Herbert Winkens: Zehn Kennzeichen von Supervision in der Jugendhilfe
Rezensiert von Prof. Dr. Tim Middendorf, 23.12.2021

Herbert Winkens: Zehn Kennzeichen von Supervision in der Jugendhilfe. Ein Lehrbuch für PraktikerInnen. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2021. 144 Seiten. ISBN 978-3-7799-6444-5. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR.
Thema
Supervision als ausdifferenziertes berufliches Beratungsformat spielt in der und für die Soziale Arbeit eine zentrale Rolle. Sie zeigt sich in verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit äußerst divergent und wird durch die wechselseitige Bezugnahme der individuellen Akteure im jeweiligen Kontext ständig neu hergestellt.
In seinem Buch verfolgt Dr. Herbert Winkens einen äußerst spannenden und gewinnbringenden Ansatz. Er liefert gut verständlich neben einer allgemeinen Einordnung verschiedener Supervisionsformate zehn typische Merkmale von Supervision in der Jugendhilfe – hervorragend hergeleitet und fokussiert beschrieben.
Autor
Dr. Herbert Winkens ist Diplom-Sozialpädagoge und studierter Supervisor. Zudem weist er eine hohe Anzahl an zusätzlichen Aus- und Weiterbildungen auf. In seiner Promotion an der Universität Köln beschäftigte er sich mit dem Thema Supervision in der Jugendhilfe. Er besitzt eine eigene arbeitsfeldspezifische Beratungspraxis für Supervision, Diagnostik und Training in der Jugendhilfe und profitiert von einer langjährigen Berufspraxis in verschiedenen Rollen der Jugendhilfe.
Entstehungshintergrund
Die genannte Veröffentlichung ist als Monografie beim Verlag Beltz Juventa erschienen. Sie richtet sich sowohl an Supervidierende in und außerhalb der Jugendhilfe als auch an Beschäftigte im Jugendhilfebereich. Das Buch erhebt dabei den Anspruch, Brücken zu schlagen zwischen Wissenschaft, Theorie und drängendem Berufsalltag.
Aufbau
Das Werk „Zehn Kennzeichen von Supervision in der Jugendhilfe. Ein Lehrbuch für PraktikerInnen“ gliedert sich auf 144 Seiten in Vorwort, neun Kapitel und Abkürzungs- sowie Literaturverzeichnis. Im Vorwort von Prof. Dr. Jörg Fengler stimmt dieser in die Thematik des Buches ein. Im Anschluss folgen neun Kapitel im logischen Aufbau, die teils durch kreative Betitelungen (z.B. Kapitel 8: Tipps zum Scheitern von Supervision) zum Querlesen einladen.
Inhalt
Nach dem Vorwort folgt das erste Kapitel „Einleitung und Zielsetzung“. Dr. Herbert Winkens ordnet die beiden zentralen Themen Supervision und Jugendhilfe quantitativ ein und stellt deren Ausdifferenzierung dar. Er betont neben den vielfältigen Überraschungen und ihrer Unvorhersagbarkeit von Supervision in der Jugendhilfe das Ziel des Buches: Er möchte Türen öffnen zwischen Supervision und Jugendhilfe und zentrale Kernpunkte herausgreifen: „mit dem Ziel, die gegenseitige Kenntnis zum Nutzen beider Berufsfelder grenzüberschreitend zu erhöhen“ (S. 10).
Im zweiten Kapitel „Zur (Un-)Möglichkeit einer Beschreibung von Supervision“ nähert sich der Autor auf zwei Seiten der Beschreibung von Supervision. Er rezipiert aktuelle Fachdiskurse und stellt auf diese Weise dar, dass Supervision ausdifferenziert und stetig verschieden betrachtet werden kann.
Im dritten Kapitel „Eine kurze Historie zur Entwicklung von Supervision im Kontext der Jugendhilfe“ bietet Dr. Herbert Winkens zunächst eine Übersicht über den geschichtlichen Werdegang von Supervision. Die Darstellung zeigt sich einerseits schulenübergreifend und international sowie andererseits wissenschaftlich orientiert und praxisbezogen. Zum Abschluss des Kapitels fokussiert der Autor die Relevanz von Supervision im Arbeitsfeld der Jugendhilfe.
Das vierte Kapitel „Zehn typische Merkmale von Supervision in der Jugendhilfe“ kann als Hauptkapitel beschrieben werden. Der Autor beschreibt die zehn Orientierungsmerkmale unter der Leitlinie „der Verwendbarkeit der Informationen in Studium, Ausbildung und Praxis“ (S. 28). Auf jeweils drei bis acht Buchseiten werden folgende Merkmale in den Blick genommen: Berufs-, Arbeits- und Organisationsbezogenheit (4.1), Interdisziplinäre Mehrperspektivität (4.2), Komplexitätsbewältigungskompetenz (4.3), Arbeitsfeldkenntnis (4.4), Reflexivität (4.5), Kooperations- und Koproduktionscharakter (4.6), Verständigungsorientierung und Verstehen (4.7), Zeitlich, räumlich exzentrischer Ort (4.8), Beratungs- und Dreieckskontrakt (4.9) und Ziel-, Werte- und Normenorientierung (4.10). Unter Bezugnahme auf einschlägige wissenschaftliche Literatur stellt Dr. Herbert Winkens pointiert dar, welche Bedeutung die identifizierten Merkmale für das Verständnis und die Praxis von Supervision in der Jugendhilfe haben. Er nutzt zur Veranschaulichung sowohl Praxisbeispiele als auch kreative Darstellungsformen wie Sprichwörter oder Redewendungen. Zudem sind Übergänge und Herleitungen zu finden, die den in sich komplexen Darstellungen der unterschiedlichen Merkmale einen Orientierungs- und Verstehensrahmen geben.
Der Autor zeigt im fünften Kapitel „Zur Unterscheidung von typischen Supervisionsformaten“ eine Übersicht von verschiedenen Supervisionsarten. Auf diese Weise nimmt er nach der inhaltlichen Perspektive im vorherigen Kapitel nun die Kontextfaktoren der supervisorischen Praxis (in der Jugendhilfe) in den Blick. Auf drei bis elf Seiten beschreibt er zentrale Diskussionsstränge und Merkmale folgender Supervisionsformate: Fallsupervision (5.1), Teamsupervision (5.2), Leitungssupervision (5.3), Organisationssupervision (5.4) und Lehr- und Kontrollsupervision (5.5). Dr. Herbert Winkens bleibt seiner Linie treu und zeichnet einen multiperspektivischen Blick auf die aus seiner Sicht typischen Supervisionsformate. Die Bereiche Fallsupervision und Teamsupervision als häufig angefragte Supervisionsformate in der Jugendhilfe sind umfangreich mit den Chancen und Herausforderungen dieses spezifischen Handlungsfeldes verknüpft. Die anderen eher übergreifenden Formate werden ebenfalls in ihrer Bedeutung für die Jugendhilfe diskutiert.
Das sechste Kapitel „Abgrenzung zu anderen Beratungsformaten“ beschäftigt sich mit den Unterschieden von Supervision und Intervision (6.1), Coaching (6.2) und Organisationsentwicklung (6.3). Dr. Herbert Winkens diskutiert die Beratungsformate in ihrer Bedeutung für das Handlungsfeld der Jugendhilfe. Er stellt dar, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede er im Vergleich zur Supervision sieht.
Im siebten Kapitel „Risiken und Nebenwirkungen“ führt der Autor aus, welche Risiken – im Grunde genommen sind dies unerwünschte Phänomene oder Gefahren, die den Nutzen von Supervision konterkarieren – in Supervisionsprozessen in der Jugendhilfe lauern. Diese Phänomene sind sowohl inhaltlicher oder menschlicher als auch institutioneller oder gesellschaftlicher Natur.
Das achte Kapitel „Tipps zum Scheitern von Supervision“ nimmt humorvoll auf zwei Seiten die zuvor beschriebenen Stolperfallen von Supervisionsprozessen in der Jugendhilfe auf. Dr. Herbert Winkens blendet durch Tipps wie beispielsweise „Gib dich als SpezialistIn und verteile alltagstaugliches Rezeptwissen“ (S. 130) ein, wie aus seiner Sicht supervisorische Prozesse in der Jugendhilfe nicht ablaufen sollten. Auf diese Weise verknüpft er die Risiken und Nebenwirkungen mit der supervisorischen Alltagspraxis.
Das neunte Kapitel „Ausblick und Schluss“ lässt Einblicke in selbstreflexive Prozesse des Autors zu. Er empfiehlt eine „neugierige, spielerische und forschende Haltung“ (S. 132), um die Theorie und Praxis von Supervision in der Jugendhilfe weiter zu verzahnen und zu entwickeln.
Diskussion
Das Buch besitzt einen logischen Aufbau und nimmt die Lesenden von Beginn an mit. Es ist einerseits flüssig von vorne bis hinten zu lesen, auf der anderen Seite lädt es zudem durch die transparente Gliederung zum Querlesen ein. Dabei wird Dr. Herbert Winkens seinem zu Beginn geäußerten Anspruch des Brückenschlagens zwischen Wissenschaft, Theorie und drängendem Berufsalltag vollumfänglich gerecht.
Vor allem die Darstellung der identifizierten typischen Merkmale von Supervision in der Jugendhilfe in Verbindung mit der kontextualen Einordnung typischer Supervisionsformate ermöglicht es Auftraggebenden, Supervidierenden und Teilnehmenden, die Prozesse reflektierter zu steuern und eigene Anliegen gezielter zu formulieren. Auf diese Weise profitieren höchst unterschiedliche Akteure vom Werk.
Fazit
Das Werk „Zehn Kennzeichen von Supervision in der Jugendhilfe. Ein Lehrbuch für PraktikerInnen“ von Dr. Herbert Winkens führt kenntnisreich und innovativ in die Thematik und die Spezifika von Supervisionsprozessen in der Jugendhilfe ein. Es spart dabei weder an wissenschaftlicher Komplexität, an Praxisrelevanz noch an theoretischer Tiefe. Als besondere Stärke sind die anschaulichen Formulierungen zu nennen, durch die selbst komplexe Phänomene den Lesenden nachhaltig in Erinnerung bleiben. Es eignet sich somit als äußerst spannende und hilfreiche Lektüre für alle am Thema Interessierte.
Rezension von
Prof. Dr. Tim Middendorf
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Es gibt 2 Rezensionen von Tim Middendorf.
Zitiervorschlag
Tim Middendorf. Rezension vom 23.12.2021 zu:
Herbert Winkens: Zehn Kennzeichen von Supervision in der Jugendhilfe. Ein Lehrbuch für PraktikerInnen. Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2021.
ISBN 978-3-7799-6444-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28874.php, Datum des Zugriffs 29.03.2023.
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