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Sven Thiersch (Hrsg.): Qualitative Längsschnittforschung

Rezensiert von Sven Rech, 18.03.2022

Cover Sven Thiersch (Hrsg.): Qualitative Längsschnittforschung ISBN 978-3-8474-2179-5

Sven Thiersch (Hrsg.): Qualitative Längsschnittforschung. Bestimmungen, Forschungspraxis und Reflexionen. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2020. 430 Seiten. ISBN 978-3-8474-2179-5. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.

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Thema

Das Buch Qualitative Längsschnittforschung – Bestimmungen, Forschungspraxis und Reflexionen bietet eine systematische und differenzierte Zusammenführung sowohl von unterschiedlichen theoretischen und methodischen Perspektiven als auch von Erfahrungen aus der Forschungspraxis in der Umsetzung qualitativer Längsschnittstudien.

Herausgeber

Prof. Dr. Sven Thiersch ist Professor an der Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft der Ruhruniversität Bochum. Seine Arbeitsbereiche sind Bildungssoziologie und Sozialisationsforschung mit den Arbeitsschwerpunkten Theorien familialer und schulischer Sozialisation, Bildungsverläufe und Übergänge im Bildungssystem, Mikroprozesse sozialer Bildungsungleichheit und -mobilität sowie Methodologien und Methoden qualitativ-rekonstruktiver Sozialforschung.

Entstehungshintergrund

Qualitative Studien werden zwar seit einigen Jahren auch in einem Längsschnittdesign durchgeführt, sind aber nach wie vor eine Ausnahme in der Sozial- und Bildungsforschung. Das vorliegende Werk stellt eine erste systematische Zusammenführung von theoretischen und methodischen Perspektiven, forschungspraktischen Erfahrungen und Erkenntnispotenzialen ausgewählter Forschungsfelder dar.

Aufbau

Vorliegendes Buch beginnt mit einer Einleitung des Herausgebers, beschreibt in insgesamt 18 Beiträgen verschiedener Autoren die Themenblöcke Theoretische Verortung, Methologische und methodische Bestimmungen, „Forschungspraxis qualitativer Längsschnittforschung in ausgewählten Gegenstandsfeldern“ sowie „Perspektiven und Herausforderungen“ und schließt mit Informationen zu den einzelnen Autoren.

Inhalt

1. Theoretische Verortung

Im ersten Beitrag widmet sich Jochen Kade mit dem Thema Bildungsbiographien – Bildungsgestalten – Biographisierung der Interpretation dreier Biographien; im Abstand von 25 Jahren werden die zentralen Themen Gesellschaftsveränderung und individuelle Emanzipation thematisiert. Kade verbindet den klassischen methodischen Ansatz der autobiographischen Stehgreiferzählung mit dem Längsschnittkonzept.

Der zweite Beitrag, geschrieben von Alexandra König und Aytüre Türkylmaz, hat den Titel Sozialisationsprozesse im Längsschnitt – eine interaktionistische Perspektive wird auf Basis von zwei Fallanalysen aufgezeigt, wie Sozialisationsprozesse als Selbstentwicklung, organisierte Interaktion und selbstreflexive Bearbeitung von Zukunft und Vergangenheit beschrieben werden.

Im Beitrag Längsschnittstudien in der Organisationsforschung – eine metatheoretische Sensibilisierung zur Erforschung von Wandlungsprozessen stellt Werner Vogd die These auf, dass eine ernstzunehmende Organisationsforschung nur möglich ist, wenn der Organisationsbegriff metatheoretisch begriffen wird.

2. Methologische und methodische Bestimmungen

Rolf-Torsten Kramer entwirft in seinem Beitrag Kontinuität oder Transformation? Methologische Herausforderungen einer rekonstruktiven Längsschnittforschung ein Modell zur rekonstruktiven Längsschnittforschung, welches Fallrekonstruktionen durch Sequenzanalysen in einen zeitlichen Verlaufszusammenhang bringt.

Andreas Wernet führt im BeitragIdentitätskrise, Transformation und Ausdrucksgestalt: Zum rekonstruktionsmethologischen Problem des „Gewordenseins“ aus, wie das rekonstruktive Längsschnittmodell ergänzt werden kann.

Tobias Franzheld entwickelt in seinem Beitrag Krise, Trajet, Aushandlung: Konzepte der Grounded Theory zur Längsschnittforschung verschiedene Kategorien zum Ordnen von Mustern in der qualitativen Längsschnittforschung.

Im Beitrag Ethnographie und Längsschnittdesign vergleicht Michael Meier das methologische Verhältnis einer Ethnographie und eines Längsschnittdesigns.

Shevek K. Selbert entwirft in seinem Beitrag Die Relevanzsetzung in wiederholten Selbsterzählungen. Zur methodischen Grundlegung einer qualitativen Längsschnittstudie zum autobiographischen Wiedererzählen das Konzept der biographischen Perlen, also kleinster Elemente autobiographischer Darstellungen, die in sich geschlossen sind.

3. Forschungspraxis qualitativer Längsschnittforschung in ausgewählten Gegenstandsfeldern

Das erste Gegenstandsfeld umfasst Jugend, Familie und Biographie und wird in drei Beiträgen beschrieben. Anja Schierbaum und Michael Corsten widmen sich in ihrem Beitrag den Zukunftsentwürfen von Jugendlichen und wie diese sich im Laufe der Zeit ändern. Jaqueline Kleese und Michael Wutzler beschreiben, wie sich Paare vor und nach der Eheschließung in einer qualitativen Längsschnittstudie darstellen. Julia Becher und Janina Hornung thematisieren Individualisierungsprozesse im Kontext stationärer Behandlung innerhalb der Jugendpsychiatrie im Rahmen der qualitativen Längsschnittforschung.

Beim Gegenstandsfeld Schule thematisieren Dorthe Petersen, Barbara Asbrand und Matthias Martens den Übergang von Grundschule in Sekundarstufe und zeigen, wie sich Erfahrungsräume und Rahmenbedingungen für die Kinder in der weiterführenden Schule ändern. Doris Wittek, Uwe Hericks, Anna Rauschenberg, Julia Sotzek, Manuela Keller-Schneider beschreiben in ihrer Längsschnittstudie den Berufseinstieg von Lehrpersonen. Fabian Dietrich und Maike Lambrecht berichten von der Schulentwicklungsforschung.

Im Gegenstandsfeld Glaube und Religion geht Jonathan Hart der Frage nach, welche Sozialisationsaspekte beim Übergang zum Buddhismus hervortreten. Lena Dreier widmet sich in ihrem Beitrag der Frage, welche Veränderungen durch zeitlichen Abstand von Interviews zum Übertritt in eine andere Religion sichtbar werden.

4. Perspektiven und Herausforderungen

Jasmin Lüdemann zeigt in ihrem Beitrag spezifische forschungspraktische Herausforderungen, die mit Längsschnitttypologien einhergehen, auf. Besonders hervorgehoben wird bei ihr die zeitliche Dimension der Erhebung und deren Einfluss auf das Forschungsergebnis.

Natalie Grimm und Petra Schütt thematisieren in ihrem Beitrag forschungspraktische Fragen ebenso wie Fragen der Forschungsethik. Schwerpunkt der Problemstellung sind Anforderungen des Datenschutzes sowie das wachsende Vertrauensverhältnis zwischen Forschern und Beforschten bei Längsschnittstudien.

Diskussion

Das vorgestellte Buch besteht aus einer Einleitung des Herausgebers sowie 18 Beiträgen verschiedener Autor*innen. Die einzelnen Artikel unterscheiden sich dementsprechend teilweise deutlich in Stil und Ausdruck. Die Unterteilung in verschiedene thematische Blöcke ist gelungen und erleichtert die Einordnung der jeweiligen Beiträge. Die Aufsätze zeigen einerseits bestehende Forschungspraxis auf, zeigen aber auch offene Fragen und mögliche Anschlussstellen für weitere Forschungsdesiderate.

Das Buch wendet sich an interessierte Forschende, die bereits Erfahrung mit qualitativen und quantitativen Forschungsdesigns haben und am aktuellen Diskurs teilhaben möchten. Ein Einstieg in die Thematik der qualitativen Längsschnittforschung sollte bereits erfolgt sein, um den einzelnen Artikeln interessengeleitet folgen zu können.

Fazit

Das Buch „Qualitative Längsschnittforschung – Bestimmungen, Forschungspraxis und Reflexionen“ bietet eine systematische Zusammenführung von unterschiedlichen theoretischen und methodischen Perspektiven qualitativer Längsschnittstudien. Herausgeber Sven Thiersch versteht es, mit den Beiträgen verschiedener Autor*innen unterschiedliche Aspekte zu thematisieren und sowohl Erfahrungen aus der Praxis zu zeigen als auch offene methodische und theoretische Fragen zu formulieren. Das vorliegende Buch richtet sich insbesondere an Personen, die bereits Erfahrung mit qualitativer Forschung im Allgemeinen und mit der qualitativen Längsschnittforschung im Besonderen haben.

Rezension von
Sven Rech
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Es gibt 2 Rezensionen von Sven Rech.

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ISSN 2190-9245