Claus Nowak: Konfliktlandschaften
Rezensiert von Thomas Reinhardt, 18.01.2022

Claus Nowak: Konfliktlandschaften. Konflikte in Organisationen erkennen, analysieren und lösen. Limmer Verlag (Meezen) 2021. 280 Seiten. ISBN 978-3-928922-55-5. D: 38,00 EUR, A: 39,10 EUR.
Autor, Thema und Entstehungshintergrund
Claus Nowak arbeitet seit über 30 Jahren in den Bereichen Coaching, Konfliktmanagement und Organisationsberatung. Der ursprüngliche Gymnasiallehrer ist Honorarprofessor für Personal- und Organisationsentwicklung an der Universität Hamburg und Stiftungsrat in seiner Stiftung für ökologische und interkulturelle Bildung der «Professor-Nowak-Stiftung».
Sein Beratungshintergrund setzt sich aus Psychodrama, Transaktionsanalyse und themenzentrierter Interaktion zusammen. Er ist Autor und Co-Autor vieler Sachbücher zu diesen Themenbereichen und Mitbegründer eines Instituts für personale und organisationale Entwicklung («Radwege Institut»).
Das vorliegende Buch ist unter «Konfliktlandschaften» im Limmer, C Verlag erschienen und will ein «Arbeitsbuch» sein. C. Nowak möchte damit hilfreiche Modell «bündeln» (Seite 4) und mit konkreten Erfahrungen aus seiner Beratungspraxis anreichern.
Aufbau
Auf knapp 50 Seiten führt der Autor in das Thema ein, unterteilt dann die Bereiche in strategisches, inneres und situatives Konfliktmanagement. Jedem dieser Bereiche ist ein Anhang hinzugefügt, der unterstützende Arbeitsmaterialien für die jeweilige Fragestellung zur Verfügung stellt. Das Buch schließt mit Überlegungen zur Rolle von Führung und Beratung ab. Der Aufbau des Buches wird am Ende der Einleitung erklärt.
Inhalt
Die umfangreiche Einführung fasst das Wissensrepertoire humanistisch orientierter Konfliktmanager und -managerinnen zusammen. Ausgehend von den Grundmotiven menschlichen Handelns und der Würdigung von Konflikten als selbstverständlicher Bestandteil des Lebens geht Nowak auf die Phänomenologie der «Aggression» ein und gibt eine gute Orientierung, wann ein Konfliktmanager in der Beratung aggressives Verhalten zulässt oder eher unterbindet. Dazu stellt sie oder er sich beispielsweise die Frage, ob eine emotionale Entlastung zu einer konstruktiven Lösung beitragen könnte oder eher zu einer weiteren Eskalation.
Dies führt zur Frage des Verhältnisses von Macht, Gewalt, Autorität und nimmt Bezug zu den experimentellen Erkenntnissen, u.a. von Milram, Zimbardo und den systemtheoretischen Herleitungen von Luhmann. Schliesslich führt dies zur Einsicht, dass alle Versuche Gewalt abzuschaffen, indem man die Macht abschafft in einem «Irrweg» münden (S. 25). An dieser Stelle möchte ich Nowak zitieren, da er eine Erfahrung teilt: „Mir sind nur wenige Organisationen begegnet, in denen die soziale Angst unter- und voneinander so groß war, wie dort, wo die Machtfrage nicht eindeutig geklärt war.“ Und weiter: „’Macht’ zu haben war in diesen Organisationen zwar tabuisiert, aber gerade deshalb war sie unterschwellig immer Thema und prägte die gesamte Gruppendynamik.“ (S. 25)
Nach der Erörterung unterschiedlicher Konfliktarten und deren Eskalationsstufen stellt Nowak sein Modell der „organisationalen Landschaften“ vor: diese setzen sich aus den drei, sich teilweise überlappenden Teilbereichen zusammen: Team, Organisation, Person, dem TOP-Organisationsmodell (Nowak 2014, 2015).
Zur Bewältigung von Konflikten wird von der Einheit von Denken, Fühlen und Handeln ausgegangen. Diese Feststellung ist zentral für die – anthroposophisch geprägten – Überlegungen von Friedrich Glasl der in der Einleitung seiner Bedeutung entsprechend gebührend Erwähnung findet. Darauf aufbauend beschreibt Nowak die drei konstruktiven Ich-Zustände, die aus dem Konzept der Transaktionsanalyse von ihm und Gührs (2014) abgeleitet werden (Seite 43):
- Fürsorge
- Orientierung an Inhalten und Fakten
- Authentische Gefühle und konstruktive Lösungen
Die Einleitung wird mit Hinweisen zu den Gesprächsregeln und den Voraussetzungen erfolgreicher Interventionen in Konflikten abgeschlossen.
Damit nicht auf dem falschen Feld interveniert wird, rät Nowak dazu, zunächst einmal „inne zu halten“ und eine Vogelperspektive einzunehmen, um entscheiden zu können, wo es sich lohnt Energie einzusetzen.
Er betont ausdrücklich, dass die gründliche strategische Betrachtung von Konflikten oft „erheblich unterschätzt“ wird und weist auch hier ausdrücklich auf die Systematisierung von Glasl hin und es folgt eine bündige und übersichtliche Zusammenfassung dieser Vorgehensweise. Im praxisorientierten Anhang zum strategischen Konfliktmanagement folgen hilfreiche Übersichten, Checklisten und auch ein Hinweis auf Loriot, dem „Altmeister der misslungenen Kommunikation“ (S. 93).
Ausgehend von der persönlichen Prägung, die den individuellen Umgang mit Konflikten bestimmt, folgt im Kapitel zum Inneren Konfliktmanagement ein Ausflug zum Umgang mit Gefühlen, zu den eigenen inneren Antreibern und eine originelle Definition von Übertragung und Gegenübertragung: „Mit einer Übertragung begehen wir einen Irrtum in Bezug auf Zeit, Ort und Person.“ (S. 114).
Hilfreich auch hier die nützlichen Anregungen zum persönlichen Umgang mit Konflikten im dazugehörenden Anhang zu diesem Kapitel.
Schliesslich folgen Ausführungen zum Situativen Konfliktmanagement, die unterteilt sind in «Interpersonale» und «Intra- und Intergruppen»-Konflikte. Der Autor nutzt diese Unterteilung zur Darstellung von Grundsätzen professionellen Konfliktmanagements. Ausgangspunkt ist die Klärung des Auftrags. Schliesslich geht es um eine vertragliche Rahmenvereinbarung als Grundlage für eine „geregelte Konfliktbearbeitung“ (S. 161) und deren Bedeutung für gelingende Klärung. Ausgehend von der Komplexität bei «Dreiecksverträgen» spannt Nowak den Bogen zu Fragen der Wahrnehmung, der Konfliktfähigkeit bis zu den Typen von Konfliktgesprächen. Spätestens da wird das Buch sehr praxisorientiert, macht einen Ausflug zu der spezifischen Methode der «Mediation» und landet schliesslich bei den «Problemen» der «Macht», der «Freiwilligkeit» und der «Ergebnisoffenheit» bei der Moderation von Konflikten. Transaktionsanalytische Hinweise («Dramadreieck»), spezielle Konstellationen und Besonderheiten (z.B. «Mobbing») werden behandelt, um schliesslich beim Thema «Rolle von Führung und Beratung» zu landen.
Mit Empfehlung zur Literatur schließt das Buch.
Diskussion
„Konflikte in Organisationen erkennen, analysieren und lösen“ ist ein hervorragendes Kompendium für professionelle Beraterinnen und Berater in Konfliktsituationen im organisationalen Kontext. Nowak fasst die gängige Literatur griffig zusammen und stellt da und dort seine persönlichen Erfahrungen als «Konflikt»-manager/​-moderator/​-berater (?) zur Verfügung. Er hält mit diesem «Arbeitsbuch» sein Versprechen ein, in der Praxis erprobte Modelle gebündelt zur Verfügung zu stellen.
Das Buch vom Limmer Verlag macht durch die Grösse der Typografie, der klaren Gliederung und des kompakten Aufbaus das Lesen zur Freude. Dass die Seitenzahlen im Inhaltsverzeichnis nicht ganz stimmig sind, ist ein zu vernachlässigendes Detail.
Fazit
Insgesamt ein wertvolles, hilfreiches Buch für die Zielgruppe der Beraterinnen und Berater. Ein Nachschlagewerk, um Orientierung und Inspiration im Dschungel der Konflikte in Organisationen unserer westlich geprägten (Arbeits-)welt zu finden.
Rezension von
Thomas Reinhardt
Diplomierter Berater für Organisationsentwicklung. Arbeitet als interner Coach im Universitätsspital Basel und freiberuflich in den Bereichen Organisationsentwicklung, Gesundheitsmanagement, Konfliktmoderation, Coaching für Führungsverantwortliche, Teamentwicklung und Supervision. Schwerpunkte: Gesundheit und Führung, Change Management, Leadership, Kommunikation, Psychohygiene und Glück.
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Es gibt 29 Rezensionen von Thomas Reinhardt.
Zitiervorschlag
Thomas Reinhardt. Rezension vom 18.01.2022 zu:
Claus Nowak: Konfliktlandschaften. Konflikte in Organisationen erkennen, analysieren und lösen. Limmer Verlag
(Meezen) 2021.
ISBN 978-3-928922-55-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28414.php, Datum des Zugriffs 28.11.2023.
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