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Jan Foelsing, Anja Schmitz: New Work braucht New Learning

Rezensiert von Hendrik Epe, 21.10.2021

Cover Jan Foelsing, Anja Schmitz: New Work braucht New Learning ISBN 978-3-658-32757-6

Jan Foelsing, Anja Schmitz: New Work braucht New Learning. Eine Perspektivreise durch die Transformation unserer Organisations- und Lernwelten. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (Wiesbaden) 2021. 334 Seiten. ISBN 978-3-658-32757-6. D: 42,05 EUR, A: 46,25 EUR, CH: 50,00 sFr.

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Thema

Das Buch „New Work braucht New Learning – Eine Perspektivreise durch die Transformation unserer Organisations- und Lernwelten“ nimmt – ganz grob – die Frage in den Blick, wie Lernen in und von Organisationen in einer zunehmend digitalisierten Welt stattfindet. Es geht darum, zu beleuchten, wie sich Lernen gewandelt hat und wandeln sollte, um den Anforderungen an neue, flexiblere, selbstbestimmte und oftmals digitale Arbeitsformen besser entsprechen zu können. Dabei werden insbesondere die Perspektiven des Individuums und die Perspektive der Organisationen in den Blick genommen: Auf Ebene der Individuen stellen die Autor*innen die Frage, wie es gelingen kann, dass sich Menschen den neuen Herausforderungen nicht nur einer sich wandelnden Arbeitswelt, sondern der sich insgesamt und damit auch in privaten Kontexten wandelnden „VUCA-Welt“ öffnen und kontinuierlich lernen können, ohne Lernen von vorneherein mit Widerstand und Demotivation in Verbindung zu bringen. Das geht aber immer einher mit Fragen des Lernens in und damit der zeitgemäßen Gestaltung von Organisationen, die eine weitere zentrale Ebene der Betrachtung darstellen. Stichwort ist hier Corporate Learning, also das Lernen in und für explizit den organisationalen, meist berufsbezogenen Kontext und Fragen der lernenden Organisation. Zusammenführend stellt das Buch damit die Frage nach dem, wie sich „Lernen an sich“ verändern muss, um mit neuen Arbeitsformen und übergreifend mit „New Work“ umgehen und diese Veränderungen positiv unterstützen zu können – auf Ebene der Individuen wie der Organisationen. Ziel ist, „wirksameres, wertschöpfenderes Lernen besser zu fördern“ (ebd., Vorwort, VIII).

Autor*innen

Jan Foelsing ist Learning und New Work Designer. Er beschreibt sich selbst als Innovationsjunkie und Tool-Nerd. Bis 2021 arbeitete er an der Hochschule Pforzheim im Bereich der Erprobung moderner Lernformate in Verbindung mit digital gestützter Zusammenarbeit/​Social Collaboration. Er arbeitet ferner als Berater und Speaker.

Prof. Dr. Anja Schmitz ist Professorin für Personalmanagement/HRM an der Hochschule Pforzheim und Mitglied im Human Resources Competence Center (HRCC) der Hochschule. Sie befasst sich mit aktuellen Entwicklungen in Organisationen und der Personalentwicklung. Nach ihrem Studium war sie als Organisationsberaterin und in verschiedenen HR-Positionen in der pharmazeutischen Industrie tätig.

Aufbau

Das Buch untergliedert sich auf 334 Seiten in die folgenden 13 Kapitel:

  1. Check-in
  2. Ein Teil des Ganzen – Perspektiven auf unser Umfeld im Wandel
  3. New X – Entwicklungsstufen im Wandel
  4. Der Rahmen – Die Organisation als Nährboden des New Learnings
  5. New Learning – Fokusveränderung im Lernen
  6. Lernkultur – Ein schwer kopierbarer Wettbewerbsvorteil
  7. Leadership – Enabler des New Learnings
  8. Wo bitte geht’s zur Personalentwicklung? Die Rolle der PE neu gedacht (Ein Gastbeitrag von N. Graf und F. Edelkraut)
  9. New Learner needed!? – Der Lernende im Fokus
  10. EdTech.update – New Tools fürs New Learning
  11. Die Quintessenz – New Learning Ecosystems: Shifting Learning Spaces
  12. Learning Strategy & Design Sprint – Agiles Handwerkszeug für die PE
  13. Check-Out

Jedes Kapitel mit Ausnahme von Kapitel 13 schließt mit einer Zusammenfassung und einem Literaturverzeichnis. Daraus resultiert, dass die einzelnen Kapitel meist auch unabhängig voneinander als abgeschlossene Einheiten gelesen werden können.

Inhalt

Wie schon aus der einleitenden Beschreibung zum Thema des Buchs „New Work braucht New Learning – Eine Perspektivreise durch die Transformation unserer Organisations- und Lernwelten“ deutlich wird, werden viele Aspekte der Veränderung des Lernens in einer Welt im Umbruch aufgezeigt. Die Autor*innen merken selbstkritisch an, dass sie mit Blick auf das enorm umfangreiche Thema Lernen dem „Anspruch einer vollumfänglichen Darstellung (…) nicht gerecht werden [können], ohne das wohl dickste Buch der Welt schreiben zu müssen“ (Vorwort, VIII). Ebenso wird darauf verwiesen, dass sich einzelne Aspekte und Themen in den im Folgenden näher skizzierten Kapiteln wiederholen, was der Komplexität und Verwobenheit des Themas geschuldet ist.

Entsprechend führt das Vorwort wie auch „Kapitel 1 – Check In“ ins Thema ein. Hier wird als Auftakt erläutert, warum und wie die Begriffe „New Work“ und „New Learning“ verwendet werden. Damit wird eine Basis für die dann folgenden umfangreichen Ausführungen die Themen Lernen und New Work betreffend geschaffen. Beim Begriff New Work legen die Autor*innen von dem Verständnis Frithjof Bergmanns ausgehend die heute gebräuchlichen Ausrichtungen dar. Aus diesen Ausrichtungen leiten sie Prinzipien (Freiheit, Selbstbestimmung,/Autonomie, Sicherheit, Sinn, Selbstverwirklichung, Kompetenz und Wirksamkeit sowie soziale Teilhabe bzw. Zugehörigkeit) ab, die darauf rauslaufen, „dass eine Implementierung von New Work in Organisationen fundamentalere Veränderungen benötigt als die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und den Aufbau des schon sprichwörtlichen ‚Tischkickers‘“ (ebd., 3). New Learning muss sich den Autor*innen folgend an genannten Prinzipien orientieren und „die Selbst- und Potenzialentfaltung des Individuums in den Fokus rücken, damit die Weiterentwicklung der Individuen einen Beitrag zur Entwicklung der Gesamtorganisation leisten kann“ (ebd., 4). Lernen und der Lernprozess selbst ist geprägt durch Selbstbestimmung, Autonomie und dem Streben nach Wirksamkeit. Dabei spielen Selbstverantwortung und das Lernen in Gemeinschaften eine wesentliche Rolle: „New Learning fokussiert die Bedürfnisse des Lerners, Sinnstiftung, soziale Zugehörigkeit und Verantwortung, was Motivation und Potenzialentfaltung fördert und im Organisationskontext die individuelle Entwicklung der Mitarbeitenden sinnstiftend mit der Weiterentwicklung der Organisation zusammenführt.“ (ebd.).

„Kapitel 2 - Ein Teil des Ganzen – Perspektiven auf unser Umfeld im Wandel“ nimmt darauf aufbauend die Veränderungen und insbesondere die Megatrends in den Blick, die aktuell und aller Voraussicht nach auch zukünftig unsere Gesellschaft bestimmen. Einführend werden exponentielle im Gegensatz zu linearen Veränderungen skizziert. Daran anschließend werden die „Treiber der Veränderungen“ (ebd., 12) beginnend bei der industriellen Revolution über den gesellschaftlichen Wertewandel bis hin zu technologischen Entwicklungen erläutert. Zur Einordnung der Entwicklungen wird das Spiral Dynamics Modells herangezogen. Dieses Modell soll, so die Autor*innen, „die Stufen des Entwicklungsprozesses, des menschlichen Bewusstseins sowie der Gesellschaft praxistauglich“ (ebd., 18) veranschaulichen. Die einzelnen Stufen des Modells werden beschrieben, wobei die Stufen blau, orange, grün, gelb und türkis ausführlicher dargestellt werden [1]. Die Autor*innen weisen darauf hin, dass das Modell durch die Entwicklungsrichtung impliziert, dass mit jeder Stufe eine Weiter- oder „Höherentwicklung“ einherginge, was jedoch nicht unter allen Umständen gilt. Vielmehr ist „jeweils die Stufe als die ‚bessere‘ anzusehen, die den Lebensrealitäten, also dem Kontext am angemessensten ist“ (S. 20). Bei der Erläuterung der Megatrends orientiert sich das Buch an den Megatrends, die vom Zukunftsinstitut beschrieben sind und legt einen besonderen Fokus auf Industrialisierung, Konnektivität, Wissenskultur und New Work. Zusammenfassend zeigt das Kapitel Chancen aber auch Risiken zukünftiger gesellschaftlicher Entwicklungen.

Das skizzierte Modell der Entwicklungsstufen wird auch in Kapitel 3 - New X – Entwicklungsstufen im Wandel – zugrunde gelegt, um damit spezifische Organisationsformen zu erläutern, die laut den Autor*innen auch zu neuen Formen von Lernen geführt haben. Beschrieben werden die Stufen blau bis gelb, wobei unter blau traditionelle Organisationen verstanden werden, in denen eine „Command & Control“ Kultur vorherrscht und – so die Autor*innen (vgl. ebd, 57f) – Hierarchie gewinnt, Stabilität, Gehorsam und Unterordnung als Leitbild gelebt werden und die Stellung in der Hierarchie entscheidet. Unter orangen Organisationen werden dann moderne Organisationen verstanden, die eine „Performance & Unlimited Growth“ Kultur leben, Leistung gewinnt und Fortschritt und Wachstum als Leitbild im Vordergrund stehen. Grün sind sog. Post-Moderne Organisationen, deren „Collaborative & Sustainable Growth“ Kultur auf die Gemeinschaft setzt und Verbundenheit, Nachhaltigkeit und Empathie als Prämissen lebt. Des gilt, zusammen mehr zu erreichen. Gelbe Organisationen sind meta-moderne (integrale) Organisationen, die eine „Integral Co-Evolving & Co-Creation“ Kultur aufweisen. In diesen Organisationen ist der Kontext entscheidend und Perspektivwechsel und Reflexion auf Meta-Ebene führen zu kontextsensitivem Handeln (vgl. ebd.). Aus den einzelnen Stufen wird ein „New Work Development Framework“ erarbeitet, der als Praxismodell dienen soll, „um organisationale Entwicklungsprozesse, Werthaltungen, Überzeugungen und Narrative greifbar und ‚besprechbar‘ zu machen und Organisationen in der Weiterentwicklung ihres Arbeitens und Lernens eine passende Orientierungshilfe zu geben (ebd., 74). Mit dem Modell werden die unterschiedlichen organisationalen Entwicklungsstufen und das jeweils dafür typische Verständnis von Lernen sowie die dafür eingesetzten Systeme dargestellt. Das Kapitel abschließend werden Ansatzpunkte zur Gestaltung der Transformation von Organisationen dargestellt, wobei die Ebenen des Individuums, der Teams und der Organisationen in den Blick genommen werden. Hinzu kommt als vierte Ebene noch die Umwelt, in der vor allem die Stakeholder der Organisation verortet werden. Für die einzelnen Ebenen werden „Transformationshebel“ dargestellt, an denen für Entwicklung und Veränderung angesetzt werden kann.

Das nächste Kapitel – Kapitel 4 - Der Rahmen – Die Organisation als Nährboden des New Learnings – nimmt dann die Ebene der Organisation in den Blick mit der Frage, wie diese hinsichtlich der „Dimensionen Strategie, Struktur, Prozesse, Systeme, Technologie, Kultur, Führung und Kompetenzen“ (ebd., 87) gestaltet und entwickelt werden können, um den zukünftigen Herausforderungen begegnen zu können. Dabei wird erläutert, dass es nicht die eine richtige Organisationsform für alle Organisationen geben kann, sondern der Kontext der Organisation ausschlaggebend für die Ausgestaltung der genannten Dimensionen ist. So erfordern bspw. Organisationen in hochdynamischen Kontexten wie der IT aus Sicht der Autor*innen andere Organisationsformen als Organisationen in der Verwaltung, die in weniger dynamischen Umwelten agieren. Es wird dann versucht, ein möglichst allgemeingültiges Zielbild für einen organisationalen Rahmen im VUCA-Kontext darzulegen, um diesen als Ausgangspunkt für die Transformation der Organisation zu verstehen. Für dieses Zielbild werden Prinzipien in den einzelnen Dimensionen dargestellt, die als „Eckpfeiler einer Organisation in der Netzwerkgesellschaft“ herangezogen werden, „in der Lernen zum natürlichen Teil der Unternehmens-DNA werden kann“ (91). Das Kapitel schließt damit, dass drei „Tools“ für die Gestaltung agiler Organisationen im Learning- & Development-Kontext ein vorgestellt werden (die Organizational Maturity Fit Map, der Organizational Framework Equalizers und der New Work Development Framework).

Nach der Darstellung des Kontextes, in dem organisationales Lernen stattfindet, in den vorherigen Kapiteln, wird Kapitel 5 - New Learning – Fokusveränderung im Lernen als „das Herz dieses Buches“ (ebd., 105) dargestellt. Beginnend bei einer Darstellung der heutigen und zukünftigen Lernwelten über die Darlegung der Merkmale des Lernens im VUCA-Kontext und lerntheoretischer Grundlagen zukunftstauglicher Lernwelten werden insbesondere zehn „Fokusfelder des New Learning“ (117) dargestellt. Fokusfelder sind bspw. „Das Lernen selbst zum Lerngegenstand machen“, „Kollaboratives Lernen in Co-Creation ermöglichen“, „Experimentierräume (er)öffnen“ oder die Frage der Gestaltung von „Learning Ecosystems“. Die Fokusfelder basieren auf den zuvor erarbeiteten „Prinzipien Meta-Moderner Organisationen für den Lernbereich“ (ebd.) und „beschreiben, welcher Fokus bei der Ausgestaltung neuer Lernräume Beachtung finden sollte, um Lernen und organisationale Entwicklung zu unterstützen.“ Im Kern geht es um die Gestaltung von „Learning Ecosystems“, Lernökosystemen, die den zukünftigen komplexen und dynamischen Anforderungen der Umwelt, den Bedürfnissen der Organisationen ebenso wie der Lernenden und der Zunahme an Lernformen und Technologien Rechnung tragen können.

Kapitel 6 - Lernkultur – Ein schwer kopierbarer Wettbewerbsvorteil stellt dar, dass Lernkultur wichtig ist, oftmals aber in seiner Definition sehr vage bleibt. Hier wird versucht, eine klarere Definition zu schaffen, indem zunächst die Grundlagen von Organisationskultur diskutiert und die Ergebnisse anschließend auf die Frage der Lernkultur transferiert werden. Abschließend geht es darum, Ansatzpunkte zur Gestaltung der Lernkultur zu etablieren und ein mögliches Zielbild einer „New Learning Culture“ (187) zu zeichnen. Laut den Autor*innen ist die Lernkultur Teil der Organisationskultur. „Sie bezieht sich auf die kollektiven Grundüberzeugungen, Werte und Einstellungen der Organisation in Bezug auf Lernen und spiegelt den Stellenwert wider, den Lernen in der Organisation hat“ (205). Daraus folgt, dass die Veränderung der Learning Culture nicht schnell vonstattengehen kann, sondern ganzheitliche Herangehensweisen erfordert, die auch die Gestaltung des organisationalen Rahmens ebenso wie der Führung der Organisation umfassen.

Die Führung wird dann explizit in Kapitel 7 - Leadership – Enabler des New Learnings aufgegriffen und erläutert, dass Führungskräften eine zentrale Rolle für die Gestaltung des Lernens zukommt. Dabei werden Einstellungen, die Vorbildrolle und die Kompetenzen der Führungskräfte in den Blick genommen, da diese als die einflussreichsten lernhemmenden Faktoren gesehen werden können. Entsprechend wird lernförderliches strategisches ebenso wie operatives Führungshandeln im Kapitel erläutert.

Kapitel 8- Wo bitte geht’s zur Personalentwicklung? Die Rolle der PE neu gedacht ist ein Gastbeitrag von Nele Graf und Frank Edelkraut, in dem die Veränderung der Strukturen und Rollen in der Personalentwicklungsfunktion in Organisationen in den Blick genommen werden, „um zu klären, wie neue Rollen in der PE der Zukunft aussehen können“ (231). Dazu werden einführend Rollen und Aufgaben der Personalentwicklung in einer hochtechnologischen Wissensgesellschaft beschrieben, bevor die verschiedenen Rollen innerhalb der PE dargelegt werden (bspw. PE als Stratege oder Lerncoach). Dabei wird zusammenfassend erläutert, dass die Ansprüche an die Personalentwicklung steigen und sich enorme Veränderungen im Bereich PE ergeben. „Die Personalentwicklung stellt über ihre unterschiedlichen Rollen sicher, dass alle notwendigen Rahmenbedingungen verfügbar sind und unterstützt alle Stakeholder professionell bei allen Fragen rund um das Thema Lernen“ (242).

In den vorherigen Kapiteln wurden insbesondere die sich verändernden Umwelten und die Gestaltung dieser Umwelten in den Blick genommen. Kapitel 9 - New Learner needed!? – Der Lernende im Fokus nimmt jetzt, wie die Überschrift schon sagt, die*den Lernende*n in den Fokus. Ausgehend von den aktuellen Lernerfahrungen werden Lernereinstellungen und -präferenzen in den Blick genommen unter der Fragestellung, was Lernenden wichtig ist. Daran anschließend wird die Motivation der Lernenden ebenso wie die Lernkompetenz aufseiten der Lernenden als Voraussetzung für selbstgesteuertes Lernen erläutert. Dabei wird deutlich, dass „der Wechsel von klar strukturierten, primär fremdgesteuerten Lernsettings hin zu komplexen, unstrukturierten Lernsettings (…) höhere Anforderungen an die Lernerkompetenz und -motivation mit sich“ bringt (261).

Kapitel 10- EdTech.update – New Tools fürs New Learning nimmt daran anschließend die technische Seite des Lernens in den Blick wobei die Frage im Zentrum steht, wie die technische Unterstützung aussehen muss, „die sowohl die individuellen Bedürfnisse der Lernenden als auch die organisationale Entwicklung in Richtung Meta-Moderner Organisationen unterstützt, sowie als digitaler Nährboden für eine neue Lernkultur dienen kann“ (267). Wiederum ausgehend von dem Status quo, hier bezogen auf die Erfahrungen der Nutzung von eLearning und Lernplattformen in Organisationen, wird ein Blick auf die Entwicklung der Learning Technology Branche geworfen sowie ein Ausblick in die Zukunft von EdTech gewagt. Dabei werden Lerntechnologien und Systeme im Überblick dargestellt, und verschiedene „Ausflüge“, bspw. in die künstliche Intelligenz, die Virtual Reality oder in die Architektur technischer Learning Ecosystems, unternommen. Das Kapitel abschließend wird ein Zielbild einer integrated Learning Ecosystem Platform erarbeitet. Zusammenfassend kommen die Autor*innen zu der Aussage, dass die Anschlussfähigkeit der Angebote wichtiger ist als der Einsatz des technisch versiertesten Systems.

Kapitel 11 – Die Quintessenz – New Learning Ecosystems: Shifting Learning Spaces will ein „Gesamtbild des Wandels des Lernens in Organisationen“ darlegen, indem der Frage nachgegangen wird, „wie sich das Innere der Learning Ecosystems, die Lernräume (Learning Spaces), verändern“ (309). Um zu einer Antwort zu gelangen, werden neue (virtuelle und analoge) Lernräume vorgestellt, die weggehen von der „Innensicht auf lang vorgedachte Trainings und selbst produzierte Lerninhalte zu mehr Content Curation und ad-hoc Co-Creation von Lerninhalten“ (311). Das Kapitel abschließend werden Wege aufgezeigt, um von klassischen zu neuen Lernräumen gelangen zu können. Wiederum wird darauf verwiesen, dass diese Entwicklungen „eine ganzheitliche Transformation der Organisation [erfordert]: Mikro-, Meso- und Makro-Ebene müssen die Veränderung unterstützen und der Reifegrad der Lernenden muss erhöht werden, damit die neuen Lernräume auch wertstiftend angenommen werden können“ (314).

Kapitel 12 Learning Strategy & Design Sprint – Agiles Handwerkszeug für die PE zeigt abschließend Möglichkeiten auf, wie die eigene Organisation neu gestaltet und eigene strategische Ausrichtung des New Learning daraus abgeleitet werden können. Dazu wird der Learning Strategy & Design Sprint vorgestellt, der die Entwicklung einer Lernstrategie und dazu passender Learning Designs unter der Anwendung agiler Methoden ermöglichen soll. Der Learning Strategy & Design Sprint wird als 10 „Sprints“ umfassender Workshop beschrieben, um die Entwicklung hin zu einem komplexitätsbewussten Learning Ecosystems in der eigenen Organisation konkret angehen zu können. Die einzelnen Sprints umfassen Themenschwerpunkte wie die Analyse des Status quo, die Erkundung der Bedürfnisse der Stakeholder, die Ausrichtung des Learning Design bis hin zum Prototyping.

Das Buch schließt mit einem Check Out, indem im Sinne eines Fazits noch einmal zusammenfassend reflektiert wird, wo noch offene Themen angesprochen werden müssen und wie eine Weiterarbeit aussehen kann. Wichtig ist, dass hier aber auch in allen vorhergehenden Kapiteln auf die Möglichkeit verwiesen wird, online weiterzulesen und gemeinsam weiter an den Themen zu arbeiten. So werden verschiedene Interviews und Artikel zum jeweiligen Kapitel im Buch via QR Code verlinkt und darauf hingewiesen, auch per social media in Kontakt zu bleiben. 

Diskussion

Vorab: Die Autor*innen weisen im Vorwort selbst darauf hin, dass der „denglische“ Sprachanteil sehr hoch sein wird. Das ließe sich kritisieren, macht in einer zunehmend globalisierten Welt aber wenig Sinn. Eher sorgt es für Klarheit, anstatt zwanghaft nach deutschen Alternativen für englische Begriffe zu suchen.

Kritisch hingegen lässt sich diskutieren, ob ein weniger nicht mehr gewesen wäre. Konkret spannt das Buch den Bogen von den gesellschaftlichen Megatrends, den sich daraus ergebenden Entwicklungen für die Gesellschaft, für Organisationen und für Menschen und greift von dort mithilfe des Stufenmodells Spiral Dynamics auf, wie angeblich die einzelnen Entwicklungsstufen hin zu einem zeitgemäßen und zukunftsfähigen Lernverständnis verlaufen. Auch wenn es als guter Überblick zur Unterfütterung der Notwendigkeit des Wandels angesehen kann, hätte hier ein klarer Fokus gutgetan.

Ganz grundsätzlich infrage zu stellen ist die Orientierung an dem Stufenmodell Spiral Dynamics selbst. So fehlt dem Stufenmodell Spiral Dynamics (und ja, es ist ein Modell, mit dem versucht wird, komplexe Realität vereinfachend darzustellen) jegliche Empirie. Hinzu kommt, dass es aus meiner Perspektive wenig hilfreich ist, anhand von Stufen zu beschreiben, welche zukünftigen Handlungsoptionen ein zu betrachtendes System aufnehmen sollte. Auch reicht, wie in diesem Modell an vielen Stellen postuliert, die reine Bewusstwerdung nicht aus, um Entwicklung „hin zu einer nächsten Stufe“ zu ermöglichen. Kurz: Auch hier wäre eine Ausrichtung an den für eine zeitgemäße Entwicklung des Lernens notwendigen Rahmenbedingungen und Strukturen in und von Organisationen ausreichend gewesen, um den Kern des Buchs zu verdeutlichen. Denn dieser Kern – so wie ich ihn verstanden habe – ist mehr als relevant:

Lernen, auch und gerade in und von Organisationen, muss sich wandeln von „passivem Konsumieren“ vorgegebener Inhalte hin zur selbstbestimmten Suche nach passenden, bedarfsorientierten Angeboten, die wirklich hilfreich sind. Die Entwicklung von Lernen in Stabilität und Vorhersagbarkeit hin zum Lernen in Komplexität und Dynamik ist dabei die wesentliche „Fokusveränderung im Lernen“ (Kapitel 5). Und den Autor*innen gelingt es sehr treffend, diesen Wandel ebenso wie die damit einhergehenden Herausforderungen für die Organisationsentwicklung zu beschreiben. Dabei bleiben sie aber nicht stehen, sondern liefern sehr konkrete Handlungsoptionen für Menschen, Mitarbeiter*innen wie Führungskräfte, um die anstehenden Herausforderungen lösen zu können.

Wichtig ist noch, dass die Autor*innen auch die kritischen Entwicklungen des Lernens hin zur Orientierung an den Bedarfen der Lernenden aufgreifen. So suggeriert der Ansatz eines Lernens anhand des Bedarfs, dass alle Informationen, Inhalte, alles Wissen, das nicht dem aktuellen Bedarf entspricht, nutzlos wäre. Hier ist jedoch zu unterscheiden, dass zum einen der organisationale Kontext und das Lernen im Arbeitsumfeld explizit beleuchtet werden und zum anderen gerade basierend auf kollaborativen Lernmethoden (wie bspw. dem Working out Loud Ansatz) Öffnung geschieht und Input aus anderen Disziplinen und von anderen Menschen einbezogen werden kann. Damit sind – überspitzt formuliert – nicht mehr 10 % des Gehörten relevant, sondern das Lernen an sich ist der Kern und das Aufgreifen von Inhalten, Ideen und die sich darauf ergebenden Innovationen sind relevant.

Fazit

Abseits der genannten Kritikpunkte ist das Buch „New Work braucht New Learning – Eine Perspektivreise durch die Transformation unserer Organisations- und Lernwelten“ für mich ein enorm wichtiges, umfangreiches Werk zum richtigen Zeitpunkt: Wir können den notwendigen Wandel in den Organisationen und in der Gesellschaft nicht bewerkstelligen, indem wir die Lern- und Entwicklungsmethoden anwenden, die damals schon nicht geholfen haben. Wir brauchen ein neues Verständnis von dem, wie sich Menschen in ihren Arbeitskontexten entwickeln und wie sie lernen können. Dabei ist wichtig zu erkennen, dass die Ansätze, die im Buch beschrieben werden, nicht utopisch in der Zukunft vielleicht zu realisieren wären, sondern ganz konkrete, bereits an vielen Stellen erprobte Optionen sind, Lernen neu und anders zu gestalten.

Das Buch ist insbesondere für Praktiker*innen im Personalentwicklungsumfeld sowie für Führungskräfte hilfreich, die konkret daran arbeiten, neue „Learning Ecosystems“ zu kreieren. Das Buch ist aber auch hilfreich für Menschen in traditionellen Lernumgebungen wie Schulen, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und Hochschulen. Für diese Organisationen – und auch das ist nichts Neues – werden die im Buch von Jan Foelsing und Anja Schmitz beschriebene Lernparadigmen zu relevanten, vielleicht sogar existenzbedrohenden Umbrüchen führen. Hier sollte das eigene organisationale Lernen beginnen, um neue Angebote und Möglichkeiten – bspw. der Content Curation – zu entwickeln und gemeinsam mit den Nutzer*innen zu erproben.

Abschließend noch ein kurzer Gedanke zum Wandel des Lernens in sozialen Organisationen: Zum einen ist Personalentwicklung in diesen Organisationen immer noch ein sehr weniger beachteter Aspekt, der dringend mehr Aufmerksamkeit bedarf. So lässt sich zwar konstatieren, dass soziale Organisationen sehr personalintensiv sind, da die Leistungserbringung fast immer auf interpersonellen Austauschprozessen basiert. Daraus folgt, dass die Menschen in den Organisationen die wichtigste Ressource zur Wertschöpfung sind. Hinzu kommt, dass der Fachkräftemangel in einigen Arbeitsfeldern sozialer Arbeit existenzbedrohende Ausmaße annimmt. Gerade unter diesen Bedingungen wäre es mehr als notwendig, effizient und effektiv, wenn Menschen ihre Kompetenzen bestmöglich einsetzen könnten. Hier setzt New Learning an, da es nicht mehr um Lernen im Gießkannen-Prinzip, sondern um auf die Menschen zugeschnittene Lernformen geht. Außerdem steht die Entwicklung der Menschen hin zu ihrer je eigenen Selbstbestimmung und Autonomie im Kern des New Learning – und im Kern sozialer Arbeit, wenn man die Internationale Definition Sozialer Arbeit zugrunde legt.

Zum anderen haben wir es in sozialen Organisationen in vielen Fällen mit Menschen zu tun, die extrem negative Schul- und Lernerfahrungen gesammelt haben, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind und die ganz grundlegende Schwierigkeiten in der Gestaltung des Lebens und Lernens haben. Soziale Organisationen sind dafür da, Menschen in ihrer Autonomie und Selbstbestimmung zu fördern. Um dies auch auf Ebene des Lernens gewährleisten zu können, sind die Professionellen in der Sozialen Arbeit verpflichtet, sich mit neuen Wegen des Lernens zu befassen. Nur so kann es gelingen, sich selbst, vor allem aber die Klient*innen auf ihren Wegen hin zu einem “New Learning” zu begleiten. Dazu kann das Buch wertvolle Anregungen liefern.


[1] Eine Erläuterung der einzelnen Stufen findet sich frei zugänglich bspw. unter https://www.integralesforum.org/medien/​integrale-bibliothek/​theorie-grundlagen/​2809-spiral-dynamics

Rezension von
Hendrik Epe
M.A.
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Es gibt 11 Rezensionen von Hendrik Epe.

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ISSN 2190-9245