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Wolfgang Mischke: Pädagogische Beratung

Rezensiert von Dipl. Soz.-Päd. Gerd Schweers, 19.07.2021

Cover Wolfgang Mischke: Pädagogische Beratung ISBN 978-3-339-12196-7

Wolfgang Mischke: Pädagogische Beratung. Theorie und Anleitung zur Praxis der Beratung als soziale Handlung. Verlag Dr. Kovač GmbH (Hamburg) 2021. 248 Seiten. ISBN 978-3-339-12196-7. D: 88,90 EUR, A: 91,40 EUR.
Schriftenreihe Sozialpädagogik in Forschung und Praxis - 42.

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Thema

Zum Thema „Pädagogische Beratung“ verspricht das Buch sowohl eine Theorie wie auch eine Anleitung zur Praxis

Autor

Im Buch gibt es keinerlei Informationen zum Autor. Da ich diese Informationen keineswegs als nebensächlich betrachte, habe ich eine kurze Internetrecherche durchgeführt. Herr Dr. Mischke war nach meinem Kenntnisstand an der Universität Oldenburg am Institut für Pädagogik mit dem Schwerpunkt Pädagogische Psychologie und Unterrichtsforschung langjährig tätig. Er ist seit mehreren Jahren pensioniert.

Entstehungshintergrund

Im Buch gibt es zu dessen Hintergrund keinerlei Informationen. In den Veröffentlichungen des Autors gibt es allerdings in einem anderen Verlag einen sehr ähnlichen Titel mit sehr ähnlichem Umfang, der allerdings als „nicht verfügbar“ gekennzeichnet ist. Der ungewöhnlich hohe Preis des Buches, der für private Nutzer sicher ein erhebliches Hindernis zum Erwerb darstellt, legt die Vermutung einer Eigenfinanzierung des Drucks nahe.

Aufbau

Nach einer Einleitung folgt ein Hauptteil, der sich mit der Theorie der pädagogischen Beratung (I) befasst. Darauf folgte ein zweiter Hauptteil (II) zur „Praxis des Beratens“. Am Ende des Buches (S. 227ff) erleichtern Reflexionen zum Aufbau des Buches das Verständnis von Struktur und Inhalt. Den Abschluss der Arbeit bildet die Literaturliste.

Inhalt

Im ersten Teil erfolgt zunächst eine definitorische Herangehensweise an das Thema Beratung, gefolgt von einer Darstellung der Theorie des Beratungsprozesses. Diese Theorie des Beratungsprozesses umfasst einerseits Überlegungen, die auf handlungstheoretischen Quellen fußen (I.2.), weitergehend aber auch Überlegungen zu einer integrativen Handlungstheorie (I.3.), die auch psychologische Aspekte wie die Entwicklung der Persönlichkeit, Motivation, Selbststeuerung, Bedeutung der Gefühle und weiteres beinhaltet. Als weiteres Kapitel folgt eine Theorie der Hilfe (I.4.) die unter anderem die Themen Hilfe, Helfer, Hilfsformen und Wirkmechanismen thematisiert. Im Abschluss des Hauptteils (I.5) geht es schließlich um Regeln, Rezeptwissen und die Rollen der an der Beratung beteiligten.

Im darauffolgenden zweiten Hauptteil geht es nach Abhandlung einiger Aspekte des Beratungshandelns (II.6.) um Handlungsfelder und Formen der pädagogischen Beratung (II.7.), gefolgt von einem größeren Kapitel über Grundlagen der Gesprächsführung (II.8.), dass u.a. soziologische, kommunikationstheoretische, personenzentrierte und andere Quellen nutzt. In den letzten Kapiteln geht es schließlich um Strategien und Gesprächspläne in der Gesprächsführung, Möglichkeiten für unterstützende Hilfen durch u.a. Entspannungsverfahren und Videofeedback und zum Schluss um die Nutzung von Objekttheorien im Beratungsprozess (konkret geht es um lebenszyklische Aspekte krisenhafter Entwicklung) sowie um angemessene Formen des Qualitätsmanagements und der Dokumentation.

Diskussion

Im Boom verschiedener Beratungsmethoden haben die Erziehungswissenschaften und ihre Beiträge zu einer Theorie der Beratung deutlich weniger Bedeutung. Regelmäßig erscheinen jedoch Veröffentlichungen, die genau diesen Zusammenhang thematisieren. Das Buch ist also auch ein Beharren auf den spezifischen Beiträgen der Erziehungswissenschaft. Ob dies von Nutzen für potentielle Berater ist, können wir anhand des Theorie- und des Praxisteils diskutieren. Die Literaturliste ist umfangreich, weist aber einen erheblichen Teil sehr alter, nicht immer nur „klassischer“ Beiträge zum Thema auf. Der souveräne Zugriff auf diese Quellen spiegelt m.E. die lange Erfahrung des Autors und seine Verwurzelung in akademischen Arbeitstraditionen wieder. Für eine neue Erscheinung mangelt es aber an der Diskussion von Themen, die seit vielen Jahren in der Literatur zur Beratung eine bedeutsame Rolle spielen, wie Auftragsanalyse und Parteilichkeit. Exemplarisch kann dieser Mangel auch erklärt werden am Thema der Freiwilligkeit des Beratungsklienten, die kurzerhand als „konstitutiv für diese kommunikative Gattung“ (S. 14) deklariert wird. Gerade im Bereich sozialer Arbeit ist aber eine beachtliche Schwankung zwischen Freiwilligkeit und teils offenen, teils verdeckten Zwängen typisch für das Arbeitsgebiet. In neueren, hier nicht genutzten Veröffentlichungen wird weiterhin unterschieden zwischen transitiver (Weitergabe von Wissen, Ausgleich eines Wissensunterschieds ) und reflexiver Beratung (Anstoß zur Entwicklung von Personen und Systemen unter Beachtung der systemspezifischen Eigenlogik und psychologischen Dynamik ), ein qualitativ überaus bedeutsamer Unterschied, der hier lediglich in wenigen Zeilen abgehandelt wird (S. 15).

Der Praxisteil spiegelt m.E. eine besondere Schwäche erziehungswissenschaftlich fundierter Beratungsansätze wieder. Die konkreten Interventionen sind nicht in einer fundierten und entsprechend dokumentierten Praxis erprobt und entwickelt worden, sondern sind im Regelfall anderen etablierten Beratungsansätzen entnommen. In Kapitel 8 werden unterschiedliche Modelle zitiert, die anderen Beratungsansätzen entstammen. Ausgesprochen ärgerlich ist hier, dass nicht einmal die schon seit langem aus gutem Grund benutzte Bezeichnung „Personzentrierter Ansatz“ für den durch Rogers begründeten Ansatz der Beratung und Psychotherapie benutzt wird, sondern der veraltete Begriff „Klientzentriert“ (S. 144). Ähnlich kritisches gilt für die Kapitel 9.4 und 9.5 („Grundlegende und komplexe Gesprächspläne“) die in vergleichbarer Form z.B. als „differenzielle Interventionen“ im klientzentrierten Ansatz Bedeutung haben. Die zurzeit dominierenden Beratungsformen verfügen über ein differenziertes Instrumentarium der Vermittlung (u.a. Lehrberatung, Supervision, Selbsterfahrung) in zweckentsprechenden Institutionen, z.B. Ausbildungsinstituten. Diese Ausbildungsinstitute werden hinsichtlich ihrer Qualität von den entsprechenden Verbänden geprüft und zertifiziert, ihre Ausbilder müssen bestimmte Qualitätsstandards erfüllen Vergleichbares existiert für den Bereich der pädagogischen Beratung nach meinem Wissensstand nicht, zumindest werden diese speziellen Lehrformate hier nicht einmal erwähnt, was für diesen Ansatz einen erheblichen Nachteil für eventuelle Nutzer und Interessierte bedeutet, da diese Ausbildungsteile von hoher Bedeutung im Rahmen des Lernprozess sind.

Fazit

Das Buch ist ein weiterer Beitrag zur erziehungswissenschaftlichen Fundierung der Beratung. Trotz einer beachtlichen Literaturgrundlage, die aus zahlreichen klassischen und älteren Quellen, aber auch neueren Veröffentlichungen besteht, lässt es eine aktuelle Diskussion zu vielen bedeutsamen Themen vermissen und weist in der Annahme von grundsätzlicher Freiwilligkeit der Beratung eine ausgesprochene „Praxisfremdheit“ auf. Im Praxisteil zeigt sich die größte Schwäche dieses Ansatzes, der im Unterschied zu anderen Ansätzen (z.B. Personenzentrierte Beratung, Systemische Beratung) nicht über originäre und in zahlreichen Praxisbereichen erprobte und verankerte Interventionstechniken verfügt. Das Feedback aus der Ausbildungspraxis in die Ebene der akademischen Bearbeitung entfällt dadurch weitgehend.

Rezension von
Dipl. Soz.-Päd. Gerd Schweers
Systemischer Familientherapeut, Ausbilder der GwG (GF, SV), Supervisor DGSv
Lehrer für besondere Aufgaben (Theorien und Methoden der Sozialarbeit) i.R.
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Es gibt 21 Rezensionen von Gerd Schweers.

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ISSN 2190-9245