Katrin Hötzel, Ruth von Brachel: Änderungsmotivation fördern
Rezensiert von Johanna Singe, 29.09.2022

Katrin Hötzel, Ruth von Brachel: Änderungsmotivation fördern.
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2022.
184 Seiten.
ISBN 978-3-8017-2917-2.
24,95 EUR.
CH: 31,71 sFr.
Reihe: Standards der Psychotherapie - 10.
Thema
Dieses Buch stellt eine strukturierte Methodensammlung zur Förderung von Änderungsmotivation dar. Der therapeutische Weg hin zu einer gewünschten Verhaltensveränderung soll durch das gezielte Arbeiten an der Veränderungsmotivation erleichtert und somit auch beschleunigt werden. Mit Techniken zur Gesprächsführung einerseits und konkreten Übungen zur Motivationsförderung andererseits werden zwei zentrale Fokusse gesetzt.
Autorinnen
Dr. Ruth von Brachel studierte Psychologie in Münster und erlangte anschließend ihre Approbation zur Psychotherapeutin im Fachgebiet der Verhaltenstherapie. Sie ist im Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit der Ruhr-Universität Bochum als Dozentin und Supervisorin tätig und hat seit 2014 eine Stelle als Postdoc am Lehrstuhl für klinische Psychologie sowie Klinische Kinder- und Jugendpsychologie der Ruhr-Universität Bochum inne.
Dr. Katrin Hötzel studierte Psychologie in Bochum und erlangte anschließend ihre Approbation zur Psychotherapeutin im Fachgebiet der Verhaltenstherapie. Später erlangte sie die Zusatzqualifikation für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Sie ist im Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit der Ruhr-Universität Bochum als Dozentin und Supervisorin tätig und übernahm in 2014 die geschäftsführende Leitung der Psychotherapie-Ausbildung an der Ruhr-Universität Bochum.
Entstehungshintergrund
Die Autorinnen machen darauf aufmerksam, dass Änderungsmotivation zwar einen zentralen Wirkfaktor für eine gelingende Therapie darstellt, jedoch in Literatur und Praxis nicht ausreichend Beachtung findet. Dieser Diskrepanz möchten sie mit ihrem Werk entgegen wirken.
Aufbau
Das Buch beginnt mit einer kompakten theoretischen Einführung in die Materie und gibt zudem eine Übersicht über die Diagnostik der Änderungsmotivation. Im darauffolgenden Hauptteil behandelt das Buch die beiden zentralen Themen der Gesprächsführung und der Beschreibung zahlreicher Interventionen zur Förderung der Änderungsmotivation. Abschließend beleuchten die Autorinnen die aktuelle Forschungslage und stellen drei Fallbeispiele für die Anwendung vor. Darüber hinaus bietet das Buch der lesenden Person noch Kompetenzziele und Lernkontrollfragen an, sodass die gewonnenen Erkenntnisse überprüft werden können. Im Anhang wird das mit dem Text verknüpfte Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt. Aufgrund der detaillierten und übersichtlich gestalteten Inhaltsangabe erübrigt sich ein Stichwortverzeichnis.
Inhalt
Im ersten Kapitel, der „Einführung“, wird die Änderungsmotivation in der Psychotherapie als notwendiger Grundstein für einen erfolgreichen Therapieverlauf hervorgehoben. Es wird bemängelt, dass diese wichtige Therapiephase in Behandlungsmanualen im Prinzip zu wenig Beachtung findet. Das transtheoretische Modell der Verhaltensveränderung nach Miller und Rollnick wird zudem als eine Arbeitsgrundlage für die Anwendung der Interventionen eingeführt. Die dort beschriebenen Phasen der Veränderung sollen als Orientierung dienen, um passende Intervention zur Förderung der Änderungsmotivation auszuwählen.
Das zweite Kapitel „Theoretische Modelle und Erklärungsansätze“ gibt zunächst eine Definition des Begriffs „Motivation“ und eine Übersicht zu klassischen motivationalen Schwierigkeiten in der Psychotherapie. Dabei entwickeln die Autorinnen das Thema sehr praxisorientiert und gehen auf tatsächlich häufig auftretende Schwierigkeiten ein. Es werden drei relevante Theorien und Modelle beschrieben, anhand welcher die in Kapitel vier beschriebenen Methoden und Interventionen ausgewählt werden können. Die Inhalte sind überwiegend transtheoretisch und damit störungsübergreifend ausgearbeitet.
Das dritte Kapitel „Diagnostik und Indikation“ beschreibt die Ausrichtung der Interventionen anhand der Motivationsdiagnostik. Diese kann Hinweise darauf geben, in welcher motivationalen Phase eine Person sich befindet. Beispielhaft werden mehrere störungsübergreifende Fragebögen sowie ein störungsspezifischer Fragebogen (Veränderungsmotivation bei Essstörungen) vorgestellt. Letzterer wird im Anhang zur Verfügung gestellt.
Im vierten Kapitel „Gesprächsführung und Interventionen“ werden zahlreiche Techniken der motivationalen Gesprächsführung bündig und anhand von beispielhaften Dialogen zugänglich gemacht. Es folgt eine ausführliche Sammlung von Interventionen, welche während der Phasen der „Nachdenklichkeit“ und der „Vorbereitung“ genutzt werden können. Konkret zählt dazu z.B. die Arbeit an Zielen und Werten. Auf die Phasen „Aktion“ und „Erhalt der Veränderung“ wird nur kurz eingegangen, da hier die motivationale Arbeit in den Hintergrund trete. Die hier vorgestellte Sammlung ist nicht im Manual-Stil gehalten sondern bietet eine Sammlung von Interventionen, welche für eine individuelle Therapiegestaltung in eklektischer Form angewandt werden kann.
Eine kurze wissenschaftliche Einordnung der angewandten Methoden findet sich im fünften Kapitel mit dem Thema „Evidenzlage und wissenschaftliche Beurteilung“.
Drei Fallstudien erörtert das sechste Kapitel „Fallbeispiele“:
- Thema Fremdmotivation in der Therapie
- Thema Sinnhaftigkeit
- Thema Ambivalenzen in Bezug auf Veränderung
Die Kapitel sieben und acht enthalten „Literaturangaben“ sowie „Weiterführende Literatur“.
Das neunte Kapitel bietet der lesenden Person die Möglichkeit, das aus dem Buch erlangte Wissen anhand von „Kompetenzzielen und Lernkontrollfragen“ zu überprüfen.
Im Anhang befinden sich:
- Sieben Arbeitsblätter
- Anwendungsbeispiele für Gesprächsführungstechniken
- beispielhaft ein Fragebogen, welcher die Änderungsmotivation bei Personen untersucht, die unter Anorexia oder Bulimia Nervosa leiden.
Diskussion
Den Autorinnen ist es gelungen, eine beachtliche Fülle an Arbeitsmaterial ohne Redundanzen und gut strukturiert zusammenzutragen. Ein klarer und einfacher Schreibstil macht das Wissen leicht zugänglich. Das Buch ist auffallend übersichtlich gestaltet und bietet viele didaktische Details, wie z.B. stichwortartige Zusammenfassungen der Absätze am Rand. Referenzen ziehen sich durch das Buch und verknüpfen Inhalt und Arbeitsmaterial systematisch und zuverlässig; ein Liebhaberstück für Ordnungsfanatiker:innen. Für die lesende Person ist es wichtig zu wissen, dass es sich um eine eklektizistische Sammlung handelt. Das heißt, es handelt sich nicht um ein klassisches Manual, welches eine spezifische Therapiemethode bei einem spezifischen Störungsbild beschreibt. Eher kann der/die Psychotherapeut:in das Buch zur Hand nehmen, um Übungen und Anregungen für eine individuelle Therapieplanung auszuwählen. Damit verhält sich der Inhalt praxisnah und bietet eine Antwort auf die grundlegende Kritik an Behandlungsmanualen. Herkömmliche Manuale sind der Arbeitsrealität in der Praxis häufig nicht gewachsen und können selten sequentiell angewendet werden. Mit der Entscheidung, kein klassisches Manual anzubieten, stellen die Autorinnen ihre eigene Erfahrung in der therapeutischen Praxis unter Beweis. Es kommt der lesenden Person zugute, dass die Autorinnen ihr Wissen in Forschung, Praxis und Lehre kombinieren, um dieses wissenschaftlich fundiert, didaktisch gut durchdacht in diesem praxistauglichen Buch zur Verfügung zu stellen. Kritisch betrachtet fällt auf, dass der Ätiologie und Funktionalität der dysfunktionalen Muster (z.B. Symptome und Widerstände) eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es ergibt sich daraus die Frage, ob die störungsfördernden Motivationen der zu behandelnden Person ausreichend bewusst werden, um eine Nachhaltigkeit der Veränderung zu unterstützen.
Fazit
Zusammenfassend bietet dieses Buch einen sehr praxisnahen, übersichtlichen und klug gestalteten Leitfaden zur Arbeit an Veränderungsmotivation im psychotherapeutischen Setting. Mit einer Sammlung von konkreten Interventionen, Übungen, Arbeitsblättern und Fallbeispielen bieten die Autorinnen ein strukturiertes, an die Therapiephasen angepasstes sowie individuell gestaltbares Handbuch zur therapeutischen Herstellung von Änderungsmotivation.
Rezension von
Johanna Singe
M. Sc. Psychologin und staatlich approbierte Psychotherapeutin im Fachgebiet der Tiefenpsychologie
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