Volker Tschuschke, Hans Hopf: Emotionen und Affekte bei Kindern und Jugendlichen
Rezensiert von Prof. Dr. René Börrnert, 08.03.2022

Volker Tschuschke, Hans Hopf: Emotionen und Affekte bei Kindern und Jugendlichen. Ihre Bedeutung für Entwicklung, Psychodynamik und Therapie. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2021. 228 Seiten. ISBN 978-3-17-037178-1. 34,00 EUR.
Thema
Soziale, die in der Kinder- und Jugendhilfe unterwegs sind, erleben es täglich: Wutausbrüche, schreiende oder weinende Wesen. Regelmäßig müssen sie mit Frustrationen, Bedrohungen oder auch (Selbst-) Verletzungen verschiedener Art umgehen. Das vorliegende Buch erläutert das Zusammenspiel von Emotionen und Affekten bei Kindern und Jugendlichen sowie ihre Bedeutung für Entwicklung, Psychodynamik und Therapie. Es befasst sich mit den Wechselwirkungen dieser beiden psychischen Aspekte zwischen dem Kind und der Mutter. Zudem erklären die Autoren förderliche und ungünstige Beziehungsstrukturen und die entsprechenden Folgen für eine gesunde oder pathologische Persönlichkeitsentwicklung.
Autoren und Entstehungshintergrund
Prof. (em., Universität zu Köln) Dr. Volker Tschuschke, Diplom-Psychologe ist Psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker sowie Dozent und Supervisor an der Deutschen Akademie für Psychoanalyse in Berlin. Dr. Hans Hopf ist analytischer Kinder- und Jugendlichentherapeut, Dozent und Supervisor an der Stuttgarter Akademie für Tiefenpsychologie und Psychoanalyse. Beide Autoren sind seit vielen Jahren nicht nur kollegial, sondern auch freundschaftlich verbunden und widmen sich in dem Buch einem gemeinsamen langjährigen Forschungsthema.
Aufbau und Inhalt
In neun Kapiteln gehen die Autoren auf folgende Themenfelder ein. Dazu bieten sie jeweils inhaltliche Zusammenfassungen, weiterführende Literaturangaben sowie Übungsfragen.
- Teil 1: Neurobiologische Grundlagen der Emotionsentstehung,
- Teil 2: Die Bedeutung von Gefühlen in Philosophie und Wissenschaft,
- Teil 3: Wie entstehen Gefühle?
- Teil 4: Psychodynamische Emotionstheorien,
- Teil 5: Ergebnisse der Emotions- und Affektforschung,
- Teil 6: Das Ich, seine Funktionen und deren Störungen,
- Teil 7: Externalisieren und Internalisieren,
- Teil 8: Störungen der Affektregulierung und
- Teil 9: Angst und aggressive Affekte.
Diskussion
Das Lehrbuch ist in einem überwiegend leicht verständlichen Stil verfasst, was auch fachmarginalen Studierenden den Zugang leicht macht. Mit vielen Fallbeispielen, die dann auch zur praktischen Erläuterung der theoretischen Erörterungen dienen, lockern die Autoren den psychologischen Duktus auf. Inhaltlich wird ein angemessener Bogen geschlagen. So werden grundlegende Grundbegriffe und Theorien gut erklärt und Fach-Spezifika werden in hinreichender Tiefe erläutert. Das ergibt für in das Thema Einsteigende ebenso wie für Fachkräfte eine solide und leicht erfassbare Lektüre. Für die sozialpädagogische und therapeutische Praxis liefert das Buch eine gute Verständnis- und Handlungsgrundlage.
Die Autoren (insbesondere Hopf) erbringen und diskutieren ihre empirischen Befunde aus langjähriger Praxis. Hierbei gehen sie klassische Wege, so in der Differenzierung der Affekte nach Geschlecht. Die Darstellungen sind eindeutig (Teile 8.3. und 12). Aktuelle Diskurse werden hierbei jedoch außen vor gelassen. So belegt die gegenwärtige (neurobiologische/genderbezogene) Forschung, dass das Gehirn kein Geschlecht habe (vgl. Joel 2021). Die Autoren nehmen solcherlei Ansätze nicht in eine mögliche kontrastierende Diskussion auf.
Für den Theorie-Praxis-Transfer finden sich im Buch immer wieder gute Ansätze, gerade wenn es um das „neue“ Klientel in der Sozialen Arbeit, die sogenannten „Systemsprenger:innen“ geht – ein Begriff, der im Buch so explizit nicht auftaucht. Hierbei ist das Fallbeispiel zur narzisstischen Wut hervorzuheben (202f), an das sich sehr gelungene Überlegungen (Erklärung, Umgang) zu aggressiven Affekten anschließen.
Fazit
Das Lehrbuch ist empfehlenswert für Studierende und auch für Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe, wenn es um den Kontext von Affekten und Emotionen geht. Die Autoren erläutern nicht nur leicht verständlich grundlegende Theorien, sondern auch Praxisbeispiele und Lösungsansätze.
Literatur
Joel, D. (2021): Das Gehirn hat kein Geschlecht. Wie die Neurowissenschaft die Genderdebatte revolutioniert. München.
Rezension von
Prof. Dr. René Börrnert
Fachhochschule des Mittelstands (Rostock)
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