Andreas Beelmann, Laura Sophia Sterba (Hrsg.): Prävention und Bildung im Kindes- und Jugendalter
Rezensiert von Christoph Nette, 06.04.2023

Andreas Beelmann, Laura Sophia Sterba (Hrsg.): Prävention und Bildung im Kindes- und Jugendalter. Vorurteilen begegnen, Toleranz stärken.
Wochenschau Verlag
(Frankfurt am Main) 2021.
168 Seiten.
ISBN 978-3-7344-1310-0.
D: 18,90 EUR,
A: 19,50 EUR.
Reihe: Sir Peter Ustinov Institut.
Thema
Andreas Beelmann und Laura Sophia Sterba versammeln im vorliegenden Band verschiedene Beiträge der gleichnamigen Tagung der Sir Peter-Ustinov-Stiftung, die 2019 in Wien stattgefunden hat. In der Publikation werden theoretische Ansätze, Forschungsergebnisse und Anwendungsbeispiele aus den Bereichen Vorurteilsentwicklung und -prävention, Intergruppenbeziehung, sowie Radikalisierung und Extremismus dargestellt.
Autor:innen
Andreas Beelmann ist Psychologe und Professor am Institut für Psychologie der Universität Jena. Zudem ist er Direktor des Zentrums für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration (KomRex).
Laura Sophia Sterba ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie der Universität Jena in der Abteilung für Forschungssynthese, Intervention und Evaluation.
Aufbau
Das Buch versammelt, neben einem kurzen Vorwort, acht Beiträge aus Theorie und Praxis der Toleranzförderung und Vorurteilsprävention unterschiedlicher Autor:innen.
Inhalt
Im ersten Beitrag stellt Andreas Beelmann dar, was Vorurteile sind und wie sie sich äußern. Außerdem wird erläutert, wie es zu Vorurteilen aus Sicht der sozialpsychologischen Vorurteilsforschung kommt. In weiteren Abschnitten geht Beelmann den Fragen nach, inwiefern Vorurteile Stabilität aufweisen, was Entwicklungstheorien und Risikofaktoren von Vorurteilen sind und welche Implikationen sich aus alledem für eine entwicklungsorientierte Prävention ableiten lassen. Beelmann stellt abschließend sechs Hinweise zusammen, die seines Erachtens die Entstehung von Vorurteilen bei Kindern vermeiden bzw. bestehende Vorurteile abbauen können.
Der zweite Beitrag wird von Friedrich Lösel verantwortet und befasst sich „mit protektiven Faktoren gegen Extremismus, Radikalisierung und daraus resultierender Gewalt“ (S. 29). Aufgrund der wenigen empirischen Befunde in diesem Themenfeld geht der Autor zunächst von protektiven Faktoren von Resilienz gegen Jugendgewalt aus und konstatiert eine Übertragbarkeit auf Probleme des politischen und religiös-ethischen Extremismus, die zumindest teilweise möglich zu sein scheint. Und tatsächlich kann Lösel darstellen, dass eine weitgehende Übereinstimmung der protektiven Faktoren besteht. Aufgrund dieser Ergebnisse wird in den Schlussfolgerungen besonders das sog. „3-N-Konzept“ (S. 43) hervorgehoben und vor allem hinsichtlich seines praktischen Nutzens für Prävention/​Intervention aufgeführt.
Im dritten Beitrag wird eine Studie von Yvonne Krieg, Laura Beckmann und Sören Kliem vorgestellt, die für das Bundesland Schleswig-Holstein darstellt, inwiefern menschenfeindliche Einstellungen und vorurteilsgeleitete Handlungen und Straftaten unter Jugendlichen verbreitet sind. Zudem werden in der Studie die Perspektiven von Opfern und Täter:innen dargestellt. Die Prävalenzen werden nach Geschlecht und Schulform betrachtet. Für die Autor:innen zeigt sich, dass eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auch unter Schüler:innen weit verbreitet ist. Dabei äußern sich die jungen Menschen vor allem gegenüber Empfänger:innen von Arbeitslosgengeld II, Ausländer:innen und Migrant:innen abwertend.
Mit Schülerinnen und Schülern beschäftigt sich auch der folgende Beitrag von Sebastian Lutterbach und Andreas Beelmann. Die beiden Autoren greifen die gesellschaftliche Diskussion auf, dass intergruppale Kontakterfahrungen ein wichtiger Einflussfaktor auf ethnische Vorurteile sind. Ihr Befund der dargestellten Studie zu dieser Fragestellung lässt sich dabei folgendermaßen zusammenfassen: es kommt nicht notwendigerweise zu weniger Vorurteilen bei Schüler:innen, wenn sie soziokulturelle Diversität erfahren. Vielmehr ist es so, dass ethnischen Vorurteilen durch Kontaktinterventionen zu begegnen wäre, will man einer Verfestigung im Erwachsenenalter entgegenwirken.
Mit dem Thema der interethnischen Freundschaften beschäftigt sich auch Philipp Jugert in seinem Beitrag, der aufzeigt, inwiefern Bildungseinrichtungen dazu beitragen können, der Entstehung von Vorurteilen bei Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken.
Die drei abschließenden Beiträge werfen dann den Blick auf die konkrete Praxis. So stellen Michael Wermke und Sophie Seher dar, wie das Zentrum für religionspädagogische Bildungsforschung der Friedrich-Schiller-Universität in Jena mit der Einrichtung einer Arbeitsstelle Kultur- und religionssensible Bildung zur Prävention von Vorurteilen beiträgt. Dabei wird vor allem der Blick auf den Mütterworkshop „Miteinander stärken“ (S. 114) geworfen und die konzeptionellen Vorüberlegungen, sowie die einzelnen Module dargestellt.
Wie man die Methode des Theaters für einen transformativen Geschichtsunterricht anwenden kann, wird von Eva Kalny dargestellt. Als Beispiel dient der Autorin in der Darstellung eine Grundschule in Großbritannien. Eine Übertragung auf den deutschsprachigen Raum sieht die Autorin als unproblematisch und führt im Fazit verschiedene geeignete geschichtliche Themen und Theaterstücke auf.
Ein letzter kurzer Beitrag wird von Thomas Müller verantwortet, der anhand des „Landesprogramms gegen Rechtsextremismus“ aus Niedersachsen darstellt, wie ein Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis gelingend geführt werden kann.
Diskussion
Der Sammelband vereinigt auf gelungene Art und Weise theoretische und praktische Beiträge aus dem Bereich der Vorurteilsprävention und Toleranzförderung. Besonders die Beiträge aus der Forschung sind dabei augenöffnend, weil sie aktuelle gesellschaftliche Diskussionen sowohl aufnehmen als auch in ein ausgewogenes Licht rücken und angemessen komplex darstellen. Die drei Beispiele aus der konkreten Praxis können dabei diese Erkenntnisse aufnehmen und überzeugend darstellen, wie gute Präventions- und Bildungsarbeit im Bereich im schulischen und außerschulischen Kontext zum besagten Thema realisiert werden kann.
Fazit
Andreas Beelmann und Laura Sophie Sterba legen mit diesem Sammelband die Ergebnisse einer Tagung mit selbem Thema der Sir Peter-Ustinov-Stiftung aus dem Jahr 2019 vor. Die insgesamt acht Beiträge beschäftigen sich überwiegend mit der Theorie, Forschung und aktuellen Forschungsergebnissen aus den Bereichen der Entwicklung von und Prävention gegen Vorurteile. Zudem beleuchten drei Beiträge gelingende Praxis im Kontext von Bildung und Unterricht.
Rezension von
Christoph Nette
Dipl. Theol., M.A. Bildungsreferent im Schulpastoralen Zentrum Fürstenried der Erzdiözese München und Freising
Mailformular
Es gibt 6 Rezensionen von Christoph Nette.
Zitiervorschlag
Christoph Nette. Rezension vom 06.04.2023 zu:
Andreas Beelmann, Laura Sophia Sterba (Hrsg.): Prävention und Bildung im Kindes- und Jugendalter. Vorurteilen begegnen, Toleranz stärken. Wochenschau Verlag
(Frankfurt am Main) 2021.
ISBN 978-3-7344-1310-0.
Reihe: Sir Peter Ustinov Institut.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28796.php, Datum des Zugriffs 10.06.2023.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.