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Ronald Lutz, Jan Steinhaußen et al. (Hrsg.): Covid-19 - Zumutungen an die Soziale Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Sabrina Hancken, 04.01.2022

Cover Ronald Lutz, Jan Steinhaußen et al. (Hrsg.): Covid-19 - Zumutungen an die Soziale Arbeit ISBN 978-3-7799-6634-0

Ronald Lutz, Jan Steinhaußen, Johannes Kniffki (Hrsg.): Covid-19 - Zumutungen an die Soziale Arbeit. Praxisfelder, Herausforderungen und Perspektiven. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2021. 369 Seiten. ISBN 978-3-7799-6634-0. D: 39,95 EUR, A: 41,10 EUR.

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Thema

Aus der aktuellen Pandemie-Situation heraus ist die Idee zu diesem Buch entsprungen. Die versammelten Beiträge setzen sich mit den Herausforderungen und den Perspektiven in verschiedenen Handlungsbereichen der Sozialen Arbeit, ausgelöst durch COVID-19, auseinander. Dabei werden die Folgen der politischen Einschränkungsmaßnahmen zur Verhinderung einer Ausbreitung des Corona-Virus aufgegriffen und reflektiert. Überlegungen zur Neu-, Um- oder Weitergestaltung der Sozialen Arbeit im Praxisfeld knüpfen daran an. 

Vor allem Personen vom Fach sowie Studierende der Sozialen Arbeit werden sich von den unterschiedlichen Themen angesprochen fühlen.

AutorIn oder HerausgeberIn

Ronald Lutz ist emeritierter Professor für Soziologie und Kulturanthropologie (ehemals FH Erfurt).

Jan Steinhaußen ist Geschäftsführer des Landesseniorenrates Thüringen.

Johannes Kniffki ist Professor für Internationale Sozialarbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin.

Unter den Autor*innen finden sich sowohl Praktiker*innen als auch Professor*innen und akademische Mitarbeiter*innen.

Aufbau

Das Buch enthält neben dem Vorwort 24 Beiträge von 50 Autor*innen und gliedert sich in drei unterschiedlich gewichtete Abschnitte:

  • Grundlegungen
  • Herausforderungen
  • Perspektiven

Inhalt

Das Kapitel „Grundlegungen“ greift auf vier Beiträge zurück, um sich den Auswirkungen der Corona-Pandemie grundlegend zu widmen.

  • Christiane Nakao, Sonja Preissing, Katrin Sen und Fabian van Essen greifen die Lebenssituation spezifischer Zielgruppen (u.a. junge Menschen, Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung sowie Menschen im höheren Lebensalter) auf und skizzieren, wie sich diese durch die Corona-Pandemie verändert haben.
  • Carolin Tillmann verdeutlicht das soziale Sterben zu Zeiten des Coronavirus und macht auf die besondere Lebenslage vulnerabler Personen aufmerksam.
  • Jan Steinhaußen nimmt die Situation von Menschen mit Pflegebedarf in den Fokus und setzt sich kritisch mit den Auswirkungen der Isolierungsmaßnahmen von Pflegeheimbewohner*innen auseinander. Dabei nimmt die Stellung der Pflegepolitik eine zentrale Position ein.
  • Norbert Frieters-Reermann beschäftigt sich mit den Grundlagen einer transnational-postkolonialen Sozialen Arbeit in der Weltrisikogesellschaft und schlägt sechs Kompetenzkorridore für das Studium, die ebenfalls als Beitrag zur fachwissenschaftlichen Diskussion zu verstehen sind, vor.

Das anschließende Kapitel „Herausforderungen“ beleuchtet in acht Beiträgen die problematischen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Disziplin und die Profession Sozialer Arbeit und ihren Zugängen zu Zielgruppen in verschiedenen Handlungsfeldern:

  • Ulrike Brizay setzt sich mit den durch COVID-19 hervorgerufenen Exklusionsrisiken für Menschen mit Fluchthintergrund in Deutschland auseinander, skizziert die Reaktionen der Sozialen Arbeit auf diese Ausnahmesituation und macht Vorschläge zur Weiterentwicklung der Praxis.
  • Henry Block, Melissa Manzel und Hannes Wolf stellen die Kampagne „#dauerhaftsystemrelevant“ des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V., die zu Beginn der Corona-Pandemie initiiert wurde, vor und behandeln ausführlich den Begriff der Systemrelevanz.
  • Dieter Wolfer stellt seine in Dresden erlebten Praxiserfahrungen als Sozialarbeiter bzw. Geschäftsführer den Leser*innen zur Verfügung, wobei der Fokus auf der Jugend- und Wohnungslosenhilfe sowie den Mitarbeitenden in (sozialen) systemrelevanten Berufen liegt.
  • Sandra Meusel und Hendrik Unger beschäftigen sich mit der Frage, welche Veränderungen pandemiebedingt den Bereich der Digitalisierung der Sozialen Arbeit betreffen. Dabei werden vor allem digitale Kommunikationsformate zwischen Akteur*innen der Sozialen Arbeit und ihren Adressat*innen beleuchtet.
  • Barbara Lochner und Kai Rompczyk ergründen zunächst anhand der Studie „Thüringer Familien in Zeiten von Corona“, wie Eltern und Kinder die Kitaschließungen erlebt haben, gleichen dieses mit ihren Erfahrungen ab und geben einen kurzen Ausblick auf mögliche Implikationen für die frühpädagogische Praxis.
  • Helena Klinger, Hanne Roggemann und Sally Peters fokussieren die krisenbedingte Überschuldung und die damit einhergehenden Folgen für die Schuldnerberatung.
  • Johannes Stephens geht dem Fundraising für die Soziale Arbeit nach und stellt die prekäre finanzielle Situation der sozialen Organisationen in der Covid-Krise dar.
  • Melissa Manzel und Ulrike von Wölfel beschäftigen sich mit der Frage, welche Folgen die massiven andauernden Einschränkungen der Corona-Pandemie auf eine beteiligungsorientierte Kinder- und Jugendhilfe haben könnte, um dann auf die ombudschaftliche Betreuungsarbeit einzugehen. Dafür werden drei Fallbeispiele analysiert.

Das letzte Kapitel des Sammelwerks widmet sich in zwölf Beiträgen den „Perspektiven“, die sich durch die Corona-Pandemie eröffnen bzw. auch verschließen und stellt damit den umfangreichsten Teil des vorliegenden Buches dar.

  • Silvia Hamacher, Katja Belenkij, Petra Lahrkamp, Anita Permantier und Myria Sprenger befassen sich mit der Veränderung des Alltages von Familien im Kontext der Kitas durch die Pandemie. Sie werfen in ihrem Fazit zwölf Fragen zur Findung neuer Perspektiven auf.
  • Alexander Parchow und Anja-Kristin Sobiech setzen sich mit dem pandemiebedingten digitalen Wandel in den Hilfen zur Erziehung auseinander und zeigen die jeweiligen Chancen und Grenzen auf.
  • Karsten Kiewitt nimmt die soziale Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung in den Blick und thematisiert die problematische Lage im Hinblick auf Teilhabebarrieren. Dabei wird die Relevanz von Sozialer Arbeit als Menschenrechtsprofession betont.
  • Patrick Jung geht der Frage, welche Handlungs- und Orientierungsmuster der Krisenbewältigung bei Helfer*innen vor und mit Corona sichtbar werden, nach. Zur Verdeutlichung greift der Autor auf zwei Fallbeispiele aus der klinischen Sozialarbeit, die mittels Online-Befragung erfasst wurden, zurück.
  • Wolfgang Sartorius und Titus Simon setzen sich mit den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf wohnungslose Menschen auseinander und stellen Forderungen für eine Wohnungslosenhilfe nach Corona auf.
  • Matthias Weser und Sebastian Dolsdorf legen ihren Fokus auf die Folgen der zur Eindämmung der COVID 19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen für die Schulsozialarbeit und ihrer Zielgruppe unter Rückgriff auf Thierschs Konzept der Lebensweltorientierung und auf die Kategorien sozialer Probleme nach Staub-Bernasconi.
  • Eva Maria Löffler und Sabrina Reuther widmen sich der Sozialen Arbeit im Pflegeheim und verdeutlichen die prekären (Lebens-)Bedingungen der Bewohner*innen infolge der pandemischen Lage.
  • Stefanie Henke und Anne van Rießen beschäftigen sich mit der institutionalisierten Nachbarschaftshilfe unter Bezug auf das Projekt „Ehrenamt der Zukunft. Förderung selbstbestimmter Teilhabe im Quartier“ und zeigen die Einschnitte infolge von COVID 19 auf. Sie plädieren für eine konzeptionelle Erweiterung des Sozialraumbegriffes.
  • Kerstin Discher fokussiert die altersgerechte Quartiersarbeit und beschäftigt sich mit der Frage, welche Strukturen sorgende Gemeinschaften in der Krise aufweisen und stellt Perspektiven einer nachhaltigen Quartiersentwicklung auf.
  • Petra Brandt, Gunnar Erxleben, Jannike Keil, Berna Kurnaz, Tim Ossyssek, Nikolai Papae und Anne Cathrin Winkelmann geben einen Einblick in die Arbeit des Vereins zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit e.V. und stellen die pandemiebedingten Veränderungen auf die Lebenswelt der Jugendlichen sowie auf die aufsuchende Jugendarbeit ihres Vereins dar.
  • Stefan Hoffmann widmet sich der Quartiersarbeit unter Beachtung der Frage nach der Entscheidungsfindung in einem komplexen Umfeld und geht der Lokalität als politisches Moment auf den Grund.
  • Milena Riede bildet mit ihren Gedanken zur Demokratieförderung in der Gemeinwesenarbeit vor, während und nach der Pandemie den Abschluss des Buches.

Diskussion

Der vorliegende Band stellt eine gelungene Ergänzung zu dem ebenfalls im Jahr 2021 erschienen Buch der Herausgeber Lutz, Steinhaußen und Kniffki „Corona, Gesellschaft und Soziale Arbeit“ dar. Jeder einzelne Beitrag ist lesenswert, weil darin die unterschiedlichsten Erfahrungen und daraus abgeleiteten Ideen für eine Weiterentwicklung des jeweiligen Arbeitsfeldes, hervorgerufen durch die Corona-Krise, enthalten sind. Eine große Vielfalt an sozialarbeiterischen Handlungsfelder werden beleuchtet, die natürlich nicht in ihrer Fülle abgebildet werden konnten. So fehlen beispielsweise Beiträge zur Sozialen Arbeit in der Psychiatrie und in der Straffälligenhilfe. Ein ähnlicher Aufbau der Kapitel schafft Orientierung: In der Regel werden nach der Darstellung des jeweiligen Arbeitsfeldes, die in der Praxis gesammelten Erfahrungen in der Zeit vor und während der Corona-Pandemie beleuchtet. Daran anknüpfend werden Ausblicke auf die Zeit nach Covid-19 gegeben.

Wiederkehrende Themen in den unterschiedlichen Beiträgen sind die jeweiligen Anordnungen auf Bundes- und Landesebene, die Erlassen wurden um das Ansteckungsrisiko möglichst gering zu halten, wie das Tragen eines medizinischen Nasen- und Mundschutzes bei persönlichem und näherem Adressat*innen-Kontakt und das Einhalten eines Abstandes von mindestens 1,5m.

Spannend wären in Anbetracht der jetzigen Situation sicherlich auch ein Ausblick auf den Umgang mit der Möglichkeit der Corona-Schutzimpfung, gerade für die vulnerablen Zielgruppen der Sozialen Arbeit, gewesen. Welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich durch diesen Weg bzw. welche Türen bleiben dennoch verschlossen? Ebenfalls werden bei den Perspektiven keine Optionen der Verschlechterung im Hinblick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Mitarbeitenden, Adressat*Innen und Institutionen der Sozialen Arbeit (z.B. im Hinblick auf Fragen rund um die Triage) gegeben.

Fazit

Das Buch widmet sich in den einzelnen Beiträgen den Herausforderungen und den Perspektiven Sozialer Arbeit in den unterschiedlichen Handlungsfeldern. Dabei werden vor allem die (Praxis)Erfahrungen der Autor*innen beleuchtet und die sich durch die Corona-Pandemie gestellten neuen Herausforderungen und Probleme reflektiert, um darauf aufbauend Ideen für eine Weiterentwicklung des jeweiligen Handlungsfeldes zu geben. So kommen neben Hochschullehrer*innen und Wissenschaftler*innen, zahlreiche Akteur*innen aus der Praxis zu Wort, die die Rolle der Sozialen Arbeit kritisch würdigen.

Rezension von
Prof. Dr. Sabrina Hancken
Diplom-Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (FH), M. A. Soziale Arbeit, Sozialtherapeutin
Professorin für Sozialarbeitswissenschaften an der Hochschule Merseburg
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Es gibt 2 Rezensionen von Sabrina Hancken.

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Zitiervorschlag
Sabrina Hancken. Rezension vom 04.01.2022 zu: Ronald Lutz, Jan Steinhaußen, Johannes Kniffki (Hrsg.): Covid-19 - Zumutungen an die Soziale Arbeit. Praxisfelder, Herausforderungen und Perspektiven. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2021. ISBN 978-3-7799-6634-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28651.php, Datum des Zugriffs 08.10.2024.


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