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Hannah von Grönheim, Jelena Seeberg: Diversity als Reflexionsmethode in der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. René Börrnert, 21.12.2022

Cover Hannah von Grönheim, Jelena Seeberg: Diversity als Reflexionsmethode in der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-7799-6307-3

Hannah von Grönheim, Jelena Seeberg: Diversity als Reflexionsmethode in der Sozialen Arbeit. Mit Online-Material. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2022. 203 Seiten. ISBN 978-3-7799-6307-3. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR.

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Thema

Partizipative Anerkennung von Vielfalt ist der Grundgedanke einer diversitätsbewussten Beziehungsarbeit. In der Sozialen Arbeit, die immer in Differenzverhältnissen agiert, verlangt das eine klare professionelle Haltung und methodische Grundkompetenzen. Fachkräfte bedienen hierbei das sogenannte doppelte Mandat, d.h. sie stehen nicht nur den Adressat:innen gegenüber in der Legitimation und der Konzeption, sondern auch gegenüber dem gesellschaftlichen Auftrag Ihrer Profession. Eine Reihe von Konzepten bietet inzwischen methodische Ansätze (z.B. Czollek, L. u.a.: Praxishandbuch Social Justice und Diversity. Theorien, Training, Methoden, Übungen. Weinheim und Basel 2019: Beltz Juventa). Dennoch bleiben in der Ausbildung von Sozialen immer wieder Fragen offen: Wie gestaltet sich diversitätsbewusste Beziehungsarbeit, ohne den Gefahren der Zuschreibung von Merkmalen wie Behinderung oder der (unbewussten) Reduktion auf diese Merkmale zu erliegen? Wie können Soziale Dienstleistende Diskriminierungsfreiheit fördern? Das vorliegende Buch versucht, hierauf Antworten zu finden. Die Autor:innen bieten eine Methode an, die Reflexion als grundlegende Herangehensweise in den Blick stellt.

Autorinnen und Entstehungshintergrund

Dr. phil. Hannah von Grönheim, Dipl. Soz.Arb./Päd. (FH), MA Intercultural Conflict Management, ist Lehrkraft für besondere Aufgaben an der HAWK Hildesheim mit den Themenfeldern Diversity und Menschenrechte. Zudem ist sie Sozialarbeiterin und Psychoonkologin in der ambulanten Krebsberatung.

Jelena Seeberg hat Soziale Arbeit (M.A.) im internationalen und interkulturellen Kontext an der HAWK Hildesheim studiert. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin war sie an dieser Hochschule im Forschungsprojekt „JuFlu – Übergänge junger begleiteter und unbegleiteter geflüchteter Menschen“ tätig.

Aufbau und Inhalt

Die Autor:innen möchten in ihrem Buch Wege aufzeigen, die Zugänge für ein kritisch-reflexives Diversitätsbewusstsein eröffnen. Sie haben dafür eine Methode entwickelt, die sie in allen berufspraktischen Tätigkeitsfeldern der Sozialen Arbeit als anwendbar sehen. In diesem Sinne ist das Buch als Lehrwerk zu verstehen, das nach einem theoretischen Überblicksteil (Kap. 2,3) methodische Darstellungen gibt (Kap. 4,5), um danach Praxisbeispiele zu erläutern (Kap. 6) und Handlungsempfehlungen zu formulieren (Kap. 7):

  • Was meint Diversity? Das Buch gibt einen Einblick in die Grundbausteine der Diversitytheorie. Anschließend skizzieren die Autor:innen eine Übersicht von Diskriminierungsformen (u.a. Rassismus, Klassismus, Sexismus) und deren Wirkebenen (Gesellschaft, Institution, Individuum). Dabei geht es ihnen um die Anerkennung der Existenz dieser Formen und der Wirkung über soziale Normen.
  • Diversity in der Sozialen Arbeit: Der Blick in die Geschichte der Sozialen Arbeit zeigt, dass sich die verschiedenen Praxisfelder gerade aus dem Diversity-Zusammenhang ergeben haben. Daraus entwickelten sich auch Kontexte und Methoden, die dann maßgeblich für die Ausbildung und Arbeit wurden. Im Buch werden diese erörtert: Normalisierungsauftrag, Diversity, Gerechtigkeit und Empowerment.
  • Diversity-Reflexion in der Sozialen Arbeit: Die Reflexion des eigenen beruflichen Handels ist ohnehin Kernkompetenz für sozialpädagogische Fachkräfte. Sie bewegen sich ständig im ambivalenten Feld zwischen der Erbringung von Unterstützungsleistungen und der Instrumentalisierung zur Sicherung von Herrschaft. Um diesen Spagat auszuhalten, benötigt es ein Bündel an Wissens- und Könnens-Vorräten. Grönheim und Seeberg sehen nun die von ihnen beschriebene Diversity-Reflexion als eine wesentliche Methode, weil sie „professionelles Handeln in Anlehnung an soziale Differenzkategorien auf individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene analysiert und hinterfragt“ (117).
  • Analyseleitfaden: Für das reflektive Arbeiten bieten die Autor:innen einen Leitfaden, der sowohl linear als auch zirkulär abgearbeitet werden kann. Die bereits vorn beschriebenen drei Ebenen sind für den Analyseprozess hierbei maßgebend: Mikro-Ebene (Arbeit mit den Adressat:innen), Meso-Ebene (Institutionelle Struktur) und Makro-Ebene (Soziale Arbeit als Triple-Mandat). Dazu kommt die kulturelle Diskurs-Ebene als übergeordnete Ebene.
  • Praxisbeispiele: Aus eigener Forschung und Projektarbeit mit Studierenden entwickelten Grönheim und Seeberg Praxisbezüge, die sich auf die Arbeitsfelder Gemeinschaftsunterkunft, Behindertenhilfe, Kindertagesstätte und Jugendhilfe beziehen. Exemplarisch erläutern sie an diesen Beispielen den Analyse-/​Reflexions-Prozess.
  • Handlungsempfehlungen: Im gesamten Buch werden an verschiedenen Stellen Empfehlungen für das praxisbezogene Handeln formuliert. Im gleichnamigen Kapitel findet der Lesende nun einen Gesamtüberblick über konkrete Möglichkeiten für eine diversitätsreflexive Praxis der Sozialen Arbeit, die jeweils die drei oben genannten Bezugsebenen in den Blick nehmen.

Zehn Abbildungen ergänzen den Text. Dazu stellen die Autor:innen den Analyseleitfaden (S. 130) online als Bonusmaterial zur Verfügung.

Diskussion

Wie Gender, Migration oder Inklusion stellt Diversität an sich ein Querschnittsthema der Sozialen Arbeit dar. Pädagogische Fachkräfte stehen im Auftrag, Vielfalt zu sichern. Das ist ein großer Auftrag, der immer wieder innerhalb der Teams, der Einrichtungen, der Profession und schließlich gesellschaftlich diskutiert wird. Hierfür methodische Ansätze zu entwickeln ist eine aktuelle Aufgabe, der sich Grönheim und Seeberg gewidmet haben. Das Konzept folgt damit einem aktuellen Trend, aus den Querschnittsthemen Herangehensweisen herauszuarbeiten und Methoden zu entwickeln oder aufzupolieren, die dann für die Ausbildung der jüngsten Generation von Sozialen eine Basis an Kompetenzen bieten.

Die Autor:innen bauen ihr Buch nachvollziehbar auf. Neben den theoretischen Grundlagen wird der methodische Ansatz skizziert und dann an Fallbeispielen durchgespielt. Sie stellen dabei die Reflexion in den Blickpunkt, die ohne Frage die entscheidende professionelle Kompetenz darstellt. So kann das Buch an sich für Diversitätsbewusstsein sensibilisieren und den Blickwinkel erweitern.

Neben diesen positiven Aspekten zeigen sich folgende Schwächen: Die Ausführungen an sich sind sehr theoretisch formuliert und erkennbar ohne eigene Praxiserfahrung hergeleitet. Die eingebrachten Praxisbeispiele verbessern das nicht. Sie bieten aufgrund der darin bereits enthaltenen subjektiven Beschreibung schon Bewertungen vorab. Eine angemessene Reflexion vom Lesenden, die ja das eigentliche Anliegen des Ansatzes sein soll, misslingt dadurch. Die Autor:innen sprechen dieses Problem an (vgl. 131), führen dann aber ihre Analysevorschläge weiter aus, die kompliziert und wiederum theoretisch überfrachtet wirken. Diese Passagen im Buch sind im Sinne eines Theorie-Praxis-Transfers nicht überzeugend.

Fazit

Das Lehrbuch ist empfehlenswert für die theoretische Ausbildung in sozialpädagogischen Kontexten, weniger jedoch für die Fortbildung von praxiserfahrenen Fachkräften. Diversitybewusste Analysearbeit zeigt sich als eine wichtige Facette professionellen Reflexionsvermögens, was alle Arbeitsgebiete der Sozialen Arbeit betrifft. Die Autor:innen bieten gutes Basiswissen und einen Ansatz, der helfen kann, das methodische Kompetenzprofil zu erweitern.

Rezension von
Prof. Dr. René Börrnert
Fachhochschule des Mittelstands (Rostock)
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Es gibt 43 Rezensionen von René Börrnert.

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Zitiervorschlag
René Börrnert. Rezension vom 21.12.2022 zu: Hannah von Grönheim, Jelena Seeberg: Diversity als Reflexionsmethode in der Sozialen Arbeit. Mit Online-Material. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2022. ISBN 978-3-7799-6307-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29072.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.


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