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Martina Hasenfratz, Sarah Lenz (Hrsg.): Gesellschaft als Risiko

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 21.06.2023

Cover Martina Hasenfratz, Sarah Lenz (Hrsg.): Gesellschaft als Risiko ISBN 978-3-593-51323-2

Martina Hasenfratz, Sarah Lenz (Hrsg.): Gesellschaft als Risiko. Soziologische Situationsanalysen zur Coronapandemie. Campus Verlag (Frankfurt) 2021. 311 Seiten. ISBN 978-3-593-51323-2. D: 34,95 EUR, A: 35,90 EUR.

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Krisen, Krankheiten, Kalamitäten, Katastrophen

Wenn im Dasein der Menschen unvorhergesehene, gefährliche und belastende Ereignisse eintreten, vollziehen sich im Alltag und im täglichen Leben meist zwei unterschiedliche Reaktionen: Als eher resignative, negative, passive Einstellung: „Das Leben ist eines der schwersten!“, oder die aktive, positive Gegenwehr: „Ich will und kann die Gefahren bewältigen!“. Wissenschaftliche Risiko-Analysen und -Forschungen gehen davon aus, dass Gefährdungen, Bedrohungen und Unsicherheiten Bestandteil des menschlichen Lebens sind. Bedeutsam wird dabei die Frage, wie Individuen und Gemeinschaften damit umgehen und Bewältigungs- und Abwehrmechanismen entwickeln? Krisen in der Welt sind allgegenwärtig: Terror-, Hunger-, Wirtschafts-, Finanz-, Umwelt-, Klima- und Gesundheitskrisen. Da drängt sich auf, von „Weltrisiko-Gesellschaft“ zu sprechen (Ulrich Beck, 2008/Herfried Münkler, 2010) und lokale und globale Ausnahmezustände als humane Herausforderungen zu begreifen (Markus Holzinger u.a., 2010).

Entstehungshintergrund und Herausgeberinnen

Wie bewältigen die Menschen das Risiko der globalen Covid-Pandemie? Die Auseinandersetzungen mit der 2019 in China aufgetretenen, ansteckenden Lungenkrankheit in den anderen Weltregionen vollzog sich erst einmal eher zurückhaltend und unbeachtet; erst als sich in kurzer Zeit die Seuche weltweit verbreitete, wurde im Rahmen von „Global Health“ von einer Pandemie gesprochen, und es wurden eine Reihe von – teils wirksamen, teils unwirksamen – Maßnahmen, wie z.B. „Lockdown“ (Adam Tooze, Welt im Lockdown. Die globale Krise und ihre Folgen, 2021), Angst- und Impfkontroversen (Hans-Joachim Maaz, Angstgesellschaft, 2022) veranlasst. Die wiss. Mitarbeiterinnen beim DFG-Kolleg-Forschungsgruppe „Zukünfte der Nachhaltigkeit“, Sarah Lenz und Martina Hasenfratz legen einen Sammelband vor, mit dem sie sich zusammen mit einer achtköpfigen Forschungsgruppe auf den Weg machten, um zu erkunden, wie Menschen mit der bisher unbekannten Situation umgingen, dass die Geschäfte, Restaurants und Clubs schließen mussten, Kitas und Schulen als Hausunterricht funktionierten, Betriebe ihre MitarbeiterInnen in Kurzarbeit schickten, der Besuch von Freunden, Verwandten und in Heimen verboten wurde und öffentliche Spielplätze zu Sperranlagen wurden. Nach dem Schneeballprinzip – „Wir kennen jemand, der jemand kennt, der jemand kennt“ – interviewten die Forscherinnen und Forscher Menschen und fragten, wie sie mit dieser neuen Form der Isolation und des reduzierten Zusammenlebens umgehen, welche Sorgen und Ängste sie dabei haben, und wie sie die Herausforderungen bewältigen. Daraus ist ein Kaleidoskop der gesellschaftlichen Befindlichkeiten entstanden, und es entwickelten sich sogar wissenschaftliche Theoriebildungen, wie z.B. das „Thomas-Theorem“, mit dem erklärt werden kann, dass und wie Menschen in bestimmten Situationen und Herausforderungen eher emotional denn rational, spontan denn gezielt reagieren: „If men define situations as real, they are real in their consequences“.

Aufbau und Inhalt

Die Analysen der Befragungen ergeben soziologische Situationsbeschreibungen nach dem Muster: „Drohender Sinnverlust“ – „In der Schwebe“ – „Seiltanzen“ – „Informiert-Sein“ – „In Sorge“ -„Am Limit“. In drei einleitenden Texten thematisieren die Herausgeberinnen die wissenschaftlichen Fragestellungen: „Gesellschaft als Risiko“; der Soziologe Christian Eberlein von der Universität Hamburg erstellt eine „Coronachronik: Vom ersten Lockdown bis zum ‚Sorglos-Sommer‘“; und der Soziologe Michael Grothe-Hammer von der Norwegian University of Science and Technology in Trondheim fragt mit seinem Beitrag: „Covid-19 als Gefahr oder Risiko: Warum interessieren uns Infektionstote plötzlich so sehr?“. Mit den Überschriften der Interview-Fassungen charakterisieren die Herausgeberinnen den Aufbau ihrer soziologischen Geschichten zur Pandemie-Situation.

Im ersten Kapitel „Drohender Sinnverlust“ fasst Elisabeth Boßerhoff die Ergebnisse ihrer Gespräche mit einer 28jährigen Lehrerin zusammen, mit der bezeichnenden, gleichzeitig entlarvenden Aussage ihrer Interview-Partnerin: „Als Endzeitfan habe ich mir die Apokalypse anders vorgestellt – nicht mit Chips auf dem Sofa“. Paul Weinheimer hat mit einer 29jährigen Bewohnerin in einer Wohngemeinschaft gesprochen: „Ich wäre jetzt einfach gerne bei meiner Family und meine Mama umarmt mich mal wieder“. Sören Altstaedt analysiert das Gespräch mit einer 45jährigen Lehrerin in der Erwachsenenbildung: „Es kommt mir insgesamt vor, wie in einer komischen Käseglocke zu leben“. Die Tübinger Soziologin Marie-Kristin Döbler reflektiert: „Von Paaren und anderen persönlichen Beziehungen in Zeiten der Pandemie“.

Mit dem Kapitel „In der Schwebe“ informiert Nina Sökefeld über ihr Skype-Gespräch mit der 26jährigen Jobberin in einem Supermarkt und Masterstudentin: „Erstmal überleben“. Ruth Manstetten trifft sich mit einer, im Supermarkt tätigen Verkäuferin: „Also was sich geändert hat sind die Schutzmaßnahmen…, aber sonst ist alles normal“. Elisabeth Boßerhoff schildert erneut ihre Eindrücke beim Gespräch mit einer 19jährigen Abiturentin: „Man opfert hat so viel für etwas, wo man noch nichtweiß, ob es das wert ist“.

Das Kapitel „Seiltanzen“ beginnt Marco Hohmann mit dem Bericht über seine Unterhaltung mit einer Assistenzärztin in einer Hämatologischen Klinik: „Ich habe nicht das Gefühl, dass wir den Infektionsschutz richtig einhalten“. Sarah Lenz spricht mit einer 39jährigen Schauspielerin: „Mein größter Kampf ist es, jeden Tag neu zu organisieren, jeder Tag ist neu herausfordernd – ein bisschen orientierungslos“. Martina Hasenfratz trifft sich mit dem 30jährigen, schwulen Fachkrankenpfleger: „Und das hängt alles wie so eine Gewitterwolke über einem“. Ein weiteres Gespräch führt sie mit der 30jährigen Mutter von drei ehelichen Kindern: „Es geht uns allen so langsam die Puste aus“. Der an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität tätige Soziologe Roman Kiefer und die Gießener Soziologin Ruth Manstetten beschließen das Kapitel mit dem Essay: „Heroisierung als Entpolitisierungsstrategie: Die unfreiwilligen Held:innen der Krise“.

Im Kapitel „Informiert-Sein“ vermittelt Sören Altstaedt ihre Erfahrungen beim Gespräch mit der Managerin Sabine: „Die 46-Jährige wirkt entspannt, sie spricht in einem klaren, ruhigen Tonfall“ – „Ich hatte also auch schon Klopapier, als es die Witze über Klopapier noch nicht gab“. Sarah Lenz unterhält sich mit dem 63jährigen, alleinstehenden Krankenpfleger und Freizeitimker. Sie nimmt seinen Ratschlag mit: „Die Menschheit muss mit der Natur und nicht gegen die Natur arbeiten“. Paul Weinheimer spricht mit dem 26jährigen Robert, der in einem belebten Großstadtviertel zusammen mit Freunden in einer Wohngemeinschaft lebt, aber verunsichert ist, weil seine Mitbewohner sich umorientiert haben und ausgezogen sind. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich bisher mit dem selbstständigen Verkauf und Versand von Vintage-Kleidung. Der pandemie-bedingte Rückgang seines Geschäfts führt zu Überlegungen, ein sicheres Angestellten-Verhältnis einzugehen: „Was ich bedenklich finde ist, dass es keine Pluralität der Meinungen gibt“. Marco Hohmann führt ein virtuelles Gespräch mit dem 3ojährigen „Global Head of Strategy“ am japanischen Sitz eines deutschen Consulting-Unternehmens: „Ich habe eine Informationslage, die andere Leute nicht haben“. Nina Sökefeld trifft sich mit der endvierziger Nürnberger Lehrerin und ehemaligen Leistungssportlerin Nicole. Als alleinerziehende Mutter von drei Kindern lebt sie zufrieden nach den gegebenen, gesellschaftlichen Regeln: „Ich will ja, dass man da so gut wie möglich drüber hinwegkommt“. Natalia Besedovsky hat eine Zusammenkunft mit Melina vereinbart. Die Ehefrau und Mutter erhofft sich einen Urlaub, bei dem sie sich von den Strapazen erholen kann, die das achtjährige schwerstbehinderte Kind mit sich bringen. Doch die Pflegeeinrichtung, die das Kind in der Zeit betreuen sollte, musste wegen der Pandemie schließen: „Aber ich hatte auch ohne Corona gelegentlich Angst um mein Kind“. Der Hamburger Gesellschaftsanalytiker Sighard Neckel fordert mit dem Essay „Katastrophenzeit“ einen Perspektivenwechsel bei der Bewältigung der Krisen, nämlich „entschlossen dafür zu streiten, dass für gesellschaftlichen Wohlstand nicht länger mehr der Preis der Naturzerstörung zu zahlen ist“. Das Autorenteam Viola Dombrowski, Marc Hannappel, Lukas Schmelzeisen, Oul Han und Matthias Kullbach reflektiert mit dem Essay „Die Familie im Coronadiskurs“ die Zusammenhänge, die sich durch Information und mediale Berichterstattung und Aufklärung ergeben.

Das Kapitel „In Sorge“ umfasst die Erfahrungen und Ergebnisse von Gesprächen. Nadine Maser vermittelt sie mit dem Interview, das sie mit der 41jährigen pharmazeutisch-technischen Assistentin einer Apotheke, die nebenbei auch kosmetische Fußpflege anbietet, führt. Lieferengpässe für Medikamente und medizinische Hilfsmittel belasten sie, ebenfalls die Kontaktbeschränkungen. Ihre Skepsis gegen die staatlich verordneten Maßnahmen vermag sie nur unzureichend artikulieren: „Ich persönlich habe da eine ganz andere Meinung zu diesem Virus“. Marco Hohmann telefoniert mit der 30jährigen Psychotherapeutin Nina, die in einer Reha-Einrichtung tätig ist. Die beruflichen Herausforderungen der durch Corona bedingte Veränderungen von „Nähe und Distanz“ vermag sie nur unzureichend zu bewältigen: „Wenn man jetzt noch jemandem die Hand gibt, dann fühlt sich das so an wie ungeschützter Geschlechtsverkehr mit einer wildfremden Person“. Martina Hasenfratz spricht mit der 60jährigen Roswitha. Sie lebt mit ihrem Mann in einem kleinen württembergischen Dorf in einem Eigenheim mit großem Garten. Die Kinder sind längst aus dem Haus. Sie arbeitet mit halber Stelle als Pflegekraft in einem Altenheim in der nächstgelegenen Stadt; zusätzlich versorgt sie ihre Mutter, die am anderen Ende des Dorfes noch allein und relativ selbstständig lebt: „Ich denke da jetzt einfach positiv und hoffe, dass es bald ein Ende nimmt“. Nina Sökefeld unterhält sich mit der 27jährigen Studentin Karoline, die in einer bayerischen Großstadt das praktische Jahr ihres Pharmaziestudiums in einer Apotheke verbringt. Die ungeduldigen, nicht selten aggressiven, gesteigerten Kundennachfragen nach Desinfektionsmitteln, Lieferengpässe und Verkaufsstopps, die Nachfrage und das Horten von Desinfektionsmitteln nerven sie: „Wenn wir die Apotheke nicht mehr desinfizieren können, dann können wir eigentlich auch zumachen“. Nadine Maser unterhält sich mit dem 69jährigen Walter, der mit seinen Vorerkrankungen zur Corona-Risiko-Gruppe gehört und sich um seine Frau sorgt: „Wenn halt was mit mir ist, da muss sie ja praktisch komplett mitziehen“. Die Soziologin von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Annerose Böhrer, ergänzt die Erzählungen mit dem Essay: „Die Picknick-Decken-Kontroverse: Eine Geschichte über Alltagsmasken“. Sie schildert Erlebnisse und Erfahrungen beim Tragen von Schutzmasken bei Zusammenkünften und Veranstaltungen: „Die Praxis des pandemischem Maskierens (ist) eine Anerkennung der eigenen Verletzlichkeit und der Verletzlichkeit der anderen“. Der Mediensoziologe Ekkehard Coenen von der Bauhaus-Universität Weimar fragt mit dem Essay „Die Verdrängungen des Coronatodes“ nach den Gründen und Begründungen, weshalb das Endlichkeitsbewusstsein etwa bei Verquerdenkern, Corona- und Wirklichkeitsleugnern versagt: „Die Coronapandemie verdeutlicht, dass der Tod keineswegs kommunikativ allgegenwärtig und dergestalt eben nicht ständig als mitten unter uns wahrnehmbar ist“.

Im Schlusskapitel „Am Limit“ informiert Sarah Lenz über die Begegnung mit dem 48jährigen Taxifahrer Mirko. Er ist geschieden, kinderlos und lebt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in einer nordrhein-westfälischen Industriestadt. Seine beruflichen Stationen als gelernter KfZ-Mechaniker und Rettungssanitäter enden wegen gesundheitlichen Beschwerden. In einer Kleingarten-Parzelle verbringt er seine Freizeit. Die Angst, während der Taxifahrten angesteckt zu werden, fährt mit: „Mir fällt die Decke auf den Kopf – ich neige da sehr zur Einsamkeit“. Ruth Manstetten hat Kontakt zum 25jährigen Hamza aufgenommen. Er kommt aus dem westafrikanischen Ghana, lebt in einer Wohngemeinschaft im Nachbarort. Er hat in einer Hotelkette eine Arbeit im Zimmerservice bekommen. Durch den Lockdown hat er von einem Tag auf den anderen seine Anstellung verloren. Die alltäglichen Sorgen ums Überleben fressen sich, so äußert er sich im Interview, als „Angst und Panik“ in sein Gemüt: „Jederzeit kann etwas passieren, das alle deine Pläne zerstört“. Nadine Maser hat ein Gespräch mit der Mitfünfzigerin Marina vereinbart. Sie ist Angestellte in einem großen Supermarkt und für einen Warenbereich zuständig. Sie pendelt täglich mit dem Auto von ihrem 20 Km entfernten Wohnort zur Arbeitsstelle. Die Unsicherheiten, ob sie ihre Anstellung behalten kann, belasten sie und ihren Lebenspartner: „Ich will nur, dass das alles aufhört, mehr nicht“. Ruth Manstetten skypt mit der Malerin und Erwachsenenbildnerin Marion. Der Lockdown beendete abrupt ihren Unterricht und ihre Kurse bei der Volkshochschule. Ihre überspielte, verdrängte Verzweiflung wegen ihrer prekären Lebenssituation drückt sich in Momentstimmungen aus: „Eine absolut existentielle Situation, in der ich gar nicht mehr weiterwusste“. Der Philosoph Tobias Schramm von der Universität Erlangen-Nürnberg steuert mit dem Essay „An den Rändern der Pandemie“ eine Situationsschilderung bei, wie sie sich im Juni 2020 in einem Hochhauskomplex in Göttingen ereignete. Hundertschaften mit Helm, Visier, Schlagstöcken, Schilden, Körperpanzern und Ganzkörper-Schutzanzügen riegeln das Gebäude ab, in dem sich Menschen leben, die mit Corona infiziert sind. Es sollte verhindert werden, dass sie ihre Wohnungen verlassen. Der Autor zeigt auf, dass die Absperrung des Wohnhauses nicht nur als Infektionsschutzmaßnahme, sondern als „gesellschaftliche Ausgrenzung“ zu deuten ist.

Im Epilog „Herzfehler“ erzählt der Redakteur und Schriftsteller Christian Baron die Geschichte vom alten, versoffenen Albert, der früher Bibliothekar war, und der jungen Juli, deren Mann Murat an einer Herzkrankheit leidet, aber vom Jobcenter die Arbeitslosen-Unterstützung gekürzt wurde, weil er sich nicht bei einer Arbeitsstelle gemeldet hat. Die Schilderung, wie sie beim Arbeitsamt von einem Sachbearbeiter zum anderen bürokratisch und diskriminierend weitergeschickt wurden, um Lebensmittelgutscheine zu beantragen, liest sich wie eine prekäre Odyssee.

Im elfseitigen Glossar werden Begriffe erläutert, die in den Berichten und Essays vorkommen. Die einzelnen Kapitel werden mit jeweils einfühlsamen Bleistift-Zeichnungen von der Hamburger Bildenden Künstlerin Maria Hobbing eingeleitet.

Diskussion

Der Psychologe, Direktor des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Harding-Zentrums für Risikokompetenz, Gerd Gigerenzer, ist überzeugt: Umgang mit Risiko und Ungewissheit ist versteh- und lernbar. Risikokompetent werden bedeutet die Fähigkeit zu erwerben, „Lebensmut und -kraft zu lernen!“ (Risiko. Wie man die richtigen Entscheidungen trifft, 2013). Es sind die Anforderungen, eine Ich- und Weltbeziehung zu entwickeln (Joachim Bauer, Wie wir werden, wer wir sind. Die Entstehung des menschlichen Selbst durch Resonanz, 2022,). Pandemien, Seuchen haben in der Menschheitsgeschichte viel Unheil angerichtet. Immer aber ist es den Menschen gelungen, sie zu überwinden, zumindest zu kontrollieren und (einigermaßen) unschädlich zu machen. Denken wir da z.B. an die Pest, die Pocken und andere Krankheiten. Immer aber hat es auch Individuen und Institutionen gegeben, die Pandemien leugneten oder mit ideologischen, phantastischen, religiösen oder magischen Mitteln austreiben wollten. Die Corona-Pandemie hat die Welt verändert. Die Reaktionen und Bekämpfung der Krankheit in den einzelnen Ländern und Weltregionen korrespondieren mit den ökonomischen, kapitalistischen Entwicklungen: Von der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten, bis hin zu Behandlungs- und Heilmethoden. Die World Health Organization (WHO) registriert lokal und global rund 760 Millionen Menschen, die durch Corona erkrankt sind, darunter ca. 7 Millionen Tote. Die Analysen zeigen aber auch, dass die Pandemie mittlerweile unter Kontrolle gebracht werden konnte und bei den künftigen Aufmerksamkeiten über sich global verbreitenden Gesundheitsrisiken Corona als „beherrschbare“ Krankheit eingeordnet werden kann. In bisher nicht ausreichendem Maße freilich sind präventive und direkte Behandlungsstrategien weltweit gleichwertig verteilt.

In Artikel 25 der „globalen Ethik“, wie die von den Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 proklamierte Allgemeine Erklärung der Menschenrechte bezeichnet wird, heißt es eindeutig: „(1) Jedermann hat das Recht auf einen für die Gesundheit und das Wohlergehen von sich und seiner Familie angemessenen Lebensstandard, einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung, Wohnung, ärztlicher Versorgung und notwendiger sozialen Leistungen…“. Dieses allgemeingültige, nicht relativierbare Menschenrecht gilt auch für die Bekämpfung und Bewältigung der Corona-Pandemie.

Fazit

Die von Sarah Lenz und Martina Hasenfratz vorgelegte, empirische Studie über die individuellen und kollektiven gesellschaftlichen und sozialen Begleiterscheinungen der Pandemie, stellt einen wichtigen, kommunikativen und praktischen Beitrag zum lokalen und globalen, wissenschaftlichen Diskurs über Risiken und Bewältigung der Krise dar. Nur wenn es gelingt, Ursachen, Wirkungen und Handhabungen bei Problemen als menschliches Aktivum zu erkennen, werden Pandemien zu verhindern und zu bewältigen sein. „Mit Corona leben“ heißt zu erkennen, dass das menschliche Immunsystem fähig ist, dem Corona-Virus SARS-CoV-2 und andere Mutationen Paroli zu bieten und die Immunzellen in die Lage zu versetzen, Anti-Körper zu bilden – durch Impfung, durch Aufklärung, Bildung und gesunde Lebensführung.

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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ISSN 2190-9245