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Olaolu Fajembola, Tebogo Nimindé-Dundadengar: "Gib mir mal die Hautfarbe"

Rezensiert von Prof. Dr. Matilde Heredia, 17.03.2022

Cover Olaolu Fajembola, Tebogo Nimindé-Dundadengar: "Gib mir mal die Hautfarbe" ISBN 978-3-407-86689-9

Olaolu Fajembola, Tebogo Nimindé-Dundadengar: "Gib mir mal die Hautfarbe". Mit Kindern über Rassismus sprechen. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2021. 246 Seiten. ISBN 978-3-407-86689-9. D: 17,00 EUR, A: 17,50 EUR.

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Thema

Fragen wie „Wie sollte mit Kindern über Rassismus gesprochen werden?“ oder „Wie können Kitas diskriminierungssensibel gestaltet werden?“ stellen aktuell viele Eltern und Erwachsene, die im Erziehungs- und Bildungskontext mit den Themen Rassismus und Diskriminierung in Berührung kommen. Die Autorinnen geben Antworten auf diese Fragen und liefern dabei zugleich ein Grundwerk zur Thematisierung von Rassismus im Kindesalter. In den insgesamt 11 Kapiteln werden zentrale Aspekte von Rassismus und Diskriminierung klar und qualitativ hochwertig behandelt, dabei werden Zugänge zu den Themen Rassismus und Diskriminierung geschaffen. Darüber hinaus erfolgt eine Einladung zur Reflexion und Sensibilisierung bezüglich Rassismus und Diskriminierung. Aspekte wie Selbst- und Fremdzuschreibungen oder Rassismus in Kindergarten oder Schule sowie ein „Ausflug“ ins Spielzimmer öffnen Augen und Herz, um sich Rassismus und diskriminierender Strukturen im Alltag bewusst zu werden und diesen entgegenzuwirken. Ein umfangreiches Glossar am Ende des Buches bietet die Möglichkeit, diese Thematik zu vertiefen.

Die Autor:innen

Olaolu Fajembola ist eine deutsch-nigerianische Kulturwissenschaftlerin sowie Kulturmanagerin und setzt sich in verschiedenen Kontexten für Diversität, Vielfalt und Migrationsforschung ein. Sie ist zudem Autorin des Buches „Afrokids – Ein Ratgeber für die ersten Lebensjahre Schwarzer Kinder“ (2016).

Tebogo Nimindé-Dundadengar ist in Botswana geboren und lebt seit ihrem vierten Lebensjahr in Deutschland. Sie ist Psychologin und arbeitet im Bereich politischer Bildung zu den Schwerpunkten Anti-Diskriminierung und Anti-Rassismus.

Aufbau und Inhalt

Die elf Kapitel dieses Buches behandeln Rassismus und diskriminierende Strukturen aus verschiedenen Perspektiven.

Zu Beginn wird in der Einleitung der Ausgangspunkt zu den Themen Rassismus und Diskriminierung im gesellschaftlichen Kontext verortet. Die Analyse beginnt mit der Ermordung von George Floyd im Mai 2020 und der daraus folgenden weltweiten Bewegung Black Lives Matter sowie dem zunehmenden öffentlichen Bewusstsein für Rassismus und Diskriminierung auch in Deutschland. In diesem Kontext wurde den Autorinnen häufig die folgende Frage gestellt: Was können weißeMenschen im eigenen Umfeld konkret tun, um individuellem und strukturellem Rassismus entgegenzutreten? In dieser gesellschaftlichen Situation stellt sich für die Eltern (von Kindern) of Colour die Frage, wie die eigenen Kinder (besser) vor Rassismus und diskriminierenden Strukturen geschützt werden können. Dieses Buch stellt eine Grundlage für die Sensibilisierung gegenüber Rassismus und diskriminierenden Strukturen im Alltag dar und enthält dazu passende konkrete Handlungsideen. Darüber hinaus bietet es die Möglichkeit, rassistische und/oder diskriminierende Alltagssituationen zu erkennen, und lädt zur Selbstreflexion bezüglich Rassismus und Diskriminierung ein.

Das erste Kapitel „Das antirassistische ABC“ (S. 21–31) bietet eine Grundlage hinsichtlich der zentralen Begriffe und Bezeichnungen bezüglich Rassismus. Afrodeutsch, Schwarz, PoC und BIPoC sind nur einige davon. Dabei erfolgt eine klare Positionierung gegenüber geläufigen rassistischen Begriffen, darunter Mischling, dunkelhäutig, Mulatt*in oder farbig. Im Unterpunkt „Unaussprechliche rassistische Begriffe, die wir hier nicht wiederholen wollen“, erfolgt eine klare und notwendige Distanzierung von rassistischen Begriffen, die in Liedern, Büchern und/oder Filmen zu finden sind.

Die Frage, wie Kinder Rassismus erlernen, sowie die Frage, ab wann mit Kindern über Rassismus gesprochen werden sollte, werden im zweiten Kapitel „Warum es nie zu früh für antirassistische Erziehung ist“ (S. 33–46) sehr adäquat behandelt.

Im dritten Kapitel „Beginn einer Reise“ (S. 49–63) werden gezielt Fragen von weißen und Eltern of Colour bezüglich der Thematisierung von Rassismus mit Kindern behandelt. In diesem Kapitel wird eine klare Botschaft an die Eltern gesendet: Über Rassismus sollte mit Kindern von Anfang an gesprochen werden. Eine Reflexion über die eigene Kindheit, praktische Übungen und eine sehr gelungene Analyse von Rassismus als tief verankerte Struktur in der Gesellschaft sowie als globale Ordnung und Macht der Differenz runden dieses Kapitel ab.

Im vierten Kapitel „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen … Best of rassistischer Äußerungen“ (S. 65–71) wird anhand der Analyse und Positionierung gegenüber konkreten rassistischen Äußerungen, die im Alltag vorkommen, sowie verschiedener rassistischer Strukturen und Mechanismen, wie „positiver Rassismus“ oder Reproduktion von kolonialen und postkolonialen Machtstrukturen, klar Position gegenüber Rassismus und Diskriminierung bezogen und Handlungsmöglichkeiten werden dabei ebenfalls skizziert.

Im fünften Kapitel „Blues in Schwarz-Weiß: die Schwarze deutsche Geschichte“ (S. 73–83) erfolgt eine sehr realistische Darstellung des Alltags von Schwarzen Menschen in Deutschland. Darauffolgend wird eine ebenfalls sehr zutreffende Analyse der „Geburt“ von Rassismus während der deutschen Kolonialzeit durchgeführt, anschließend wird die Situation von Schwarzen Menschen während der Zwanziger Jahre sowie der NS- und Nachkriegszeit in Deutschland erläutert. Zuletzt wird in diesem Kapitel die Bezeichnung afrodeutsch mit der Benennung verschiedener Organisationen verbunden, die sich für Schwarze Menschen in Deutschland einsetzen sowie sich sozial und politisch gegen Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art engagieren.

Im sechsten Kapitel „Ein Blick in den Spiegel: Selbst- und Fremdzuschreibungen“ (S. 85–106) wird zur Reflexion von Selbst- und Fremdzuschreibungen eingeladen, um Rassismus besser verstehen und erklären zu können. Die „Reise“ bezüglich der antirassistischen Erziehung beginnt bei jedem Menschen selbst, mit einem Blick in dem Spiegel. Dabei werden nützliche Reflexionsperspektiven, wie die innere, äußere und gesellschaftliche Dimension, sowie Übungen wie der Privilegien-Check angeboten.

Im siebten Kapitel „Wie beginne ich ein Gespräch mit Kindern über Rassismus: eine Anregung in 7 Schritten“ (S. 109–124) wird darauf eingegangen, wie ein Gespräch mit Kindern über Rassismus beginnen kann. In sieben Punkten wird hierbei zwischen verschiedenen Altersgruppen differenziert und dabei werden entsprechende Gelingenheitsaspekte in den Blick genommen.

Empfehlungen, um angemessen mit Rassismus und diskriminierenden Erfahrungen im Alltag umzugehen, werden im achten Kapitel „Alltagssituationen: Was mache ich, wenn …?“ (S. 127–138) behandelt. Durch den Blick auf das eigene Verhalten in rassistischen und diskriminierenden Situationen wird anhand des Fünf-Schritte-Schemas eine reflexive Ebene vorgeschlagen. Der Umgang von Eltern mit (unbewussten) rassistischen und/oder diskriminierenden Fragen von Kindern sowie die unabdingbare Perspektive, mit Kindern of Colour über Rassismus zu sprechen und diesen dabei nicht zu verleugnen, werden in diesem Kapitel sachlich erläutert und dies ermöglicht neue Umgangsformen mit rassistischen Alltagssituationen.

Die Frage nach (der Thematisierung von) Rassismus in Kindertageseinrichtungen wird im neunten Kapitel „Rassismus in Kita und Kindergarten“ (S. 141–155) behandelt. Welche Lieder, Bücher oder Spiele rassistische Aspekte beinhalten, kann anhand einer Checkliste überprüft werden. Ein bewusster Umgang mit möglichen rassistischen Aspekten von Karnevals- und Faschingsfesten wird anhand einer adäquaten Analyse von (dabei häufig) stereotypisierten Gruppen, wie Indianern oder Afrikanern, dargestellt. Im Mittelpunkt steht in diesem Kapitel die Analyse der Situation von Kindern, die in Kitas Opfer von Rassismus sein bzw. Ausgrenzung, Ausschließung oder Othering erleben können.

Daran schließt das zehnte Kapitel „Rassismus in der Schule“(S. 157–165) an, in dem rassistische Aspekte in Schulmaterial, die Diskriminierung von Schüler:innen of Colour im Schulkontext, diskriminierende Ansichten einiger Lehrer*innen sowie die Chancenungleichheit von Kindern mit Migrationshintergrund realistisch beleuchtet werden.

Im elften Kapitel „Ausflug ins Spielzimmer: Kinderbücher, Spielzeug & Co.“ (S. 167–225) wird die Spiel- und Medienwelt von Kindern bezüglich ihrer Vielfalt sehr kritisch und adäquat analysiert. Personen of Colour sind in Kinderbüchern, Spielen, Spielsachen oder Medien unterrepräsentiert und noch seltener übernehmen sie eine Hauptrolle, beispielsweise in Geschichten. Dadurch haben Kinder of Colour kaum Identifikationsmöglichkeiten, wenn sie entsprechende Bücher lesen oder solche Spiele spielen. Nützliche Hinweise, Fragen und Checklisten sowie eine ausgezeichnete Darstellung von Fakten und die Einladung zu einem bewussten und kritischen Umgang mit Spielzeug, Kinderbüchern und Medien ermöglichen, mehr (qualitativ hochwertige) Vielfalt in Kinderzimmern und im Alltag aller Kinder zuzulassen. Bücherempfehlungen nach Altersgruppen, Checklisten und die Einladung, Kinderbuchklassiker und Märchen aus einer antirassistischen Perspektive zu behandeln, stellen wertvolle und sehr konkrete Zugänge dar, um rassistische und diskriminierende Kinderbücher und Spiele abzuschaffen sowie zugleich einen bewussten Umgang mit Klassikern der Kinderliteratur zu ermöglichen.

Beim Schlusswort betonen die Autorinnen das zentrale Ziel des Buches: wie antirassistische Erziehung aussehen kann. Abschließend bieten sie ein sehr umfassendes und nützliches Glossar, in dem zentrale Begriffe aus dem Kontext von Rassismus und dem Rassismus-Diskurs theoriebezogen erläutert werden.

Diskussion

Die Autorinnen Olaolu Fajembola und Tebogo Nimindé-Dundadengar bieten mit ihrem Buch ein Grundlagenwerk, um Kindern Rassismus und diskriminierende Strukturen, welche die Gesellschaft in verschiedener Form und Intensität durchdringen, näher zu bringen. Gleichzeitig ist dies eine ausgezeichnete Grundlage, um rassistische und diskriminierende Strukturen in Deutschland zu erkennen sowie im Alltag dagegen zu handeln und dadurch eine antirassistische Erziehung voranzutreiben bzw. damit zu beginnen.

Dieses Buch erfasst viele komplexe Bereiche, wie Aufklärung in Bezug auf historische und kolonialistische Aspekte sowie die Situation von Schwarzen in Deutschland. Zugleich ist es ein Ratgeber für Eltern und umfasst eine breite und tiefe Analyse und Diskussion bezüglich rassistischer Strukturen im Bildungskontext sowie in der Spiel- und Medienwelt der Gegenwart, die an Kinder und Jugendliche gerichtet ist. Trotz des breit angelegten Themenspektrums ist es den Autorinnen gelungen, einen wertvollen Beitrag zur Erkennung von und zur Handlung gegen Rassismus im pädagogischen Alltag sowie im Alltag von Familien of Colour zu leisten. Die klare Benennung von Fakten und der direkte Bezug zu möglichen Handlungen bietet darüber hinaus eine Quelle von praktischen Handlungsmöglichkeiten für pädagogische Fachkräfte und Lehrer:innen gegen Rassismus im pädagogischen Alltag.

In diesem Werk werden die Kernaspekte von Rassismus und Diskriminierung wissenschaftlich fundiert sowie verständlich dargestellt und diskutiert. Dadurch ist zu erkennen, wie stark Rassismus in Alltagssituationen, Ritualen und Erfahrungen von Kindern präsent ist. An verschiedenen Stellen laden die Autorinnen dazu ein, gesellschaftliche Strukturen bewusster und gezielter kritisch zu hinterfragen, um Rassismus und Diskriminierung nicht zu verharmlosen, sondern vielmehr von vornherein zu erkennen und dagegen zu handeln. Deutlich wird in diesem Werk, dass der Weg gegen Rassismus und Diskriminierung nicht nur von People of Colour beschritten werden sollte, sondern vielmehr von allen Menschen, um gemeinsam eine gleichberechtigte Gesellschaft zu gestalten.

Fazit

Insgesamt liefert dieses Buch zuallererst eine ausgezeichnete Grundlage, damit weiße und Eltern of Colour mit ihren Kindern über Rassismus und Diskriminierung sprechen können. Zudem beinhaltet es klare Fakten über den Ursprung von Rassismus während der Kolonialzeit und die historische Rolle von Deutschland in Afrika sowie die Situation von Schwarzen Menschen in Deutschland im Laufe der Geschichte. Darüber hinaus lädt es zur Reflexion über Selbst- und Fremdzuschreibungen ein und bietet sehr nützliche Hinweise für die Sensibilisierung für Rassismus und Diskriminierung im Alltag sowie in Bildungseinrichtungen. Dies ist ein Werk von Eltern of Colour für andere Eltern sowie alle anderen Menschen, die sich im Alltag gegen Rassismus und Diskriminierung positionieren möchten.

Rezension von
Prof. Dr. Matilde Heredia
Professur für Kindheitspädagogik
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Es gibt 10 Rezensionen von Matilde Heredia.

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Zitiervorschlag
Matilde Heredia. Rezension vom 17.03.2022 zu: Olaolu Fajembola, Tebogo Nimindé-Dundadengar: "Gib mir mal die Hautfarbe". Mit Kindern über Rassismus sprechen. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2021. ISBN 978-3-407-86689-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28958.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.


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