Peter-Ulrich Wendt: Lehrbuch Methoden der Sozialen Arbeit
Rezensiert von Dr. Winfried Leisgang, 19.05.2022

Peter-Ulrich Wendt: Lehrbuch Methoden der Sozialen Arbeit.
Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2021.
3., überarbeitete Auflage.
462 Seiten.
ISBN 978-3-7799-3097-6.
D: 19,95 EUR,
A: 20,60 EUR.
Reihe: Studienmodule Soziale Arbeit.
Autor
Peter-Ulrich Wendt ist Professor an der Hochschule Magdeburg/​Stendal mit den Arbeitsschwerpunkten Professionalisierung, Ethik und Methoden der Sozialen Arbeit.
Aufbau
Das Lehrbuch ist in fünf Abschnitte mit 15 Kapiteln gegliedert. Der erste befasst sich mit den handlungsleitenden Grundlagen, Teil zwei mit den Handlungsprinzipien und Schlüsselprozessen, Abschnitt drei mit den Handlungsformen, Teil vier mit Handlungshilfen und der letzte mit der Handlungsgestaltung. Die Neuauflage hat die Literatur aktualisiert sowie textliche Anpassungen vorgenommen und noch einige Grafiken eingebaut, die das Verständnis vertiefen sollen.
Inhalt
Wendt beginnt mit Hinweisen zum Gebrauch des Buches. Diese enthalten das Konzept und den Aufbau. Ausgangspunkt sind handlungsleitende Grundlagen, in denen die Grundbegriffe erklärt werden. Die handlungsleitenden Grundlagen sind die vier Schlüsselprozesse: methodisch handeln, subjektorientiert besprechen, anlassgerecht verstehen und ressourcenorientiert vernetzen. Die Schlüsselprozesse wiederum werden ausdifferenziert mit Handlungsformen und Handlungshilfen, die für die Soziale Arbeit relevant sind. Alles zusammen genommen beschreibt dann die Handlungsgestaltung im professionellen Handeln.
Das erste Kapitel ist überschrieben mit wertschätzen, stärken, abgrenzen: sechs Perspektiven auf Methoden der Sozialen Arbeit. Hier werden die wichtigsten Begriffe eingeführt und ein Verständnis, was Soziale Arbeit aus Sicht des Autors ist, skizziert.
Zur Beantwortung der Frage greift er die Definition der Sozialen Arbeit der International Federation of Social Work (ISFW) auf, deren Aspekte er aus seiner Sicht vertieft. Wesentlich sind für ihn die Bewältigung existenzieller Herausforderungen, die Ermächtigung und Befreiung von Menschen, die Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit, Personenbezogenheit und Beauftragung so wie das doppelte Mandat der Sozialen Arbeit. Sein ethischer Ansatz lautet: „Nur wenn es Menschen aktuell nicht möglich ist, selbstbewusst und selbstverantwortlich die eigenen Interessen wahrzunehmen, dann mag es erforderlich und angemessen sein, dass auch Soziale in diesem Sinne… stellvertretend für sie handeln“ (29). Die Sozialen sind für ihn die Fachkräfte der Sozialen Arbeit.
Im Anschluss wendet er sich den sechs Perspektiven für das methodische Handeln in der Sozialen Arbeit zu:
- der Orientierung am Subjekt,
- der Orientierung an den Ressourcen,
- die Orientierung an der Mündigkeit,
- der systembezogenen Perspektive,
- der grundlegenden Perspektive Empowerment,
- der differenzierenden Perspektive Soziale Arbeit versus Therapie und den Handlungsperspektiven.
Den Abschluss bildet hier ein Schaubild, auf dem ersichtlich wird, wie der Sozialarbeiter, die Sozialarbeiterin ein Arbeitsbündnis mit den Klienten eingeht. Die Fachkräfte der Sozialen Arbeit benötigen Wissen, Können und eine (ethisch) Haltung, um die Lebensführung, den Lebensstil und die eigensinnigen Vorstellungen des Klientels zu erfassen. Das Arbeitsbündnis wird zum einen strukturiert durch die Umweltbedingungen (Lebenswelt, Rechtsgrundlagen, Ressourcen, Netzwerke usw.) als auch durch die Schlüsselprozesse, die dem Klientel ermöglichen, sich mit Unterstützung der Fachkräfte neue Handlungsmöglichkeiten anzueignen. In diesen Prozessen geht es darum, systematisch zu handeln, zu besprechen, zu klären und zu vernetzen.
Jetzt folgt Teil zwei mit den Handlungsprinzipien und den Schlüsselprozessen. Dabei wird als Nächstes erklärt, was Methoden sind und damit methodisches Handeln.
Der Autor beginnt mit Geißler und Hege und deren klassischer Unterscheidung zwischen Konzept, Methoden und Verfahren. Die Methoden sind hier wesentliche Teilaspekte des Konzeptes und die Verfahren wiederum Einzelelemente von Methoden. Er geht auf weitere Definitionen von von Spiegel und Heiner ein. Diese älteren Definitionen beschreiben und präzisieren aus seiner Sicht zwar das fachliche Handeln der Professionellen, lassen aber die Beteiligung der Betroffenen außen vor.
Er sieht stattdessen methodisches Handeln eingebettet in Theorien oder theorieartige Überlegungen, die in Konzepten enthalten sind. „Aus diesen theoriebegründeten Orientierungen leitet sich der praktische Handlungsvollzug, d.h. das methodisch-abgestützte Handeln Sozialer ab“ (60). An dieser Stelle sind dann die bereits eingangs erwähnten Handlungsprinzipien und die übergeordneten Schlüsselprozesse verortet. „Als Handlungsformen lässt sich das auf die Adressatinnen orientierte Handeln mit einzelnen… oder mit und im Gemeinwesen unterscheiden“ (ebd.).
Mit dieser begrifflichen Präzisierung lässt sich auch eine Phasierung des methodischen Handelns nachzeichnen. Der Autor erkennt dabei unterschiedliche Ausprägungen bei einzelnen Autoren. So kommt Krauß noch mit vier Schritten aus, Kilb nennt sieben und Stimmer weitet diese auf zehn Schritte aus. Wichtig erscheinen Wendt beim methodischen Handeln ein Methoden-Pluralismus, die Durchsetzung einer prinzipiell ökologischen Orientierung, die Genderperspektive und eine kulturelle Diversität, die Entwicklung von Einmischungsstrategien, die Integration institutionalisierter Reflexivität, die Berücksichtigung eines für die Soziale Arbeit typischen strukturellen Technologiedefizites und die Erkenntnis, dass die Problemerkennungs- und Problembearbeitungskapazität dem komplexen Alltag der Adressaten nie völlig gerecht werden kann (65).
Zum Abschluss des Kapitels werden strukturierende Merkmale systematischen Handelns benannt: Planung, Partizipation, Kooperation und Transparenz. Es wird darauf hingewiesen, dass „angesichts vielfältiger Lebenslagen und Anlässe die Suche nach einer einzigen und einheitlichen Super-Methode weder hilfreich noch sinnvoll … ist … Welche Intervention in welchem Fall als angemessen anzusehen ist, wird nur im Einzelfall zu klären sein, eine individualisierte subjektorientierte Herangehensweise ist stets erforderlich.“ (72)
Kapitel drei befasst sich mit den Grundzügen subjektzentrierter Gesprächsführung. Zunächst wird geklärt, was Kommunikation ist. Der Autor hält fest, dass man nicht nicht kommunizieren kann. Kommunikation enthält immer einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, sie ist immer eine Abfolge der Nachricht und eine wechselseitige Wirkung der Reaktion auf die Nachricht (80). Die menschliche Kommunikation erfolgt in analoger (nonverbaler) Form und digitaler (verbaler) Form. Die Akteure bestimmen, ob die Kommunikation symmetrisch oder komplementär verläuft.
„In jedem Fall ist Kommunikation also an Wahrnehmen (zum Beispiel von Körpersprache, Gestik und Mimik), Deuten (unter Berücksichtigung von Erfahrungen, Einstellungen und Vorstellungen), Bewerten (Annahme oder Ablehnung aufgrund eigenen Wissens oder Wertvorstellungen) und Rückmelden (als Prozess der Verständigung) gebunden“ (82). Sie ist aber nie ganz problem- und konfliktfrei. Sie kann Übertragungen, Widerstand, Zwang und Kontrolle beinhalten. Die Inhalte können doppelte Bedeutung haben und bestimmte Themen nicht angesprochen werden (Tabu). Außerdem können Konflikte entstehen, könnte Kritik angebracht und es könnten Drohungen ausgedrückt werden. Und schließlich kann man sich aus unterschiedlichen Gründen auch missverstehen. Im Hintergrund ist es wichtig, dass Kommunikation so weit wie möglich störungsarm gelingt.
Nun werden fünf Bedingungen genannt, die die Professionellen zu beachten haben, „damit Kommunikation zu Verstehen führt“ (86).
- Aus der humanistischen Bewegung kommen die ersten drei Bedingungen: Kongruenz, Wertschätzung und Empathie.
- Die vierte Bedingung ist dadurch gekennzeichnet, dass man durch Akzeptanz und Empathie den Inhalten der Kommunikation nicht zustimmen muss. Stattdessen geht es darum, sich hineinzudenken.
- Die fünfte Bedingung betrifft das aktive Zuhören, das das Verstehen unterstützt.
Es folgen die Formen einer anlassbezogenen Gesprächsführung: gewaltfreie Kommunikation, ermutigende Gesprächsführung, Feedback, Kritik, Konflikte und Mediation (89ff).Weiter wird auf Formen einer anlassgerechten Gesprächsführung eingegangen, wie die gewaltfreie Kommunikation, die ermutigende Gesprächsführung mit dem Gesprächsrahmen und dem Erstgespräch, das Feedback, die Kritik, die Konflikte und die Mediation.
Kapitel vier setzt sich mit dem Klären und Deuten und den Kennzeichen eines anlassgerechten Fallverstehens auseinander.
Hier stellt sich zunächst die Frage: Was ist der Fall? Der Fall ist nicht die Person, sondern der Sachverhalt, der für diesen Menschen von Bedeutung ist (119). In der professionellen Sozialen Arbeit geht es darum, zu einer Deutung des Falles zu kommen. Die geschieht durch Diagnostik, die allerdings nicht ganz frei von Problemen ist. Der Autor nennt als Kritik an der diagnostischen Herangehensweise, die zu sehr naturwissenschaftlich-psychologisch orientiert ist und zu wenig die multidimensionale Vielschichtigkeit von Wahrheit berücksichtigt. Die ganze Fallgeschichte eröffnet sich erst im Prozess der Fallbearbeitung. Dafür bieten sich Verfahren an, die qualitatives Verstehen ermöglichen. Es wird auf die Biographiearbeit, auf das Genogramm, auf die Soziometrie und die Sozialraumanalyse eingegangen.
Das Kapitel fünf beendet den Abschnitt der Handlungsprinzipien-Schlüsselprozesse mit dem Thema der Ansprüche an eine ressourcenorientierte soziale Netzwerkarbeit. Soziologisch werden primäre, tertiäre und sekundäre Netzwerke unterschieden. Ersteres sind Familie und Verwandtschaft, die zweite sind Freizeitgruppen und soziale Initiativen. Und letztere sind institutionelle Netzwerke wie zum Beispiel (Hoch)Schulen. … „solche Netzwerke können dann zu sozialen Netzwerken werden, wenn sie als Beziehungsgeflecht primär zwischen Personen anlassgerecht genutzt und entwickelt werden können, also zur Bewältigung eines Anliegens oder einer Notlage dienlich sind.“ (154) Damit können diese Netzwerke eine starke soziale Unterstützung bieten, sodass es sich lohnt, diese in die professionelle Arbeit mit einzubeziehen. Als Instrumente dafür werden die Netzwerkanalyse, Netzwerkkarten, das Netzwerkbrett und das Mindmapping beschrieben. Daher fragt die anlassgerechte Netzwerkanalyse danach, wie sich die Lebenswelt der Subjekte weiter entwickeln muss, damit soziale Unterstützung gesichert werden kann, soziale Infrastrukturen ausgebaut werden können, damit diese Unterstützung sichergestellt ist und wie sich professionelle Akteure und Institutionen aufstellen müssen, um eine lebensweltnahe Lebensbewältigung begleiten zu können. (164f)
Nachdem nun die Schlüsselprozesse und Handlungsprinzipien in der Sozialen Arbeit beschrieben sind, wendet sich der Autor den Handlungsformen zu. Diese vertiefen und differenzieren die Schlüsselprozesse.
Er beginnt in Kapitel sechs mit der anlassangemessenen Sozialen Beratung. Die Bezeichnung sagt auch schon aus, dass es für die Beratung einen Anlass geben muss, weil ein Thema nicht alleine ohne professionelle Hilfe gelöst werden kann (174). Es werden Verfahren der Beratung vorgesellt, wie die Personenzentrierung, die Systemorientierung, die Lösungsorientierung, direktive Interventionen und die soziale Beratung.
Kapitel sieben befasst sich damit, wie der Einzelfall anlassgerecht bearbeitet werden kann. Dabei lassen sich geschichtlich drei Phasen unterscheiden. Der Autor zeigt auf, wie eng die Einzelhilfe in der Frühphase der Sozialen Arbeit mit ihr verbunden war und er geht auf die Pionierinnen Mary Richmond und Alice Salomon ein. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die eigenständige Entwicklung der Einzelhilfe in Deutschland unterbrochen. Nach dem Krieg und spätestens seit den 1980er Jahren wird die Einzelhilfe kritisiert, weil sie sich zu sehr auf das Subjekt konzentriert und dabei soziale Netzwerke und den Sozialraum übersieht. Mit den Überlegungen von Thiersch zur Alltags -und Lebensweltorientierung hat sich die Kritik an der Einzelfallhilfe nicht erledigt, aber doch deutlich abgeschwächt. Für den Autor ist es „wichtig, zu beobachten, sich Zeit zu nehmen (und zu geben), sich gegenseitig Vertrauen zu geben und zu gewinnen, Grenzen zu setzen, an gesehenen Möglichkeiten anknüpfen, Interesse zu wecken, Räume in der Lebenswelt zu öffnen und zu erweitern, Konflikte anzugehen und Stärken zu stärken.“ (202) Das Kapitel schließen die Grundsätze der Einzelfallarbeit ab: engagierter Dialog, multiperspektivische Einzelfallarbeit, sozialökologischer Zugang über das Life Modell. Deren Umsetzung wird mit der sozialpädagogischen Familienhilfe und mit dem Familienrat exemplarisch dargestellt.
Gegenstand von Kapitel acht ist die Gruppenarbeit. Diese hat zwar ihre Wurzeln in der deutschen Jugendbewegung des späten 19. Jahrhunderts und in der Reformpädagogik. Entscheidend weiterentwickelt wurde sie aber unter anderem von Kurt Lewin zunächst in den USA. Eine Gruppe bilden mindestens drei Menschen, zwischen denen es eine Zusammengehörigkeit gibt, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, in der man unterschiedliche soziale Rollen ausmachen kann und deren Normen von den Gruppenmitgliedern geteilt werden. Ein wesentliches Element der Gruppenarbeit sind die Gruppenphasen und das soziale Lernen. Analog zur Einzelhilfe werden hier auch Verfahren in der Sozialen Gruppenarbeit dargestellt: die themenzentrierte Interaktion, das Rollenspiel, das Psychodrama, die Aufstellungsarbeit, und im Besonderen die Erlebnis- und Wildnispädagogik.
In Kapitel neun geht es um Bildung als Methode. Damit sind aktive Aneignungsprozesse gemeint, die mit dem Begriff des Wissens verbunden sind. Wissen ist etwas, über das der Mensch nicht von Geburt an verfügt, sondern das er sich durch Lernen erwirbt und immer wieder aktualisiert. (264) Grundlegende Verfahren der Bildungsarbeit sind der Workshop, die Moderation, das Brainstorming, die Familienbildung und in der Großgruppe die Podiumsdiskussion, Fischbowl-Diskussion, Zukunftswerkstatt, Planspiel, World Café, Open Space Technik und Barcamp.
In Kapitel zehn wird wieder zu Beginn, wie schon bei den vorangegangenen Kapiteln, Grundsatzarbeit geleistet: Was ist Gemeinwesenarbeit und was zeichnet Sozialraumorientierung und Quartiersarbeit aus?
Gemeinwesenarbeit hat ihren Ursprung Ende des 19. Jahrhunderts mit der Gründung der berühmten Chicagoer Schule durch Jane Addams. Dieser Ansatz konnte sich in Deutschland bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts nicht groß durchsetzen. Erst die Wirtschaftskrise und die Studentenproteste führten dazu, dass man die Gemeinwesenarbeit als Methode der Sozialen Arbeit wahrnahm. Sie bot „die Chance, das System individuelle Hilfe zu überwinden und über Lern- und Organisationsprozesse Widerstand von unten zur Veränderung sozialer und ökonomischer Bedingungen zu entwickeln“ (293 zitiert nach Hinte). Dabei standen sich Ansätze mit bewahrenden Konzepten und verändernden Konzepten gegenüber. „Gemeinwesenarbeit ist eine sozialräumliche Strategie, die sich ganzheitlich auf den Stadtteil und nicht pädagogisch auf einzelne Individuen richtet. Sie arbeitet mit den Ressourcen des Stadtteils und seiner Bewohner, um seine Defizite aufzuheben“ (296). Die Berücksichtigung des Ansatzes der Sozialraumorientierung führte in den 1990er Jahre zu Umbauprozessen in der Kinder- und Jugendhilfe (299). Auch wurden Projekte über den Bund mit der „Sozialen Stadt“ gefördert. Der Autor macht im Anschluss eine Unterscheidung zwischen Sozialraumorientierung und Quartiersmanagement und beschreibt im weiteren Verlauf das Community Organizing. Dies ist ein aus den USA kommender Ansatz, „der lösungsorientiertes, zivilgesellschaftliches Engagement auf breiter gesellschaftlicher Basis von unten“ aufbauen will. Die dazu nötigen Instrumente und Prozesse werden beschrieben und der Machtaspekt thematisiert. Den Abschluss bilden weitere Verfahren, wie die kommunalpolitische Vertretung, die Öffentlichkeitsarbeit und die aktivierende Befragung.
Den vierten Teil des Lehrbuches bilden Ausführungen zu Handlungshilfen. Es wird auf die Ökonomisierung der Sozialen Arbeit, auf das Thema Zivilgesellschaft und Soziale Arbeit und die Selbstsorge eingegangen.
Den Abschluss macht ein Kapitel mit der Überschrift Soziale Arbeit als Kunst. Hier zitiert der Autor Alice Salomon, dass Soziale Arbeit „nicht nur auf Wissenschaft, sondern auf Kunst“ (406) beruht und daher „das zuvor hier in diesem Band Vermittelte noch nicht ausreicht, eine für soziale relevante Situation … lesen und kunstfertig bewältigen zu können“ (407). Es geht ihm um eine adäquate Einsicht in die Realität, die mit sinnlich-geistiger Wahrnehmung, mit Deduktion und mit Intuition erfasst werden kann (407). In der Sozialen Arbeit sollten sich die Professionellen ihrer Deutungsmuster bewusst sein und diese immer wieder reflektieren. Auch können sie sich nicht ausschließlich auf ihr erworbenes Wissen beschränken, weil sie sich „in einem Raum professioneller Offenheit beziehungsweise Unsicherheit, einem Feld unklarer Folgen einmaliger Interaktion“ bewegen. (408) Entscheidend ergänzt wird daher das professionelle methodische Handeln durch Intuition, die Intelligenz des Unbewussten. Dies kann zur Folge haben, dass anlassgemessen gehandelt wird, ohne „dabei jeden Schritt bewusst und jede Handlung geplant zu haben.“ (409) Intuitives Handeln steht allerdings im Widerspruch zum vorherrschenden Erkenntnismodell, den rationalen Entscheidungen. Es benötigt weniger an Daten und Wissen und ist weniger handlungsalternativ.
Aber nicht nur die Kunst des Handelns ist Bestandteil dieses Kapitels, sondern auch die Person der Professionellen. Die Person ist ein wesentlicher Bestandteil in den Prozessen der Sozialen Arbeit. Diese benötigt drei personale Kompetenzen: Authentizität, Respekt vor dem Eigensinn der Klient*innen und die Fähigkeit kunstfertig zu handeln (413f). Erforderlich sind Sach- und Systemkompetenz, Methoden- und Verfahrenskompetenz, soziale Kompetenz und Selbstkompetenz.
Diskussion
Das Lehrbuch setzt sich differenziert mit dem methodischen Handeln der Sozialen Arbeit auseinander. Vor allem Studierende benötigen theoretische Orientierung, wie sich Methoden der Sozialen Arbeit (Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit, Gemeinwesenarbeit) durch Konzepte und anschließende Interventionen konkret umsetzen und vertiefen lassen. Wendt gelingt es, mit seinem subjektorientierten, lebensweltlichen Ansatz in den vertiefenden Kapiteln anschaulich zu machen, wie das funktionieren kann. Sehr spannend liest sich das letzte Kapitel, in dem es um die Soziale Arbeit als Kunst geht. Wendt positioniert sich hier durchaus wissenschaftskritisch und betont, dass die Soziale Arbeit zwar wissenschaftsbasiert aber nicht wissenschaftsborniert handelt. Individuelle Hilfe mit ihren Facetten der Gruppen- und Gemeinwesenarbeit ist eben mehr als ein labormäßiges, rational-automatisiertes Agieren. Die Sozialen als Person und ihre Fähigkeit intuitiv richtig zu handeln bilden ein zusätzliches notwendiges Element des methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit.
Was dem Buch fehlt sind Zusammenfassungen, die sich nach den einzelnen Kapiteln schon anbieten würden. Hier verweist der Autor den Leser jeweils auf sich selbst zurück: Ziehen Sie eine Bilanz und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie! Und auf seine Hinweise auf seiner Webseite dazu. Hier finden sich Arbeitsmaterialien zu folgenden Themen: Erstgespräch, Genogramm, grafischer Zeitbalken, VIP-Karte, Soziales Atom, Ressourcen-Atom, Netzwerk-/​Familienbrett. Allerdings ist es gewöhnungsbedürftig und überraschend auf eine Webseite zu gelangen, die eigentlich für Studierende konzipiert ist. Da hätte ich mir einen Verweis und das Hinterlegen im Verlag gewünscht.
Jedes Kapitel wird ergänzt mit einer ausführlichen hilfreichen Literaturliste zur Vertiefung der Themen.
Fazit
Vor dem oben geschilderten Hintergrund ist der Band für alle, Studierende und Praktiker, ein hilfreiches Nachschlagewerk, in dem man viele theoriebegründete nützliche Anregungen für die Praxis findet.
Rezension von
Dr. Winfried Leisgang
Dipl. Soz.-Päd., Master of Social Work (M.S.W.)
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