Armin Wöhrle, Michael Boecker et al. (Hrsg.): Qualitätsmanagement - Qualitätsentwicklung
Rezensiert von Dr. Christian Geyer, 24.08.2021

Armin Wöhrle, Michael Boecker, Paul Brandl, Klaus Grunwald, Ludger Kolhoff et al. (Hrsg.): Qualitätsmanagement - Qualitätsentwicklung.
edition sigma im Nomos-Verlag
(Baden-Baden) 2021.
205 Seiten.
ISBN 978-3-8487-7884-3.
20,00 EUR.
Reihe: Studienkurs Management in der Sozialwirtschaft.
Thema
Das Thema Qualität sozialer personenbezogener Dienstleistungen und Qualitätsmanagement in der Sozialwirtschaft wird in der jüngeren Vergangenheit wieder verstärkt diskutiert, weil mit dem BTHG der Wirksamkeitsdiskurs erneut Aufmerksamkeit erhalten hat. Die Frage nach der Wirkung und Wirksamkeit Sozialer Arbeit führt zu einer Fokussierung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Letztere wird zu diesem Zweck in Output/​Effect, Impact und Outcome differenziert, um unterschiedliche Wirkungen quantifizieren zu können.
Ein zweiter Treiber für die Beschäftigung mit dem Thema Qualitätsmanagement in der Sozialwirtschaft ist die digitale Transformation sozialer personenbezogener Dienstleistungen. Die zunehmende Informatisierung und Technologisierung der Sozialen Arbeit durch Fachsoftware präformiert einen nicht unerheblichen Anteil der Geschäftsprozesse, auch der Kernprozesse (u.a. Anfrage und Klärung, CRM, Aufnahme, Hilfeplanung, Dokumentation und Berichterstattung). Medienbruchfreie Prozesse, die den fachlichen Standards folgen, bedürfen der kritischen Reflexion und detaillierten Erarbeitung.
Und zu guter Letzt treibt auch der Diskurs um Agilität und Selbstorganisation sozialwirtschaftlicher Organisationen das Thema Qualitätsmanagement. Denn für die Organisationen ist es wichtig, dass sie zugleich agil, selbstorganisiert und prozessorientiert arbeiten, um die Herausforderungen einer komplexen und mehrdeutigen Umwelt proaktiv bewältigen zu können. Insofern schließt hier die Debatte um ein agiles Qualitätsmanagement an und weitet die Perspektive zur Organisationsentwicklung.
HerausgeberInnen und ​AutorInnen
Prof. Dr. Armin Wöhrle lehrte an der Hochschule Mittweida Sozialwirtschaft/​Sozialmanagement. Er ist Herausgeber dieser Lehrbuchreihe seit 2003.
Die übrigen sechs Herausgeber und die eine Herausgeberin dieses Bandes lehrten oder lehren Sozialwirtschaft/​Sozialmanagement an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und Österreich. Zugleich sind sie mit Armin Wöhrle die Autoren und die Autorin der acht Fachbeiträge.
Entstehungshintergrund
Die Revision des ursprünglichen Bandes der Lehrbuchreihe zum Qualitätsmanagement (2. Aufl. 2011) sollte mit einer Neukonzipierung der Inhalte einhergehen. Dazu standen die Autorin und der Autor nicht mehr zur Verfügung. Infolgedessen wurde über die INAS zur Mitarbeit an der Neugestaltung dieses Lehrbuches aufgerufen. Armin Wöhrle schreibt im Vorwort, dass die Erarbeitung des Sammelbandes mehrere Jahre in Anspruch genommen habe.
Aufbau
Das Lehrbuch ist in acht Kapitel gegliedert, die jeweils von einem Autor bzw. einer Autorin verantwortet werden. Nach einer Einführung (Kapitel 1) werden zwei Grundsatzbeitrage (Kapitel 2 und 3) geboten, auf die dann zwei Artikel zu Konzepten (Kapitel 4) und Systemen (Kapitel 5) des Qualitätsmanagements folgen. Komplettiert wird der Reigen durch Beiträge zur Einführung von QM in Organisationen (Kapitel 6), zur Wirkungsorientierung (Kapitel 7) und zur Verstetigung von QM in Unternehmen (Kapitel 8). Jedes Kapitel beginnt mit einer knappen Darstellung der Lernziele und schließt mit Fragen zur Lernzielkontrolle sowie Literaturangaben. Im Anhang finden sich die Lösungen zu den Überprüfungsfragen.
Inhalt
Armin Wöhrle spannt in seiner Einführung einen weiten Bogen, um das Themenfeld in den Blick zu nehmen. Es ist sein Anliegen, das Thema des Lehrbuches sowohl in historischer als auch in systematischer Hinsicht zu skizzieren und es so einzuordnen. An den entsprechenden Stellen verweist er auf die nachfolgenden Beiträge des Lehrbuches zur Vertiefung. Die Einführung reflektiert das Qualitätsmanagement in der Sozialwirtschaft kritisch und bleibt dieser Ausprägung des Managements gegenüber skeptisch, weil es einerseits der Effizienzlogik des Marktes folge (S. 15 ff.; 20 ff.) und andererseits zu Formalisierungen führe (S. 18 ff.).
Eine wissenschaftliche Einführung in das Themenfeld Qualität und Qualitätsmanagement im Allgemeinen bietet Ludger Kolhoff im zweiten Kapitel. Zunächst wird der Begriff Qualität „als relativer Begriff“ (S. 25) definiert, der nach unterschiedlichen Systematiken differenziert werden kann. Hierfür rekuriert der Autor einerseits auf die Kategorien von Klaus Grunwald und unterscheidet eine „absolute“, eine „leistungsempfängerbezogene“, eine „werteorientierte“ und „dienstleistungsbezogene“ Qualität (S. 25). Andererseits werden die Dimensionen des Begriffs Qualität nach Joachim Merchel vorgestellt. Dieser unterscheidet eine „deskriptiv analytische“, eine „normative“, eine „evaluative“ und eine „handlungsorientierte“ Dimension (S. 25). Diese beiden Verständnisse bleiben nebeneinanderstehen, erfahren weder eine Kritik noch einen systematischen Vergleich oder den Versuch einer Synthetisierung. Gleichwohl führt dieser erste Abschnitt informativ und knapp in das Thema ein.
Es folgt ein kurzer Abschnitt zur Unterscheidung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität (S. 26 f.) um dann den Begriff Qualitätsmanagement historisch (S. 28 – 37), systematisch (S. 37 f.) und in seiner Bedeutung für die Sozialwirtschaft (S. 38 – 43) zu entfalten. In diesem Zuge werden die gängigen QM-Systeme und Konzepte knapp skizziert (PDCA, Kaizen, TQM, EFQM, DIN EN ISO) und eine Unterscheidung in eine normative, strategische und operative Ebene des Qualitätsmanagements angeboten. Die Konkretisierung dieser allgemeinen Einführung im Hinblick auf die Sozialwirtschaft erfolgt zunächst an den sozialrechtlichen Rahmenbedingungen Sozialer Arbeit und insb. am sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis. Die kurze Deutung von Qualität, die Kolhoff von diesem Schema ableitet, zeigt die multirationale Dimension von Qualitätsmanagement in der Sozialwirtschaft und ließe sich gut mit den eingangs zur Sprache gebrachten Definitionen diskutieren, um so ein sozialwirtschaftliches Verständnis von Qualitätsmanagement zu entwickeln.
Der Beitrag schließt etwas unvermittelt mit dem Abschnitt zur Organisation von Dienstleistungsprozessen. Offen bleibt, warum der Autor das Risiko der Reduktion des Qualitätsmanagements in der Sozialwirtschaft auf ein Prozessmanagement sieht (S. 43). Zumal er instruktiv in „linear-sequentielle“ und „interaktiv-entwicklungsoffene“ Prozesse unterscheidet (S. 43) und damit die normative Ausrichtung des Prozessmanagement andeutet. Aus Sicht der Praxis lässt sich feststellen, dass häufig das Geschäftsprozessmanagement defizitär ausgebildet ist und es oft keine Koppelung der normativen Ausrichtung mit dem Qualitätsmanagementsystem gibt.
Die Aufgabe, ein sozialwirtschaftliches Verständnis von Qualitätsmanagement zu entwerfen, kommt Klaus Grunwald zu. Unter der Überschrift Qualitätsmanagement in sozialwirtschaftlichen Organisationen – Spezifika und Herausforderungen (Kapitel 3) führt der Autor zunächst in die Thematik ein, wodurch eine gewisse Redundanz zum vorherigen Beitrag nicht zu vermeiden ist. Darüber hinaus leistet Grunwald aber eine Systematisierung der Entwicklungen in der Sozialwirtschaft, resp. der Sozialen Arbeit und damit eine dezidiert sozialwirtschaftliche Begründung von Qualitätsmanagement. So zeigt er auf, dass mit der Wechselwirkung von Professionalität und Organisation die Strukturierung von Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Notwendigkeit managerieller Steuerung eine hohe Relevanz für die soziale personenbezogene Dienstleistung hat. Der Autor konstatiert: „Inzwischen wird Qualitätsmanagement zunehmend als Basis modernen Managements begriffen“ (S. 48).
Das Verständnis von QM als Fundament, um professionelle Arbeit in agilen Umwelten leisten zu können, macht deutlich, dass es um ein „reflektiertes Qualitätsmanagement“ (S. 49) gehen muss, welches die „sozialrechtliche“, „legitimatorische“ und „fachliche“ Dimension (S. 50) wahrnimmt und ausbalanciert. Der fachlichen Dimension wird eine Präferenz eingeräumt, um die Fokussierung der Interessen der Nutzer:innen zu gewährleisten. Damit das QM, ausgehend von einer Personenzentrierung als fachlichem Paradigma, nicht zu einer binnenorganisatorischen „Engführung“ (S. 51) führt, plädiert Grunwald für eine „Berücksichtigung infrastruktureller, sozialräumlicher und sozialpolitischer Fragen“ (S. 51).
Die Spezifika eines sozialwirtschaftlichen Qualitätsmanagements sind damit bereits benannt und werden im vierten Abschnitt auch als Herausforderung reflektiert. Folgende Spezifika und Herausforderungen beschreibt Klaus Grunwald:
- Organisationen der Sozialwirtschaft kommen zunehmend als eigenständige Akteure neben den Nutzer:innen, Professionellen und der Sozialverwaltung in den Blick (S. 52). Dadurch kann die Organisation hinsichtlich ihrer Struktur und Kultur als Ermöglichungsbedingung Sozialer Arbeit theoretisch reflektiert und praktisch gestaltet werden. Das QM hat dann die Aufgabe, „Fach- und Organisationsfragen“ zu verknüpfen (S. 53).
- QM ist kein Selbstzweck und insofern ist es ein Spezifikum der sozialwirtschaftlichen Ausgestaltung, den organisationalen Sinn und Zweck im Qualitätsmanagement abzubilden und das QM daran auszurichten. Strategien und Verfahren des QM haben sich vor diesem Sinn und Zweck der Organisation zu rechtfertigen und ebenso können von dort her Grenzen des QM erkannt werden. Das „reflektierte Qualitätsmanagement“ nimmt damit primär eine unterstützende und keine legitimierende Funktion in sozialwirtschaftlichen Organisationen ein (vgl. S. 53).
- Der Sinnbezug führt in der Sozialwirtschaft zu einem partizipatorisch ausgestalteten QM, um „individuelle und organisatorische Lernprozesse“ (S. 55) zu ermöglichen, dem Risiko, QM als Instrument der Kontrolle und Disziplinierung entgegenzutreten (S. 54) und Agilität zu fördern (S. 55).
- Die Qualitäts(management)philosophie bedarf der Operationalisierung, die eine Quantifizierung der Qualität einschließt und somit einen Beitrag zu „fundierter fachlicher Qualitätsarbeit“ (S. 56) leistet.
Das vierte Kapitel widmet sich dem Thema Qualitätsmanagementkonzepte in den Handlungsfeldern der Sozialwirtschaft. Jochen Ribbeck bietet einen Überblick über Qualitätsmanagementkonzepte, die an die „'großen' Qualitätsmanagementsysteme“ (S. 63) anschlussfähig sind (gemeint sind: DIN EN ISO und AZAV) und einen spezifischen Anwendungsbezug in der Sozialwirtschaft haben. Es werden folgende Konzepte vorgestellt:
- Das GAP-Modell der Dienstleistungsqualität aus den 1980er Jahren (S. 63 – 65.)
- Das GAB-Verfahren der Münchner Gesellschaft für Ausbildungsforschung und Berufsentwicklung aus dem Jahr 1996 (S. 65 – 67).
- Das KTQ-Modell, das für das Gesundheitswesen Anfang der 2000er Jahre entwickelt wurde und die Prozessoptimierung im Hinblick auf die Patientenversorgung zum Ziel hat (S. 67 – 71).
- Für die berufliche Fort- und Weiterbildung wird das LQW Modell vorgestellt, das ebenfalls in den 2000er Jahren entwickelt wurde und das QM systematisch auf die Nutzer:innen ausrichtet (S. 71 – 74).
- Die unterschiedlichen QM-Konzepte der Wohlfahrtsverbände werden exemplarisch aufgegriffen. Stellvertretend wird das Konzept PQ-Sys des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes dargestellt (S. 74 – 78).
- Das Aachener Qualitätsmanagementmodell, das an der RWTH Aachen für den industriellen Bereich entwickelt wurde, stellt in diesem Konzeptreigen eine Ausnahme dar. Von besonderem Interesse an diesem Modell ist dessen informationstechnologische Umsetzung in ein webbasiertes und kollaboratives Managementsystem auf Basis der Wiki-Technologie (S. 78 – 81).
Die sechs Konzepte werden weder kritisch diskutiert noch ihre Auswahl begründet. Die Transferfrage, ob sich insb. das Aachener Modell für sozialwirtschaftliche Organisationen eignet, wird dem:der Leser:in als Kontrollfrage aufgegeben und im Anhang mit einem Satz knapp beantwortet.
Mit dem programmatischen Titel Die QM-Systeme sind in die Jahre gekommen – Wie geht’s weiter? zeigt Paul Brandl im fünften Kapitel an, dass es ihm um mehr als eine kritische Darstellung der wichtigsten QM-Systeme geht. Er verfolgt vielmehr einen eigenen konzeptionellen Anspruch, der mit seinem Entwurf eines „prozessbasierten Qualitätsmanagementsystems“ (S. 110 – 118) präsentiert wird. Der argumentative Aufbau des Beitrags bereitet diese Darstellung vor. In der Einleitung skizziert der Autor „fünf Entwicklungstreiber“ (S. 85) für soziale Dienstleistungen, die in der Notwendigkeit münden, die Effizienz zu erhöhen, um die Arbeit „mangels ausreichender Ressourcen“ (S. 86) zukünftig leisten zu können. Das Qualitätsmanagement kann dafür ein zentrales Instrumentarium sein, wenn sich QM-Systeme „in Richtung eines branchenspezifischen, prozessbasierten Qualitätsmanagements speziell für (soziale) Dienstleistungen“ (S. 86) weiterentwickeln.
Im zweiten Abschnitt des Beitrages stellt Paul Brandl zunächst die ISO in ihren Grundzügen vor und würdigt sie kritisch (S. 87 – 92). Damit bietet er eine knappe Einführung, die einen ersten Überblick ermöglicht. Infolgedessen ist die kritische Würdigung für Lernende anspruchsvoll. Es handelt sich um Thesen, die weder eine argumentative Erläuterung erfahren noch durch Literaturbelege in den wissenschaftlichen Diskurs eingeordnet werden. Nichtsdestotrotz werden damit zentrale Fragestellungen aufgeworfen.
Es folgt ein kurzer Abschnitt zum Total Quality Management (S. 92 – 94), der herausstellt, dass es sich dabei um „keine Alternative, sondern [um] eine Vorgehensweise zur Umsetzung eines Qualitätsmanagements“ (S. 93) handelt.
Einen offenkundigen Schwerpunkt setzt Brandl mit der Darstellung des Systems EFQM (S. 94 – 104). Der Autor stellt fest, dass hier ein System vorliegt, das „ein Beispiel für ein Total Quality Management“ darstellt und „von allen Organisationen sowohl im öffentlichen als auch im privatwirtschaftlichen Bereich eingesetzt werden kann“ (S. 94). Die Logik dieses Systems basiert auf drei Grundprinzipien: Erstens der Ausrichtung (Sinn/Zweck und Vision), zweitens der Realisierung (Strategie) und drittens der Ergebnisse (vgl. S. 99 f.), wodurch es für ein sozialwirtschaftliches Qualitätsmanagement anschlussfähig ist. Kritisch sieht der Autor insb. die geringe Prozessorientierung im EFQM (vgl. 103 f.).
Der dritte Abschnitt des Beitrags skizziert die „Entwicklungspotenziale“ (S. 104) und schließt damit an die Einleitung an. Die Argumentation mündet auch hier darin, „den Fokus auf die Effizienz zu legen“ (S. 105), die durch Prozessoptimierung erzielt werden kann. Dazu ist ein „prozessbasiertes Qualitätsmanagementsystem“ (S. 105) erforderlich, dessen Anforderungen und Lösungen tabellarisch dargestellt werden (S. 106 – 109). Nunmehr mündet der Beitrag im vierten und letzten Abschnitt in die Darstellung des QM-Systems „pQMS extended“ (S. 110 – 118). Ein System, das von Paul Brandl und Irmtraud Ehrenmüller (Dies., pQMS extended – Neues Qualitätsmanagement für die Langzeitpflege, 2019) entwickelt wurde, und eine Erweiterung prozessorientierter QM-Systeme auf der Basis von ISO und EFQM darstellt. Der Beitrag schließt mit der Auflistung des Nutzens des „pQMS extended“. Im Unterschied zu den anderen QM-Systemen wird diesem Systemansatz keine kritische Würdigung zuteil.
Sebastian Noll stellt sich im sechsten Kapitel der Frage Wie führt man Qualitätsmanagement in einer Organisation ein? Zunächst wird das didaktische Konzept für diesen Beitrag kurz erläutert. Ein Praxisbeispiel dient fortlaufend zur Erläuterung und Konkretisierung der Ausführungen. Bevor der Autor zum Schwerpunktthema ausführt, greift er weit aus und beschreibt zunächst Voraussetzungen und Auslöser des QM in der Sozialwirtschaft (S. 122 – 124): Neben den sozialrechtlichen Bedingungen wird die fachpolitische Dimension und der Wettbewerb skizziert. Sodann referiert auch Noll die Unterscheidung der Qualitätsdimensionen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität (S. 124 – 126) und fokussiert das Prozessmanagement (S. 126 – 128). Zwei Vorteile von Qualitätsmanagement werden zusammenfassend konstatiert: Erstens „Fehler vermeiden“ und zweitens „Wissen sichern“ (S. 128 f.).
Die Einführung wird an ein „normatives Bekenntnis der Organisation“ (S. 129) zum Qualitätsmanagement gekoppelt, um es von dort aus in die normative, strategische und operative Planung einzubeziehen. So wird deutlich, dass QM nur dann erfolgreich sein kann, wenn es auf allen Managementebenen verankert ist. Konkret plädiert der Autor für eine Projektstruktur zur Einführung, die von Anfang an auf Partizipation der Mitarbeitenden setzt und sich auf die Prozessorientierung fokussiert (S. 130 – 134). Kurz wird das Pro und Contra einer externen Beratung in diesem Projekt reflektiert (S. 135 f.).
Über die Einführung hinaus skizziert Sebastian Noll die Verankerung des QM im Organisationsalltag und konzentriert sich hier auf drei Institutionen: „Qualitätsbeauftragte“, „Qualitätszirkel“ und „Controlling“ (S. 136 – 138). Damit ist das Themenfeld eröffnet, das im achten Kapitel verhandelt wird.
Zunächst aber widmet sich Michael Boecker im siebten Kapitel dem Thema Wirkungsorientierung. Der Beitrag führt instruktiv in die gegenwärtige Debatte ein, präsentiert zentrale Begriffsunterscheidungen und Definitionen (S. 145), die es dem:der Leser:in erleichtert, die komplexe Materie zu verstehen. Insbesondere die Verknüpfung der Qualitätsdimensionen mit den Begriffen Wirkung und Wirksamkeit macht die Schnittstelle zum QM deutlich (S. 146 – 148). Zugleich plausibilisiert der Autor an mehreren Stellen, dass es in der Regel nicht um kausale Zusammenhänge geht (z.B. S. 148; 158) und die Wirkungsorientierung dennoch ein legitimes sozialpolitisches und fachliches Anliegen darstellt (vgl. S. 148 – 150).
Im Folgenden werden verschiedene Instrumente und Verfahren der Wirkungsforschung auf der individuellen, der institutionellen und der gesellschaftlichen Ebene dargestellt: das Hilfeplanverfahren, die Evaluation, der Social Return on Investment und die Tripel-Mandat-Analyse (S. 150 – 156). Der Durchgang mündet in die Feststellung, dass „Wirkungen in der Sozialen Arbeit nicht im Sinne eines naturwissenschaftlich konstruierten Verständnisses von Kausalität verstanden werden können“, da diese „häufig höchst subjektiv und nicht zuletzt der gesellschaftlichen Aushandlung machtvoller Akteure unterworfen“ (S. 156) sind. Umso zentraler, so Boecker, ist die Etablierung sozialwissenschaftlicher Verfahren der Wirkungsforschung in der Sozialen Arbeit (vgl. S. 157 f.). Der Stand der Wirkungsforschung in der Sozialen Arbeit wird im Folgenden dargestellt (S. 159 – 161).
Der Beitrag schließt mit fünf „Gelingensbedingungen“ oder „wirkmächtigen Faktoren“, die sich aus der bisherigen Wirkungsforschung ableiten lassen (S. 162 f.):
- Hilfeplanung
- Partizipation
- Passung und Platzierung
- Beziehungsqualität
- Kooperationen, Netzwerke und Übergangsmanagement
Das achte und letzte Kapitel ist der Verstetigung oder „Wie der Ball am Rollen bleibt“ gewidmet. Monika Sagmeister zeigt anhand unterschiedlicher Facetten und Methoden auf, wie ein Qualitätsmanagement strukturell in Unternehmen verankert werden kann. Im Zentrum stehen die „Qualitätsmanagementbeauftragte“ (S. 171 f.), das Auditsystem (S. 172 – 176), der „Umgang mit Fehlern und Beschwerden“ (S. 176 – 179) sowie der Einarbeitungsprozess neuer Mitarbeitender (S. 179 f.). Darüber hinaus schlägt die Autorin vor, die Stakeholder (Anspruchsgruppen) der Unternehmung einzubinden. Insbesondere sind die Mitarbeitenden im Blick, die durch das Vorschlagswesen und die Qualitätszirkelarbeit an der Erarbeitung und Weiterentwicklung beteiligt werden. Diese Partizipation soll durch agile Techniken (z.B. Persona, Use-Cases) gestaltet werden (vgl. 180 – 187). Trotz der methodischen Anleihen an einem agilen Qualitätsmanagement geht es der Autorin nur bedingt um ein agiles Managementsystem als solches. Wenn zugleich mehr „Selbstorganisation zugelassen und gefördert werden“ soll (S. 186), bedarf es aus Sicht des Rezensenten sehr wohl einer kulturellen, strukturellen und instrumentellen Organisationsentwicklung. Ohne eine solche Transformation wird es nicht gelingen, dass „Führungskräfte … auf die Selbstorganisationsfähigkeiten ihrer Mitarbeitenden vertrauen, deren Anstrengungen und Ideen ernst nehmen, Freiraum schaffen und Ressourcen bereitstellen, damit Mitarbeitende Veränderung verwirklichen können“ (S. 187).
Diskussion
Das Lehrbuch zum Qualitätsmanagement in der Sozialwirtschaft ist als Sammelband unterschiedlicher Autoren und einer Autorin konzipiert. Jede:r Autor:in verantwortet einen Beitrag und die Beiträge fokussieren unterschiedliche Schwerpunkte der QM Debatte in der Sozialen Arbeit aus der jeweiligen Perspektive. Dadurch gewinnt das Lehrbuch den Vorzug von Sammelbänden, die unterschiedliche Sichtweisen auf ein Thema präsentieren. Zugleich sind die konzeptionellen Differenzen im Hinblick auf das Qualitätsmanagement nur für den:die kundige:n Leser:in sofort sichtbar und erschweren Lernenden die Erarbeitung des Zusammenhangs. Zusammenhänge und Kontroversen zwischen den Beiträgen werden didaktisch und redaktionell nicht explizit gemacht, wenn man von der Einleitung absieht, die aber statt einer Einführung vielmehr eine Kommentierung zur aktuellen Debatte darstellt.
Wenn man das Lehrbuch stattdessen als eine Art Handbuch nutzt, sind die zahlreichen Redundanzen im Rahmen von Einleitungen und Begriffsklärungen hilfreich. Zugleich dienen sie dem didaktischen Prinzip der Wiederholung und sind von daher für Lernende nützlich.
Die didaktische Aufbereitung der Beiträge ist qualitativ sehr unterschiedlich. Weder folgt die Lernzielformulierung einem gemeinsamen Standard noch die Lösungen der Prüffragen im Anhang. Aus Sicht von Lernenden wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Literaturangaben am Schluss der Beiträge eine didaktische Aufbereitung erfahren hätten. So z.B. eine Differenzierung in Grundlagen- und Vertiefungsliteratur, ggf. mit kurzer Kommentierung.
Die Auswahl der Themenfelder ist für ein einführendes Grundlagenwerk gut gewählt, kommen doch mit „Qualität“, „QM in sozialwirtschaftlichen Organisationen“, „QM Konzepte in der Sozialwirtschaft“, „QM-Systeme“, „Einführung von QM“, „Wirkungsorientierung“ und „Verstetigung“ die zentralen Aspekte zum Tragen. Natürlich ist es in gewisser Weise wohlfeil, darauf hinzuweisen, was fehlt. Nie können alle Themen behandelt werden. Allerdings irritiert es den Rezensenten, wenn ein Lehrbuch zum Qualitätsmanagement, das 2021 erscheint, keine Auseinandersetzung zum Geschäftsprozessmanagement und IT anbietet und den Diskurs zum agilen Qualitätsmanagement zwar in unterschiedlichen Beiträgen andeutet, nicht aber systematisch bearbeitet.
Besonders lesenswert sind die Beiträge von Klaus Grunwald, Sebastian Noll und Michael Boecker, da sie, wenngleich z.T. auch schon an anderer Stelle publiziert, eine systematische Einführung bieten und dabei eine kritisch-konstruktive Perspektive auf das Qualitätsmanagement einnehmen. Während Grunwald für ein „reflektiertes Qualitätsmanagement“ plädiert, dass die normative Dimension ernst nimmt, macht Noll deutlich, dass eine erfolgreiche QM Einführung und Weiterentwicklung vom Geschäftsprozessmanagement abhängt. So wird deutlich, dass sich auf der Ebene der Prozesse ein „reflektiertes Qualitätsmanagement“ operationalisiert. Und Michael Boecker zeigt anhand der Ergebnisqualität die Schnittstelle zur Wirkungsorientierung als einer intrinsischen und extrinsischen Dimension Sozialer Arbeit auf. Die Ergebnisse der Wirkungsforschung sind für die Konzeption des Qualitätsmanagements in der Sozialwirtschaft und für die Ausgestaltung der Geschäftsprozesse noch nicht hinreichend reflektiert, und so sind sie eine Fundgrube zur Weiterentwicklung eines sozialwirtschaftlichen Qualitätsmanagements.
Fazit
Das Lehrbuch führt in zentrale Themen des Qualitätsmanagements in der Sozialwirtschaft ein und bietet Lernenden über Prüffragen und Lösungen eine Lernkontrolle an. Zahlreiche Abbildungen veranschaulichen die Inhalte. Die Beiträge sind von unterschiedlichen Autoren und einer Autorin verfasst und nehmen nur wenig Bezug aufeinander.
Rezension von
Dr. Christian Geyer
Fachlicher Vorstand Bathildisheim e.V., Bad Arolsen und Lehrbeauftragter der Hochschule Fulda
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