Ruth Wetzel: Was mit Demenz noch alles geht
Rezensiert von Alexandra Günther, 31.01.2022

Ruth Wetzel: Was mit Demenz noch alles geht. Personzentrierte Aktivierung Schritt für Schritt.
Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2021.
170 Seiten.
ISBN 978-3-497-03063-7.
D: 24,90 EUR,
A: 25,60 EUR.
Reinhardts Gerontologische Reihe - 59.
Thema
Die Begleitung von Menschen mit Demenz in stationären Pflegeeinrichtungen ist eine komplexe, breitgefächerte Aufgabe. Jeder neue Tag und jeder neue Mensch mit Demenz bringt andere Aufgaben und eigene Bedürfnisse mit. Fachkräfte in der Betreuung brauchen daher für ihre Arbeit Hintergrundwissen und Lösungen, wie sie Aktivierungsmethoden im Alltag individuell sinnvoll einsetzen.
Autorin
Ruth Wetzel ist examinierte Krankenschwester und hat u.a. Weiterbildungen zur Altentherapeutin, Gedächtnistrainerin, gerontopsychiatrischen Fachkraft und Referentin für Generationen- und Altenarbeit. Sie arbeitet aktuell freiberuflich als Dozentin und Referentin mit dem Schwerpunkt Demenz in Aus-, Weiter- und Fortbildungen.
Aufbau
Das Fachbuch ist folgendermaßen aufgebaut:
- Aktivierung im Alter
- Was Sie über Demenz wissen müssen
- Personzentrierte Pflege nach Tom Kitwood
- Das Prinzip der Geborgenheit
- Biografie und Leibgedächtnis
- Allgemeine Situationsanalyse der Aktivierung
- Wohn- und Lebensformen für Menschen mit Demenz
- Methodische Ansätze in der Alltagsbetreuung Schritt für Schritt
- Kooperationsarbeit
Inhalt
Für die Autorin Ruth Wetzel heißt Demenz, lernen mit Demenz zu leben. Die Autorin stellt im ersten Kapitel vor, was sinnvolle Aktivierung, Motivation, Grundbedürfnisse und sogenannte Türöffner bei Demenz bedeuten.
Das zweite Kapitel gibt einen knappen Überblick über Demenzarten, schildert die Hauptsymptome und die Phasen des Krankheitsverlaufs.
Das dritte Kapitel beschreibt den personzentrierten Ansatz bei Demenz von Tom Kitwood. Die Autorin erläutert u.a. was zur Identität eines Menschen gehört und welche Folgen eine Demenzerkrankung darauf hat. Die Bedürfnisse, besonders die psychischen, werden beschrieben. Gerade das Bedürfnis nach Liebe und die dazugehörenden Aspekte wie Bindung oder Trost treten hervor. Menschen mit Demenz sind für ihre Erfüllung auf die Unterstützung der Fachkräfte angewiesen.
Im Anschluss daran geht Wetzel im vierten Kapitel darauf ein, wie Fachkräfte Geborgenheit für Menschen mit Demenz vermitteln können. Sie stellt dafür das sogenannte Haus der Geborgenheit vor. Es beinhaltet Kriterien wie Sicherheit, Gewohnheit und Anerkennung als Person.
Im fünften Kapitel erklärt die Autorin, was Biografiearbeit bei Demenz beinhaltet und welche Quellen es gibt. Gerade der Zugang über das Leibgedächtnis wird als Ansatz für die Betreuungsarbeit vorgestellt.
Die Situationsanalyse im sechsten Kapitel umfasst u.a. die Bedarfsanalyse der sozialen Betreuung und Interventionsmöglichkeiten bei Demenz. Wetzel erläutert den Perspektivwechsel von herausforderndem zu aufforderndem Verhalten. Sie gibt einen Überblick über theoretische Interventionsmodelle wie von Carl Rogers, das Konzept der Bezugspflege, Validation nach Naomie Feil und fachliche Interventionen wie Fallbesprechungen. Außerdem stellt sie eine erste Übersicht zu den Interventionsmethoden bei Demenz vor.
Das siebte Kapitel verweist ganz kurz auf die unterschiedlichen Wohnformen für Menschen mit Demenz, speziell das Angebot von Demenz-Wohn- bzw. hausgemeinschaften, sogenannte Pflege-WGs.
Das achte Kapitel ist der umfangreichste Teil des Buches. Es stellt die schrittweise Gestaltung einer personzentrierten Aktivierung vor. Dafür hat die Autorin ein 6-Phasen-Modell erarbeitet. Es umfasst die Informationssammlung als Ausgangspunkt und reicht bis zur Dokumentation und Auswertung am Ende der Aktivierung. Anhand von Fallbeispielen zeigt die Autorin die Anwendung des 6-Phasen-Modells in der Praxis mit folgenden Interventionsmethoden:
- Erinnerungsarbeit
- 10-Minuten-Aktivierung
- Biografische Schatzkiste
- Milieutherapie, – gestaltung
- Musik
- Gartentherapie, Naturerleben
- Tiergestützte Intervention
- Esskultur
- Feste feiern
- Bewegung
- Tagesstruktur
- Kreativität
- Spiritualität
Im letzten und neunten Kapitel geht Wetzel auf das Thema Kooperationsarbeit ein. Sie stellt kurz die wesentlichen Aspekte von Angehörigenarbeit vor und gibt einen Überblick über mögliche Kooperationspartnerschaften.
Die Autorin hebt in allen Kapiteln wichtige Grundlagen für die Betreuungsarbeit heraus und stellt Übungen für die Übertragung der Inhalte auf eigene Fälle vor. Dazu gibt sie Tipps und Querverweise auf weiterführende Literatur. Außerdem stellt sie Onlinematerial zum Herunterladen auf der Seite des Verlags zur Verfügung.
Diskussion
Fachkräfte in der Betreuung brauchen ein großes Spektrum an Kompetenzen, um sich immer wieder auf neue Situationen und Menschen einstellen zu können. Für eine gute Qualität müssen in der Betreuungsarbeit die theoretischen Grundlagen in die Praxis übersetzt werden. Daran kann es schnell scheitern. Das kann an der fehlenden Struktur oder Organisation der Interventionen liegen. Daher sind neben den theoretischen Grundlagen, Kenntnisse über eine systematische Anwendung bzw. Umsetzung in die Praxis notwendig.
Das Fachbuch von Ruth Wetzel vermittelt dies. Die Autorin gibt speziell mit dem 6-Phasen-Modell professionellen Betreuungskräften ein Instrument in die Hand, um personzentrierte Aktivierungsangebote strukturiert gestalten zu können. Darin liegt eine große Stärke des Fachbuchs.
Auch wenn es viele andere Veröffentlichungen über Aktivierungsarbeit bei Demenz gibt, ist die konsequente Umsetzung einer personzentrierten Haltung durch alle Arbeitsbereiche hinweg in dieser Form besonders.
Fazit
Ruth Wetzel gibt mit ihrem Fachbuch eine Einführung über die wichtigsten Theorien und Arbeitsbereiche für Betreuungskräfte von Menschen mit Demenz. Der rote Faden ist die Frage, wie die Aktivierung personzentriert gestaltet wird, damit jeder einzelne, demenzkranke Mensch mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht. Dies führt die Autorin konkret und alltagsnah vor.
Das Fachbuch von Ruth Wetzel ist daher eine Bereicherung für Fachkräfte in der Betreuung von Menschen mit Demenz. Es ist verständlich und anschaulich geschrieben, mit vielen Anregungen und Tipps für die eigene Arbeit.
Rezension von
Alexandra Günther
Sozialpädagogin und Ethikerin
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Es gibt 45 Rezensionen von Alexandra Günther.
Zitiervorschlag
Alexandra Günther. Rezension vom 31.01.2022 zu:
Ruth Wetzel: Was mit Demenz noch alles geht. Personzentrierte Aktivierung Schritt für Schritt. Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2021.
ISBN 978-3-497-03063-7.
Reinhardts Gerontologische Reihe - 59.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28765.php, Datum des Zugriffs 09.12.2023.
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