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Fabian Chmielewski, Sven Hanning: Therapie-Tools Selbstwert

Rezensiert von Gertrude Henn, 26.07.2022

Cover Fabian Chmielewski, Sven Hanning: Therapie-Tools Selbstwert ISBN 978-3-621-28706-7

Fabian Chmielewski, Sven Hanning: Therapie-Tools Selbstwert. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2021. 266 Seiten. ISBN 978-3-621-28706-7. D: 42,95 EUR, A: 44,40 EUR.
Reihe: Therapie-Tools
Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial.

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Thema

Eine Verbesserung des Selbstwerts wirkt sich auf die psychische Gesundheit und alle Lebensbereiche aus. Das Tools-Buch führt durch die einzelnen Module einer Selbstwerttherapie. Es vermittelt die zugrunde liegende Theorie und die Vorgehensweise in der Praxis.

Autoren

Dipl. Psych. Fabian Chmielewski und Dipl. Psych. Sven Hanning sind niedergelassene Psychologische Psychotherapeuten mit gemeinsamer Praxis in Hattingen. Beide sind unter anderem als Supervisoren und Selbsterfahrungsleiter in der Ausbildung von PsychotherapeutInnen tätig.

Entstehungshintergrund

Die Autoren haben vor vielen Jahren ihre Entdeckungsreise zu wirksamen Methoden der Selbstwerttherapie begonnen. Obwohl gut erforschtes Thema in der Psychologie und eines der wichtigsten Therapieziele, „großartigen Ideen und Beiträgen zum Thema“ (S. 11), fehlte den Autoren ein „Modell, … das den einzelnen Interventionen einen konzeptionellen Rahmen gibt.“ (S. 11).

Aufbau

Das 266 Seiten umfassende Buch folgt dem klar strukturierten Aufbau der Reihe „Therapie-Tools“ des Beltz-Verlags. Dieser bietet jederzeit eine gute Orientierung. Er folgt in den Kapiteln der Struktur Einführung – Informationsblätter/Anleitungen (für TherapeutInnen und/oder PatientInnen) – Arbeitsblätter. Insgesamt stehen in den Therapie-Tools Selbstwert 65 Informationsblätter und 71 Arbeitsblätter zur Verfügung. Sie umfassen in der Regel jeweils mehrere Seiten. Alle Arbeitsmaterialien sind durch Icons eindeutig gekennzeichnet. Sie werden nach der Einführung in das jeweilige Thema zunächst aufgelistet und inhaltlich kurz beschrieben.

Das Buch führt zu Beginn ausführlich in die Thematik Selbstwert, Selbstwertprobleme und die zugrunde gelegten Theorien ein. Die Autoren verbinden dabei die Selbstbestimmungstheorie von Richard M. Ryan und Edward L. Deci mit der Selbstdiskrepanztheorie von E. Tory Higgins (siehe unter Inhalt).

Es folgen vier Module, den Phasen des therapeutischen Ablaufs einer Selbstwerttherapie entsprechend.

Modul eins beinhaltet die Vorbereitungsphase. Sie dient dazu, einen „gemeinsamen Startpunkt“ (S. 34) zu finden.

Ausgehend von der Annahme, dass Menschen drei Vorstellungen von sich selbst haben – Bin-Ich, Soll-Ich und Wunsch-Ich – entstehen Selbstwertprobleme aus Diskrepanzen zwischen den drei Selbstbildern. In Modul zwei werden zunächst Interventionen zur Lockerung starrer Regeln und Vorstellungen des Soll-Ichs beschrieben.

Modul drei nimmt das Bin-Ich in den Blick, mit dem Ziel „ein realistisches und komplexes Selbstbild aufzubauen, dass sowohl positive wie negative Seiten beinhaltet.“ (S. 140).

In Modul vier „lockt das Wunsch-Ich mit Annäherungszielen und der Aussicht auf angenehme Gefühle.“ (S. 196).

Ein fünftes Modul enthält Handreichungen, mit deren Hilfe sich TherapeutInnen mit dem eigenen Selbstwert auseinander setzen können.

Mit dem Erwerb der Printausgabe erhält man Zugang zur E-Book-Version und zum Download aller Arbeitsmaterialien, darunter fünf Audiodateien der Imaginationsübungen.

Inhalt

Einführung: Selbstwert und Selbstwertprobleme

Selbstwertprobleme sind unter anderem Ursache psychischer Störungen und gleichzeitig Ansatzpunkt für psychotherapeutische Interventionen.

Unter Selbstwert im engeren Sinne verstehen die Autoren den Wert, den eine Person sich selbst zuschreibt. Die Selbstbewertung ist der Prozess, der zu einem Werturteil führt und das Selbstwertgefühl letztlich eine Spanne unterschiedlicher Gefühle, die durch die Selbstbewertung erlebt werden.

Unterschieden werden kann zwischen explizitem Selbstwert – als eher bewusstseinszugänglicher kognitiver Teil der Selbstbewertung – und implizitem Selbstwert – als eher bewusstseinsferner affektiver Teil der Selbstbewertung.

Unterschieden werden ebenso Trait- und State-Selbstwert. Der Trait-Selbstwert stellt eine überdauernde Ausprägung dar, wohingegen der State-Selbstwert das aktuelle Empfinden abbildet und durch äußere Anlässe und Ereignisse schwanken kann.

Selbstwertprobleme wirken auf allen Ebenen von Erleben und Verhalten: Dysfunktionalen Gedanken (z.B. „Ich bin ein Versager“), negativen Selbstwertgefühlen (z.B. Scham, Schuld, Angst) und dysfunktionalen Bewältigungsstrategien.

Um einer realen oder vermeintlichen Gefahr zu begegnen stehen Fight, Flight und Freeze als alte Überlebensprogramme zur Verfügung. Angesichts einer Selbstwertbedrohung lassen sich daraus drei schädliche, dysfunktionale Strategien ableiten: Selbsterhöhung (z.B. besonders sein, andere abwerten um sich aufzuwerten); Bewertung vermeiden (z.B. unauffällig sein, sich anpassen, Herausforderungen aus dem Weg gehen); Ertragen (z.B. unterordnen, sich schlecht behandeln lassen).

Zur Bearbeitung von Selbstwertproblemen verbinden die Autoren zwei Theorien. In der Selbstbestimmungstheorie von Ryan und Deci wird „Selbstwert als Konsequenz aus der Erfüllung oder Frustration der Bedürfnisse nach sozialer Eingebundenheit, Kompetenz und Autonomie“ (S. 22) verstanden. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Erfüllung der Grundbedürfnisse sich positiv auf den Selbstwert auswirken kann.

Die Theorie der Selbstdiskrepanz von Higgins schließlich beinhaltet den Vergleich, den Menschen ziehen zwischen ihrem aktuellen Selbstkonzept (Aktual-Selbst), der Vorstellung davon, wie man zu sein hat (Pflicht-Selbst) und wie man gerne sein möchte (Ideal-Selbst). Abweichungen zwischen den drei Selbstbildern verursachen aversive Gefühle, teilweise Gefühle von Bedrohung oder Angst.

Die Autoren haben das Modell von Higgins vereinfacht. Sie führen als Bezeichnung Bin-Ich (Aktual-Selbst), Soll-Ich (Pflicht-Selbst) und Wunsch-Ich (Ideal-Selbst) ein.

Sie kombinieren das Bedürfnismodell mit dem Selbstdiskrepanzmodell. Dadurch – so Chmielewski und Hanning – „lassen sich Entstehungsbedingungen für Selbstwertprobleme gut erklären, gleichzeitig können therapeutische Ansatzpunkte für die Arbeit am expliziten als auch am impliziten Selbstwert abgeleitet werden.“ (S. 25).

Mit dem Schaubild „Ein Bild für tausend Wörter“ als zweitem Infoblatt werden Grundannahmen und Theorien übersichtlich dargestellt. Dies bildet eine wichtige Orientierungshilfe.

Modul 1: Vorbereitungsphase

Die Vorbereitungsphase dient dazu einen gemeinsamen Startpunkt und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln.

Das Modul ist in mehrere Themenbereiche gegliedert. Es widmet sich zunächst der Beziehungsgestaltung zwischen TherapeutIn und PatientIn als bedeutsamem Wirkfaktor. Zur Psychoedukation folgen Informationen zur Relevanz von Selbstwertproblemen und Theorien.

Die weiteren Materialien dienen der Auseinandersetzung mit den Grundbedürfnissen Bindung, Kompetenz und Selbstbestimmung, die den Selbstwert speisen. Im weiteren Verlauf wird die eigene Lebensgeschichte in Form einer Selbstwertbiografie, einschließlich biografischer Selbstwertkrisen betrachtet.

Nachfolgend wird das zweite zugrunde liegende Modell der Selbstdiskrepanz vermittelt. Es schließt mit einer Imaginationsübung „Im Spiegelkabinett“ (alternativ: „Am Bahnsteig“) und deren Auswertung als „ganz entscheidender Baustein der Behandlung“ (S. 34). Mit dieser zentralen Übung lassen sich Bin-Ich, Soll-Ich und Wunsch-Ich „unmittelbar und am Verstand vorbei“ (S. 38) erfahren.

Mittels der bis hierhin gemachten Erfahrungen wird nun ein neuer Blick auf Selbstwertkrisen gewagt. Im letzten Abschnitt werden die eigenen Selbstwertstrategien in puncto Selbsterhöhung, Bewertung vermeiden und Ertragen beleuchtet.

Modul 2: Das Soll-Ich

Das Soll-Ich kann sehr mächtig und unerbittlich sein. Es sorgt für überkritische oder abwertende Selbstbewertungen, enthält Regeln die teilweise unerreichbar sind.

Die Autoren schlagen vor, die Veränderungsphase mit der Bearbeitung des Soll-Ichs zu beginnen. Bei einer gelingenden Lockerung der starren Regeln kann eine freundliche und realistischere Selbstsicht entstehen und es wird „Raum für das Wunsch-Ich frei“. (S. 103). Zur Bearbeitung werden vier Schritte identifiziert:

  1. Die Regeln des Soll-Ichs erkennen
  2. Die Regeln des Soll-Ichs prüfen
  3. Veränderungen emotional verankern
  4. unabhängige Selbstwertquellen finden

Methodisch werden unter anderem Stuhldialoge oder gar humorvolle Interventionen (z.B. „My Brain is a DJ – Meine persönliche Playlist der Selbstabwertungen“) eingesetzt. Das Modul endet mit einem „Brief ans Soll-Ich“.

Modul 3: Das Bin-Ich

Mit den Interventionen dieses Moduls kann die häufig einseitige, negativ-verzerrte und reduzierte Wahrnehmung des Bin-Ich bearbeitet werden.

Ziel ist eine komplexe und realistische Selbstsicht, der Abbau von Verzerrungen und Schwarz-Weiß-Denken und ein souveräner Umgang mit Lob und Kritik. Die neue Selbstsicht soll gleichzeitig emotional verankert werden.

Zunächst wird aufgezeigt, wie eine Menschen innewohnende Selbstverikationstendenz die negative Selbstsicht aufrechterhält. Informationen, die nicht zum bisherigen Denken passen, erzeugen eine kognitive Dissonanz und werden passend gemacht (z.B. Ich bin nicht liebenswert. – Jemand ist nett zu mir. – Warum sollte jemand nett zu mir sein? Er ist nur nett, weil er etwas braucht.).

Zu den vorgeschlagenen Methoden gehören bspw. Selbstwertlisten (Was könnte ich an mir mögen/nicht mögen? Was könnten andere an mir mögen/nicht mögen?), die Übung „Kontaktanzeige“ als humorvoller und spielerischer Weg die eigenen positiven Seiten zu schildern (und damit das Gebot „Eigenlob stinkt“ zu umgehen), das „Archiv der besten Momente“ in dem lebensgeschichtliche Situationen gesammelt werden, die der negativen Selbstsicht widersprechen oder Übungen zum Annehmen von Lob wie Kritik.

Um die neue Selbstsicht zu verankern werden mit der Imaginationsübung „Kino der Grundbedürfnisse“ befriedigende Erfahrungen aus der Vergangenheit spürbar gemacht. Auch Modul drei schließt mit einem „Brief an sich selbst“.

Modul 4: Das Wunsch-Ich

Bei der weiteren Entwicklung der Persönlichkeit kann das Wunsch-Ich als „innerer Ratgeber und Kompass dienen.“ (S. 196). Ziel ist, das Wunsch-Ich klar zu sehen und sich ihm anzunähern, dabei zu unterscheiden was ist „psychologisches Schlaraffenland“ (S. 196) und was ist realistisch erreichbar.

Schädliche Selbstwertstrategien sollen abgebaut werden zugunsten einer liebevollen Betrachtung und Behandlung von sich selbst. Letztendlich soll langfristig die eigene Bedürfnisbefriedigung verbessert werden.

In der Übung „Mein wunderschönes Leben“ wird zunächst ein märchenhaftes Bild entworfen, aus dem dann realistische Ziele abgeleitet werden können. Im Kontrast dazu kann „Das Gefürchtete Ich“ entworfen werden um dann die „Goldene Mitte“ zu finden.

Zum Abgewöhnen schädlicher Selbstwertstrategien kommen erneut Arbeitsblätter zu Selbstaufwertung, Bewertung vermeiden und Ertragen – bereits aus der Vorbereitungsphase bekannt – zum Einsatz.

Die Imaginationsübung „Liebevoller Blick“ hilft sich selbst liebevoller zu betrachten und ermöglicht einen Zugang über das Gefühl. In der Übung „Freundlich mit mir reden“ unterstützt der Umweg über einen Perspektivwechsel (Was würde ich jemandem sagen, den ich gern mag?).

Den Abschluss bilden Arbeits- und Infoblätter zur Verbesserung der Bedürfnisbefriedigung. Sie leiten an, konkrete Aktivitäten zu planen. Ein „Brief vom Wunsch-Ich“ an das Bin-Ich beendet das Modul.

Ein „Selbstwertbrief“ bildet den Therapieabschluss und ist – wie alle anderen „Briefe an sich selbst“ – eine Form der vertiefenden Auseinandersetzung und unterstützende Erinnerungshilfe.

Modul 5: Der Selbstwert der TherapeutInnen

„Das Selbstwertsystem von PsychotherapeutInnen funktioniert nicht anders als das aller anderen Menschen.“ (S. 255). Eigene Selbstwertthemen können in Therapiesituationen hervortreten, mit Auswirkungen auf den Therapieprozess und das eigene Wohlbefinden.

Die Aufmerksamkeit der TherapeutInnen wird daher am Ende des Buches auch auf die „therapeutische Selbstdiskrepanz“ und die „selbstwertrelevanten Grundbedürfnisse im und um den Therapieprozess“ (S. 255) gelenkt.

Diskussion

Die vorgeschlagenen Übungen und Interventionen sind aufeinander aufbauend. Sie zeichnen sich neben inhaltlicher Klarheit durch ihre Vielseitigkeit und Kreativität aus. Durch emotionsaktivierende Interventionen, z.B. Imaginationsübungen werden Verstand und Gefühl gleichermaßen angesprochen. Damit schaffen sie nicht nur kognitive Einsicht, sondern fördern eine emotionale Einsicht. PatientInnen werden so „viel besser als zuvor in der Lage sein, alte Verhaltensmuster loszulassen und neues Verhalten zu erproben.“ (S. 14). Zu allen Übungen gibt es ausführliche Anleitungen und Erklärungen. Die Informationsblätter sind prägnant, gut verständlich und sprachlich auf die jeweiligen AdressatInnen (TherapeutIn/​PatientIn) abgestimmt. Die zugrunde gelegten Erläuterungen sind vom inhaltlichen Umfang gut und angemessen. Die Therapie-Tools Selbstwert sind darüber hinaus „zu ganz unterschiedlichen Therapieschulen kompatibel.“ (S. 11).

Fazit

Die Therapie-Tools Selbstwert sind ein wertvolles Arbeitshandbuch für all diejenigen Fachpersonen, die Menschen darin unterstützen wollen ihren Selbstwert im Rahmen einer Psychotherapie zu verbessern – seien es BerufsanfängerInnen oder langjährige PraktikerInnen. Auch außerhalb des therapeutischen Settings können aus Sicht der Rezensentin viele Übungen gewinnbringend genutzt werden, beispielsweise in einem Stresspräventionstraining.

Rezension von
Gertrude Henn
Diplom-Sozialpädagogin, Entspannungs- & Stressmanagement-Trainerin
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Es gibt 11 Rezensionen von Gertrude Henn.

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Zitiervorschlag
Gertrude Henn. Rezension vom 26.07.2022 zu: Fabian Chmielewski, Sven Hanning: Therapie-Tools Selbstwert. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2021. ISBN 978-3-621-28706-7. Reihe: Therapie-Tools
Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28912.php, Datum des Zugriffs 15.01.2025.


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