Martin Schieron, Christa Büker et al. (Hrsg.): Patientenedukation und Familienedukation
Rezensiert von Dr. Anke Höhne, 07.06.2022
Martin Schieron, Christa Büker, Angelika Zegelin (Hrsg.): Patientenedukation und Familienedukation. Praxishandbuch zur Information, Schulung und Beratung. Hogrefe AG (Bern) 2021. 336 Seiten. ISBN 978-3-456-86041-1. D: 44,95 EUR, A: 46,30 EUR, CH: 61,00 sFr.
Thema
Das Handbuch gibt einen umfassenden, aktuellen und praxisnahen Überblick über das pflegerische Handlungsfeld der Patienten- und Familienedukation. Edukative Aktivitäten durch Pflegende werden in all ihrer Vielfältigkeit vorgestellt und anhand von praktischen Beispielen erläutert.
HerausgeberInnen
Martin Schieron ist Krankenpfleger und Dipl.-Pflegewissenschaftler (FH). Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für Gesundheit Bochum.
Prof. Dr. Christa Büker ist Professorin für Pflegewissenschaft an der Fachhochschule Bielefeld.
Prof. Dr. Angelika Zegelin ist Krankenschwester, Lehrerin für Pflegeberufe und Erziehungs- und Pflegewissenschaftlerin.
Aufbau und Inhalt
Das Buch besteht aus neun Kapiteln. Die Kapitel oder einzelne Abschnitte darin wurden neben den Herausgeber*innen von 23 weiteren Autor*innen (mit)verfasst.
In Kapitel 1 („Nursing is teaching – Grundlagen und Entwicklungen“) werden grundlegende Informationen zur Thematik Patientenedukation gegeben und die Notwendigkeit dieses pflegerischen Handlungsfeldes begründet. Angelika Zegelin gibt einen kurzen historischen Überblick über das Selbstverständnis der Pflege hinsichtlich patientenedukativer Aktivitäten. Eine Vorreiterrolle für die diesbezügliche Entwicklung hat hierbei das Institut für Pflegewissenschaft der Universität Witten/​Herdecke gespielt, dessen Entwicklung die Autorin von Anfang an miterlebt und mitgestaltet hat. Angelika Zegelin berichtet anhand ihrer eigenen beruflichen Biografie über die historische Entwicklung der „sprechenden Pflege“ ab den 1960er Jahren bis heute und geht auf die Entwicklung der ersten Patienten-Informations-Zentren in Deutschland und das Thema Mikroschulungen als kurze Vermittlungseinheiten von Selbstpflegeinterventionen ein. Das Kapitel wird abgerundet durch die Kurzvorstellung einiger beispielhafter Projekte zur Patientenedukation.
Kapitel 2 („Theoretische Ansätze“) stellt die wichtigsten theoretischen Bezugspunkte pflegerischer Patienten- und Familienedukation vor. Das von Martin Schieron verfasste Kapitel geht dabei auf so zentrale Begriffe wie Empowerment, Familienorientierung, Gesundheitskompetenz ebenso ein wie auf eine Kurzvorstellung von bedeutsamen Pflegetheorien (z.B. Modell der Grundbedürfnisse von Virginia Henderson, Pflegetheorie des Selbstpflegedefizits von Dorothea Orem oder Pflegemodell der Aktivitäten des täglichen Lebens von Schwester Liliane Juchli).
Kapitel 3 („Grundlagen der Informationsvermittlung“) hat die häufigste Aktivität pflegebezogener Aktivitäten zum Inhalt. Christa Büker thematisiert die rechtlichen Grundlagen der Informationsvermittlung und verdeutlicht, dass Informationsvermittlung im Pflegealltag häufig nebenbei, quasi begleitend zu anderen pflegerischen Maßnahmen geschieht. Die Autorin betont, wie wichtig die Rolle der Verständlichkeit von Informationen (Stichwort einfache, leichte Sprache) für Patient*innen und die Evidenzbasierung von Gesundheitsinformationen ist. Sehr anschaulich ist die Checkliste für schlechte Gesundheitsinformationen, die verdeutlicht, wie man es gerade nicht machen sollte und wie man gute von schlechten Gesundheitsinformationen unterscheiden kann. Ebenso praxisnah ist der Abschnitt über schriftliche Informationen, der thematisiert, worauf bei der Erstellung eigener Informationsmaterialien zu Gesundheitsthemen zu achten ist. Das Kapitel geht abschließend auf Patienten-Informations-Zentren (PIZ) als pflegerisches Handlungsfeld ein und gibt einen historischen Überblick über deren Entstehung und Ausgestaltung in Deutschland. Die Idee der Patienten-Informations-Zentren wird anhand ihrer Arbeitsweise, Themenschwerpunkte, den Anforderungen an die Mitarbeitenden, Erfolgsfaktoren eines PIZ und der exemplarischen Beschreibung ausgewählter PIZ sowie eines konkreten Praxisbeispiels vorgestellt.
In Kapitel 4 („Grundlagen zu Schulungen“), das ebenfalls von Christa Büker verfasst wurde, wird einer der Schwerpunkte pflegerischer Edukation für Patient*innen und Angehörige thematisiert. Es werden Einzel- und Gruppenschulungen mit ihren wesentlichen Merkmalen vorgestellt und ein Praxisbeispiel gegeben. Sehr erfreulich ist, dass auch auf aktuelle Entwicklungen wie Online-Schulungen eingegangen wird.
Kapitel 5 („Grundlagen der Beratung“) von Martin Schieron behandelt unterschiedliche Formalisierungsgrade von Beratungen, verschiedene Formen (z.B. Experten-, Fach-, Prozessberatung), Grundhaltungen und Beratungskonzepte (z.B. tiefenpsychologische, analytische, systemische, humanistische, lösungsorientierte Beratung). Teilweise werden pflegebezogene Beispiele zur Veranschaulichung herangezogen. Ein Abschnitt in diesem Kapitel widmet sich pflegespezifischen Beratungskonzepten, z.B. professioneller Pflegeberatung und Gesundheitsförderung für chronisch Kranke. Auch dieses Kapitel schließt mit einem ausführlichen Praxisbeispiel.
Kapitel 6 („Grundlagen der Moderation“), ebenfalls von Martin Schieron, stellt Moderation als ein neues Konzept bei konflikthaften Pflegesituationen in Familien vor. Der Moderationsprozess wird ausführlich vorgestellt. Abschließend wird ein Praxisbeispiel zur Familienmoderation bei Pflegebedürftigkeit vorgestellt. Die Abgrenzung der Moderation zur Mediation als etabliertem Verfahren zum Umgang mit Konflikten wird nicht klar, schließlich handelt es sich bei pflegebezogenen innerfamiliären Konflikten um ein klassisches Beispiel für die Mediation.
In Kapitel 7 („Handlungsfelder pflegebezogener Edukation“) werden weitere Handlungsfelder und Praxisbeispiele vorgestellt. Martin Schieron behandelt in alphabetischer Reihenfolge Handlungsfelder wie Advanced Practice Nursing (auch Advanced Nursing Practice genannt), ambulante Krankenpflege, Angehörige in der pflegebezogenen Edukation, Community Health Nurses, Familiale Pflege, pflegebezogene Edukation im Krankenhaus, präventive Hausbesuche, Beratung und Schulung in der Hebammenarbeit, berufliche Selbstständigkeit in der pflegerischen Beratungsarbeit, Schulgesundheitspflege und pflegebezogene Edukation im Kontext des SGB XI.
Kapitel 8 („Nach Symptomen googlen“) von Jörg große Schlarmann, unter Mitarbeit von Christa Büker beschäftigt sich mit der gesundheitsbezogenen Informationssuche im Internet, Gesundheitsportalen, dem Einfluss der eigenständigen Informationssuche der Patient*innen auf die Arzt-Patienten-Beziehung, Social Media und der Qualitätssicherung von Gesundheitsinformationen im Netz. Es wird eine Checkliste zur Vertrauenswürdigkeit von Webseiten und empfehlenswerte Webseiten zu Gesundheitsinformationen vorgestellt.
Das letzte Kapitel („Patientenedukation und Pflegeprozess“) wurde von Jörgen Georg verfasst und verknüpft den Beratungsprozess mit dem Pflegeprozess.
Ein umfangreicher Anhang rundet das Praxishandbuch zum Thema Information, Schulung und Beratung in der Pflege ab. Zunächst werden zentrale Begriffe sog. „kommunikativer Unterstützungsleistungen“ ähnlich einem Glossar vorgestellt bevor die Fachzeitschrift für Pflegepädagogik, Patientenedukation und -bildung PADUA mit ihrem Profil und die Sektion Beraten, Informieren, Schulen der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft, das Netzwerk Patientenedukation skizziert werden. Darüber hinaus gibt es einen Abschnitt mit weiterführenden Literaturtipps zum Thema, einer Zusammenfassung der im Text verwendeten Links, ein Herausgeber- und Autorenverzeichnis sowie ein Sachwortverzeichnis.
Diskussion
Die Herausgeber*innen haben mit diesem Buch ein sehr praxisnahes Handbuch entwickelt, das alle relevanten Aspekte rund um die Themen Information, Schulung und Beratung von Patient*innen und Angehörigen in der Pflege behandelt. Das Buch enthält viele Aufgaben, die in der Pflegeausbildung oder im Studium zur vertiefenden Auseinandersetzung mit patientenedukativen Themen anregen. Die einzelnen Kapitel des Buches können auch unabhängig voneinander gelesen werden, wenn nur ausgewählte Themen aus dem Bereich der Patienten- bzw. Familienedukation von Interesse sind.
Fazit
Das Buch versteht sich als praxisnahes und zugleich wissenschaftlich fundiertes Handbuch. Diesem Anspruch wird das Buch in vollem Umfang gerecht. Die Vielfalt des Handlungsfeldes der Patienten- und Familienedukation wird klar herausgestellt. Der konsequente Einbezug von Praxisbeispielen, Tipps für eine vertiefende Auseinandersetzung mit Einzelaspekten und weiterführenden Rechercheaufgaben verdeutlicht die klare Praxisausrichtung des Buches.
Rezension von
Dr. Anke Höhne
Dipl.-Sozialwiss., Referentin bei SUCHT.HAMBURG gGmbH, Systemische Beraterin und Familientherapeutin
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Es gibt 21 Rezensionen von Anke Höhne.
Zitiervorschlag
Anke Höhne. Rezension vom 07.06.2022 zu:
Martin Schieron, Christa Büker, Angelika Zegelin (Hrsg.): Patientenedukation und Familienedukation. Praxishandbuch zur Information, Schulung und Beratung. Hogrefe AG
(Bern) 2021.
ISBN 978-3-456-86041-1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28792.php, Datum des Zugriffs 12.09.2024.
Urheberrecht
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