Ajana Holz: Vom Leben getragen
Rezensiert von Prof. Dr. habil. Gisela Thiele, 18.11.2021

Ajana Holz: Vom Leben getragen. Für eine lebendige Bestattungskultur. Mabuse-Verlag GmbH (Frankfurt am Main) 2021. 210 Seiten. ISBN 978-3-86321-536-1. D: 24,95 EUR, A: 25,70 EUR, CH: 32,50 sFr.
Thema und Autorin
Es gibt keine Patentlösung, keine Formel, keinen standardisierten Ablauf – die Begleitung schwerstkranker, sterbender Menschen ist nie gleich, aber immer sehr persönlich, nah und intensiv. Die Autorin versucht viele Fragen zu stellen, die uns beim Abschiednehmen beschäftigen: Wie gehen wir mit unseren Toten um, was ist erlaubt, wo gibt es Grenzen, die man nicht überschreiten darf, was ist alles bei einer Bestattung zu beachten. Diese und ähnliche Fragen werden gestellt und professionell beantwortet.
Autorin ist Ajana Holz, sie gründete 1999 das bundesweit mobile Bestattungsunternehmen „Die Barke – Bestattung und Begleitung in Frauenhänden“ aus Liebe zu den Toten und den Lebenden und wurde damit zu einer Pionierin für eine lebendige Bestattungskultur.
Aufbau und Inhalt
Das Buch in sieben Kapitel unterschiedlicher Länge gegliedert.
Das erste Kapitel ist mit dem Titel überschrieben „Mit unserer Liebe für die Toten…“. Die starke Verdrängung von Sterben und Tod aus unserem alltäglichen Leben sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. In kaum einem and2eren Land sei der Tod so ein Tabuthema, so angstbesetzt und fast nirgendwo sonst seien die Menschen so stark von ihren Toten abgeschnitten, herrsche so viel Angst vor der Berührung toter Körper. Die Autorin möchte Einblick geben in die Geschenke, die in der Erfahrung eines gut begleiteten Abschieds lägen.
Kapitel zwei widmet sich dem „Tod im Leben: Unser gesellschaftlicher Umgang“. Es gehe im Buch um diesen wesentlichen, unwiderruflichen und einzigartigen Zeitraum zwischen Tod und Bestattung, um den Umgang mit toten Menschen und um den Umgang mit Trauernden. Sie möchte, ein „gutes“ Sterben am Ende des Lebens ermöglichen. Es gehe auch um das Recht auf Würde im Leben, im Sterben, in Krankheit, in Pflege, in Abhängigkeit – in jedem Zustand, in jedem Alter. Die Frage ist, was macht das mit uns, wenn der Geist sehr hoch bewertet werde, der Körper aber „nur die Hülle“ und die Seele den Religionen oder der Psychologie zugeordnet werde. Körper gehörten geehrt und gewürdigt, mit Respekt und Achtung behandelt. Tote würden wie Müll eingeordnet, etwas, das sicher und schnelle entsorgt werden müsse -unseren Blicken entzogen. Wir müssten in der Gesellschaft darüber reden, wie unsere Bestattungskultur menschlicher vollzogen werden könne.
„Hebamme für die Toten“ ist die Überschrift des folgenden Kapitels. Die Autorin bezeichnet sich hier als „Seelen-Hebamme“, eine Übergangsbegleiterin, eine „Hebamme“ für die Toten. Sterben sei aktiv, denn wir würden nicht gestorben. Den letzten Weg müssten wir selbst gehen, sei es langsam und bewusst oder plötzlich und unvorbereitet. Frauen hätten ein tiefer gehendes Bewusstsein für Geburt, Leben, Sterben und Tod, sodass ihnen ein anderes Bewusstsein für die Kostbarkeit des Lebens gegeben sei. Danach diskutiert die Autorin, was heute zur Totenwaschung gehöre, obgleich diese Tradition heute fast vergessen sein und auch über die Vorteile, die eine Hausaufbahrung biete.
Kapitel vier setzt sich mit dem Thema „Für eine lebendige Bestattungs- und Trauerkultur“ auseinander. Rituale müssten immer wieder neugestaltet werden und immer zum Leben der Angehörigen und der Verstorbenen passen. Die Autorin erzählt von den vielen Eindrücken aus ihrem Bestattungsleben. So wurden beispielsweise im Herbst viele Blätter um den Sarg gestreut und darauf wurde eine Staffelei mit den Bildern des Verstorbenen aufgebaut. Sie geht ebenso auf alte Traditionen ein wie die Totenwache, die helfen könnten, einen individuellen Abschied zu feiern.
Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema „Von den sehr schweren Abschieden“. Hier thematisiert die Autorin besonders schwere Verluste wie Unfalltote oder Kinder, auch tote Kinder, die geboren wurden, um sofort wieder aus dem Leben zu scheiden.
Es folgt Kapitel sechs „Mit der Todin zu tanzen: Eine andere Kultur“. La Santa Muerte, die heilige Todin werde vor allem in Mexiko, Kuba und bei lateinamerikanischen Einwohnern angerufen. Danach setzt sich die Autorin mit der Vernichtung der Weisen Frauen und der Hexenverbrennung auseinander, die Resultat des bis heute wirkenden Frauenhasses sei.
„Wie will ich bestattet werden“ so nennt sich das siebente und letzte Kapitel. Es werden wichtige Informationen für die erste Zeit nach dem Tod unterbreitet und es wird der Bestattungsablauf genau diskutiert. Es folgen Vordrucke von Patientenverfügungen und der Vorsorgevollmacht. Am Ende der Ausführungen informieren Rechte über das, was erlaubt ist und was nicht. Ein Sarg, der auch selbst gebaut werden darf, sollte nicht länger als zwei Meter und nicht breiter als70 cm sein.
Diskussion
Das Buch sollte als Ratgeber in der schwierigen Zeit des Übergangs in den Tod betrachtet werden. Hier werden alle wichtigen Fragen dieser Zeit ausführlich diskutiert und es werden lebensnotwendige Informationen über die Begleitung Sterbender hin bis zur Bestattung gegeben. Auf manche Fragen gibt es keine abschließende Antwort, weil es noch immer etwas Unbegreifliches um den Tod gibt.
Es beruht auf empirischem Wissen der Autorin und verfolgt keinen tieferen wissenschaftlichen Anspruch. Das Kapitel „Mit der Todin tanzen: Eine andere Kultur“ fällt etwas aus dem Rahmen der übrigen Ausführungen, die explizit für die Hinterbliebenen und Angehörigen Rat geben sollen. In diesem Kapitel wird auf die Vernichtung der Weisen Frauen und der Hexenverbrennung eingegangen, die mit der eigentlichen Begleitung Sterbender nicht direkt im Zusammenhang stehen. Hier schreibt die Autorin auch über ihre Ausbildung zur Schamanin. Für die Leser:innen wären wahrscheinlich weitere Ausführungen interessant, zum Beispiel was das Besondere an dieser Ausbildung ist und wie sich dieses Wissen auf ihre spätere Bestimmung als Seelen – Hebamme und als Inhaberin einer großen Bestattungsfirma ausgewirkt hat.
Fazit
Es ist eine Publikation, die Mut machen soll, den eigenen, ganz individuellen Weg beim letzten Abschied zu gehen. Die Trauer so zu gestalten, dass sie zur Besonderheit des Verstobenen passt. Es kann auch ein fröhliches Fest sein, das bunt und sehr individuell gestaltet werden kann. Das Dunkle um den Tod herum, sollte nicht immer der einzige Weg sein, der denkbar ist.
Rezension von
Prof. Dr. habil. Gisela Thiele
Hochschule Zittau/Görlitz (FH)
Berufungsgebiete Soziologie, Empirische
Sozialforschung und Gerontologie
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Zitiervorschlag
Gisela Thiele. Rezension vom 18.11.2021 zu:
Ajana Holz: Vom Leben getragen. Für eine lebendige Bestattungskultur. Mabuse-Verlag GmbH
(Frankfurt am Main) 2021.
ISBN 978-3-86321-536-1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28819.php, Datum des Zugriffs 05.10.2023.
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