Barbara Giel: Moderierte Runde Tische in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 05.10.2021

Barbara Giel: Moderierte Runde Tische in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit. Teilhabeförderung durch transdisziplinäre Vernetzung. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2021. 169 Seiten. ISBN 978-3-497-03054-5. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.
Runder Tisch – Tafelrunde und Demokratie-Ort
Es ist die symbolhafte Ordnung von Gleichheit und Gleichberechtigung, die Über-, Unterordnungen und Hierarchien auflösen will. An „Runden Tischen“ werden Vereinbarungen ausgehandelt und getroffen, die nicht auf Rang- und Hackordnungen beruhen sollen, sondern die Vielfalten und Diversitäten berücksichtigen wollen. In der Geschichte der Menschheit haben Runde Tische immer wieder Machtverhältnisse relativiert und zurechtgerückt.
Entstehungshintergrund und Autorin
Besonders im anthropologischen, sozialen Miteinander der Menschen sind Runde Tische formelle und informelle Orte von Gemeinsamkeit, Gerechtigkeit und Gleichheit. In den Sozialwissenschaften werden Zusammenkünfte, demokratische Diskussions-, Aushandlungs- und Forschungsprozesse auf „Augenhöhe“ als Arbeitsinstrumente und -Methoden eingesetzt. Die Leiterin des Zentrums für unterstützte Kommunikation in Moers, Sprachheilpädagogin und Familientherapeutin Barbara Giel drückt aus, was beim humanen, menschenwürdigen Zusammenleben der Menschen selbstverständlich sein sollte: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen! Dieses grundlegende Menschenrecht gilt es im individuellen und kollektiven Leben der Menschen zu beachten – im Alltag und im gesellschaftlichen Miteinander. Soziale Kompetenzen, Werte- und Normenvorstellungen liegen nicht festgefügt in den Genen; sie müssen in Bildungs- und Erziehungsprozessen vermittelt und erworben werden. Es sind die pädagogischen Ansprüche und die institutionalisierten Einrichtungen, die zivilisatorische, gleichberechtigte, demokratische Prinzipien für ein humanes Dasein vermitteln und anbieten. Es sind die Idealvorstellungen, die beim Zusammenleben der Menschen wirksam werden sollen: „Alle werden gehört!“ – „Alle denken mit!“ – „Alle überlegen und entscheiden gemeinsam!“. Barbara Giel nennt das „MoRTi“: Moderierte Runde Tische!
Aufbau und Inhalt
Sie gliedert ihr Praxisbuch neben Vorwort und Einleitung in fünf weitere Kapitel: Sie stellt das Konzept der „Moderierten Runden Tische“ vor; sie thematisiert „Themen und Anlässe für MoRTI“; sie zeigt „Moderationszyklus und Methodenkoffer MoRTi“ auf; sie nennt Beispiele aus der Praxis; und sie diskutiert „mögliche Stolpersteine bei MoRTi“. Mit Glossar und Sachwortverzeichnis verweist sie auf den Handbuch- und Praxischarakter ihres Buches. Im illustrierten Text weist sie Symbole aus, wie z.B. Hinweise auf Checklisten, Tipps, Literatur, digitale Formate, Zitate, Definitionen und Merksätze. Die im Buch integrierten Zugriffe auf Online-Zusatzmaterialien verdeutlichen, dass der Praxisbericht MoRTi geeignet ist für Lehr-, Lernveranstaltungen in der Ausbildung der Sozialen Arbeit und bei der Zusammenarbeit in den pädagogischen Berufen.
Die Betätigungsfelder des MoRTi-Konzepts finden Anwendung bei„smarten“, vielfältigen gesellschaftlichen Gelegenheiten: Anlässe der Bürgerbeteiligung in öffentlichen Räumen, partizipatorische Interessenvertretungen, städtebauliche Projekte, Wohn- und Nachbarschaftsinitiativen, Bildungsforen, u.a.Bei den Planungen, Vorbereitungs- und Zielformulierungen kommt es darauf an, die wichtigsten, signifikanten Wirkfaktoren zu berücksichtigen: Professionelle Moderation – Lösungs-, statt Problemfokussierung – gemeinsame Zielformulierung – Planen der Ziele und des Arbeitsprozesses – Dokumentation der Ergebnisse des Runden Tisches.
Diskussion
Unterschiedliche Anlässe, Bedürfnisse und Erfordernisse bei dialogischen, gleichgewichtigen Diskussions- und Entscheidungsprozessen erfordern spezifische Methoden und Vorgehensweisen. Der „Runde Tisch“ kann ein wirksames, effektives Instrument einer Lösungssuche sein; jedoch nur dann, wenn die notwendigen Bedingungen eines solchen Vorhabens wirksam sind: Selbst- und Verantwortungsbewusstsein, Ehrlichkeits- und Wahrheitsanspruch, Empathie und Resilienz (Kurt Edler, demokratische Resilienz auf den Punkt gebracht, 2017 www.socialnet.de/rezensionen/23304.php).
Fazit
Kulturelle und interkulturelle Zusammenarbeit bei gemeinsam geplanten, interessierten und verfassten Projekten erfordert Methoden, die im Allgemeinen „nicht auf der Straße liegen“, sondern individuell und kollektiv, informell und institutionalisiert veranlasst werden müssen. Das Konzept des „moderierten Runden Tisches“ (MoRTi) kann ein Modell sein, wie Diskussions- und Entscheidungsprozesse in öffentlichen Räumen geführt werden können. Es ist keine Rezeptologie, sondern es sind Möglichkeiten für einen humanen, menschenwürdigen, gleichberechtigten Dialog. Die im Praxis- und Handbuch „Moderierte Runde Tische in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit“ thematisierten Theorien und Praxen bieten Anregungen und Hilfestellungen für Professionen und Initiativen an.
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 05.10.2021 zu:
Barbara Giel: Moderierte Runde Tische in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit. Teilhabeförderung durch transdisziplinäre Vernetzung. Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2021.
ISBN 978-3-497-03054-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28853.php, Datum des Zugriffs 08.12.2023.
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