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Thomas Damberger: Bildung und Erziehung heute

Rezensiert von Prof. Dr. René Börrnert, 24.11.2021

Cover Thomas Damberger: Bildung und Erziehung heute ISBN 978-3-7799-6461-2

Thomas Damberger: Bildung und Erziehung heute. Eine erzählerische Hin- und Einführung. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2021. 180 Seiten. ISBN 978-3-7799-6461-2. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR.

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Thema

Zu den wichtigsten Begriffen einer Allgemeinen Pädagogik gehören „Bildung“ und „Erziehung“. Während Bildung als Prozess und Ergebnis den Menschen mit dem Gut seiner Kultur im geistigen Sinne vertraut macht, will Erziehung ein gesellschaftlich anerkanntes Verhalten ausprägen.

Pädagogiker:innen meinten immer wieder ein Ende der Erziehung und damit ein Schwinden allgemein verbindlicher Normen festzustellen; ebenso sahen Kritiker:innen die schlechten Ergebnisse schulischer Vergleichstests als Beleg für den Niedergang der Bildung in diesem Land. Bei der Suche nach fachlich versierten und leistungstüchtigen Lehrer:innen und Pädagog:innen stellt sich immer auch die Frage nach der qualifizierten Ausbildung dieser verantwortungsvollen Fachkräfte: Was muss Thema einer Ausbildung sein und was können wir Studierenden zusätzlich an Wissen und Kenntnissen vermitteln respektive abverlangen. Ein einheitlicher Kanon an pädagogischen Grundthemen, der den Heranwachsenden in der späteren Lebenspraxis wirklich nützt, bleibt strittig.

Das vorliegende Buch versucht daher eine Kombination. Einerseits werden etablierte Themenfelder der Allgemeinen Pädagogik in den Blick genommen. Andererseits gelingt dem Autor ein Erzählstil, der diese Themen lebensbezogen und auch unterhaltsam vermittelt. Das Buch versteht sich selbst als „Einführung der etwas anderen Art“.

Autor

Priv.-Doz. Dr. phil. habil. Thomas Damberger ist derzeit Vertretungsprofessor für Allgemeine Erziehungswissenschaften an der Leuphana-Universität Lüneburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Erziehungs- und Bildungsphilosophie sowie Bildung und Digitalisierung.

Aufbau und Inhalt

In elf Kapiteln widmet sich der Autor solchen Fragen, wie: Was hat Erziehung mit Züchten von Menschen zu tun? Ist Schule tatsächlich eine Bildungseinrichtung? Worin liegt der Unterschied zwischen humanistischer Bildung und Transhumanismus? Sind Digitalisierung und die Idee einer Erziehung zur Mündigkeit überhaupt vereinbar? Die Literaturverweise und Lektürehinweise sind diesen Kapiteln jeweils zugeordnet.

Die Themen sind einerseits historisch durchsortiert. So steht im ersten Abschnitt die pythagoreische Schule im Blick, im Verlauf geht es dann über die Aufklärung und die nationalsozialistische Pädagogik weiter bis in den Bildungskontext der Gegenwart. Anderseits stehen die Abhandlungen unter einer thematischen Überschrift, wobei die historischen Bezüge ebenso klar hervorgehoben sind (u.a. Diversität, Inklusion, Deep Learning).

Damberger bedient sich immer auch bildlicher Vergleiche, um seine Gedanken zu vermitteln. So wenn es um „Bild und Bildung“ geht: „Stellen Sie sich einen Töpfer vor, wie er vor seiner Drehscheibe sitzt, auf der sich ein Klumpen Ton befindet. Der Töpfer versucht nun mit seinen Händen einen Krug zu formen (der Begriff formatio ist übrigens das lateinische Wort für Bildung). Er hat eine bestimmte Vorstellung im Kopf, wie ein Krug auszusehen hat und bemüht sich nun, diese Vorstellung auf das Material Ton zu übertragen Ein solches Vorgehen nennt man transitiv (von lat. transitio = hinübergehen). Die gedachte Vorstellung vom Krug geht in das Material über. Ganz ähnlich verhält es sich auch im Fall des pädagogischen Handelns, das sich an einer Vorstellung vom Menschen, eben an einem Menschenbild, orientiert“ (26).

Pädagogische Grundaussagen werden dabei klar herausgestellt, so bei der Frage, was Medien (Foto, Tonaufnahmen) mit Bildung zu tun haben: „Es geht darum, dass das, was medial anwesend ist bzw. als anwesend erscheint, nicht identisch mit dem Original ist“ (28).

Die Bezüge des Erzählten zur Lebenswelt der Gegenwart sind insgesamt plausibel und nachvollziehbar. So bringt Damberger in verständlicher Weise die Inhalte von Harry-Potter-Geschichten mit der Moraltheorie von Immanuel Kant zusammen (vgl. 45f). An anderer Stelle dient die Schilderung einer bekannten Animationsserie zur Verdeutlichung von lerntheoretischen Ansätzen (vgl. 133 f.).

Diskussion

Der durch seine populären Bestseller bekannte Historiker Yuval Noah Harari (ZEIT 43/2021: 36) merkte vor kurzem in einem Interview an: „Man kann die Ansichten von Menschen nicht allein durch Fakten verändern. Das ist ein Irrtum, dem viele Wissenschaftler aufsitzen. Die Menschen denken nicht in Fakten, sondern in Geschichten. Um das menschliche Denken zu verändern, muss man in der Lage sein, eine alternative Erzählung zu konstruieren“. Autor:innen von inzwischen klassischen Einführungsbänden zur Pädagogikgeschichte, wie Albert Reble oder Hermann Giesecke wussten das ebenso wie Klaus Mollenhauer, der über sozialpädagogische „Umwege“ schrieb.

Damberger geht mit seiner „Hin- und Einführung“ diesen bekannten Weg weiter. Doch zeigt sich dieser inzwischen als Wagnis. Denn in einer modular durchgetakteten und auf Effizienz ausgerichteten Studienwelt bleiben derartige Lektüren ein Extra für besonders interessierte Sudentinnen und Studenten. Für jene, die klar sortiert vorgegebenes und sodann abrufbares Lernwissen bevorzugen, wird der Text eine Marginalie darstellen. Dambergers Weg ist der des universal denkenden und ausbildenden Dozenten. Er zeigt zu recht und gut umgesetzt, dass pädagogische Themen nicht nur in einer linearen Struktur abgehandelt werden können; er beschreibt Abzweige neben den üblichen Grundrichtungen. Das Buch überzeugt in diesem zirkulierenden Ansatz; der unterhaltsame Erzählstil und Duktus bleiben immer wieder einladend. Und zurecht weist Damberger darauf hin, dass das meiste dessen, was er in seine Erzählungen einflicht, nicht regulär Gegenstand gängiger Einführungsliteratur oder vergleichbarer Seminare ist (20).

Der Autor setzt seine Beispiele und Exkurse angemessen ein. Im Verlauf des gesamten Textes werden Lesende immer anspruchsvoller herausgefordert, die bisher erbrachten Wissensbestände in einen Gesamtzusammenhang zu bringen. Beim Wiederlesen ergeben sich somit neue Sinnzusammenhänge. Dieses gelungene Zusammenspiel von Inhalt und Form lässt vermuten, dass das Buch zu einem didaktischen „Klassiker“ werden kann.

Fazit

Das Buch ist unbedingt empfehlenswert für Studierende und auch Dozent:innen, die sich mit pädagogischen Fragestellungen im weitesten Sinne beschäftigen.

Rezension von
Prof. Dr. René Börrnert
Fachhochschule des Mittelstands (Rostock)
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Es gibt 44 Rezensionen von René Börrnert.

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ISSN 2190-9245