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Michael Kerres: Didaktik. Lernangebote gestalten

Rezensiert von Dr. rer. soc. Wolfgang Widulle, 10.02.2022

Cover Michael Kerres: Didaktik. Lernangebote gestalten ISBN 978-3-8252-5718-7

Michael Kerres: Didaktik. Lernangebote gestalten. UTB (Stuttgart) 2021. 272 Seiten. ISBN 978-3-8252-5718-7. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 37,50 sFr.

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Einführung in das Thema

Lehren und Lernen stehen in einem diffizilen Verhältnis, wie jeder weiß, der pädagogische Einrichtungen – freiwillig oder nicht – genossen oder erlitten hat: Lehre erzeugt nicht notwendig Lernprozesse und Lernen ohne Lehre ist in Lebensbereichen wie Laufen, Sprechen, Radfahren und vielen weiteren Bereichen beileibe nicht nur «privilegierten» Lernens (Stern & Caspary 2012) die Normalität. Und auch in professionellen Bildungsarrangements gibt es keine Gewähr, dass wirklich Lernen stattfindet: Z.B., wenn Gymnasiasten der 11. Klasse sich auf dem Mathematik-Niveau der 6. Klasse befinden oder Weiterbildungsteilnehmer angeregt durch angenehmen Austausch und freundliches Klima, aber ohne großes Learning Outcome einer Weiterbildung nach Hause gehen. Dafür kann vieles die Ursache sein, nicht nur das häufig missverstandene «Technologiedefizit der Pädagogik» (Luhmann & Schorr 1982).

Um das verzwickte Verhältnis und die Einflussfaktoren beim Lehren und Lernen zu klären und vor allem, um Lehre wirksamer zu machen, gibt es Didaktik als Wissenschaft und Praxis. Sie bezieht sich mit zunehmend informellen, selbstorganisierten, mediatisierten und lebenslangen Lernprozessen auch auf außerschulische und weniger formalisierte Bildungsmaßnahmen und -konzepte. Um pädagogische Fachkräfte aller Couleur zur Allgemeinen Didaktik wissenschaftlich fundiert und praxisnah zu orientieren, existiert seit Jahren ein breites Spektrum an didaktischer Literatur – für die Hochschullehre (Brendel et al. 2019; Ouden & Rottlaender 2017; Pfäffli 2015), die berufliche Bildung (Bonz 2009), auch die Soziale Arbeit (Martin 2005; Schilling 2008) und viele weitere Bereiche.

Hintergrund des Buches

Je größer didaktisch-methodische und mediale Möglichkeiten und je vielfältiger die Rahmenbedingungen, Felder, Ziele, Inhalte und Adressaten von Lernangeboten sind, desto notwendiger wird eine umfassende Analyse und Konzeption einer Lernarchitektur – im englischen Sprachraum als «Instructional Design» bezeichnet. Das Lehrbuch legt einen didaktischen Rahmen, ein Konzept und Prozessmodell für Instructional Design vor, das sich vom engen Verständnis didaktischen Handelns – also «wirksamem Lehren» löst und zur umfassenden Analyse, zu didaktischen Entscheidungen und zur systematischen Konstruktion von Lernangeboten instruiert. Es will grundlegende Kenntnisse zur didaktischen Gestaltung von Lernangeboten und dem Vorgehen bei der Entwicklung didaktischer Konzepte vermitteln. Zielgruppe sind Studierende der Erziehungswissenschaft und anderer pädagogischer Studiengänge sowie Bildungsverantwortliche in der Praxis.

Der Autor

Michael Kerres gehört zu den E-Learning-Pionieren der deutschen Pädagogik. Er ist Mitglied im Hochschulforum Digitalisierung und leitet das Learning Lab für Forschung und Entwicklung mediengestützten Lehrens und Lernens an der Universität Duisburg-Essen, wo er eine Professur in Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Mediendidaktik und Wissensmanagement innehat. Das Spektrum seiner Arbeitsgebiete ist breit – Bildung und Digitalisierung, offene Bildungsressourcen und kompetenzorientiertes E-Learning stehen im Fokus. Das Spektrum seiner mehr als 300 Publikationen reicht von sehr grundlegenden Beiträgen zu lebenslangem Lernen an Hochschulen (Kerres 2012) oder zur Mediendidaktik (Ackeren et al. 2018; Kerres 2018) bis zu praxisnahen Kurztexten wie z.B. «Frustration in Videokonferenzen vermeiden» (Kerres 2020).

Aufbau und Inhalt des Buches

Das Buch ist in zwei Hauptteile gegliedert. Der erste Teil orientiert grundlegend zu Kernfragen von Bildung, Lernen und Didaktik. Im zweiten Teil werden die Schritte der Erarbeitung von Lernangeboten von der Analyse des Kontexts bis zur Evaluation erarbeitet.

Kapitel 1 Bildung erarbeitet ein grundlegendes Verständnis von Bildung und differenziert drei Varianten. Kerres nennt sie Bildung als «Disposition» (Allgemein- und formale Bildung), «Transaktion» (berufliche Bildung) und «Transformation» (Persönlichkeitsbildung und gesellschaftliche Veränderung). Dazu werden einige theoretische und historische Perspektiven entwickelt und Bezüge zum Kompetenzbegriff nach Weinert und zur Bildung in einer digitalen Welt gemacht.

Kapitel 2 Lernen beschreibt die kognitiven und motivationalen Prozesse, die für erfolgreiches Lernen erforderlich sind. Die Bedeutung von Arbeitsgedächtnis, Verarbeitungstiefe und Vorwissen werden erläutert und zur Erläuterung des Themas Motivation motivationspsychologische Klassiker eingeführt: Das Modell der Leistungsmotivation nach Heckhausen (2018), die Selbstbestimmungstheorie von Deci & Ryan (2018), Kausalattribution von (Miss-)Erfolg und die Anerkennungstheorie nach Honneth. Danach werden Bedingungen von Lernerfolg ausgebreitet und Ausführungen zu subjektiven Lernerfahrungen gemacht.

Kapitel 3 Didaktik schafft ein Grundverständnis von Allgemeiner Didaktik für schulische und nichtschulische Lernkontexte. Es problematisiert das Verständnis von Didaktik als Technologie im Anschluss an Luhmann & Schorr und erweitert die allgemeindidaktische Engführung auf Ziele und Inhalte auf ein didaktisches Design, das Ergebnisse der empirischen Lehr-Lernforschung aufnimmt und auf Gagné & Briggs (Gagné et al. 1974) rekurriert. Nach einer erziehungswissenschaftlichen Einordnung wird das Rahmenmodell des didaktischen Designs erläutert.

Im Kapitel 4 Kontext und Akteure wird zuerst die Breite der formalen Bildungskontexte von der frühen Bildung bis zur Weiter- und betrieblichen Bildung beschrieben, ergänzt um den wachsenden Sektor der informellen und lebensweltlich verfassten Bildung, für beide werden die Unterschiede in Ansprüchen und Funktionen von Bildungsmaßnahmen skizziert. Danach findet sich eine Auslegeordnung zu Bildungsorganisationen und deren Strukturen im öffentlichen Sektor und der Wirtschaft. Als wichtigster Akteur (und Adressat) wird auf die Merkmale von Lernenden eingegangen.

Kapitel 5 Lehrziele steigt in die didaktische Konzeption im engeren Sinne ein. Ausgehend von einem zu klärenden Bildungsproblem oder -anliegen wird die Auftrags- und Zielklärung von Bildungsmaßnahmen skizziert und auf die Inhaltsbereiche und Kompetenzdimensionen bezogen. Das Kapitel entwickelt im Weiteren eine Matrix von Kompetenzzielen an den zwei Achsen von Sach-, Selbst- und Sozialkompetenzen sowie Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen. Danach werden Leistungsniveaus im Sinne der Lernzieltaxonomie entwickelt. Selten berücksichtigt und hier besonders zu betonen ist, dass Kerres Einstellungen als eigenständige Kompetenzdimension mit entsprechenden Leistungsniveaus ausarbeitet. Dies findet man in eher wenigen Lehrbüchern zur Didaktik, die meist auf kognitiv-prozedurale Dimensionen fokussieren. Die Formulierung präziser Lehrziele fällt vielen Lehrenden schwer. Sie wird im Folgenden instruiert und unterschieden von durch die Adressaten gesetzten Lernzielen. Ein kurzes Unterkapitel zu Erfolgskriterien leitet dazu an, zur Akzeptanz, dem Engagement, der Reichweite und den Perspektiven einer Bildungsmaßnahme Kriterien zu entwickeln, die deren Wirksamkeit überprüfbar machen. Abschließend nimmt das Buch die Qualität von Lernerfahrungen als eigenständige Dimension in den Blick und bringt damit den Lernprozess, Offenheit und Dialog als eigene Qualitäten von Lernangeboten ins Spiel.

Kapitel 6 Lehrinhalte setzt zu Beginn einen Rahmen mit Bildungsplänen und Curricula, zu denen es zwei Beispiele aus der Schulpädagogik und beruflichen Bildung gibt. In der Folge werden acht Positionen entwickelt, wie Lehrinhalte ausgewählt werden können. Die Setzung von Inhalten für die berufliche Bildung wird an Aufgaben und deren Analyse ausgerichtet und die Allgemeinbildung an einem materialen oder formalen Bildungsverständnis orientiert. Ergänzt wird dies durch ein Verständnis von transformatorischer Bildung, die mit Lernenden in die kommunikative Verständigung geht und pragmatisch und dialogisch, eher in Absicht einer Symmetrie zwischen Lehrenden und Lernenden Inhalte erarbeitet. Die Herausforderungen dieser Art kommunikativer Pädagogik werden diskutiert.

Kapitel 7 Didaktische Grundformen nimmt das Werkzeug der Pädagogik in den Blick: «Hammer oder Pinsel?» – was ist das bessere Werkzeug, resp. die bessere Unterrichtsmethode? Es vermeidet den Irrtum der Konkurrenz um «die beste Methode», bettet dafür alle Methoden in zwei Grundformen ein – Exposition und Exploration bzw. Instruktion und Konstruktion oder auch Lehr- und Lernaktivitäten in Bildungsangeboten. Zur Instruktion werden mehrere instruktionale Prozessmodelle vorgestellt, darunter die 3-2-1-Methode oder die Cognitive Apprenticeship. Für den zweiten Schwerpunkt explorativer Angebote, also entdeckenden Lernens werden Bedingungen für wirksames exploratives Lernen entwickelt und an einigen Modellen (Projektmethode, Montessori, entdeckendes Lernen und hypertextuelles Lernen) verdeutlicht. Traditionelle und konstruktivistische Sicht des Lernens werden gegenübergestellt und deren Polarisierung problematisiert. Die in den letzten Jahren schwer en vogue gewordenen explorativen Ansätze zum selbstorganisierten Lernen werden kritisch bewertet und der Vorteil expositorischer, adaptiver und gestützt explorativer Lernumgebungen gegenüber der freien Exploration/dem selbstorganisierten Lernen herausgearbeitet. So wird der von Teilen der Pädagogik programmatisch überhöhten Tendenz der «Selbstorganisation» einige Evidenz entgegengesetzt. Den Schluss des Kapitels bilden vermittelnde Ansätze, die Exposition und Exploration, Instruktion und Konstruktion, Lehren und Lernen systematisch verbinden, statt sie als Gegensatz aufzufassen, darunter handlungsorientiertes Lernen, Problem-based-Learning, die Arbeit mit starken Lernumgebungen («Authentizität» der Lernaufgaben) sowie das Vier-Komponenten-ID-Modell, das komplexe Kompetenzen erlernbar macht.

Kapitel 8 Lernprozesse und Lernzeiten strukturiert diese Grundformen nun raum-zeitlich: Die Phasen der Rezeption, Kommunikation und Konstruktion in Lernprozessen werden lernpsychologisch erläutert und konkrete Hinweise zur Strukturierung und Methodisierung von Lernangeboten gemacht. In der zeitlichen Strukturierung von Lernangeboten ist besonders erwähnenswert, dass synchrone und asynchrone Elemente eine systematische Ausarbeitung erfahren. Kritisch sehe ich Kerres’ Ausführungen zum fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch, für das er scheinbar noch ein Herz hat, das jedoch meist so wirkungslos wie ermüdend ist und von Wahl (2013) als «Osterhasenpädagogik» kritisiert wird: «Der Lehrer versteckt sein Wissen und lässt die Schüler danach suchen». Ebenso scheint die Zuordnung der Prinzipien «Rezeption» mit Wissenserwerb, «Konstruktion» mit Fertigkeiten sowie «Kommunikation» mit Einstellungen schematisch und unterkomplex.

Mit Kapitel 9 Lernräume und Lernmedien kommt Kerres als renommierter Medienpädagoge wohl zu einem Lieblingsthema. Dennoch gibt das Kapitel kein Plädoyer für einseitig medial gestütztes Lernen, sondern thematisiert ebenso die große Bedeutung von Begegnung und Beziehung in Lernräumen als wichtiger Lernerfahrung. Das Kapitel entwickelt Überlegungen zu Räumen und deren Gestaltung sowie zur Mediatisierung und einer adaptiven Trennung bzw. Verbindung der beiden Bereiche. Das Ziel: Face-to-Face- und mediatisierte Situationen nahtlos so zu verbinden, dass deren spezifische Potenziale zur Geltung kommen. Information, Kommunikation und Konstruktion werden so unterschiedlichen räumlich und medial aufbereiteten Elementen zugeordnet. Den Schluss des Kapitels bilden Hilfen zur adaptiven Nutzung synchroner Kommunikation und zu Medienentscheidungen.

Kapitel 10 Lernorganisation schafft anschließend die Gesamtorganisation des Lernangebots und hilft zur Strukturierung von Zeit und Ort, blended- oder hybriden Arrangements und Präsenz- oder Wechselunterricht. Das Kapitel sensibilisiert für das Präsenzerleben im Kontaktunterricht und instruiert zu wirksamer Gruppenarbeit.

Das kurze Kapitel 11 Evaluation erarbeitet Kriterien und Vorgehensweisen zur Auswertung von Lernangeboten, zur Feedbackgestaltung in Lernangeboten und zur Qualitätsentwicklung. Prüfungen und Lernkontrollen werden in diesem Kapitel ebenfalls kurz behandelt.

Kapitel 12 Leitfaden bündelt alle Kapitel des Lehrbuchs in einer siebenseitigen Orientierungshilfe, die mit Fragen und Rastern durch alle Schritte des didaktischen Designs eines Lernangebots führt.

Das UTB-Studybook nutzt Abstracts, viele visuelle Elemente (Icons, Graphiken, Tabellen) und Lernfragen sowie weiterführende Literaturhinweise. Ergänzend zum Lehrbuch gibt es eine Website mit digitalen Lernmaterialien, die Zusatzmaterialien des Learning Labs der Uni Duisburg-Essen enthalten Videos, Tests, Maps und weiterführende Hinweise für Studierende. www.didaktik.info war im Januar 2020 noch im Aufbau begriffen, zu vier Kapiteln existierte bereits audiovisuelles bzw. interaktives Material.

Diskussion

Das Lehrbuch erarbeitet didaktisches Design umfassend, aktuell und anhand wissenschaftlicher Forschungsergebnisse aus der Erziehungswissenschaft und pädagogischen Psychologie. Die relevanten Theorien des Lehrens und Lernens sind verdichtet und gut verständlich in eine Struktur der Entwicklung von Lernangeboten eingearbeitet, die zwar aufwändig ist, aber für größere Lern- und Bildungsangebote absolut sinnvoll ist. Das Buch bietet nicht nur ein «How to…» für die Konzeption von Bildungsangeboten und setzt sich damit von skillsorientierten Einführungen wie Ouden & Rottländer (2017), Pfäffli (2015) oder Brendel (2019) ab. Es regt zur vertieften Auseinandersetzung mit konträren erziehungswissenschaftlichen und didaktischen Positionen an, bezieht aber auch deutlich Stellung, wo die Evidenz in der Lehr-Lernforschung klar ist (z.B. bei der Kritik «selbstorganisierten» Lernens, der Notwendigkeit der Analyse von Bildungsanliegen/​-problemen, bei Zielsetzung und Kompetenzorientierung).

Die zitierte Literatur zeigt die ganze Breite moderner erziehungswissenschaftlicher Theoriebildung, lernpsychologischer Forschung und pädagogischer Lehrpraxis und schafft allen Fachkräften, die mit der Entwicklung von Lern- und Bildungsangeboten befasst sind, ein wertvolles Instrumentarium zum wirksamen Aufbau von Angeboten. Dabei entgeht das Buch der Falle der Methoden-Moden oder dem Propagieren einer einseitigen Digitalisierung oder Mediatisierung, und es strukturiert grundlegende Elemente pädagogischen Handelns in gut arrangierten Lernumgebungen in Varianten und adaptiven Arrangements. Dadurch hilft es, didaktische Entscheidungen begründet zu treffen.

Als einer der frühen E-Learning-Pioniere und ausgewiesener Medienpädagoge widersteht Kerres der Versuchung, einer einseitigen Digitalisierung/​Mediatisierung von Lernangeboten das Wort zu reden – die Bedeutung von Lernprozessen, -erfahrungen, Begegnung und Beziehung im Lernen bekommt ebenso die verdiente Würdigung wie eine kritische Einschätzung allzu naiv-egalitären, nur noch dialogisch-kommunikativen Lehrens und Lernens. Weiter erhalten nicht nur Wissen und Fertigkeiten, sondern auch Einstellungen als Lerninhalt die verdiente Aufmerksamkeit. Einstellungen werden in vielen Didaktikbüchern umgangen oder bleiben unbeachtet, weil sie normativ, ethisch sensibel und nur begrenzt kognitiv vermittelbar sind. Speziell für alle psychosozialen Lernangebote ist die Frage professioneller oder persönlicher Einstellungsbildung bei Fachkräften wie Non-Profis jedoch zentral, sozialarbeiterische Haltung, prosoziales Engagement, demokratisch-rechtsstaatliche Werte sollen ja nicht nur gewusst, sondern auch internalisiert und gelebt werden. Mehr als erste Orientierung zu geben hätte allerdings den Rahmen des Lehrbuchs gesprengt.

Das Buch eignet sich zur Analyse, Entwicklung und Konzeption für ein breites Spektrum an größeren Lern- und Bildungsangeboten, bei kleineren Angeboten wird allerdings der Konzeptionsaufwand auch trotz bereitgestellten Leitfadens erheblich sein.

In der Gestaltung fand ich ein sehr anregendes Lehrbuch vor: Graphiken, Tabellen und Icons sowie Lernfragen und Zusammenfassungen am Ende der Kapitel machen das Buch lebendig und aktivierend; die reflexiv-kritischen Bemerkungen regen zum Nachdenken und zur Positionsbildung an. Die ersten Bausteine der zum Lehrbuch gehörenden multimedialen Lernplattform machen einen attraktiven Eindruck. Eine Synchronisierung und engere Verknüpfung von Buch und Lernplattform wäre ein wünschenswertes zusätzliches Feature, damit das Lehrbuch in die digitale Zeit «hineinreicht» und mit ihr verwächst. Vermisst habe ich einzig vertiefende Ausführungen zur Sensibilisierung und Problematisierung zu Beginn von Lernprozessen – nach Wahl (2013, 2020) das Bearbeitbarmachen von Subjektiven Theorien, Vorkenntnissen oder Handlungsmustern sowie konkretere Ausführungen zum weiten Weg vom Wissen zum Handeln und handlungsorientierten Lernen (Mandl & Gerstenmaier 2000; Wahl et al. 2020).

Fazit

Persönlich gab mir das Buch – bei einigen didaktischen Vorkenntnissen – einen erweiterten und vertieften Rahmen, wertvolle wissenschaftliche Teilerkenntnisse zur Konzeption wirksamer Lehrangebote und viel Bestätigung für gute pädagogische Praxis. Ich empfehle es Studierenden der Erziehungswissenschaft und Bildungsverantwortlichen in größeren Bildungseinrichtungen, Schulen, der beruflichen Bildung oder an Hochschulen als Grundlagenwerk, ergänzt durch fachdidaktische Wissensbestände und Konzepte, die das jeweilige Arbeits- oder Handlungsfeld noch konkretisieren.

Für Bildungsmaßnahmen in der Praxis der Sozialen Arbeit ist die Erarbeitung der Inhalte des Buchs erst einmal aufwändig, diese lohnt sich bei umfassenderen Bildungsmaßnahmen im außerschulischen Bereich wie in der Prävention, Jugend-, Eltern- und Familienbildung. Trainings im Bereich Psychoedukation, Sozialverhalten, Kommunikation, Stress- oder Gewaltprävention sind konzeptuell enger gefasst oder gar standardisiert, bei ihnen lohnt sich aber ein kritischer Blick auf Teilaspekte des Buchs zur Prüfung der Lern- und Trainingsarchitektur.

Literatur

Ackeren, I., Kerres, M. et al. (2018): Flexibles Lernen mit digitalen Medien ermöglichen: Strategische Verankerung und Erprobungsfelder guter Praxis an der Universität Duisburg-Essen. Münster: Waxmann Verlag.

Bonz, B. (2009): Didaktik und Methodik der Berufsbildung. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.

Brendel, S., et al. (2019): Kompetenzorientiert lehren an der Hochschule. Opladen Toronto: Verlag Barbara Budrich.

Gagné, R. M., et al. (1974): Principles of instructional design. New York Chicago [etc.]: Holt Rinehart and Winston.

Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (2018): Motivation und Handeln. Berlin: Springer.

Kerres, M. (2012): Studium 2020 Positionen und Perspektiven zum lebenslangen Lernen an Hochschulen. Münster: Waxmann.

Kerres, M. (2018): Mediendidaktik Konzeption und Entwicklung digitaler Lernangebote. Berlin: De Gruyter Oldenbourg.

Kerres, M. (2020): Frustration in Videokonferenzen vermeiden: Limitationen einer Technik und Folgerungen für videobasiertes Lehren. In: Wilbers, K. (Hg.). Handbuch E-Learning. Köln: Wolters Kluwer (preprint)

Luhmann, N. & Schorr, K.-E. (1982): Das Technologiedefizit der Erziehung und die Pädagogik. In: Luhmann, N./Schorr, K.-E. (Hg.). Zwischen Technologie und Selbstreferenz. Fragen an die Pädagogik. Frankfurt: Suhrkamp. S. 11–40.

Mandl, H. & Gerstenmaier, J. (2000) (Hg.): Die Kluft zwischen Wissen und Handeln: Empirische und theoretische Lösungsansätze. Göttingen: Hogrefe.

Martin, E. (2005). Didaktik der sozialpädagogischen Arbeit: Probleme, Möglichkeiten und Qualität sozialpädagogischen Handelns. Weinheim: Juventa.

Ouden, H. & Rottlaender, E.-M. (2017): Hochschuldidaktik in der Praxis: Lehrveranstaltungen planen – ein Workbook.

Pfäffli, B. K. (2015): Lehren an Hochschulen eine Hochschuldidaktik für den Aufbau von Wissen und Kompetenzen. Bern: Haupt.

Ryan, R. M. & Deci, E. L. (2018): Self-determination theory basic psychological needs in motivation, development, and wellness. New York London: Zhe Guilford Press.

Schilling, J. (2008): Didaktik/​Methodik sozialer Arbeit Grundlagen und Konzepte. München: Reinhardt.

Stern, E. & Caspary, R. (2012): Lernen und Gehirn. Hamburg: Nikol.

Wahl, D. (2013): Lernumgebungen erfolgreich gestalten: vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Wahl, D., et al. (2020): Wirkungsvoll unterrichten in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung von der Organisation der Vorkenntnisse bis zur Anbahnung professionellen Handelns. Mit Beiträgen von Hilbert Meyer, Jörg Schlee und Andreas Schubiger. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Rezension von
Dr. rer. soc. Wolfgang Widulle
Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, Olten/Schweiz
Institut Beratung, Coaching und Sozialmanagement
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Es gibt 38 Rezensionen von Wolfgang Widulle.

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ISSN 2190-9245