Christian Geulen: Geschichte des Rassismus
Rezensiert von Dr. Barbara Mahmoud, 09.06.2022

Christian Geulen: Geschichte des Rassismus.
Verlag C.H. Beck
(München) 2021.
4., aktualisierte Auflage.
127 Seiten.
ISBN 978-3-406-76888-0.
9,95 EUR.
Beck'sche Reihe - 2424
Thema
Das Buch erscheint in der vierten, überarbeiteten Auflage. Es gibt einen Überblick über den Wandel des Rassismusbegriffes im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen.
Autor
Christian Geulen ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Koblenz-Landau.
Aufbau und Inhalt
Der Autor unterteilt sein Werk in folgende Kapitel:
Vorwort zur 4. Auflage
Was ist Rassismus?
- Zur Aktualität des Rassismus
- Praxis oder Ideologie?
- Rasse und Rassismus: Zur Begriffsgeschichte
Sklaven und Barbaren: Rassismus in der Antike?
- Selbst- und Fremdwahrnehmung in der antiken Welt
- Die Rolle der jüdischen und christlichen Religion
Heiden, Juden und Häretiker: Rassismus im Mittelalter?
- Christlicher Universalismus und kulturelle Differenz
- Individuum und Kollektiv
Rasse in der Frühen Neuzeit
- Expansion und Sklaverei
- Wissenschaft und politisches Denken
Das 18. Jahrhundert und die Aufklärung
- Menschheit zwischen Natur und Politik
- Rasse zwischen Geschichte und Biologie
Das 19. Jahrhundert und der Evolutionismus
- Von der Naturgeschichte zur Entwicklungstheorie
- Rassenkampf, Rassenmischung, Rassenerzeugung
Formen rassistischer Praxis im 19. Jahrhundert
- Nationalismus und Kolonialismus
- Rassistischer Antisemitismus
Das 20. Jahrhundert und die Entfesselung der Biopolitik
- Eugenik, Rassenkampf und die Eskalation der Gewalt
- Scheinbarer Ausklang und Fortleben des Rassismus nach 1945
Gegenwart und Zukunft des Rassismus
- Genetik und Antirassismus
- Globalisierung und Kulturkonflikt
Christian Geulen beschreibt Rassismus als ein Ergebnis menschlicher Kultur. Er ist abhängig von menschlichem Denken und Handeln und stellt ein historisches Phänomen dar.
Der in der Frühen Neuzeit entstandene Rassismus basierte auf einer Unterteilung der Menschheit in höher- und in minderwertige Rassen. Diese Art des Rassismus ist heute eher in Selbstrechtfertigungen des rassistischen Terrors und in den heutigen rechtsextremen und xenophoben Weltbildern zu finden.
Der heutige Rassismus resultiert eher aus Angst, Paranoia und der Sorge um den Untergang der eigenen Kultur. Die Folge daraus sei der Wunsch nach einer Homogenisierung der eigenen Gesellschaft.
Der Begriff der Rasse trat im 15. Jahrhundert zum Einen vermehrt im Zusammenhang mit der Beschreibung mächtiger Adelsfamilien oder Dynastien auf sowie zum Anderen im Zusammenhang mit der Pferdezucht. Die Funktion des Rassismus zu dieser Zeit sei es gewesen, (beliebige) Unterschiede zwischen Menschen herzustellen, zu verstärken und zu verteidigen.
Die antiken Hochkulturen entwickelten die Institution der Sklaverei, die eine rassistische Dimension in den politisch-gesellschaftlichen Ordnungen dieser Epoche vermuten lässt.
Die Art der kollektiven Selbst- und Fremdwahrnehmung war im Mittelalter vom Dualismus der kirchlichen und der weltlichen Macht beeinflusst. Neben der Konkurrenz dieser Mächte entstanden auch sich beiderseitig ergänzende Teile einer Gesamtordnung. Für die Formen des Rassismus im Mittelalter spielte die Entwicklung des christlichen Denkens eine entscheidende Rolle, wodurch eine Unterteilung in Christen und in Nichtchristen resultierte. Die sich dadurch ergebene gefährliche Stellung der Juden fand dann spätestens im Zuge des Kreuzzuges von 1096 ihren Ausdruck.
Im 15. und im 16. Jahrhundert waren für die Herausbildung des Rassebegriffes folgende Entwicklungen entscheidend:
- die europäische Expansion,
- die Reformation,
- der Buchdruck,
- die Herausbildung einer neuzeitlichen Wissenschaft, die sich von der Theologie emanzipierte.
In der Folge dieser Entwicklungen wurden die Praxen der Massenversklavung und der Massenvernichtung nachträglich gerechtfertigt, indem hierarchische Naturordnungsmodelle konstruiert wurden.
Im 18. Jahrhundert wandelte sich der Rassebegriff von einem politisch-ideologischen Konzept zu einem eher wissenschaftlichen Konzept, das ein hohes Maß an Objektivität und Eindeutigkeit für sich beanspruchte. Die Veränderung der Arten wurde durch die Anpassung an die Umwelt erklärt.
Grundannahme des modernen Rassendenkens ist die Annahme, dass jeder ohne Ausnahme von Natur aus genau einer Rasse angehört. Der jeweils Andere wird zu einer unmittelbaren biologischen Konkurrenz, Gefahr und Bedrohung.
Der Rassismus im ausgehenden 19. Jahrhundert diente als eine Orientierungshilfe für die Instabilitäten und Aggressionen von Gesellschaften, deren politische Ordnung durch innere Spannungen und expansive Dynamiken überfordert wurde. Der Rassenkampf zwischen dem „Arischen“ und dem „Semitischen“ diente als Kraft, die dem Chaos Ordnung verleihen sollte.
Die Funktion des Rassismus bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts entspricht den Vorstellungen eines quasi naturgesetzlich ablaufenden Existenzkampfes. Dieser legitimiert jede Form und jedes Ausmaß von Gewalt. Eine Folge dieser rassistischen Weltdeutung war die Berechtigung des Bevölkerungskrieges als ein geeignetes Kriegsmittel.
In der Neuzeit bedeutet die Funktion des Rassismus eine Möglichkeit zur Entwicklung einer extremen und exzessiven Selbstfindungs-, Abgrenzungs- und Weltverbesserungspolitik.
Abgeschlossen wird das Buch von einem Literaturverzeichnis sowie Personenregister.
Diskussion
Christian Geulen beschreibt in „Die Geschichte des Rassismus“ die verschiedenen Formen und Funktionen des Rassismus im Verlaufe der (europäischen) Geschichte.
Für den Nichthistoriker könnten Tabellen, die beispielsweise die verschiedenen Ausprägungen und Funktionen des Rassismus in den verschiedenen Geschichtsepochen grafisch darstellen, eine Lese- und Verständnishilfe bedeuten.
Fazit
Der Autor Christian Geulen beschäftigt sich in seinem Werk „Die Geschichte des Rassismus“ mit der Entwicklung des Rassismus(begriffes), ausgehend von der Frühen Neuzeit bis zur Neuzeit. Verschiedene Funktionen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung des Rassismus(begriffes) aufgrund sich verändernder gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Gegebenheiten, Interessen und Machtverhältnisse werden vorgestellt.
Rezension von
Dr. Barbara Mahmoud
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Es gibt 21 Rezensionen von Barbara Mahmoud.
Zitiervorschlag
Barbara Mahmoud. Rezension vom 09.06.2022 zu:
Christian Geulen: Geschichte des Rassismus. Verlag C.H. Beck
(München) 2021. 4., aktualisierte Auflage.
ISBN 978-3-406-76888-0.
Beck'sche Reihe - 2424.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28438.php, Datum des Zugriffs 04.07.2022.
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