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Friedrich Voigt: Entwicklungs­störungen im Kleinkind- und Vorschulalter

Rezensiert von Dr. Dipl.-Psych. Lothar Unzner, 28.02.2022

Cover Friedrich Voigt: Entwicklungs­störungen im Kleinkind- und Vorschulalter ISBN 978-3-497-03055-2

Friedrich Voigt: Entwicklungsstörungen im Kleinkind- und Vorschulalter. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2021. 260 Seiten. ISBN 978-3-497-03055-2. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.
Reihe: Beiträge zur Frühförderung interdisziplinär - 23.

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Thema

Die Früherkennung und frühe Behandlung von Entwicklungsstörungen in den ersten Lebensjahren ist ein zentraler Punkt der Kinderheilkunde, Frühförderung und Sozialpädiatrie. Das Verständnis von Störungen der frühen motorischen, sprachlichen, kognitiven und sozialen Entwicklung hat sich in den letzten Jahren wesentlich verändert, weshalb eine umfassende Übersicht notwendig ist. (Aus dem Klappentext)

Es ist ein Anliegen des Buches, Definitionen und Verlaufsmerkmale von Entwicklungsstörungen in den ersten Lebensjahren systematisch darzustellen, wobei zwei Aspekte besonders hervorgehoben werden sollen, die entwicklungspsychologische und die systemische Perspektive. Es soll eine praxisorientierte Darstellung sein und so zu einer frühzeitigen Diagnosestellung und Förderplanung beitragen.

Das Buch erscheint in der Reihe: Beiträge zur Frühförderung interdisziplinär.

Der Autor

Dr. Friedrich Voigt, Dipl.-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, war viele Jahre leitender Psychologe im kbo-Kinderzentrum München.

Aufbau und Inhalt

Der Autor greift das Thema in elf Kapiteln auf.

Im ersten Kapitel definiert Voigt den Begriff Entwicklungsstörung als eine Summe von Fähigkeiten und Verhaltensmerkmalen, die von der Norm insoweit abweichen, als sie die soziale Teilhabe und Akzeptanz in der Gesellschaft beeinträchtigen, also als soziales Konstrukt. Er geht auf Aspekte wie Verlaufsmerkmale, Komorbiditäten und Prävalenzen ein und erläutert Diagnosesysteme und ein entwicklungsorientiertes diagnostisches Vorgehen.

Kapitel 2 beschreibt im Anschluss verschiedene Ebenen in der Frühdiagnostik. Er orientiert sich dabei am IVAN-Papier und unterscheidet Screening von Entwicklungsauffälligkeiten, Basisdiagnostik und mehrdimensionale Bereichsdiagnostik, wobei er letztere den Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) zuordnet bzw. vorbehält.

Die nächsten acht Kapitel beschäftigen sich mit spezifischen Störungsbildern.

Es beginnt im 3. Kapitel mit der häufigsten auftretenden Form von Entwicklungsstörungen, der Sprachentwicklungsstörung. Voigt bespricht Verlaufsmerkmale, Klassifikation, Prävalenz, Komorbidität und Ursachen. Bei möglichen Ursachen werden vier Ebenen unterschieden (neurophysiologisch, organisch, psychisch, sozial/​kulturell). Ausführlich stellt er das diagnostische Vorgehen dar und geht auf Behandlungsplanung und Elternberatung ein. Ähnlich ist das Kapitel über Umschriebene Entwicklungsstörungen motorischer Funktionen aufgebaut. In einem kurzen Kapitel zum Thema Umschriebene kombinierte Entwicklungsstörungen behandelt der Autor Kinder mit Zustand nach Frühgeburtlichkeit, Störungen der visuellen Wahrnehmung und Auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung.

Im sechsten Kapitel definiert Voigt globale Entwicklungsstörungen als signifikanten Rückstand von mehr als zwei Standardabweichungen in zwei oder mehr Entwicklungsbereichen. Die Ausführungen folgen im Wesentlichen der Gliederung der Kapitel 3 und 4, wobei ein Schwerpunkt auf der Intelligenzdiagnostik und dem mentalen Entwicklungsalter liegt.

Im siebten Kapitel beschäftigt sich Voigt mit Verhaltensphänotypen der genetischen Syndrome Fragiles X-Syndrom, Trisomie 21, Williams-Syndrom, Angelman-Syndrom und Neurofibromatose Typ 1. Er beschreibt die typische Entwicklung, fragt nach gleichzeitigen Autismus-Spektrum-Störungen und gibt Anregungen zur Förderung und zur Elternberatung.

Bei den Autismus-Spektrum-Störungen (8.Kapitel) ist die Zunahme der Diagnosen bemerkenswert und wird diskutiert. Diagnostik und Therapieprinzipien werden ausführlich behandelt. Es schließt ein kurzes Kapitel über Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen und ein Kapitel über soziale und emotionale Störungen an, wobei in letzterem das Spektrum von oppositionellem bis hin zu schüchternem und zurückhaltendem Verhalten reicht. Kurz werden dann noch systemische Behandlungsprinzipien angesprochen.

Abgeschlossen wird das Buch durch ein ausführliches Glossar wichtiger Begriffe, ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein Anhang mit 50 einschlägigen Diagnostikinstrumenten (Tests und Fragebögen).

Diskussion

Dieses Buch bietet einen grundlegenden Einblick in die einzelnen Formen der Entwicklungsstörungen. Jedes Kapitel klärt systematisch über Meilensteine der Entwicklung, Früherkennungszeichen für Störungen, diagnostische Methoden und Behandlungsstrategien auf. Tipps zur Elternberatung und wichtige Hinweise zum Thema Komorbidität runden das Ganze ab (aus dem Klappentext). Die Erwartungen, die diese Formulierungen auslösen, kann das Buch voll und ganz erfüllen.

Es wird deutlich, Veränderungen der Klassifikationssysteme beeinflussen die Diagnostik, aber auch die Prävalenzen. Voigt betont immer wieder die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnosestellung, wobei eine differenzialdiagnostische Absicherung häufig schwierig ist. Es bleibt, aus meiner Sicht häufig eine Verdachtsdiagnose.

Hilfreich für die Praxis bei Kinderärtz*innen und Frühförderstellen sind die jeweiligen Darstellungen der Früherkennungszeichen und die expliziten Indikationen zur Vorstellung in einem sozialpädiatrischen Zentrum.

An manchen Stellen wird sehr deutlich, dass das Buch aus Sicht eines sozialpädiatrischen Zentrums geschrieben ist. Interdisziplinären Frühförderstellen werden zusammen mit dem Kinderarzt nur im Rahmen eines Screenings und einer Basisdiagnostik und anschließender Behandlung gesehen, auch an Frühförderstellen wird eine mehrdimensionale Diagnostik durchgeführt, so sind auch an Frühförderstellen Psycholog*innen beschäftigt.

Zielgruppen

Fachkräfte in der interdisziplinären Frühförderung, die mit Kindern im Alter von 0–6 Jahren und deren Eltern arbeiten

Fazit

Das Buch vermittelt einen guten Überblick über alle wichtigen Entwicklungsstörungen im frühen Kindesalter. Ausführlich wird die Diagnostik besprochen (frühzeitiges Erkennen ist ein Hauptanliegen des Autors), aber auch Förderplanung und Elternberatung kommen nicht zu kurz.

Rezension von
Dr. Dipl.-Psych. Lothar Unzner
ehem. Leiter der Interdisziplinären Frühförderstellen in Dorfen, Erding und Markt Schwaben im Einrichtungsverbund Steinhöring
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Es gibt 197 Rezensionen von Lothar Unzner.

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Zitiervorschlag
Lothar Unzner. Rezension vom 28.02.2022 zu: Friedrich Voigt: Entwicklungsstörungen im Kleinkind- und Vorschulalter. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2021. ISBN 978-3-497-03055-2. Reihe: Beiträge zur Frühförderung interdisziplinär - 23. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28833.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.


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