Ulrike Fricke, Christina Pollmann: Gemeinsam online
Rezensiert von Prof. Stefan Müller-Teusler, 07.01.2022

Ulrike Fricke, Christina Pollmann: Gemeinsam online. Digitale Workshops aktivierend gestalten. Mit E-Book inside. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2021. 230 Seiten. ISBN 978-3-407-36785-3. D: 34,95 EUR, A: 35,90 EUR.
Die Autorinnen
Ulrike Fricke ist Logopädin, Sprecherzieherin (DGSS) und Coach. Seit 2001 arbeitet sie selbstständig als Stimm- und Sprechtrainerin und Coach. Schwerpunkt ihrer Einzeltrainings, Seminare und Coachings ist die mündliche Kommunikation.
Christina Pollmann ist Counselor grad. BVPPT Individualpsychologie und ISO-zertifizierte Coach. Nach dem Studium der Germanistik, Sprechwissenschaft und Vortragskunst arbeitet sie seit 1994 freiberuflich als Trainerin und Dozentin für Rhetorik und Encouraging mit unterschiedlichen Zielgruppen offline und online.
Aufbau des Buches
Das Buch ist in 8 Abschnitte unterteilt, die jeweils noch eigene kleine Kapitel haben. Die Struktur des Buches ist so, dass bei jedem Abschnitt erst ein Thema aufgegriffen wird, wozu es dann auch farblich abgesetzt Vorschläge und ganz konkrete andere Impulse beziehungsweise Methoden gibt, wie mit dem jeweiligen Thema konstruktiv umgegangen werden kann.
Inhalt
Kapitel 1 befasst sich damit, wie man sich selbst auf online-Meetings oder digitale Lehre vorbereiten kann. Unter der Überschrift „Warm up: in Form kommen“ geht es um die eigene mentale Vorbereitung auf das digitale Treffen. Aber es gibt auch praktische Tipps wie das Einrichten des Bildschirmes oder die Gestaltung des Hintergrundes, je nachdem was die Teilnehmenden zu sehen bekommen sollen/dürfen.
Kapitel 2 knüpft da quasi an und geht auf das Thema Ausstrahlung via Bildschirm ein. Dabei legen die beiden Autorinnen drei wesentliche Begrifflichkeiten zugrunde: Präsenz, Authentizität und Souveränität. Sie betonen, dass diese drei Faktoren nicht im luftleeren Raum, sondern immer nur in der Beziehung zu anderen Menschen funktionieren. „Anders gesagt: Einsam in einem Video-call wirkt auch eine überaus charismatische Persönlichkeit mit Ausdruck, Standing und beneidenswerter Bildschirm-Präsenz eher wenig“ (S. 32).
Für manche Menschen ist die digitale Kommunikation, insbesondere mit größeren Menschengruppen, auch mit einer gewissen Nervosität oder Lampenfieber verbunden. Damit setzt sich Kapitel 3 auseinander, wo es darum geht, wie man mit Lampenfieber im Vorfeld konstruktiv umgehen kann und wie man sich auf ein Online-Meeting gut vorbereiten kann. Auch hier gibt es eine ganze Reihe praktischer Tipps und konkreter Übungen, die man für sich selber nutzen kann.
Die gelingende Gestaltung eines Online-Events hängt unter anderem auch davon ab wie gut dieses strukturiert ist (Kapitel 4). Dabei geht es um die vielen kleinen Dinge, die im Vorfeld zu beachten sind, wie eine Struktur überhaupt gestaltet werden kann und welche Methoden genutzt werden sollen und wie das Zeitmanagement aussieht.
Im Zeitalter der Evidenz wird alles Mögliche evaluiert und dazu gehört auch das Feedback von Tagungen, Meetings, Veranstaltungen und auch Besprechungen. Das hat häufig auch inzwischen einen gewissen Ermüdungseffekt erreicht, weshalb manche Feedbacks kaum noch ausgefüllt werden oder sich in allgemeine Plattitüden ergießen. „Damit ein Feedback konstruktiv und vertrauensvoll ablaufen kann sind Feedback-Grundlagen und -Regeln erforderlich“ (S. 111). In Kapitel 5 wird deutlich, dass Feedback nicht gleich Feedback ist, sondern dass es unterschiedliche Formen von Feedback gibt, die auch unterschiedliche Wirkungen haben. “ Gut anmoderiertes und angekündigtes Feedback führt zu Leistungsverbesserung, kann einen Entwicklungsanstoß geben, hilft bei der Verständigung, vermittelt Übereinstimmung und Gemeinsamkeiten, bewirkt eine Verhaltensänderung, kann zu der Konfliktlösung beitragen und unterstützt eine genauere Selbsteinschätzung und Positionierung“ (S. 113). Feedback deckt damit eine Bandbreite zwischen beschreibenden Verfahren und Feedback deckt damit eine Bandbreite zwischen beschreibenden Verfahren und Rückmeldung zur Wirkung ab.
Die Teilnehmenden bei Online-Events aktiv mit einzubeziehen ist anspruchsvoll und herausfordernd und gelingt längst nicht immer. Kapitel 6 hat genau dieses zum Inhalt. Die Überschrift „Zugehörig und aktiv im digitalen Raum“ macht deutlich, dass es um ein Miteinander von Moderierenden/​Vortragenden/​Gestaltenden und Teilnehmenden geht, um ein Online-Meeting aktiv und konstruktiv zu gestalten. Im Fokus steht, dass die Beteiligten sich eingeladen und angesprochen fühlen, in ihrer jeweiligen Kompetenz gesehen und in ihrer Aktivität gefordert werden, einen Überblick über die Veranstaltungsstruktur an sich haben und dass sie für das Gelingen der Veranstaltung als Einzelne wie auch als Gruppe wichtig sind. Die Autorinnen benennen diese Verbindungen als Anschlussstellen, was noch einmal deutlich macht, wie wichtig es ist, dass die Veranstaltung als eine gemeinsame von Vortragenden und Teilnehmenden gesehen wird und welche Anknüpfungspunkte es dafür gibt. Dieses wird mit Beispielen und differenzierten Hinweisen noch weiter untersetzt und auch hier gibt es Übungen beziehungsweise Methoden, damit dieses besser gelingt.
In Kapitel 7 geht es um Gruppenleitung, was online etwas anders ist als man dieses aus Präsenzsituationen kennt und gewohnt ist. Damit alle Lesenden gleichermaßen vertraut sind, wird auf die verschiedenen Phasen einer Gruppenentwicklung beziehungsweise die Gruppendynamik eingegangen. Dennoch gibt es viele Ähnlichkeiten zu Präsenzsituationen und auch hier gibt es hilfreiche Praxistipps beziehungsweise Übungen, wie man damit umgehen kann.
Der inhaltliche Teil des Buches schließt mit Kapitel 8, wo es um die Bewältigung von Online-Katastrophen geht. Das beginnt bei das Glas kippt um, geht über Zaungäste, die auf einmal (im Bildschirmhintergrund) auftauchen, greift störende Töne im Hintergrund auf, thematisiert ungünstige Lichtverhältnisse bis hin zu digitale Tools funktionieren nicht. Auch hier gibt es eine Fülle von Hinweisen und Beispielen, die davon zeugen, welche umfangreicheren Praxiserfahrungen die beiden Autorinnen haben und wie man solche Katastrophen überwinden kann. Ein kurzes Schlusswort beendet dieses Buch.
Diskussion
Viele der Hinweise in diesem Buch erscheinen möglicherweise als banal und sind den meisten Menschen, die online unterrichten, moderieren oder lehren, eigentlich auch bekannt. Dennoch gilt auch hier, dass eingefahrenen Gleise auch immer mal wieder überprüft werden müssen, und mindestens dafür gibt dieses Buch auch für erfahrene Personen eine Reihe von Hinweisen, die für die Selbstüberprüfung sehr hilfreich sind. Gegenüber vielen anderen Büchern und Ratgebern, die sich mit digitalen Meetings oder Unterricht befassen, geht es hier nicht um technische Feinheiten zur Gestaltung von Online-Meetings, sondern es geht vor allen Dingen um die eigene Rolle als Moderierende oder Lehrende oder Unterrichtende. Dabei verzichtet das Buch ausdrücklich darauf, irgendwelche Software zu erwähnen oder beispielhaft heranzuziehen, sondern fokussiert sich ausschließlich auf die nutzenden Personen wie auf die Impulsgebenden Personen. Damit stellt das Buch eine wertvolle Ergänzung zu den vorhandenen Ratgebern dar, die überwiegend technisch orientiert und auf die Möglichkeiten der Anwendung fokussiert sind.
Das Buch ist sehr gut strukturiert aufgebaut, leicht lesbar und es lässt sich sowohl im Ganzen als wertvoller Ratgeber lesen wie auch einzelne Kapitel herausgreifen, um bestimmte Aspekte noch einmal besonders in den Blick zu nehmen. Dabei verweisen die beiden Autorinnen auch stets auf die anderen Kapitel, womit Zusammenhänge noch einmal besonders deutlich werden. Zusätzlich zur Print-Version ist auch via eines im Buch befindlichen Codes eine digitale Version erhältlich (ohne Aufpreis).
Fazit
Ein ohne Frage gelungenes Buch für alle Menschen, die besprechend, unterrichtend, moderierend oder lehrend online unterwegs sind oder sein müssen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob man dieses beruflich besonders häufig tut oder ob es nur gelegentlich vorkommt. Es ist sowohl für den Gebrauch im Kontext Schule wie auch im Raum von Ausbildung als auch bei Dienstbesprechungen, Fortbildungen, Konferenzen, Meetings und in der Lehre sehr gut geeignet. Das Buch ist wunderbar universell angelegt und wird über verschiedene technische Innovationen hinaus in seiner Grundsätzlichkeit auch weiterhin Bestand haben.
Rezension von
Prof. Stefan Müller-Teusler
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