Annett Büttner: Das Marienkrankenhaus Kaiserswerth 1855–2019
Rezensiert von Dr. phil. Hubert Kolling, 19.11.2021

Annett Büttner: Das Marienkrankenhaus Kaiserswerth 1855–2019. Kultur.West Verlag GmbH (Essen) 2021. 128 Seiten. ISBN 978-3-948365-10-3. D: 14,95 EUR, A: 15,40 EUR, CH: 17,00 sFr.
Thema
Das Marienkrankenhaus Kaiserswerth der Kirchengemeinde St. Suitbertus bestand von 1855 bis 2019. Die vorliegende Arbeit zeichnet die Entstehung und Entwicklung der Einrichtung bis zur Schließung in Wort und Bild nach.
Autorin
Verfasst wurde das Buch von der Historikerin und Archivarin Dr. phil. Annett Büttner (Jahrgang 1965), die neben ihrer Tätigkeit als Lehrbeauftragte der Fliedner-Fachhochschule Düsseldorf auch die „Geschichtsagentur Kaiserswerth“ (www.geschichte-in-kaiserswerth.de) betreibt und bereits zahlreiche Publikationen zu sozialhistorischen Themen, insbesondere zur Geschichte der Krankenpflege, vorgelegt hat. Hingewiesen sei hier vor allem auf (mit Norbert Friedrich) „Hausgeschichten. Die Kaiserswerther Diakonie und ihre historischen Gebäude“ (Düsseldorf 2007), (mit Ruth Felgentreff) „Der Johanniterorden und die Mutterhausdiakonie“ (Düsseldorf 2013), „Die konfessionelle Kriegskrankenpflege im 19. Jahrhundert“ (Stuttgart 2013) (www.socialnet.de/rezensionen/​16407.php) und die „Diakonissenanstalt Dresden 1844-2014. 170 Jahre Zuwendung leben – Dienst leisten – Zusammenarbeit gestalten“ (Essen 2014) (www.socialnet.de/rezensionen/​16973.php), ebenso wie auf den (gemeinsam mit Pierre Pfütsch herausgegebenen) Sammelband „Geschichte chirurgischer Assistenzberufe von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart“ (Frankfurt am Main 2020).
Entstehungshintergrund
Seit 1984 wurde das Marienkrankenhaus Kaiserswerth im Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf (VKKD) (https://www.vkkd-kliniken.de/) geführt. Die vorliegende Arbeit wurde vom Förderverein des VKKD (https://www.vkkd-kliniken.de/vkkd/foerderverein-spenden/) angeregt und gefördert, der auch die Herausgabe des Buches übernommen hat.
Aufbau
Nach zwei Grußworten (S. 6-7) und der Einleitung (S. 8-10) gliedert sich das Buch in die folgenden fünf Kapitel: Vorgeschichte (S. 12-17), Aufbau 1855-1918 (S. 18-55), Konsolidierung 1919-1959 (S. 56-80), Krise und Neuausrichtung 1960-1974 (S. 82-92) sowie Spezialisierung 1975-2019 (S. 94-100), die sich ihrerseits in diverse Unterkapitel untergliedern und durch einen Anhang (S. 102-106), ein Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 108-116) sowie Anmerkungen (S. 118-127) ergänzt werden.
Inhalt
Nach einem Blick auf die „Vorgeschichte“ beschreibt die Autorin zunächst die Entstehung des Marienkrankenhauses Kaiserswerth von seinen Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs (1914-1918), wobei sie in insbesondere die Lazarettarbeit 1870/71, die Einrichtung eines „Badeschiffes“ 1873, den Krankenhausneubau, die Ärzte, das Pflegepersonal, die Entwicklung der Patientenzahlen, die Auseinandersetzungen mit dem Diakonissenkrankenhaus, weitere Bauvorhaben (wie das Antoniushaus und das Kinderhaus St. Michael), die medizinische Entwicklung, die „Ökonomie“ (Wirtschaftsräume) und die Nutzung als Lazarett im Ersten Weltkrieg betrachtet.
Im Mittelpunkt des folgenden Kapitels „Konsolidierung“, das die Jahre von 1919 bis 1959 umfasst, stehen noch einmal die Ärzte, die weiteren Baumaßnahmen, die Behandlung der Knochentuberkulose, die Zeit des Nationalsozialismus, das Krankenhaus im Zweiten Weltkrieg (1939-1945), der Einsatz von Zwangsarbeitern im Marienkrankenhaus sowie der Krankenhausbetrieb in der Nachkriegszeit.
Unter der Überschrift „Krise und Neuausrichtung“ wird sodann die Entwicklung in den Jahren von 1960 bis 1974 betrachtet, insbesondere die Bauplanung, das Personal und die Schwesternschaft, bevor das Kapitel „Spezialisierung“ die Jahre von 1975 bis 2019 in Augenschein nimmt. Danach verfügte die Spezialklinik in Kaiserswerth zuletzt über 101 Betten, wobei die Patient*innen von 225 Mitarbeiter*innen betreut wurden. Nach dem Beschluss zur Schließung des Marienkrankenhauses seien diese im Laufe des Jahres 2019 nach und nach in das zum Verbund gehörende Vinzenzkrankenhaus in Düsseldorf-Derendorf gezogen. Nachdem am 8. November 2019 die Kapelle mit einer letzten Messe entwidmet worden sei, hätten die letzten Ärzte, Schwestern und Pfleger das Marienkrankenhaus am 22. November 2019 verlassen. Damit sei – rechnet man vom Einzug in das erste Haus am Kaiserswerther Markt – nach 163 Jahren das Licht im Marienkrankenhaus endgültig ausgegangen. Die Immobilie, so der Hinweis, verbleibe im Besitz der Kirchengemeinde St. Suitbertus und werde für neue, spannende Nutzungszwecke umgebaut.
Im „Anhang“ werden die Namen, Lebensdaten sowie die Amtszeit der Pastöre und Leiter des Krankenhausvorstandes beziehungsweise Vertreter beim VKKD (Verband katholischer Kliniken Düsseldorf) aufgelistet, ebenso wie die leitenden Ärzte und Oberinnen des Marienkrankenhauses. Das sich anschließende „Quellen- und Literaturverzeichnis“ enthält die der Arbeit zugrundliegenden Archivalien aus dem Pfarrarchiv Kaiserswerth, dem Archiv der Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus Aachen, dem Stadtarchiv Düsseldorf, dem Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland) und dem Archiv der Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth sowie die benutzte Literatur.
Neben Heinz Hardt, Bürgermeister a.D. und Vorsitzender des Fördervereins VKKD e.V., hat auch Oliver Dregger, Pastor an St. Suitbertus, zu dem Buch ein Grußwort beigesteuert, in dem er von den Überlegungen des Kirchenvorstandes der Katholischen Kirchengemeinde zur weiteren Entwicklung des Klinikareals berichtet. Wenngleich sich das Gebäude nicht durch eine ausgewöhnliche Ästhetik auszeichnet und aufgrund seiner Größe inmitten der sonstigen Bebauung Kaiserswerth wie ein Fremdkörper wirkt, sei schnell klar geworden, dass es nach Möglichkeit erhalten bleiben sollte. Denn das Marienkrankenhaus habe sich „tief in die Geschichte des Ortes eingeschrieben. Geburt und Tod, Krankheit und Heilung, Not und selbstlose Hilfe: Es ist die Geschichte, die mit den Steinen verbunden ist und diese vor allem anderen wertvoll macht.“ Zur Bedeutung und Intention der Veröffentlichung hält er sodann wörtlich fest: „Es ist das Verdienst des vorliegenden Buches, diese höchst spannende Geschichte für ein breites Publikum erhoben und damit auch jenen ein Denkmal gesetzt zu haben, die sie über 163 Jahre prägten. Das Buch ist somit auch ein Beitrag zur Kirchengeschichte. Denn das Krankenhaus verdankt seinen Ursprung dem Engagement christlicher Frauen und Männer. Während seines Bestehens ist es durch den aufopferungsvollen Dienst der Franziskanerinnen und vieler anderer trotz mancher Konflikte und zu überwindender Schwierigkeiten zu einem Ort gelebter Nächstenliebe geworden“ (S. 7).
Diskussion
Nachdem bereits zahlreiche Publikationen zur Geschichte der Diakonissenanstalt Kaiserswerth vorliegen, ist es sehr zu begrüßen, dass nun auch – dank dem Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf (VKKD) beziehungsweise dessen Förderverein – eine größere Arbeit über „Das Marienkrankenhaus Kaiserswerth“ vorliegt. Das von Annett Büttner erarbeitete Werk schildert ansprechend in Wort und Bild die Geschichte der Einrichtung von ihren Anfängen 1855 bis zu seiner Schließung 2019.
Einleitend macht die Autorin darauf aufmerksam, dass die Schließung des Marienkrankenhaus Kaiserswerth im November 2019 von zahlreichen Bürgern, und zwar unabhängig von ihrer Glaubenszugehörigkeit, bedauert wurde. Zu Beginn seiner Existenz hätten die Verhältnisse noch wesentlich anders gelegen, indem sich – seit Entstehung der evangelischen Diakonissenanstalt mitten im katholisch geprägten Rheinland im Jahre 1936 – die christlichen Konfessionen in Kaiserswerth „einen Wettbewerb auf dem Gebiet der Gesundheitsversorgung, Sozialarbeit und Bildung“ geliefert hätten. So sei die Gründung des katholischen Marienkrankenhauses ausdrücklich mit der Existenz der evangelischen Anstalt begründet worden, in der auch zahlreiche katholische Bewohner Kaiserswerth Aufnahme gefunden hatten. Letztlich habe sich die „Krankenhausstadt“ Kaiserswerth mit ihren beiden großen Allgemeinen Krankenhäusern, deren Bettenzahl mit 426 für knapp 2.500 Einwohner 72-mal höher als im reichsweiten Durchschnitt war, als „Kampfplatz der Liebe“ der beiden großen christlichen Konfessionen dargestellt, wobei auf der einen Seite evangelische Diakonissen und auf der anderen Seite katholische Franziskanerinnen standen. Bezugnehmend auf den Medizinhistoriker Fritz Dross, der darauf aufmerksam machte, „dass eine historische Betrachtung, die die Versorgung und Behandlung von Kranken als ein wohltätiges Ziel sui generis betrachtet, notwendig zu kurz greift“, schreibt Büttner zur Entstehung des Marienkrankenhaus Kaiserswerth: „Das neue Haus manifestiert die katholische Antwort auf das schräg gegenüber liegende Diakonissenkrankenhaus (das heutige Stammhaus) und die 1852 an der Ecke zur Straße Am Mühlenturm gegründete ‚Evangelische Heilanstalt für gemütskranke Frauen’“ (S. 19).
Gestützt auf eine breite Quellenbasis zeichnet die Autorin, untergliedert in mehrere Kapitel und Unterkapitel, neben der Baugeschichte auch die weitere Entwicklung der für die Krankenversorgung wichtigen Einrichtung in Kaiserswerth nach, wobei sie auch religiöse, medizinische und pflegegeschichtliche Aspekte in den Fokus nimmt. So berichtet Büttner beispielsweise, dass sich bereits Mitte der 1950er Jahre ein immer größer werdender Schwesternmangel bemerkbar machte, weil kaum noch junge Schwestern eintraten und für ausscheidende ältere kein Ersatz kam. Die noch im Dienst befindlichen Franziskanerinnen seien immer betagter geworden und hätten sich dennoch nicht schonen können. Das Verhältnis zum weltlichen Personal, das nach und nach an ihre Stelle trat, war dementsprechend nicht spannungsfrei, wozu die Autorin festhält: „Für angestellte Schwestern war es selbstverständlich, nach Beendigung der Schicht nach Hause zu gehen und vielleicht familiäre Verpflichtungen wahrzunehmen. Sie standen im Gegensatz zu den konfessionellen Schwestern nicht Tag und Nacht uneingeschränkt zur Verfügung und hatten neben der Arbeit noch Privatleben, was sicher nicht immer auf Verständnis stieß“ (S. 80).
Das 130 Seiten starke Buch, das durch eine Vielzahl von Schwarzweiß- und Farbabbildungen illustriert wird, verfügt über einen soliden Anmerkungsapparat mit knapp 200 Fußnoten, die neben Quellenbelegen immer wieder auch weiterführende Hinweise enthalten, wodurch einzelne Aspekte leicht vertiefend betrachtet werden können. Während hierbei etwa auf das „Biographische Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus 1867-1918“ (Düsseldorf 1988) verwiesen wird, fehlen bei etlichen in der Arbeit erwähnten Personen entsprechende Angaben. Wünschenswert wäre hier ein Hinweis auf die entsprechenden Einträge im bisher im Umfang von neun Bänden vorliegenden, von Horst-Peter Wolff (Bände 1-3) und Hubert Kolling (Bände 4-9) herausgegebenen „Biographische Lexikon zur Pflegegeschichte“ (vgl. https://www.socialnet.de/rezensionen/​11459.php; https://www.socialnet.de/rezensionen/​14183.php; https://www.socialnet.de/rezensionen/​19819.php) gewesen, namentlich bei Kaiserin Augusta (1811-1890), Kaiserin Auguste Victoria (1858-1921), Benedikt von Nursia (480-542), Julius Disselhoff (1827-1896), Katharina (Mutter Willeyka) van Endert (1840-1911), Theodor Fliedner (1800-1864, Florence Nightingale (1820-1910) und Franziska Schervier (1819-1876).
Sieht man von diesem kleinen Punkt einmal ab, den die große Mehrzahl der Leserschaft sicherlich nicht stören wird, hat die Autorin – insgesamt betrachtet – eine interessante und zugleich spannend zu lesende Geschichte über das Marienkrankenhauses Kaiserswerth vorgelegt, die der Einrichtung auch über ihre Schließung hinaus ein würdiges Denkmal setzt. Insofern kann man ihr und dem Herausgeber zu dem insgesamt gelungenen Werk nur gratulieren.
Fazit
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine solide verfasste Veröffentlichung über die Geschichte des Marienkrankenhauses Kaiserswerth von dessen Anfängen 1855 bis zu seiner Schließung 2019.
Rezension von
Dr. phil. Hubert Kolling
Krankenpfleger, Diplom-Pädagoge und Diplom-Politologe
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