Silke Boschert: Wohngruppen in der Altenpflege
Rezensiert von Prof. Dr. Hermann Brandenburg, 09.12.2021

Silke Boschert: Wohngruppen in der Altenpflege. Ein Baustein im Quartier : praktische Ideen für Gestaltung und Organisation.
Schlütersche Fachmedien GmbH
(Hannover) 2020.
184 Seiten.
ISBN 978-3-8426-0841-2.
D: 26,95 EUR,
A: 27,80 EUR,
CH: 39,90 sFr.
Reihe: Pflege Management.
Autorin
Die Autorin ist langjährig erfahrene Altenpflegerin, hat Pflegemanagement und Organisationsberatung studiert. Derzeit ist sie Vorständin des Paul Gerhardt-Werks in Offenburg und verantwortlich für Altenpflegeeinrichtungen.
Thema
In dem Buch geht es im Kern um Vorschläge und praktische Anregungen zur Verbesserung des Lebens im Pflegeheim. Dabei steht einerseits die Gestaltung der Heimrealität – vom Brandschutz bis hin zu der Einbeziehung der Bewohner – im Vordergrund. Andererseits ist der Blick auch über die Einrichtung hinaus ins Quartier gerichtet. Auch hier stehen Handlungsempfehlungen im Vordergrund.
Aufbau und Inhalt
Der Band besteht aus mehreren Kapiteln, wobei die „Ideen, Inspirationen und Handlungsempfehlungen“ den ganz überwiegenden Teil der Ausführungen, d.h. 80 %, ausmachen.
Den Auftakt macht ein Geleitwort von Michael Wipp und eine kurze Einleitung, welche die beiden zentralen Ziele des Wohngruppen- und Organisationskonzepts benennt: Gelingender Alltag und Mitarbeiterzufriedenheit. Ein kleiner Abschnitt zu den Wohngruppen, einem „Megatrend in der Altenhilfe“ schließt sich an und fokussiert u.a. auf den organisationspsychologischen Ansatz von „new work“. Dieser verspricht eine neue Art der Führung, betont die Beteiligung der Mitarbeiter und legt großen Wert auf Coaching und Beratung. Die „Herausforderungen an vollstationäre Pflegeeinrichtungen“ im nächsten Abschnitt werden ebenfalls kurz gehalten. Hier wird die KDA-Chronologie skizziert, das Leitbild der „Gruppenorientierung“ hervorgehoben, auf die gruppendynamische Literatur von Krainz verwiesen.
Der Hauptteil des Buches umfasst ca. 150 Seiten und lässt sich grob in folgende inhaltliche Teilbereiche differenzieren (ohne dass alle Details ausführlich gewürdigt werden):
- Es geht um architektonische Gestaltung der Wohnräume bzw. Wohngruppen (von den Eingangstüren über Hinweise für das Pflegebad als Wellness-Oase bis hin zur Platzierung der Ladestation für die E-Bikes und E-Autos im Foyer des Hauses).
- Der Wohn- und Kochbereich gilt als „Herzstück“ einer jeden Wohngruppe und bedarf besonderer Aufmerksamkeit, etwa im Hinblick auf das räumliche Arrangement oder die Anordnung der Tische.
- Die Gestaltung der Bewohnerzimmer muss besonders beachtet werden, denn hier geht es nicht nur um die Funktionalität für pflegerische Abläufe, die individuelle Lebensführung der Bewohner muss in den Blick kommen. Von daher macht es auch Sinn, dass die Zimmer nicht vollständig und standardisiert eingerichtet sind, sondern Raum für individuelle Einflussnahme bleibt.
- Innenarchitektur und Objekteinrichtung (von den Möbeln bis hin zu den Wohngruppenküchen) werden ebenfalls ausführlich beschrieben. Auch hier wird auf Bewohnerwünsche eingegangen, u.a. ein eigener Briefkasten thematisiert.
- Neben der Einrichtungsfrage stehen auf das Individuum bezogene und gruppendynamische Aspekte im Zentrum der Ausführungen, etwa im Hinblick auf den Einbezug von Bewohnern (über den Heimbeirat), der Mitarbeiter (über die Mitarbeitervertretung) sowie des Quartiers (Heimaufsicht, Veterinäramt, etc.).
- Hinweise zur Supervision, Teamentwicklung, partizipativen Führung ergänzen diese Ausführungen und legen sehr großen Wert darauf, Mitarbeiter und Angehörige „sprechfähig“ zu machen auf ihre Anliegen konkret einzugehen.
- Organisatorisch-technische Überlegungen zur Klärung von Verantwortlichkeiten, der Schnitt- und Nahtstellen im Konzept sowie der Personaleinsatzplanung ergänzen die entsprechenden Abschnitte. Nicht zu vergessen sind die Anregungen zur Verbesserung von Kommunikationsprozessen.
- Der letzte Teil des Buches widmet sich stärker den Außenkontakten und der Sozialraumentwicklung. Angesprochen werden u.a. das bürgerschaftliche Engagement oder das Quartiersmanagement.
Diskussion
Das Buch ist für Praktiker gedacht, die bereit sind neue Ideen aufzugreifen. Und ohne Zweifel enthält die Arbeit eine Vielzahl von interessanten, weiterführenden und konstruktiven Ideen zur Alltags- und Lebensgestaltung aller Akteure und Betroffenen im Heim. Gut ist die Verbindung mit einem gruppendynamischen Ansatz, der viel Wert auf Partizipation und Engagement der Verantwortlichen vor Ort legt (damit sind auch die Bewohner gemeint). Allerdings ist der Blick vorwiegend auf die Innenwelten des Heims konzentriert, die externe Netzwerkbildung (auch ins Quartier) steht noch nicht im Zentrum. Aber das kann ja zweite Auflage noch stärker hervorheben. Denn ein gutes Leben im Heim ist letztlich nur möglich, wenn an die Verbindungen der Bewohner zu ihrem Umfeld bewusst angeknüpft wird. Insgesamt wird sehr deutlich, dass – obwohl manchmal eine Übersicht über die Vielzahl der praktischen Vorschläge nicht ganz einfach fällt – eine konzeptionelle Grundlage erkennbar ist. Ein integrierendes Schaubild zu Beginn oder am Ende des Buches wird die Lesefreundlichkeit bei der nächsten Auflage erhöhen. Noch ein Aspekt ist mir aufgefallen: Es ist der Einbezug der eigenen Mitarbeiterinnen und Kollegen der Autorin selbst. Sie kommen an vielen Stellen ebenfalls mit praktischen Hinweisen und Tipps zur Geltung, der kollegiale Führungsstil der Autorin wird auch dadurch deutlich.
Fazit
Ich empfehle dieses Buch allen Praktikern in der Heimlandschaft und bin auf die weiteren Auflagen gespannt.
Rezension von
Prof. Dr. Hermann Brandenburg
Lehrstuhl für Gerontologische Pflege,
Fakultät der Pflegewissenschaft, Vincenz Pallotti University Vallendar
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