Volker Gerloff: Das Asylbewerberleistungsgesetz für die Soziale Arbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Annegret Lorenz, 13.02.2023

Volker Gerloff: Das Asylbewerberleistungsgesetz für die Soziale Arbeit. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2021. 200 Seiten. ISBN 978-3-8487-6718-2. 22,00 EUR.
Thema
Das vorliegende Lehr- und Praxisbuch behandelt das Asylbewerberleistungsgesetz.
Autor
Volker Gerloff ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht. Zudem ist er als Dozent für Sozial- und Migrationsrecht tätig.Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in 14 Teile untergliedert, an die sich ein Stichwortverzeichnis anschließt.
Einleitung
Das einleitende Kapitel enthält viele Überblicke und Grundlagen, die den Leser*innen grundlegende Einordnungen erlauben: Ein historischer Rückblick, ein Abriss über die Leistungen, verfassungsrechtliche Grundlagenüberlegungen sowie – für den juristischen Laien hilfreich – eine Einführung in den methodischen Umgang mit Rechtsnormen.
I. Allgemeines
Dieses Kapitel behandelt die Grundlagen des Asylbewerberleistungsgesetzes:
- Wer fällt in seinen Anwendungsbereich?
- Wie verhält sich sein Leistungssystem zu anderen Sozialleistungssystemen, dem SGB II oder dem SGB XII (Stichwort: Wechsel in einen anderen Rechtskreis)?
- Wie sind die Leistungsberechtigten untergebracht (Stichwort: Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder eigene Wohnung) und – in Abhängigkeit von der Unterbringung: Wie gestaltet sich die Leistungserbringung (Stichwort: Geld- oder Sachleistungen bzw. Gutscheine)?
II. Grundbedarfsdeckung
Der 2. Teil widmet sich den Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Hier werden der Grundbedarf, seine Bestandteile und die konkreten Sätze aufgeschlüsselt. Breiten Raum nehmen daneben historische Rückblicke zur Entwicklung des Grundbedarfs seit 1993 und verfassungsrechtliche Überlegungen ein.
III. Analogleistungen
IV. Anspruchseinschränkungen
Die Teile III und IV greifen die Variationsmöglichkeiten im Leistungsumfang auf. Teil III befasst sich mit der Ausweitung des Leistungsumfangs auf Sozialhilfeniveau (Analogleistungen), Teil IV mit der Anspruchseinschränkung. Beide Kapitel erläutern jeweils, unter welchen Voraussetzungen eine Veränderung in den Leistungen möglich ist.
V. Bildung und Teilhabe
VI. Medizinische Versorgung
VII. Sonstige Leistungen
Die Teile V – VII greifen die weiteren Leistungen außerhalb des Grundbedarfs auf. Für jeden dieser Bereiche legt Gerloff die Voraussetzungen und Grenzen der Leistungen dar. Ein starker Fokus liegt dabei auf der medizinischen Versorgung.
VIII. Anrechnung von Einkommen und Vermögen/Nachranggrundsatz
Teil VII befasst sich mit den Auswirkungen eigenen Einkommens und/oder Vermögens auf den Leistungsanspruch. Gerloff setzt sich in diesem Rahmen mit unterschiedlichen Praxiskonstellationen auseinander und erläutert deren Behandlung. In diesem Rahmen spielt etwa das Zusammenleben von Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und SGB-II-Beziehern eine Rolle (Stichwort: Gemischte Bedarfsgemeinschaft), aber auch die Auswirkungen einer Erwerbstätigkeit auf den Leistungsbezug.
IX. Sicherheitsleistungen
X. AsylbLG und Ausbildung
In diesem Teil reflektiert Gerloff die Auswirkungen eines Studiums oder einer Ausbildung auf den Bezug von AsylbLG-Leistungen.
XI. Arbeits- und Integrationsmaßnahmen
XII. Verfahrensregeln
Das Verwaltungsverfahren ist Gegenstand dieses Teils. Es finden sich Antworten auf u.A. folgende Fragen:
- Gibt es Beratungspflichten der Behörde?
- Braucht es einen Antrag?
- Wer ist zuständig für die Leistungserbringung?
- Welche Melde- und Mitwirkungspflichten gibt es und wie wirken sich Verstöße aus?
Daneben behandelt Gerloff die Möglichkeiten einer nachträglichen Aufhebung von Verwaltungsakten.
XIII. Rechtsschutz
Das ganze Buch läuft nahezu zwangsläufig auf dieses Kapitel zu: Immer wieder weist Gerloff darauf hin: „Bestimmte Leistungsbescheide sind quasi zwangsläufig rechtswidrig – Wehren Sie sich!“ Dies aufgreifend wird in diesem abschließenden Teil der Rechtsschutz dargestellt: Die formal richtige Einlegung des Widerspruchs, das anschließende Widerspruchsverfahren sowie die möglichen gerichtlichen und außergerichtlichen Überprüfungsverfahren nebst deren Voraussetzungen.
Diskussion
An und für sich ist das Asylbewerbergesetz ein relativ einfach strukturiertes und auch sehr kurzes Gesetz. Komplex wird es durch seine Verwobenheit mit dem Aufenthaltsrecht und Sozialrecht – beides nicht gerade einfache Materien. Vollzugsdefizite, Einzelfallprobleme und handwerkliche Mängel des Gesetzes erschweren seine Handhabung in der Praxis. Das alles macht das Asylbewerberleistungsgesetz zu einer schwierigen Materie. In der Arbeit mit Geflüchteten wird es zum überragenden Thema für die Praxis der Sozialen Arbeit. Deren Bedürfnisse hat Gerloff im Blick: Praktiker*innen der Sozialen Arbeit, die zur Rechtsberatung und -begleitung es zu befähigen gilt.
Das Buch weist sich bescheiden als ein Lehrbuch des Asylbewerberleistungsgesetzes aus, geht aber weit darüber hinaus. Es verbindet systematisches Grundlagenwissen zum Asylbewerberleistungsgesetz mit Verständnis für seine historischen und verfassungsrechtlichen Bezüge und schlägt auf dieser Basis die Brücke zur Praxis:
- Was steht in den einzelnen Gesetzen?
- Welche Probleme (Behördenstrategien) stellen sich?
- Und immer und immer wieder: Wie kann (und sollte) man sich dagegen zur Wehr setzen?
Dem Autor ist bewusst, dass vor allem Nichtjurist*innen die Beratung und Begleitung von AsylbLG-Bezieher*innen übernehmen. Ein Fokus des Buches besteht dementsprechend just darin, Inhalt und Systematik des Asylbewerberleistungsgesetzes für Nichtjurist*innen verständlich zu machen. So ist etwa der Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes ohne aufenthaltsrechtliches Wissen kaum zu verstehen.
Dem didaktischen Ziel folgend ist der Aufbau der einzelnen Kapitel sehr gelungen:
Jedem Teil ist eingangs eine Zusammenfassung vorangestellt, die Orientierung über den Inhalt gibt und einen schnellen Überblick erlaubt. Jedes Kapitel endet mit Fragen zu den Inhalten bzw. zur Reflektion mit Lösungsideen. Abschließend gibt es ein Literaturverzeichnis sowie Hinweise zu weiteren Informationsquellen.
In der Sache geht Gerloff nach Art eines Kommentars Vorschrift für Vorschrift durch. Der gesamte Duktus verrät den Blick der Praktiker*in. Die Ausführungen sind gespickt mit Praxisbeispielen, die eingehend unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung durchdacht werden. Das erlaubt auch Nichtjurist*innen einen Praxistransfer und die Bewertung von entsprechenden Leistungsbescheiden. Berechnungsbespiele machen (rechtswidrige) Leistungsbescheide transparent.
Breiten Raum nehmen durchweg Überlegungen zur Verfassungswidrigkeit verschiedener Regelungen ein: Das mag für die Praktiker*in auf den ersten Blick etwas befremdlich oder überdimensioniert wirken, ist aber für die Beratungspraxis unentbehrlich: Erklären sie doch nicht nur, warum bestimmte Bescheide rechtswidrig sind, sondern auch – und das ist für die Beratungspraxis wichtig – mit welcher Argumentation sie angegriffen werden können.
Fazit
Ein richtig gutes Praxisbuch in einem Bereich, in dem es nur wenig auf die Bedürfnisse der Praxis Sozialer Arbeit ausgerichtete Rechtsliteratur gibt. Studierende der Sozialen Arbeit werden dieses Wissen vielleicht noch nicht in dieser Tiefe benötigen bzw. verstehen. Praktiker*innen hingegen werden dieses Kompendium, das einen sicheren Leitfaden für die Soziale Arbeit im Bereich der Arbeit mit Geflüchteten gibt, sehr zu schätzen wissen.
Rezension von
Prof. Dr. Annegret Lorenz
Professorin für Recht mit Schwerpunkt Familien-, Betreuungs- und Ausländerrecht am Fachbereich Gesundheits- und Sozialwesen der Hochschule Ludwigshafen am Rhein
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Es gibt 36 Rezensionen von Annegret Lorenz.
Zitiervorschlag
Annegret Lorenz. Rezension vom 13.02.2023 zu:
Volker Gerloff: Das Asylbewerberleistungsgesetz für die Soziale Arbeit. Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2021.
ISBN 978-3-8487-6718-2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28691.php, Datum des Zugriffs 24.03.2023.
Urheberrecht
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