Gisela Adam-Lauer: Trainingsprogramm (prosoziales selbstbewusstes Verhalten)
Rezensiert von em. Prof. Dr. Süleyman Gögercin, 14.02.2006
Gisela Adam-Lauer: Trainingsprogramm zum Aufbau prosozialen und selbstbewussten Verhaltens bei Kindern und Jugendlichen.
Lit Verlag
(Berlin, Münster, Wien, Zürich, London) 2005.
112 Seiten.
ISBN 978-3-8258-8369-0.
12,90 EUR.
Reihe: Psychologie - Band 40.
Autorin
Prof. Dr. Gisela Adam-Lauer lehrt Psychologie an der Universität und Fachhochschule Lüneburg im Fachbereich Sozialwesen.
Entstehungshintergrund
Das Buch ist eine "Auftragsarbeit". Laut Angaben der Autorin legte sie dafür die Grundlagen im Rahmen eines Projekts der Europäischen Gemeinschaft zur Bekämpfung der Armut, wo sie in den 80er Jahren u. a. auch Förderprogramme für Kinder und Jugendliche im Bereich Bildung und Programme zur Modifikation selbstdiskriminierender und gewalttätiger Verhaltensweisen in Ansätzen entwickelt und erprobt hat. Sie wurde jedoch vor rund zwei Jahren von den Mitarbeiter/innen einer Einrichtung für Jugendhilfe und -bildung gebeten, ein verhaltenstherapeutisch ausgerichtetes Trainingsprogramm zum Aufbau prosozialen und selbstbewussten Verhaltens für Kinder und Jugendliche zu entwickeln. Dieses Programm wurde dort zunächst mit einer Gruppe von 12 bis 15-jährigen Kindern/Jugendlichen (die etwa auf gleichem Entwicklungsstand waren und alle stark fremdaggressive und selbstunsichere Verhaltensweisen zeigten) erprobt und evaluiert. Das Programm wird mittlerweile zum dritten Mal durchgeführt und gehört zum festen Bestandteil der Einrichtung.
Zielgruppe
Das Trainingsprogramm ist ausgerichtet auf die Jugendhilfeklientel zwischen 10 und 15 Jahren. Demzufolge richtet sich das Buch an Sozialpädagogen/innen und Psychologen/innen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, an Betreuer/innen von Kindern und Jugendlichen in Jugendämtern, Heimen, Jugendzentren und an Psychotherapeuten z.B. im Rahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Darüber hinaus ist es als Praxislehrbuch für Studierende der entsprechenden sozialwissenschaftlichen Bereiche (Sozialwesen, Psychologie, Pädagogik/Erziehungswissenschaften) geeignet.
Verhaltenstherapeutische Grundlage und Ziel
Das Buch basiert auf dem Konzept einer verhaltenstherapeutisch orientierten Interventionsstrategie, welche die kognitive Lerntheorie unter Einbeziehung des Lernens am Modell und des operanten Lernens als theoretischen Hintergrund ausweist und es konkretisiert dieses in unterschiedlichen Trainingseinheiten, die zum Aufbau von selbstbewusstem und prosozialem Verhalten führen sollen.
Aufbau und Inhalte
Das Buch besteht aus einer kurzen Einführung und fünf Lerneinheiten. In dem einführenden Teil werden die lerntheoretischen Grundlagen des Trainingsprogramms angerissen. Die Lerneinheiten bestehen aus Zielklärung, mehreren Übungs- und Hausaufgaben, die in die Gruppe rückgemeldet und dort reflektiert werden sollen.
- In der ersten Lerneinheit geht es um Normen und Regeln. Die Kinder und Jugendlichen sollen lernen, Gefühle und Empfindungen, eigene wie die der anderen, zu erkennen und zu deuten, eigene und fremde Verhaltensweisen einzuschätzen und bestimmte Fehler in der Reaktion auf andere Menschen zu vermeiden.
- In der zweiten Lerneinheit geht es ebenso um Normen und Regeln; dieses Mal soll gelernt werden, was (un-)erwünschtes und richtiges bzw. falsches Verhalten ist, woran man dies erkennt, welche Prüfstrategien es dafür gibt und welche Norm für soziales Verhalten grundlegend ist, an der man sich orientieren muss.
- In der dritten Lerneinheit wird auf dem Hintergrund von Norm- und Regelsicherheit selbstsicheres und selbstbewusstes Verhalten eingeübt. Die Trainingsteilnehmer/innen sollen zudem lernen, sich nicht provozieren zu lassen und in kritischen Situationen sicher aufzutreten.
- Wann sie einen Konflikt und wann sie ein Problem haben, sollen die Kinder und Jugendlichen in der vierten Lerneinheit einzuschätzen lernen.
- In der fünften und letzten Lerneinheit sollen Trainingsteilnehmer/innen lernen, Gefühle, Motive und Situationen selbst- und fremdaggressiven Verhaltens zu erkennen, zu analysieren und Strategien für alternative, akzeptablere Verhaltensweisen zu überlegen und einzuüben.
Diskussion - Anforderungen an Trainingsprogramme
Ein gutes Trainingsprogramm ist nur dann effektiv, wenn es die Trainingspartner/innen in die Pflicht nimmt, konsequent am vereinbarten Programm zu arbeiten - und das gilt für die Trainingsleitung ebenso wie für die Trainingsteilnehmer/innen. Wie miteinander gearbeitet werden soll, wird in der Einführung erläutert.
Jede Lerneinheit ist klar aufgebaut, so dass sie die pädagogischen Kompetenzen auch eines nicht therapeutisch geschulten Mitarbeiters einer Jugendhilfeeinrichtung stärken und ihn in die Lage versetzen kann, sie ohne große Mühe umzusetzen.
Eine der Voraussetzungen für den Erfolg des Trainings ist die vertrauensvolle Beziehung zwischen Trainer und Trainingsteilnehmer/innen. Hinweise auf die Beziehungsgestaltung hätten sicherlich vielen, insbesondere therapeutisch nicht geschulten Trainern/innen behilflich sein können.
Das Training kann selbstdiskriminierenden und gewalttätigen Kindern/Jugendlichen helfen, ihre eingeschliffenen Wahrnehmungsgewohnheiten zu verändern. Ein Kind/Jugendlicher ist dann an einem wichtigen Trainingsziel angelangt, sobald es/er die Folgen des eigenen Handelns neu bewertet und die Sicht des Gegenübers mit einschließen kann, einen Weg zum positiven Gebrauch seiner Potenziale gefunden hat. Wenn nach dem Training bessere Sozialkontakte, eine Steigerung des Selbstwertes bei den Kindern/Jugendlichen zeigen, hat sich die Mühe des Trainings gewiss gelohnt.
Die einzelnen Bausteine des Gruppentrainings fördern die Eigenaktivität der Kinder und Jugendlichen und sind angemessen gestaltet. Das Buch enthält zwar einige Tabellen, Skizzen und Zeichnungen, der Leser sucht aber vergeblich nach den während der Trainingseinheiten benötigten Materialien (Episodenlisten/ Beobachtungsbögen zur systematischen Selbstbeobachtung; verschiedene Instruktionskarten für die Gruppenstunden; Gesichter, die bestimmte Emotionen ausdrücken etc.). Doch nach Absicht der Autorin sollen diese mit den Kindern/Jugendlichen gemeinsam erstellt/hergestellt werden. Dies ist vielleicht das Besondere an diesem vorliegenden Verhalternsmodifikationsprogramm, da dies, richtig umgesetzt, bewirken könnte, dass die Kinder/Jugendlichen über eigenes Handeln zu Erkenntnissen gelangen.
Fazit
Gisela Adam-Lauer hat ein Trainingsprogramm vorgelegt, das systematisch aufgebaut und konzipiert, gleichzeitig praxisnah und leicht lesbar ist. Es ist zwar mit einigen leserfreundlichen didaktischen Hilfen ausgestattet - hervorgehobene Zusammenfassungen, Definitionen, Übersichten. Leider fehlen jegliche Angaben zur Literatur. Dabei könnte zumindest weiterführende Literatur auch für die Praktiker/innen, die in diesem Buch sicherlich vielfältige praxisorientierte Anregungen erhalten, von Bedeutung sein.
Rezension von
em. Prof. Dr. Süleyman Gögercin
Duale Hochschule BW Villingen-Schwenningen, Fakultät für Sozialwesen
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Es gibt 108 Rezensionen von Süleyman Gögercin.
Zitiervorschlag
Süleyman Gögercin. Rezension vom 14.02.2006 zu:
Gisela Adam-Lauer: Trainingsprogramm zum Aufbau prosozialen und selbstbewussten Verhaltens bei Kindern und Jugendlichen. Lit Verlag
(Berlin, Münster, Wien, Zürich, London) 2005.
ISBN 978-3-8258-8369-0.
Reihe: Psychologie - Band 40.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/2914.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
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