Christa Diegelmann, Margarete Isermann et al.: Therapie-Tools Psychoonkologie
Rezensiert von Prof. Dr. Carl Heese, 30.11.2021
Christa Diegelmann, Margarete Isermann, Tanja Zimmermann: Therapie-Tools Psychoonkologie. Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2020.
286 Seiten.
ISBN 978-3-621-28765-4.
Reihe: Therapie-Tools.
Autorinnen
Christa Diegelmann und Margarete Isermann sind Psychotherapeutinnen, die langjährig Erfahrungen mit psychoonkologischen und traumatisierten Patienten haben. Gemeinsam führen sie seit 1996 ein Institut für innovative Gesundheitskonzepte in Kassel.
Tanja Zimmermann ist Professorin für Psychosomatik und Psychotherapie mit Schwerpunkt Transplantationsmedizin und Onkologie an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Entstehungshintergrund
Das Buch ist in der Reihe ‚Therapie-Tools‘ erschienen. Die Bände stellen zu verschiedenen Themen Rahmenkonzepte für Beratung und Therapie sowie eine Sammlung von Materialien für den Einsatz bei Klienten vor. Ein Teil der Bände ist – wie der vorliegende – speziellen klinischen Problemen gewidmet.
Aufbau und Inhalt
Kapitel 1 definiert Psychoonkologie und stellt die stationäre und ambulante Versorgung differenziert dar. Im Schnelldurchgang werden die wichtigen Fakten zum Thema Krebs und seine Behandlung referiert, z.B. was der Unterschied zwischen einem Sarkom, einem Karzinom und einem Blastom ist. Die Themen Fertilitätserhalt und Nebenwirkungen werden wegen ihrer großen Bedeutung für die psychoonkologische Begleitung besonders hervorgehoben.
Kapitel 2 schildert das Spezifische der psychoonkologischen Versorgung vor allem im Akutkrankenhaus mit seinen zahlreichen Störfaktoren. Ziele und Aufgaben der Betreuung werden für die verschiedenen Settings ausgeführt. Einen erhöhten Stellenwert hat das Erstgespräch, bei dem die Betroffenen sich häufig in einer „Problem-Trance“, einem Überforderungsmodus befinden. Die Grundhaltung der psychoonkologischen Arbeit wird durch einen hohen Respekt vor der Auseinandersetzung der Betroffenen mit ihrer Erkrankung charakterisiert. Der psychoonkologische Therapiebedarf wird als Bedarf von angstbetroffenen, gestressten und traumatisierten Patienten nach Psychoedukation, Begleitung und Therapie erläutert. Die Arbeit mit Ressourcen und symbolisch-imaginativen Übungen hat darin für die Autorinnen einen besonderen Stellenwert.
Als Arbeits- und Informationsmaterial werden zu diesem Abschnitt beispielsweise vorgestellt: ein Leitfaden für das Erstgespräch, eine Information zu Krankheitsmythen, ein Selbsteinschätzungsinstrument für posttraumatische Stresssymptome oder eine Anleitung für die bilaterale Stimulation zur Ressourcenverankerung.
Kapitel 3 ist der psychoonkologischen Diagnostik gewidmet. Im einleitenden Teil werden Störungs-, Belastungs- und Ressourcendiagnostik unterschieden und die Rolle der Diagnostik in der S3-Leitlinie Psychoonkologie gezeigt. Die Besonderheit der Diagnostik in diesem Feld ist ein sparsamer Ansatz, der mit der Zeit der Klienten sorgsam haushaltet. Große Schwierigkeiten bereitet häufig die Überlappung von psychopathologischen Symptomen mit primären Symptomen der Krebserkrankung wie ein Antriebsmangel.
Als Tools werden hier vor allem Fragebogeninstrumente vorgestellt, unter anderem der Progredienzangst-Fragebogen, die Self-Image Scale, der trustRessourcen-Fragebogen.
Kapitel 4 thematisiert die Interventionen bei psychosozialen Belastungen. Einleitend wird auf Ängste, kognitive Umstrukturierung, Depression, Fatigue, Schmerz und Krankheitsbewältigung eingegangen. Die Materialien bieten Werkzeuge zur Bearbeitung von Ängsten sowie Achtsamkeitsübungen oder die hypnotherapeutische ‚Lichtstromübung‘ zur Linderung von Schmerzen.
Kapitel 5 behandelt die Ressourcenaktivierung und die Resilienzförderung zur Krankheitsbewältigung. Hier wird die onkologische Krankheitsverarbeitung in Bezug auf die Phasen von der Diagnosefindung bis hin zur Palliativphase charakterisiert. Maladaptive Bewältigungen wie die Anpassungsstörung oder die PTBS werden vorgestellt. Konzepte der Unterstützung bei der Bewältigung, auf die dann eingegangen wird, sind: Stressimpfung, Ressourcenaktivierung, Resilienzförderung, Achtsamkeitsförderung, autobiografische und Körperbildarbeit, Humor. Ausführlicher wird dabei das Trust-Konzept von Diegelmann und Isermann ausgeführt. In ihm werden die Ansätze der Salutogenese, der Resilienz, der positive Psychologie mit neurobiologischen Erkenntnissen integriert. Zu diesen Themen werden dann 23 Tools vorgestellt.
Kapitel 6 führt Interventionen „nicht nur für das Lebensende“ aus. Hier geht es zunächst um die häufigen Sorgen und Wünsche am Lebensende, die Wirkfaktoren einer guten Begleitung – Freundlichkeit, Zuhören, Zeit, Transparenz, eigene Angst aushalten und Respekt – sowie die „Elemente eines ‚guten‘ Sterbens“. Der Materialteil dazu geht auf die Würdezentrierte Therapie (WT) von Chochinov, eine Sterbemeditation, den Dankbarkeitsbrief sowie die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) ein. Weiter werden beispielsweise auch Informationen und Arbeitsblätter zu Sinnfindung und zu posttraumatischem Wachstum angeboten.
Kapitel 7 behandelt Interventionen mit Paaren, mit denen die Auswirkungen einer Erkrankung auf das Familienleben bearbeitet werden können. Es werden positive und negative Auswirkungen gezeigt. Die Interventionen zielen auf ein dyadisches Coping, sie beziehen auch die Kommunikation über die partnerschaftliche Sexualität mit ein.
Das Material bietet dann Hilfen, die die gesprächstechnischen Besonderheiten der Arbeit mit Paaren adressieren: Sprecher- und Zuhörerregeln in Kurz- und Langform, Interventionstechniken wie die kontingente Verstärkung, das Soufflieren, das Coaching, der Schnitt und das Feedback.
Die sehr knappen Kapitel 8 und 9 fokussieren auf Kinder, einmal in ihrer Rolle als Angehörige von Erkrankten und dann auch als selbst Erkrankte. Hier finden sich Hilfestellungen zum Gespräch mit den Kindern über erkrankte Eltern und ein Arbeitsblatt zu den Rollenerwartungen von Eltern erkrankter Kinder.
Das abschließende Kapitel 10 dient der Selbstreflexion der eigenen beruflichen Tätigkeit mit den Themen Burnout-Prophylaxe, sekundäre Traumatisierung und Compassion Fatigue.
Diskussion
Im einleitenden Teil berichten die Autorinnen von den Schwierigkeiten, eine adäquate psychoonkologische Betreuung zu finden. Mangelndes Wissen und fehlende Kompetenzen aufseiten der therapeutischen Kollegen führten häufig zur Ablehnung von Betroffenen bei ihrem Wunsch nach Begleitung und Therapie. Das motiviert die Autorinnen zu Ihrem Buch, sie wollen ihr Wissen und ihr Material zum Thema zur Verfügung stellen. Das gelingt auch in einer sehr anwenderfreundlichen und überzeugenden Weise. Die theoretische Einleitung und die Orientierungen zu Beginn jedes Kapitels stellen zuerst einen Rahmen zur Verfügung, hier werden die einschlägigen Zielsetzungen, Konzepte und Modelle vorgestellt. Damit wird auch die wissenschaftliche Verankerung für die nachfolgenden Arbeitsmaterialien belegt. Die angebotenen Informationsblätter, Fragebögen und Übungen lassen sich dann unmittelbar in Beratung und Therapie integrieren. Über einen beigefügten Link ist das ganze Material problemlos als Datei auszudrucken. Weiteres Material wird im Text nachgewiesen, die Verlinkung zu den verschiedenen Quellen für Fragebögen und anderes funktioniert sehr gut.
Die theoretische Orientierung ist dabei etwas eklektisch, ohne aber in Beliebigkeit überzugehen. Die Autorinnen lassen durchweg erkennen, was zu welchem Ansatz gehört, für diese Klarheit nehmen sie in hochseriöser Weise auch etwas Redundanz in Kauf.
Etwas schmal sind die Kapitel zu den Kindern ausgefallen. Auch hier gibt es einen erheblichen Bedarf an Arbeitshilfen, die zur Begleitung bei Kindern einzusetzen wären. Diese Arbeit liegt aber wohl eher am Rande der Expertise der Autorinnen.
Insgesamt ist das Buch eine starke Ermutigung, mit dem angebotenen Handwerkszeug diese speziellen Klienten zu begleiten.
Fazit
Große Schatzkiste für die psychoonkologische Betreuung mit viel praxistauglichem und erprobtem Material, zu dem auch klare theoretische Einordnungen gegeben werden.
Rezension von
Prof. Dr. Carl Heese
Professur für Rehabilitation an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg
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Zitiervorschlag
Carl Heese. Rezension vom 30.11.2021 zu:
Christa Diegelmann, Margarete Isermann, Tanja Zimmermann: Therapie-Tools Psychoonkologie. Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2020.
ISBN 978-3-621-28765-4.
Reihe: Therapie-Tools.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28812.php, Datum des Zugriffs 24.01.2025.
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