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Oliver Bienia: Kindliche Sexualität in Kindertageseinrichtungen

Rezensiert von Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß, 15.02.2022

Cover Oliver Bienia: Kindliche Sexualität in Kindertageseinrichtungen ISBN 978-3-7799-3922-1

Oliver Bienia: Kindliche Sexualität in Kindertageseinrichtungen. Pädagogische, psychologische, soziologische und rechtliche Zugänge. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2021. 141 Seiten. ISBN 978-3-7799-3922-1. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 27,90 sFr.
Reihe: Studienmodule Kindheitspädagogik.

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Thema

Körper, Geschlecht und (kindliche) Sexualität spielen bereits im Kindesalter eine Rolle – und so auch in der KiTa. Der vorliegende Sammelband resümiert den aktuellen Forschungsstand und stellt ihn praxisnah vor.

Autor und Autorin

Oliver Bienia, Diplom-Psychologe und Bildungsreferent, ist Mitarbeiter im Projekt „Pädagogische Qualität in schleswig-holsteinischen Kindertageseinrichtungen im Dialog entwickeln“.

Sylvia Kägi ist Professorin für Pädagogik der Kindheit an der Fachhochschule Kiel.

Aufbau und Inhalt

Der aus einer Einleitung und neun Beiträge bestehende Sammelband gliedert sich grob betrachtet in zwei Schwerpunkte: Der erste Schwerpunkt stellt das Themenfeld „Kindliche Sexualität“ allgemein und in seiner gesellschaftlichen Dimension vor, der zweite fokussiert spezifisch und praxisnah auf den KiTa-Alltag.

Sylvia Kägi und Oliver Bienia eröffnen in der Einleitung das Themenfeld der Kindlichen Sexualität im KiTa-Alltag und fokussieren auf die fachliche Verantwortung der tätigen pädagogischen Fachkräfte. Im Weiteren geben sie einen Überblick über den Sammelband.

In den folgenden Beiträgen, die als ersten Schwerpunkt die allgemeine gesellschaftliche Einordnung des Themas vollziehen, werden Fragen der „Sexualisation“, also der Sozialisation hinsichtlich des Geschlechtlichen und Sexuellen in der aktuellen Gesellschaft (Melanie Groß), die Bedeutung der Familie bei der sexuellen Entwicklung des Kindes (Torsten Linke) und die historischen und aktuellen gesellschaftlichen Debatten um das Sexuelle des Kindes, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Anstrengungen der Prävention von sexualisierter Gewalt (Jörg Nitschke) umrissen. Dabei klingen in den Aufsätzen jeweils Bezüge zur Bedeutung aktuell in der KiTa an.

Ausgehend von dem Beitrag von Melanie Kubandt fokussieren die weiteren Aufsätze direkt auf den KiTa-Alltag. Kubandt skizziert, aus Sicht der Forscherin, den Umgang mit Körpernähe in der KiTa und zeigt die Herausforderung der Grenzziehungen auf. In Handlungsempfehlungen plädiert sie dafür, von pauschalen Unschuldsvermutungen sowie von einem pauschalen Generalverdacht in Bezug auf eigene sexuelle Interessen von Fachkräften abzugehen, gerade im Hinblick auf einen Generalverdacht, dem männliche Fachkräfte in der KiTa ausgesetzt sind. Es schließen sich Aufsätze zur Relevanz und Selbstverständlichkeit von kindlichen Körpererkundungsspielen (Doktorspielen) (Oliver Bienia und Sylvia Kägi), zu Fragen der Sexuellen Bildung bzw. vielmehr Sexualerziehung in der KiTa (Nadine Ben Sabeur) und zur Elternkooperation (Sabine Redecker und Verena Winter) an, bevor abschließend der Fokus auf das Thema Prävention von sexualisierter Gewalt (Beiträge von Jörg Maywald sowie von Andrea Sälinger und Sabine Herrenbrück) gelegt wird. Letztere Autorinnen fokussieren auf das Kinderschutzkonzept in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, was wieder den Bogen zur Einleitung schließt, in der bereits der gedankliche christliche Bezug in der Abgrenzung einer „leiblichen“ von einer „seelischen“ Dimension anklingt.

Diskussion

Die Beiträge des vorliegenden Bandes geben einen fundierten aktuellen Einblick in den Forschungs- und Diskussionsstand zur Bedeutung von Körper, Geschlecht und (kindlicher) Sexualität in der KiTa. Sie schlagen die Brücke zwischen Theorie und Praxis und stellen dabei eine hilfreiche Ergänzung der weithin zugänglichen Broschüren der Bundesländer und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) [1] dar, die das Themenfeld sexuelle Entwicklung von Kindern Fachkräften und Eltern vorstellen.

Ergänzend dürften die aktuellen Ergebnisse der retrospektiven Befragung Jugendlicher im Hinblick auf erlebte Doktorspiele relevant sein (es sind die ersten zum Thema Doktorspiele überhaupt), die das Institut für Angewandte Sexualwissenschaft der Hochschule Merseburg 2020/21 erhoben hat. [2] Ein Drittel der Befragten Jugendlichen (n = 792) erinnerten eine eigene Beteiligung an Doktorspielen. Von denjenigen mit entsprechenden Erfahrungen gaben 96 % an, dass die Doktorspiele auf eigene Initiative oder auf die Initiative anderer Kinder, bei eigener Zustimmung, zurückgingen, 4 % gaben an, dass Doktorspiele gegen ihren Willen stattfanden. Es wird also auch hier die Bedeutung der professionellen Arbeit der pädagogischen Fachkräfte deutlich.

Fazit

Das vorliegende Buch eröffnet Fachkräften gut das Themenfeld Körper, Geschlecht und (kindliche) Sexualität und stellt Wissenschaftler*innen eine aktuelle Bestandsaufnahme zum Themenfeld zur Verfügung. Insgesamt ist die Publikation ein Plädoyer dafür, die Professionalität in den Einrichtungen auch im Hinblick auf die Themen der sexuellen Entwicklung und der Prävention von sexualisierter Gewalt zu erhöhen. Diese Themen sollten grundständig in Curricula der Aus- und Fortbildung berücksichtigt werden und in den Einrichtungen verpflichtend sowohl sexualpädagogische als auch Schutzkonzepte implementiert werden. Der Prozess der Implementierung sollte dabei über eine gute „Öffentlichkeitsarbeit“ den Eltern und der Öffentlichkeit transparent gemacht und die Eltern in den Prozess einbezogen werden.


[1] Hier unter anderem: „Liebevoll begleiten: Körperwahrnehmung und körperliche Neugier kleiner Kinder Ein Ratgeber für Eltern zur kindlichen Entwicklung vom 1. bis zum 6. Lebensjahr“ (BZgA, online zugänglich: https://shop.bzga.de/liebevoll-begleiten-13660500/, Zugriff: 7.2.2022).

[2] Ergebnisüberblick: „PARTNER 5 Jugendstudie“ (IFAS, online: https://www.ifas-home.de/partner-5-jugenderhebung/, Zugriff: 7.2.2022).

Rezension von
Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß
Professur Sexualwissenschaft und sexuelle Bildung
Hochschule Merseburg
FB Soziale Arbeit. Medien. Kultur
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Es gibt 61 Rezensionen von Heinz-Jürgen Voß.

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Zitiervorschlag
Heinz-Jürgen Voß. Rezension vom 15.02.2022 zu: Oliver Bienia: Kindliche Sexualität in Kindertageseinrichtungen. Pädagogische, psychologische, soziologische und rechtliche Zugänge. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2021. ISBN 978-3-7799-3922-1. Reihe: Studienmodule Kindheitspädagogik. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28378.php, Datum des Zugriffs 12.09.2024.


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