Josephine Apraku: Wie erkläre ich Kindern Rassismus?
Rezensiert von Prof. Dr. Matilde Heredia, 16.03.2022
Josephine Apraku: Wie erkläre ich Kindern Rassismus? Rassismussensible Begleitung und Empowerment von klein auf.
Familiar Faces Verlag Y. Barth u. M.v.d. Berge GbR
(Berlin) 2021.
3. Neu Auflage.
78 Seiten.
ISBN 978-3-9823681-0-8.
D: 15,00 EUR,
A: 15,50 EUR.
Reihe: Neue Literatur für gemeinsames Lernen - 1.
Thema
Wie können Eltern ihren Kindern Rassismus erklären? Aus dieser Frage resultieren weitere sehr aktuelle Fragen, die im pädagogischen Kontext aus der Elternperspektive sowie der Perspektive anderer Erwachsener gestellt werden: Welche sind die wichtigsten Aspekte rund um Rassismus, die Eltern mit ihren Kindern thematisieren sollten, und wie können Kindern und Jugendlichen Basiswissen und eine Haltung zum Umgang mit diesem Thema im Alltag vermittelt bzw. verankert werden?
Das vorliegende Buch bietet eine hervorragende Grundlage, um rassistische und diskriminierende Strukturen im Alltag von Kindern und ihren Familien zu erkennen und zu thematisieren. Oft herrscht bei Erwachsenen Unsicherheit dahingehend, wie der Themenkomplex Rassismus und Diskriminierung thematisiert werden sollte. Eine dabei implizite Gefahr von rassistischen Strukturen ist, diese zu übersehen und nicht ernst (genug) zu nehmen. Dieses sehr gelungene Buch bietet eine Grundlage von Eltern für Eltern, um sich in der Familie mit Rassismus und Diskriminierung zu befassen. Die verschiedenen Altersgruppen werden dabei gezielt angesprochen und anhand der sehr gelungenen ansprechenden Illustrationen von Le Hong werden zentrale Aussagen emotional betont. Es ist ein schmales Werk mit großer Wirkung im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung im Kontext der Familien und darüber hinaus.
Die Autor:innen
Familiar Facesist ein Start-up-Verlag, gegründet und geführt von Yvonn Barth und Marie von dem Berge, die sich als Unternehmerinnen aktiv für Vielfalt einsetzen.
Aufbau und Inhalt
Anhand von fünf Kapiteln werden in diesem Buch sowohl theoretische Aspekte von Rassismus als auch konkrete Empfehlungen gezielt für drei Altersgruppen dargestellt, um eine Haltung gegen Rassismus zu entwickeln und diesbezüglich im Alltag handlungsfähig zu sein.
Im ersten Kapitel „Verstehe Rassismus als System“(S. 12–17) werden im Kontext von Rassismus zentrale Begriffe erläutert und dabei wird die direkte Einladung ausgesprochen, eine Position gegenüber Rassismus einzunehmen und mit den eigenen Kindern über Rassismus zu sprechen.
Im zweiten Kapitel „Gib deinen Kinder von Klein auf eine Basis“ (S. 20–29) werden die Unterschiede zwischen Menschen in den Fokus genommen. Dabei werden konkrete Möglichkeiten aufgezeigt, damit Kinder Werkzeuge entwickeln, um Rassismus zu erkennen und eine ablehnende Haltung gegenüber Rassismus und Diskriminierung entwickeln zu können. Dies erfolgt unter anderem anhand vielfältigen pädagogischen Materials, um über die eigene Familienbiografie zu sprechen, der Suche nach einem vielfältigen Umfeld sowie mit Kindern bewusst einen Austausch bezüglich Rassismus zu führen, um Missverständnisse zu vermeiden sowie eine ablehnende Haltung gegenüber Rassismus deutlich zu zeigen.
Im dritten Kapitel „Wie du Rassismus mit Kindern im Grundschulalter besprichst“ (S. 32–35) wird anhand von Gerechtigkeit sowie den historischen Wurzeln von Rassismus eine solide Grundlage geschaffen, um Kindern im Grundschulalter Rassismus und diskriminierende Begriffe zu verdeutlichen.
Im vierten Kapitel „Wie du mit Teenagern und Pre-Teens über Rassismus sprichst“ (S. 38–41) werden verschiedene altersangemessene Zugänge skizziert, um Rassismus und unterdrückende Strukturen zu erkennen. Zentrale Aspekte in diesem Kapitel sind das Erkennen von Mikroaggressionen und die Empfehlung, sich mit Freunden und Bekannten zu verbinden/zu vernetzen, um gemeinsam gegen Rassismus und Diskriminierung vorzugehen.
Anschließend werden im fünften Kapitel „Hilf deinen Kindern auf rassistische Handlungen zu reagieren“ (S. 44–46) konkrete rassistische Erfahrungen genannt, insbesondere rassistische Aspekte, die gegen Kinder gerichtet sind. In einem nächsten Schritt wird der Aufbau von Widerständigkeit anhand von freundschaftlichen Bindungen genannt.
Zuletzt werden im Glossar zentrale Begriffe, die in Verbindung mit Rassismus stehen, kurz und prägnant definiert sowie zusammengefasst.
Diskussion
Familiar Faces zeigt auf, wie sich Menschen klar und deutlich gegen Rassismus und diskriminierende Strukturen in verschiedenen Kontexten, wie dem sozialen, pädagogischen und privaten Bereich, positionieren und dabei handlungsfähig sein können. Es handelt sich um ein schmales Werk mit großer Wirkung, indem verschiedene Altersgruppen direkt angesprochen werden, wobei die Rolle der Erwachsenen bezüglich dieser Thematik konkret benannt wird. Die Autorinnen behandeln wissenschaftlich fundierte Grundlagen theoretisch sowie praktisch und bieten der Leserschaft anhand hervorragender Illustrationen und interaktiver Aspekte die Möglichkeit, das Thema in verschiedenen Kontexten und je nach den Interessen der Kinder und Jugendlichen zu vertiefen.
Besonders innovativ ist bei diesem Buch die Kindheitsperspektive – sowohl als möglicherweise von Rassismus und diskriminierenden Strukturen betroffene Personen als auch aus der Perspektive des sozialen Engagements und der kollektiven Haltung gegen Rassismus. Die Einladung, Rassismus und diskriminierenden Strukturen ab dem Beginn von Erziehung und Bildung im Blick zu haben, ist sehr gelungen. Dabei wird das Thema Rassismus greifbar und praxisbezogen behandelt. Neben möglichen Aktivitäten gegen Rassismus und Diskriminierung wird konkret die Haltung von Betroffenen, d.h. von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen, begleitet, diese werden dabei jeweils als soziale Gruppe genannt und in den Vordergrund gestellt. Dies ist ein Aspekt, der in Theorien diesbezüglich meistens abstrakt bleibt, während diese hier konkret genannt werden. Etwas vage bleibt hingegen, wie die Empfehlung aus Kapitel 2.4., sich ein vielfältiges Umfeld auszusuchen, was eine offene Haltung gegenüber anderen sozialen Gruppen und Kulturen skizziert, in Regionen ohne vielfältige Kulturen erfolgen kann bzw. sollte.
Fazit
Insgesamt bietet dieses schmale Werk deutlich mehr als eine Anleitung für Eltern und andere Erwachsene, um Rassismus bei den eigenen (Kita-)Kindern bzw. Schüler:innen zu thematisieren. Es stellt eine klare und praktische Grundlage dar, um einen Zugang zu dem Thema zu finden, wodurch Rassismus und Diskriminierung im Alltag erkannt und genannt werden können und dagegen eine Haltung entwickelt werden kann. Durch eine klare Sprache und sehr gelungene Illustrationen sowie interaktive Elemente werden vielfältige Familien, aber auch alle Mitarbeiter:innen in Bildungseinrichtungen angesprochen. Dabei wird deutlich, dass die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung alle Menschen betrifft und dass diese dagegen daher nur gemeinsam erfolgreich sein können. Dieses Werk bietet eine ausgezeichnete Grundlage, um im Alltag (mehr) gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Rezension von
Prof. Dr. Matilde Heredia
Professur für Kindheitspädagogik
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Es gibt 10 Rezensionen von Matilde Heredia.
Zitiervorschlag
Matilde Heredia. Rezension vom 16.03.2022 zu:
Josephine Apraku: Wie erkläre ich Kindern Rassismus? Rassismussensible Begleitung und Empowerment von klein auf. Familiar Faces Verlag Y. Barth u. M.v.d. Berge GbR
(Berlin) 2021. 3. Neu Auflage.
ISBN 978-3-9823681-0-8.
Reihe: Neue Literatur für gemeinsames Lernen - 1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28959.php, Datum des Zugriffs 08.12.2024.
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