Sheera Frenkel, Cecilia Kang: Inside Facebook
Rezensiert von Prof. Dr. Frank Überall, 09.09.2021
Sheera Frenkel, Cecilia Kang: Inside Facebook. Die hässliche Wahrheit. S. Fischer Verlag (Frankfurt am Main) 2021. 2. Auflage. 384 Seiten. ISBN 978-3-10-000066-8. D: 24,00 EUR, A: 24,70 EUR.
Thema
Hinter dem sozialen Netzwerk „Facebook“ steht ein einflussreicher Konzern, dessen Praktiken an einzelnen Stellen immer wieder kritisch öffentlich diskutiert wurden. In diesem Werk wird die Geschichte des Unternehmens dargestellt, von den Anfängen mit Mark Zuckerberg an einer Hochschule über verschiedene Stufen der Entwicklung bis hin zu aktuellen Debatten. „Ein Krimi über Manipulationen und Intrigen in einem der mächtigsten Konzerne der Welt“, heißt es dazu im Klappentext des Buches.
Autorinnen
Die Autorinnen sind Reporterinnen der „New York Times“. Das Buch ist das Ergebnis jahrelanger Recherchen mit Unterstützung der Zeitungsredaktion.
Inhalt
Schon in der Einleitung des Buches werden die wesentlichen gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen von Facebook vermessen: Dass die Nutzung des Netzwerks zwar nicht mit einem Geldbetrag bezahlt werden müsse, dafür aber mit Zeit, Aufmerksamkeit und persönlichen Daten. Zudem gebe es keine klaren Regeln, die die missbräuchliche Nutzung privater Daten durch Mitarbeitende der Firma verhindern. Auch die Einschränkung, welche Inhalte etwa wegen Gesetzesverstößen blockiert werden sollten, sorgt für eine ständige Debatte.
Die Autorinnen zeichnen den Beginn des Netzwerks nach, als Mark Zuckerberg einen Blog aufsetzte, um Studentinnen und Studenten an der Harvard-Universität zu bewerten. Schon zu diesem Zeitpunkt gab es zum Teil heftige Proteste gegen die damit verbundene Verletzung der Privatsphäre. Schon damals musste sich Zuckerberg erstmals öffentlich entschuldigen, ohne die Bedenken in der Folgezeit wirklich ernst zu nehmen – ein Muster, das sich in der Schilderung der beiden Autorinnen ständig wiederholen sollte.
Interessant sind die Schilderungen, dass Facebook zunächst Kooperationen mit traditionellen Firmen wie dem Zeitungshaus Washington Post oder dem Web-Dienstleister Yahoo auslotete. Die Einführung des „News Feeds“ war dann – als weiterhin eigenständige Firma – für Facebook im Jahr 2006 eine wichtige Wegmarke. Wie die Autorinnen beschreiben, gab es auch dabei wieder heftige Proteste aus der Öffentlichkeit und aus der Belegschaft. Gleichwohl wurde das Netzwerk immer intensiver genutzt.
Die Beurteilung der Inhalte habe dabei keine Priorität für Facebook gehabt, es sei immer um die möglichst umfassende Redefreiheit gegangen. Mit dem Eintritt der früheren Google-Managerin Sheryl Sandberg sei dann der Schwerpunkt auf die Eigenvermarktung von Werbung gelegt, die zeitweise an Microsoft ausgelagert worden war. Und wieder war es danach Zeit für eine öffentliche Entschuldigung, nachdem Kritik an einem Programm namens „Beacon“ aufgekommen war, das Internetnutzungen wie getätigte Käufe automatisch im Nutzer-Feed veröffentlichte.
Die zunehmende Aufmerksamkeit der Datenschutz-Behörden sowie der immer intensiver geführte Streit um die Verbreitung „schädlicher Informationen“ wie Verschwörungstheorien bestimmt in den jüngeren Jahren die beschriebene Geschichte des sozialen Netzwerks. Mitarbeitende seien ausgeforscht worden, wenn sie im Verdacht standen, interne Informationen oder Kritik an Journalistinnen oder Journalisten weitergeben zu haben. Einen besonderen Raum nimmt in dem vorliegenden Buch der Umgang mit dem US-Politiker Donald Trump ein. Es wird nachgezeichnet, wie russische Player und Trump den US-Wahlkampf mit Hilfe der Facebook-Algorithmen und zuweilen Falschnachrichten beeinflussten. Dagegen wollte die Betreiberfirma des Netzwerks nach Darstellung der Autorinnen aber bewusst nichts unternehmen. Als Beispiel dafür führen sie an, dass Mark Zuckerberg wütend gewesen sei auch Sherly Sandberg, weil sie die medial kritische Berichterstattung über den Datenskandal zum „Cambridge Analytica“ nicht „gesteuert“ habe.
Als problematisch wird beschrieben, dass bei Anhörungen im US-Kongress einige Abgeordnete große Wissenslücken im Hinblick auf die Technologie gehabt hätten. Im Fallbeispiel des südostasiatischen Myanmar wird gezeigt, wie das soziale Netzwerk nach Feststellungen der Vereinten Nationen eine „entscheidende Rolle“ beim dortigen Genozid gespielt habe. Im Hinblick auf die Leugnung des Holocaust in Deutschland wird Mark Zuckerberg damit zitiert, dass er entsprechende Eintragungen auf der Plattform nicht löschen lassen wollte. Während Facebook bei der Verfolgung von Kindesmissbrauch mit den Behörden zusammenarbeitete, sei das beim Vorgehen gegen Hassrede kaum der Fall gewesen. Viele aus dem Management hätten dem Unternehmen deshalb den Rücken gekehrt. Mit dem Umgang mit US-Politikern, der „Black Lives Matter“-Bewegung und den Krawallen am Capitol sowie mit der Covid-19-Pandemie werden in dem Buch zudem weitere hochaktuelle Themen analysiert.
Diskussion
Das Buch stellt ausführlich die Ergebnisse intensiver Recherchen zweier hervorragender Journalistinnen dar. Sie haben nach eigenen Angaben mit vielen aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden von Facebook gesprochen, die allerdings stets anonym bleiben wollten. Trotzdem ist ihnen ein gelungener Einblick in die Praktiken des Unternehmens gelungen, verbunden mit einer durchdachten Analyse der gesellschaftlichen Auswirkungen.
Fazit
Ein Sachbuch, das einem Krimi gleicht – mit gut recherchierten Fakten zu einem allgegenwärtigen Unternehmen, das die Kommunikation der Gesellschaften nahezu überall auf der Welt revolutioniert hat. Damit liefern Sheere Frenkel und Cecilia Kang eine wertvolle und lesenswerte Grundlage für öffentliche und politische Debatten über den Wert von Menschenrechten und Unternehmensfreiheiten.
Rezension von
Prof. Dr. Frank Überall
Medien- und Politikwissenschaftler an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft; www.politikinstitut.de
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Zitiervorschlag
Frank Überall. Rezension vom 09.09.2021 zu:
Sheera Frenkel, Cecilia Kang: Inside Facebook. Die hässliche Wahrheit. S. Fischer Verlag
(Frankfurt am Main) 2021. 2. Auflage.
ISBN 978-3-10-000066-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28692.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
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