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Ralf Kluschatzka-Valera: Hypnosystemisches Case Management in der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Beushausen, 10.07.2023

Cover Ralf Kluschatzka-Valera: Hypnosystemisches Case Management in der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-8497-0418-6

Ralf Kluschatzka-Valera: Hypnosystemisches Case Management in der Sozialen Arbeit. Unterstützungssituationen gestalten. Carl-Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2023. 219 Seiten. ISBN 978-3-8497-0418-6. 34,00 EUR.
Reihe: Soziale Arbeit.

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Thema

Für Ralf Kluschatzka-Valera stehen Fachkräfte der Sozialen Arbeit immer wieder vor der Herausforderung, zielführende, nachhaltige und erfolgreiche Unterstützungssituationen für Klient*innen zu gestalten. Der Autor möchte hierzu systemisches Case Management und hypnosystemische Beratung zusammenführen. In seinem Buch stellt er die zugrunde liegenden Theorien in einen praxisorientierten Rahmen und bietet einen Leitfaden, der die Beratenden und ihre Klient*innen durch komplexe Situationen führt. Vorgestellt werden soll ein direkt anwendbares Werkzeug, das die inneren Stärken und Kompetenzen der Klient*innen mit den äußeren sozialen und materiellen Ressourcen verbindet. Grafiken und Tabellen illustrieren das Buch.

Autor

Ralf Kluschatzka-Valera ist Sozialarbeiter, zertifizierter Trainer für Case Management (ÖGCC), Supervisor (ÖVS & WKO), Lebens- und Sozialberater, nebenberuflicher Lektor für Soziale Arbeit und Unternehmensberater.

Entstehungshintergrund

Das Buch entstand nach Angaben des Autors auf dem Hintergrund seiner siebenjährigen Beratungs – und Lehrpraxis im Kontext des Case Managements, lösungsorientierter systemischer Sozialer Arbeit, einer biopsychosoziokultureller Fallanalyse und seiner supervisorischen Praxiserfahrung.

Aufbau

Nach dem Vorwort gliedert sich das Buch in sieben Kapitel und zum Schluss einem Glossar, dem Verzeichnis der Tabellen, Abbildungen und dem Literaturverzeichnis.

Im ersten Kapitel mit der Überschrift „Unterstützungssituationen gestalten“ wird die Methode definiert und erläutert. Im zweiten Kapitel stellt er den sogenannten triadischen Raum vor, mit dem die Rolle von Fach- und Führungskräften der Sozialen Arbeit, deren Auftrag und die Rolle der Klienten im Hilfeprozess geklärt wird. Im Kapitel drei wird das Modell der Beraterposition vertieft, im Kapitel vier wird vermittelt, wie Gesprächsführung hypnosystemisch als Beratung zweiter Ordnung erfolgt. Im Mittelpunkt des fünften Kapitels steht die Utilisation und im sechsten der Umgang mit dem „Widerstand“. Im abschließenden siebten Kapitel präsentiert Ralf Kluschatzka-Valera einen methodischen Werkzeugkoffer.

Inhalt

Zu Beginn des ersten Kapitels erläutert der Autor, dass er systemisches Case Management als eine Methode versteht, die das Innen (gemeint als das intrazyklische Potenzial die Kompetenzen) mit dem systemischen, dem Außenbereich (z.B. den soziomateriellen Ressourcen) verbindet. Ralf Kluschatzka-Valera gliedert sein Modell in drei wesentliche Aspekte, dem kommunikativen, (die helfende Kommunikation, die auf das Etablieren der Unterstützungssituation zielt), der koordinativen Gestaltung (hier stehen die soziomateriellen Ressourcen anderer im Mittelpunkt) und die kooperative Gestaltung, in der unterschiedliche Expert*innen für Unterstützungssituationen einbezogen werden. Dabei charakterisieren und strukturieren für den Autor unterschiedliche Merkmale den Aufbau und Ablauf der Gesprächsführung. Im Folgenden definiert er sechs Phasen des hypersystemischen Gesprächs (eröffen, erklären, erörtern, erwägen, erfinden, erforschen). Im Unterkapitel 1.3 stellt er dann sein biopsychosoziales Prozessmodell des Casemanagements praxisnah vor.

Das zweite Kapitel ist betitelt mit „Triadischer Raum“, mit dem verschiedene Grundmuster der Triangulation vorgestellt werden. Im Anschluss beschäftigt er sich dezidiert mit der Auftragsklärung.

Und z.B. der Rolle des Klienten. Er bezieht sich in diesem Kontext auf Peter Lüssi und dessen Konzept der systemischen Sozialberatung, in dem die Bereiche physisc,h psychosoziales und kulturelles unterschieden werden. Das Besondere an einem hypnosystemischen Ansatz wird hier noch nicht vorgestellt. Stattdessen werden eine Reihe verschiedener klassischer sozialarbeiterischer und systemischer Methoden, wie zum Beispiel die Genogrammarbeit, die Netzwerkanalyse und die Zielanalyse erläutert.

Im dritten Kapitel stellt Ralf Kluschatzka-Valera die sogenannte gesicherte Beraterposition in drei Schritten vor. Er definiert den Begriff und den Zweck dessen und erläutert Überlegungen zum Thema Haltungen, Methodik und Prozessbegleitung. Zudem wird die Präsenz als Haltung und Methode beschrieben, indem er sich auf Gunter Schmidt bezieht, der die gesicherte Beraterposition begründete und damit, so der Autor, die Lösungs- und Kompetenz Fokussierung von Milton Eriksson mit den Ergebnissen der Flowforschung verbindet (S. 111). Ziel der gesicherten Beraterposition ist das die Expert*innen sich als geschützt, sicher und handlungsfähig erleben, in dem die z.B. eine stabile und gesicherte innere Haltung annehmen eine Präsenz entwickeln, sich nicht in Übertragungsprozesse verstricken und eine Verbindung der sachlich-objektiven Metaebene und der mitfühlenden Metaebene gestalten können.

Eine weitere Grundlage dieses Ansatzes ist die Bedeutung der Achtsamkeit, hier im Kontext eines hyposystemischen Integrationskonzeptes nach Gunter Schmidt die Entwicklung eines „langsamen Lösungs-Ichs“ (S. 118). Im Unterkapitel 3.4 präsentiert der Autor in einem Exkurs hilfreiche Glaubenssätze bekannter Autoren.

Im vierten Kapitel beschäftigt Ralf Kluschatzka-Valera sich mit der Beratung zweiter Ordnung, in dem er zunächst Grundprinzipien des Konstruktivismus erläutert. Dieser Ansatz umfasst verschiedene Dimensionen: die Idee der Ordnung als eine Wahrnehmungs-, Haltungs- und Interventionsebene, die Idee der Introspektion (Innenschau, die Fokussierung von Aufmerksamkeit und der Bewertung nach der Probleme und Lösungen betrachtet werden) und die Idee einer Metakompetenz einer quasi-supervisorischen Haltung. Dargestellt wird im Weiteren, dass die hypnosystemische Beratung weltliche Einflüsse auf die Menschen als systemische Einladungsfelder interpretiert, die sich auf Entscheidungen und Verhalten auswirken. Das soziale wird vom Menschen im Inneren repräsentiert. Aufgabe der systemischen Beratung sei es, Prozesse, die zu Dingen wurden, wieder in Prozesse zu verwandeln. Dies geschieht auch, in dem ein Ist-Soll-Vergleich thematisiert wird. Im Unterkapitel 4.3 werden nützliche methodische Bausteine erläutert und Formulierungshilfen vorgestellt.

Im fünften Kapitel beschäftigt Ralf Kluschatzka-Valera sich mit der Utilisation als Haltung und Zugang. Dabei geht er davon aus, dass Ressourcen und Stärken im Menschen angelegt sind und dass Probleme auch auf Lösungsversuche und Spielräume hinweisen. Die Probleme von heute sind somit die Lösungen für morgen (S. 162). Im Anschluss werden Kennzeichen und Umsetzungsmöglichkeiten der Utilisation aufgeführt.

Der Umgang mit sogenannten Widerständen wird im sechsten Kapitel thematisiert. Hier legt der Autor den Schwerpunkt in seiner Konzeption auf den „Dilemma-Talk“ (S. 173ff) und dem Restriktionsmodell von Gunther Schmidt, bei dem insbesondere Bedürfnisse als Sehnsuchtsziele erkannt und gewürdigt werden.

Im letzten Kapitel werden hilfreiche Werkzeuge und Instrumente zum Gestalten von Unterstützungssituationen benannt. 

Das Buch schließt mit einem Glossar, dem Abbildungs- und Tabellenverzeichnis, einem umfangreichen Literaturverzeichnis und kurzen Informationen über den Autor.

Diskussion

Ralf Kluschatzka-Valera ergänzt das klassische Case Management integrativ und praxisnah mit hypnosystemischen Methoden. Er nimmt eine Vielzahl von Ansätzen und Modellen auf. Aufgenommen werden gängige Konzepte der systemischen sozialen Arbeit, hier zum Beispiel die Ebenen der Fallarbeit (falls von, Fall für und Fall mit) oder das Klientenmodell nach Steve de Shazer (Besucher, klagende und „echte“ Klienten).

Der Autor begründet seinen hypnosystemischen Ansatz mit einen ganzheitlichen biopsychosozialen Kontext, den er mit Bezug auf Peter Lüssi durch kulturelle Aspekte ergänzt. Allerdings unterteilt er hierzu im Widerspruch die Berufsgruppen Arzt, Psychotherapeut, Sozialarbeiter und Lehrer für besondere Arten von Dienstleistungen. Interessanterweise nimmt er dann jedoch das soziallogische Prinzip von Bandler und Grinder (2007) auf, welches ermöglicht kurative und generative Ansätze zu unterscheiden. Er führt aus (S. 81): „Der Sozialarbeiter handelt nach Lüssi (2014) insofern soziallogisch, als er fachspezifisch nicht nur das Symptom lindert, sondern eine systemimmanente Ursache zu verändern versucht. Er versucht die Logik (bzw. den sozialen Mechanismus) hinter dem Problem zu verstehen und diesen Sachverhalt individuell um konkret zu verändern. Insofern wirken Interventionen nicht nur klientenzentriert auf das Innen, sondern auch systemzentriert auf das Außen.“ Auch m.E. ermöglicht dieses Konzept ein umfassendes ganzheitlicher Verständnis unterstützender Prozesse.

Allerdings hätte thematisiert werden können, dass sich die benannten Modelle teilweise widersprechen, wenn er beispielsweise von der bedingungslosen Akzeptanz des Klienten im Utilisationskonzept spricht. Für viele Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit (z.B. in der Täterarbeit, der Bewährungshilfe, der Suchthilfe), ist solch ein Konzept nicht ausreichend.

Zudem werden meines Erachtens manchmal Begriffe, z.B. der einer Unterstützungssituation nicht prägnant genutzt. Der Autor verwendet diesen Begriff zur Darstellung seiner Methoden, in der Sozialen Arbeit wird dieser jedoch häufig anders genutzt. Zur Verwirrung trägt auch bei, dass er (S. 12) die Begriffe Unterstützungssituation und hypnosystemisches Case Management für beliebig austauschbar erklärt. Weiterhin benennt der Autor (im zweiten Kapitel) triadische Grundmuster. Hiermit bezeichnet er z.B. die Soziale Arbeit als Dienstleistung einer indirekten Kundenbeziehung. Üblicherweise wird dies mit dem Begriff des doppelten Mandats bezeichnet. Zudem spricht er vom „Triadischen Raum“ um die Beziehung zwischen dem Experten, dem Auftrag und dem Klienten zu beschreiben. Auch hierfür gibt es bereits dem Begriff der Auftragsklärung. Auch der Begriff des vergifteten Auftrags halte ich nicht für angemessen, da mir dieser zu negativ formuliert ist, da es in der Regel um verschiedenste interessengeleitete Aufträge geht.

Zuletzt soll in diesem insgesamt überzeugenden Buch noch kritisch angemerkt werden, dass der Einbezug von anderen Personen, insbesondere von Angehörigen in die Unterstützung nicht thematisiert wird. Dies widerspricht m E. einem systemischen Ansatz.

Fazit

Vorgestellt wird ein integratives, umfangreiches, schlüssiges und nützliches Konzept einer sozialarbeiterischen umfassenden Fallbearbeitung mit einem hypnosystemischen Schwerpunkt Eine Stärke in dem vorgestellten Buch liegt in der Verbindung zwischen Theorie und Praxis. Das fundierte und praxisnahe Werk kann Personen, die an dieser Thematik interessiert sind, sehr empfohlen werden.

Rezension von
Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Beushausen
studierte Soziale Arbeit und Erziehungswissenschaft und absolvierte Ausbildungen als Familientherapeut und Traumatherapeut und arbeitet ab 2021 als Studiendekan im Masterstudiengang „Psychosoziale Beratung in Sozialer Arbeit“ an der DIPLOMA Hochschule
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Es gibt 73 Rezensionen von Jürgen Beushausen.

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ISSN 2190-9245