettet ist und wie sie karriereorientiert angegangen werden kann. Die Ausführungen werden jeweils durch auf die jeweilige Herausforderung abgestimmte und einfach umsetzbare Übungen ergänzt. Darüber hinaus finden Sich am Ende jedes Kapitels kurze Erfahrungsberichte von ehemaligen Coachingteilnehmer:innen zum behandelten Thema.

Kapitel 1: “Finde deinen Forschungsschwerpunkt” zeigt die zentrale Bedeutung sorgfältiger Ausarbeitung des eigenen Forschungsinteresses auf. Hier geben die Autor:innen Hinweise auf das Spannungsfeld zwischen Eigen- und Fremdinteresse und betonen die Notwendigkeit eigene Ideen ins Zentrum zu stellen. Das eigene Thema wird im größeren Zusammenhang des Promotionsprozesses eingebettet und die Anschlüsse zur Betreuungssuche, Netzwerkbildung und eigener Profilierung aufgezeigt. Hier werden eine Reihe von selbstreflexiven Übungen vorgestellt, die vor allem auf die Fokussierung und Auseinandersetzung mit dem eigenen Thema abzielen. Abgerundet wird das Kapitel mit zwei Erfahrungsberichten über die Suche nach dem eigenen Thema und der Entscheidung für Schwerpunktsetzungen innerhalb dieses Themas.

Kapitel 2: “Share your vision: Konferenzen” gibt Hinweise zu den klassischen Präsentationsformaten Kongress, Konferenz und Workshop. Interessant sind die Ausführungen über die dazu gehörenden Herausforderungen in Form des Call for Papers und Abstract Schreibens und die detaillierte Darstellung zu Organisatorischem rund um den Konferenzbesuch oder -auftritt. Hier zeigt sich deutlich die Intention des Buches, Informationen von Grund auf transparent zu machen und Leser:innen durch praktische Hinweise zu coachen. Besonders hilfreich – vor allem als Mittel gegen Verunsicherung und Selbstzweifel – ist der Abschnitt zur Typologie von Fragestellungen und Kommentaren, die im Anschluss an einen Vortrag zu erwarten sind. Diese Informationen helfen, Reaktionen des Publikums zu objektivieren, hilfreiche Anteile für die eigene Arbeit herauszufiltern und sich gegen Angriffe und zu schützen. Das Kapitel enthält zwei Übungen zu zentralen Aufgaben hinsichtlich Konferenzen: dem Meistern eines Call for Papers und dem Umgang mit Feedback. Es schließt mit Erfahrungsberichten, die Einblick in Erlebnisse und Vorteile geben, wenn der Mut und die Mühe aufgebracht werden, sich auf die Herausforderungen von Konferenzen einzulassen.

Mit dem 3. Kapitel: “Dein Weg zur Promotion” geht der Ratgeber über zur Arbeit am eigenen Forschungsprojekt. Im Sinne des Anspruches der Autor:innen, die Leser:innen zu motivieren und zu stärken stellt dieser Einstieg das folgende Kapitel in den Kontext des Empowerments angehender Wissenschaftler:innen. Neben Hinweisen zu den wichtigsten formalen Schritten zur Promotion (3.1 - 3.4) wird hier auch zu konkreten Arbeitstechniken informiert (3.5 - 3.11). Zuerst wird ein Mythos dekonstruiert: es ist nicht notwendig mit der Promotion zu warten bis man eingeladen, aufgefordert oder gebeten wird dies zu tun. Die Promotion wird als eigenes Projekt gekennzeichnet und es werden konkrete Hinweise auf die Planung und Durchführung dieses Projekts gegeben. Arbeitspläne, Literatur-, Zeit- und Selbstmanagement-Tipps sind hier ebenso aufgeführt wie Hinweise auf Selbstfürsorge und Psychohygiene. In knappen Unterkapiteln werden alle Stationen einer Promotion abgehandelt: Themenfindung, Exposé, Betreuungssuche und -zusammenarbeit, Planung und Umsetzung der eigenen Forschung, Beenden und Einreichen, Disputation und Publikation. Die Übungen zu diesem Themenfeld zielen auf die Betreuungssuche und die Verteidigung ab. Interessant ist die Checkliste zum Endspurt der Dissertation, denn sie bietet sehr konkrete Hinweise mit Zeitplan und Aufgaben für den Abschluss der Arbeit. Zum Thema Umsetzung und Selbstmanagement sind bereits praktische Hinweise in den jeweiligen Unterkapiteln zu finden. Auch hier runden Erfahrungsberichte von ehemaligen Coachingteilnehmer:innen die Inhalte des Kapitels ab.

Ein weiteres zentrales Thema im Wissenschaftsbetrieb aufgreifend, beschäftigt sich Kapitel 4: “It’s all about the money” mit Finanzen. Die Autor:innen stellen fest “Academia ist ein teures Pflaster” (S. 60). Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über Finanzierungsmöglichkeiten und deren Vor- und Nachteile für Promovierende. Hier werden interessante Blicke hinter die Kulissen zum Umgang mit Kosten und Anträgen an Fakultäten und Instituten gewährt. Der Grundtenor in diesem Kapitel stimmt wieder mit der Empowermentorientierung der Autor:innen überein: Leser:innen werden ermutigt und aufgeklärt Gelder zu beantragen, sich bei Stipendien zu bewerben und die dafür notwendigen Unterlagen zu sammeln und einzufordern (z.B. Nachweise ehrenamtlichen Engagements, Empfehlungsschreiben, Gutachten). Die Autor:innen informieren über Auswahlverfahren und diskutieren finanzielle und ideelle Förderformen. Zum Ende des Kapitels gewähren die Autor:innen eine Blick über den Promotionstellerrand: der “constant struggle for money” (S. 71) in der Wissenschaft wird hier auch für die Postdoc Phase aufgegriffen und es werden Wege erläutert, sich diesem zu stellen. Die drei abschließenden Übungen des Kapitels zielen auf Beantragung von Kosten für einen Konferenzbesuch, Verfassen eines Motivationsschreibens und Karriereplanung ab. Die Erfahrungsberichte zum Finanzierungsthema drehen sich um verschiedene Stipendienformen.

Kapitel 5 widmet sich der Frage nach “Bewerben in der Wissenschaft für Einsteiger*innen”. In diesem Kapitel drehen sich die Ausführungen um die Logik der Bewerbung um verschiedene wissenschaftliche Anstellungsverhältnisse und das Auswahlverfahren, das diesem zugrunde liegt. Zunächst werden verschiedene Anstellungsformen in ihren Vor- und Nachteilen für Promovierende vorgestellt. Besonders hervorzuheben ist, dass die Autor:innen hier auf das Wissenschaftszeitgesetz eingehen, ein Thema das selten in Promotionsratgebern erwähnt wird, das jedoch große Auswirkungen auf die Stellenplanung der Promovierenden haben kann. Die Hinweise zu den Bewerbungsunterlagen sind kurz aber hilfreich. Es gelingt den Autor:innen die den Wissenschaftsbetrieb eigenen Anforderungen an Bewerbungsunterlagen und für Vorstellungsgespräche verständlich und handlungsorientiert zu vermitteln. Um sich zu diesem Thema umfassender zu informieren, vor allem um disziplinspezifische Feinheiten für das eigene Bewerbungsverfahren kennen zu lernen, empfiehlt es sich, weitere Literatur zu konsultieren. Die Übung zum Abschluss des Kapitels zielt auf das Verfassen eines Übungsanschreibens ab, die Erfahrungsberichte umfassen Erlebnisse in verschiedenen Anstellungsverhältnissen im akademischen Bereich.

Das 6. Kapitel verfolgt die Frage “Publish or Perish?” und gibt eine Einführung ins Publizieren. Dieses Kapitel ist sehr kurz gehalten, beinhaltet aber die notwendigen Grundinformationen zu diesem Kernthema der Wissenschaft. Die Kürze des Kapitels steht im Kontrast zur Einführung des Themas als “zentrales Feature[s] der Wissenschaft” (S. 95). Die Autor:innen konzentrieren sich auf die Auseinandersetzung mit Publikationen als Mittel um in der Wissenschaft sichtbar zu werden. Einführend verweisen sie auf den Sinn ein strategisches Vorgehen zu entwerfen, um sich mit dem eigenen Forschungsinteresse gezielt über Publikationen im Feld zu etablieren. Im weiteren Verlauf werden verschiedene Veröffentlichungsoptionen überblicksartig vorgestellt. Die Übungen dieses Kapitels fokussieren das Herausarbeiten der eigenen Expert:innenposition und des eigenen Forschungsthemas. In den Erfahrungsberichten werden noch einmal verschiedene Publikationswege aufgegriffen. Da das Thema Publizieren im Wissenschaftsbetrieb von hoher Relevanz ist und Entscheidungen, wo und wie zu Publizieren von großer Bedeutung für die eigene wissenschaftliche Karriere sein kann, empfiehlt es sich für dieses Thema ergänzende Literatur und Informationsquellen zu nutzen. Die zu diesem Themenbereich relevante Thematik des Schreibens und Verfassens unterschiedlicher Textformen fehlt gänzlich.

Ein in Promotionsratgebern selten vorkommendes Thema wird in Kapitel 7 aufgegriffen: “Teach to inspire: Lehre gestalten”. Auch dieses Kapitel ist sehr kurz gehalten, beinhaltet jedoch nützliche Tipps zur Entwicklung eigener Seminare, der Entwicklung eines eigenen Lehrportfolios und kreativer Lehrformate (Werkstätten, Exkursionen, studentische Tagungen und Veröffentlichungen) für die Hochschullehre. Die Übungen sind in die Erläuterungen eingebettet und zielen vor allem auf die Erstellung eines Lehrportfolios ab. In den Erfahrungsberichten werden Erlebnisse mit kreativen Lehrformaten dargestellt. Je nach späterer Karriereplanung kann das Thema Lehre mehr oder weniger relevant für Doktorand:innen und Promotionsinteressierte sein. Für eine tiefere Auseinandersetzung muss hier auf weitere Literatur verwiesen werden.

Die Reihe kurzer Kapitel setzt sich mit dem Thema “Karriere in der Wissenschaft ist einfach nur Stress, ist das wahr? – Stressmanagement für angehende Wissenschaftler*innen” in Kapitel 8 fort. Nach kurzen einführenden Worten über häufig auftretende Unsicherheitsfaktoren wie Selbstzweifel, Perfektionismus und Leistungsdruck werden Übungen zum Durchbrechen von negativen Gedankenschleifen, Imposter Syndrom und verursachenden Hierarchien vorgestellt. Diese drehen sich zumeist darum, inne zu halten und genau hinzusehen, was Stress und Zweifel verursacht und wo angesetzt werden kann, um darüber hinweg zu kommen. Erfahrungsberichte zu diesem Thema bleibt das Kapitel allerdings schuldig.

Das Buch schließt in Kapitel 9 mit einem “Plädoyer für Mut und eine neue Kultur des Scheiterns”. Das Kapitel ruft dazu auf konstruktiv und transparent mit dem in der Wissenschaft tabuisierten Thema des Scheiterns umzugehen. Leider ist es ebenfalls sehr knapp gehalten. Nach einer kurzen Einführung wendet sich das Kapitel in eine Ansammlung von Aufforderungen und Ratschlägen, die die Leser:innen direkt adressieren. Mit Aufrufen zu Mut und Beharrlichkeit liefert es Ansporn für die Leser:innen den Wissenschaftsbetrieb in seinen oft ungerechten, diskriminierenden und benachteiligenden Strukturen zu erobern. Die Appelle wirken auffordernd und ermutigend, alles zuvor gelesene nun in die Tat umzusetzen. Viel Neues erfahren Leser:innen hier neben der Sensibilisierung für das Thema Scheitern nicht, vielmehr sind die Hinweise aus vorangegangenen Kapiteln hier noch einmal als mutmachende Appelle zusammengefasst. Das Kapitel schließt mit einer Übung zum Finden eines Role Models und beinhaltet wie Kapitel 8 keine Erfahrungsberichte.

Diskussion

Das vorliegende Buch “fEMPOWER” verspricht einen “systemkritische[n] Wegweiser” (S. 9) und “karriererelevante[n] Informationen zur Promotion, Stipendien und Schreibtools zum Einstieg in die Wissenschaftskarriere” (Klappentext). Dabei verfolgen die Autor:innen nicht nur das Ziel individueller Befähigung und Orientierung, sondern zielen darauf ab, Marginalisierten und Klassismusbetroffenen Zugang und Verbleib innerhalb des Wissenschaftssystems zu sichern. Dieses Versprechen wird vorrangig durch die Darstellung von zentralen Aspekten des Promovierens und des Wissenschaftsbetriebes, deren Hintergründe und Herausforderungen transparent gemacht werden, eingelöst. Die genaue Erklärung von Grundbegriffen, Aufgaben und Funktionen dieser Aspekte dient dazu, sich Grundwissen über den Wissenschaftsbetrieb anzueignen. Darüber hinaus hilft sie, sich in der für Einsteiger:innen oft neuen und durch Diversitätsmangel gekennzeichnete Hochschulkultur zurecht zu finden und sie sich Schritt für Schritt anzueignen. Die gebotenen Übungen sind einfach und ohne viel Aufwand durchführbar. Sie treffen dabei zielgenau den Zweck im jeweiligen Themenkontext und ermöglichen die individuelle Auseinandersetzung mit den zuvor erklärten Themen. Abgerundet werden die Ausführungen und Übungen mit Erfahrungsberichten, die einen authentischen Einblick in die Wissenschaftskultur liefern und modellhaft die Bewältigung der darin eingebetteten Herausforderungen zeigen.

Im Buch wird deutlich herausgearbeitet, welcher Aufgaben zu meistern sind und wie das gelingen kann. Es wird auf Eigenverantwortung gedrungen aber die für die eigene Auseinandersetzung nötigen Informationen und Grundlagen vermittelt. Die Stärke dieses Buches ist seine Mischung aus Informationsvermittlung und Coaching-Elementen. Hier wird bei aller Eigenverantwortung und Betonung der unerlässlichen Vorarbeit und Vorbereitung ein gutes Fundament für das eigene Engagement geschaffen. Vor allem im Hinblick auf die oftmals erwähnte Geduld, Ausdauer und Beharrlichkeit, die benötigt wird, um sich Wissenschaftsbetrieb durchzusetzen und zu etablieren erscheinen die Inhalte des Buches gewinnbringend. Anstatt sich an den Grundlagen abzuarbeiten können Promotionsinteressierte und Promovierende sich mit Hilfe der Tipps und Übungen mit den dahinter liegenden Aufgaben auseinandersetzen und sich aktiv in den Wissenschaftsbetrieb einsozialisieren.

An einigen Stellen halten sich Autor:innen sehr kurz – das ist vor allem bedauerlich bei den Inhalten, die kritische Aspekte im Wissenschaftssystem behandeln, wie die unzureichende Fehlerkultur, die mangelnde Vernetzung und Solidarität unter Peers und Leistungsdruck. Mit diesen Themen unterscheidet sich das Buch besonders von anderen Promotionsratgebern – greift diese Chance jedoch nicht vertiefend auf. In einem Buch, das sich kritisch mit den gegebenen (zugegeben oft ungerechten, diskriminierenden und marginalisierenden) Strukturen auseinandersetzen will, ist mangelnde Tiefe bzw. der Verweis auf weiterführende Literatur bei Kernthemen wie Publikation, Themenfindung oder Finanzierung allerdings zu verschmerzen, denn der Schwerpunkt des Buches liegt auf der handlungsorientierten Befähigung und Aufklärung der Leser:innen den Wissenschaftsbetrieb besser zu verstehen und sich darin einzubringen. Das ist im Rahmen des gesetzten Ziels der Autor:innen gelungen. Leider finden sich im Buch keine Hinweise auf weiterführende Literatur, um die angeschnittenen Themen weiter zu vertiefen und sich über die coaching orientierte Perspektive hinaus damit auseinander zu setzen.

Fazit

Dieses Buch ist aufgrund seiner systemkritischen und handlungsorientierten Perspektive nicht nur für Promotionsinteressierte interessant, sondern auch für diejenigen, die sich bereits im Prozess befinden. Ebenfalls zu empfehlen ist das Buch für Betreuungspersonen und Doktoreltern. Es zeigt den Wissensbedarf von Einsteiger:innen in den Wissenschaftsbetrieb auf und macht die oft unsichtbaren aber in ihrer Wirkung durchschlagenden Hürden und Fallstricke sichtbar. Damit kann es die Perspektive der Betreuenden gewinnbringend erweitern und die Betreuungspraxis inspirieren, grundlegenden Themen zu erkennen und zu berücksichtigen.

Wer sich umfassende Hinweise zu promotionsrelevanten Themen wie Forschungsmethoden, wissenschaftlichem Schreiben oder theoretischer Verortung wünscht, wird in diesem Buch nicht fündig – unter anderem aufgrund der fehlenden Bibliographie. Wer sich also über die erste Information und die Abwägung der Entscheidung hinaus mit dem Thema Promotion auseinandersetzen will, muss auf andere Promotionsratgeber wie z.B. das “Handbuch Promotionsförderung” (Franck, 2019) oder einschlägige Werke zu den einzelnen promotionsrelevanten Themen zurückgreifen. Ein anschlussfähiger Ratgeber im Hinblick auf diversitätssensible Zugänge zur Promotion findet sich u.a. im Buch “Promovieren mit Plan” von Gunzenhäuser und Haas (2019).

Quellenverzeichnis

Franck, N. (2019). Das Promotionshandbuch. UTB.

Gunzenhäuser, R. & Haas, E. (2019). Promovieren mit Plan. UTB

Reuter, J., Gamper, M., Möller, C. & Blome, F. (Hg.). Vom Arbeiterkind zur Professur. Transcript.

Seeck, F. & Theißl, B. (2020). Solidarisch gegen Klassismus. Unrast.

Rezension von
Vera Taube
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ISSN 2190-9245