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Marina Kojer (Hrsg.): Alt, krank und verwirrt

Rezensiert von Assoz. Prof.in Dr.in Katharina Heimerl, 15.02.2022

Cover Marina Kojer (Hrsg.): Alt, krank und verwirrt ISBN 978-3-17-039162-8

Marina Kojer (Hrsg.): Alt, krank und verwirrt. Einführung in die Praxis der Palliativen Geriatrie. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2022. 4., erweiterte und aktualisierte Auflage. 359 Seiten. ISBN 978-3-17-039162-8. 39,00 EUR.
Münchner Reihe palliative care - Band 17.

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Thema

Der Band bietet – so lautet auch der Untertitel – eine Einführung in die Praxis der Palliativen Geriatrie. Die Wurzeln der Palliativen Geriatrie gehen in die 1980er Jahre zurück, die Herausgeberin kann zurecht als die Begründerin dieses relativ neuen Faches im deutschsprachigen Raum angesehen werden. Im Zentrum der Palliativen Geriatrie stehen hochbetagte Menschen, der Ansatz ist interprofessionell und das Ziel ist Lebensqualität. „Palliative Geriatrie ist ein ganzheitlicher, interprofessioneller Betreuungsansatz mit dem Ziel, multimorbiden hochbetagten Menschen mit und ohne Demenz bis zuletzt ein gutes Leben zu ermöglichen und ihren Angehörigen in schweren Zeiten beizustehen“, schreibt die Fachgesellschaft Palliative Geriatrie (2018) in ihrem Grundsatzpapier.

Manche AutorInnen verwenden auch synonym den Begriff „geriatrische Palliative Care“, so zum Beispiel Ralf Jox in diesem Band.

Herausgeberin und AutorInnen

Die Herausgeberin Marina Kojer ist Psychologin und Ärztin und war 14 Jahre lang Leiterin der Abteilung für palliativmedizinische Geriatrie im „Geriatriezentrum am Wienerwald“ in Wien. Der Großteil der 25 AutorInnen des Bandes waren MitarbeiterInnen der Abteilung, eine Autorin war Bewohnerin im Geriatriezentrum, mehrere sind ExpertInnen aus dem Bereich Palliative Geriatrie im deutschsprachigen Raum.

Entstehungshintergrund

Ende der 1990er Jahre fassten die MitarbeiterInnen der Abteilung für palliativmedizinische Geriatrie im „Geriatriezentrum am Wienerwald“ – dem damals größten Pflegeheim Europas mit mehr als 3.000 BewohnerInnen – den Entschluss, gemeinsam ein Buch über ihre Pionierarbeit zu schreiben. Damit ist das Buch das „erste Buch weltweit, das den inhaltlichen Ansatz der geriatrischen Palliative Care umfassend und patientennah dargestellt hat“, so Gian Domenico Borasio im Geleitwort zur 4. Auflage. Das Geriatriezentrum am Wienerwald wurde 2015 endgültig geschlossen, die Abteilungen wurden auf andere, kleinere Zentren in Wien aufgeteilt.

Die ersten drei Auflagen des Bandes sind 2002, 2003 und 2009 im Lambertusverlag erschienen. Der Band erscheint bei Kohlhammer in der hier rezensierten vierten Auflage, die Texte wurden von der Herausgeberin aktualisiert und sorgfältig überarbeitet, einigen Texten wurde eine aktuelle Vorbemerkung vorangestellt, drei neue Texte sind hinzugekommen.

Aufbau

Der Band besteht aus vier Teilen:

  • I: Die Suche nach neuen Wegen in der Geriatrie
  • II: Was kann das Leben bis zuletzt lebenswert machen?
  • III: Was ändert sich, wenn ein Mensch stirbt?
  • IV: Aufgaben und Probleme der Palliativen Geriatrie heute

In den einzelnen Kapiteln wechseln sich Passagen, in denen Fachwissen vermittelt wird, mit erzählenden Passagen ab. Wunderschöne schwarz-weiß Fotos von den Bewohnerinnen, deren Geschichten erzählt werden, veranschaulichen das Geschriebene.

Inhalt

Teil I beschreibt in 8 Kapiteln die „neuen Wege“ und somit das Innovative der Palliativen Geriatrie und beginnt mit einer Darstellung des Konzeptes aus unterschiedlichen Perspektiven.

Zunächst beschriebt Marina Kojer die Entwicklung der Palliativen Geriatrie seit den 1980er Jahren sehr lebendig und persönlich mit Bezügen zu ihrer beruflichen Biographie (Kapitel 1). Daran schließt sich mit Kapitel 2 der am stärksten konzeptive Teil des Buches, in dem darauf eingegangen wird, welche Aspekte bei der Umsetzung der Palliativen Geriatrie zu beachten sind. Eine Graphik auf Seite 45 fasst das übersichtlich zusammen. Durch welche Maßnahmen das Ziel der bestmöglichen Lebensqualität erreicht werden kann, zeigt das Kapitel 3 auf, immer noch auf einer konzeptiven, grundlegenden Ebene. Das Fallbeispiel von Frau Franziska und ihrer Familie zeigt im Kapitel 4 die Komplexität des Zugangs auf, die Autorinnen nehmen uns auf eine Reise von der Aufnahme von Frau Franziska im Geriatriezentrum bis zu ihrem Tod mit. Wir erfahren, wie im Team auf die Lebensqualität von Frau Franziska im Kontext ihrer Familie geachtet wurde. Hier beginnt die Leserin konkret zu verstehen, was radikale Patientenorientierung in der Praxis der Palliativen Geriatrie bedeutet. Es folgen zwei Kapitel, die sich mit ethischen Aspekten befassen: Kapitel 5 geht der Frage nach: „Was tun, wenn ein alter Mensch nicht mehr selbst entscheiden kann?“. Aufklärung, Fixierung und künstliche Ernährung werden hier kritisch im Spannungsfeld zwischen dem „Recht auf Selbstbestimmung“ und „der gebotenen Fürsorglichkeit“ (S. 61) diskutiert. Dass ethische Fragen im Pflegeheim sich deutlich von jenen des klinischen Alltags im Akutspital unterscheiden, ist eine der vielen und wesentlichen Aussagen dieses Bandes, dies wird im Kapitel 6 „Die ‚kleine Ethik‘ für jeden Tag“ aus Sicht von Medizin und Pflege veranschaulicht. Das Kapitel schließt mit „Zehn Bitten alter Menschen an ihre Betreuerinnen aller Berufsgruppen“ (S. 78). Im Kapitel 7 lernen wir Frau Maria G. kennen und erfahren ihre Lebensgeschichte von der Aufnahme als über 90-jährige bis zu ihrem Abschied aus unterschiedlichen Betreuungsperspektiven. Welche entscheidende Rolle die gute Zusammenarbeit im Team und im hierarchiefreien Raum für die Palliative Geriatrie spielt, wird im Kapitel 8 erläutert.

Im Teil II geht es um die Frage, was das Leben für hochbetagte Menschen bis zuletzt lebenswert macht.

Er beginnt mit einigen Überlegungen zur Selbstständigkeit alter Menschen, um sich dann im Kapitel 10 einem der zentralen Themen des Buches zuzuwenden, der Kommunikation. Mit 38 Seiten ist es bei weitem das längste Kapitel des Bandes. Hier wird die Validation nach Naomi Feil als „Kunst“ eingeführt und anhand je eines Beispiels für jede der vier Phasen der Demenz aufgezeigt, wie mit schwierigen Situationen mithilfe der Validation besser umgegangen werden kann. Welche positiven Veränderungen die Ausbildung in Validation auf einer ganzen Station bewirken kann, beschreibt der kurze Abschnitt „Eine Station im Wandel“. In neun Berichten über einzelne Bewohnerinnen und aus dem Alltag an der Abteilung für palliativmedizinische Geriatrie – vom Nachtdienst und der Gruppenvalidation bis hin zum Grillfest – wird die „reiche Ernte“ dokumentiert, „die selbst dann am Ende eines langen Weges auf Betreute und Betreuende warten kann, wenn über lange Zeit vieles falsch gelaufen ist“ (S. 122).

Das Thema Kommunikation setzt sich im Kapitel 11 fort, in dem die Basale Stimulation als Methode der Kommunikation mit Menschen mit Demenz beschrieben wird. Nach einer kurzen Einführung folgen zahlreiche Anwendungsbeispiele. Die beiden Fallgeschichten von Frau Anna S. und Maria B. helfen uns zu verstehen, wie Basale Stimulation gelebt werden kann.

Im Kapitel 12 kommen die Therapeutinnen zu Wort, zuerst die Ergotherapie, dann die Physiotherapie und schließlich die tiergestützte Therapie. Die drei Kapitel zeigen auf, welchen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität der Bewohnerinnen die jeweilige Therapie leistet. Beschrieben werden die Ziele und – anhand von Patientenbeispielen – ausgewählte Maßnahmen.

Wie pionierhaft die Umsetzung der Palliativen Geriatrie im Geriatriezentrum am Wienerwald war und wie sehr sie alle Bereiche des Alltags umfasst hat, wird spätestens deutlich, wenn im Kapitel 13 „Mehr Farbe ins Leben!“ beschrieben wird, wie im Projekt „Multicolor“ die weiße Dienstuniform gegen farbige T-Shirts und Hosen getauscht wurde, wofür es – natürlich – eine Ausnahmegenehmigung brauchte.

Das Geriatriezentrum am Wienerwald lag am Stadtrand von Wien in einem weitläufigen Areal umgeben von Grünflächen. Auch diese Ressource hat das Team genutzt. Die Verbindung zur Natur ist Teil von Lebensqualität und wurde durch die Gartentherapie ermöglicht (Kapitel 14). Hier ist auch der einzige Abschnitt, der von einer Bewohnerin geschrieben ist, Greta Vasco erzählt über dieses Projekt.

Das Kapitel 15 ist ausschließlich der Perspektive der Pflege gewidmet. Der Respekt für den Menschen in allen seinen Dimensionen, das Herstellen von tragfähiger Kommunikation, der Erwerb von Vertrauen, das Achten auf das körperliche und das seelische Wohlbefinden, die Integration von Angehörigen und das Begleiten von Sterbenden benennt Michaela Zsifkocivs als wesentliche Aufgaben der geriatrischen Palliativpflege beschrieben und auch hier wieder mit zahlreichen Beispielen veranschaulicht.

Dass Angehörige nicht als „Hausfeinde“ eingestuft werden müssen, sondern zu Verbündeten werden können, zeigt das Kapitel 16 „Einbindung von Angehörigen“. Nach einer Analyse der Ursachen für Konflikte mit Angehörigen wird die wichtige Frage der Schuldgefühle erläutert. Auch hier folgen wieder vier sehr lebendige Fallbeispiele aus der Praxis des Abteilungsteams.

Die Kapitel 17 und 18 sind den Schmerzen von hochbetagten Menschen gewidmet. Im einführenden Text „Schmerztherapie“ geht es um das Credo: „Noch immer werden Schmerzen betagter Patientinnen viel zu oft nicht beachtet und/oder in ihrer Intensität unterschätzt“ (S. 223). Am Beispiel von Frau Stefanie zeigt Marina Kojer die „grundlegenden Schritte der Schmerzbehandlung“, sie erläutert „häufig vorkommende indirekte Schmerzzeichen“ und macht deutlich, dass der Respekt vor den Wünschen der Patientinnen auch in der Schmerzerkennung und –therapie grundlegend ist. Die vier Dimensionen von Total Pain – der körperliche, der seelische, der soziale und der spirituelle Schmerz – werden in ihrer Bedeutung für hochbetagte Menschen anhand von Beispielen dargelegt. Der Fall Pauline I. wird einerseits als medizinscher Fall dargestellt und andererseits durch die narrative Beschreibung von „Pauline, der leidende Mensch“ ergänzt. Die Einführung endet mit einer Analyse der Ursachen, die dazu führen, dass Schmerzen bei Hochbetagten häufig nicht erkannt werden. Das Kapitel 18 beginnt Martina Schmidl mit einer ausführlichen Erläuterung der Schmerzerkennung bei Demenzkranken (18.1), gefolgt von einem längeren Abschnitt zur Schmerzlinderung (18.2), es werden die vier Fragen: „Tut etwas weh? Was tut weh? Seit wann tut es weh? Darf die Patientin noch immer Schmerzen haben?“ (S. 252–253) als tragende Säulen der Schmerzbehandlung eingeführt, sowie pflegerische, physikalische und medikamentöse Therapie dargestellt. Das gesamte Kapitel bezieht sich explizit auf die altersspezifischen Probleme der Schmerzerkennung und –therapie und stellt chronische Schmerzen ins Zentrum. Den Abschluss des Schmerzkapitels bilden Überlegungen, welche umfassenden Konsequenzen es für alte Menschen hat, wenn ihre chronischen Schmerzen nicht behandelt werden.

Lebensqualität für hochbetagte Menschen ist das Thema, das sich durch das gesamte Buch zieht und gleichzeitig ist ihm ein eigenes Kapitel von Martina Schmidl (19) gewidmet, in dem es auch darum geht, dass – im Gegensatz zu häufig geäußerten Meinungen – gute Lebensqualität auch für fortgeschritten Demenzkranke möglich ist.

Der 30 Seiten lange Teil III des Bandes schließlich ist den Themen Sterben, Tod und Trauer gewidmet. Regina Arndorfer beschreibt im Kapitel 20 den Wandel im Umgang mit Sterbenden und „das Bemühen um Menschenwürde bis zuletzt“ (S. 287), „Sterbende wurden als Lebende inmitten von Lebenden wahrgenommen“ (S. 284). Im Kapitel 21 steht die Pflege und Betreuung Sterbender im Zentrum, hier geht es um die Bedeutung des Teams für die gute Sterbebegleitung, ein kurzer Einblick in die Begleitung Sterbender im Nachdienst holt wieder die Praxis herein, ebenso wie vier ausführliche Fallbeispiele. Zuletzt geht es in einem Abschnitt von Ursula Gutenthaler unter dem Titel „Gestorben, aber nicht vergessen“ um die Kultur des Abschieds an der Abteilung.

Der Teil IV „Aufgaben und Probleme der Palliativen Geriatrie heute“ besteht aus drei Kapiteln. Eingeleitet wird der Teil durch die Pflege. Gerda Schmidt, leitende Pflegende in einer Langzeitpflegeeinrichtung der CS Caritas Socialis in Wien, zeigt in ihrem Text, was der Stand der Praxis der Palliativen Geriatrie heute ist und macht damit deutlich, dass der Ansatz, den das Buch verfolgt, von ungebrochener Aktualität ist. Der Schweizer Palliativmediziner und Geriater Roland Kunz steuert einen faktenbasierten Beitrag zur Standortbestimmung der Palliativen Geriatrie im Krankenhaus bei. Er setzt sich mit der Frage auseinander, worum alte Menschen ins Krankenhaus aufgenommen werden und wie die Umsetzung der Palliativen Geriatrie im Krankenhaus gelingen kann. Abschließend bringt der Schweizer Medizinethiker und Palliativgeriater Ralf Jox die Perspektive der Forschung ein und benennt die wichtigsten Forschungsthemen in der Palliativen Geriatrie.

Ein ausführliches und aktualisiertes Literaturverzeichnis, ein Glossar (das sicher nicht wenig Aufwand war) und ein Schlagwortverzeichnis runden den Band ab. Ein aussagekräftiges AutorInnenverzeichnis, aus dem noch einmal ersichtlich wird, wie interprofessionell und hierarchieübergreifend der Band verfasst ist, findet sich am Anfang des Buches.

Auch Genderaspekte kommen in dem Band nicht zu kurz, auch wenn sie nicht explizit angesprochen werden: Der Band ist im generischen Femininum geschrieben, eine Wertschätzung dafür, dass sowohl Betreute als auch Betreuende in der Palliativen Geriatrie überwiegend weiblich sind.

Diskussion

Der Weg des Teams der Abteilung für palliativmedizinische Geriatrie war ein unkonventioneller, er hat mit vielen Vorannahmen und auch Tabus gebrochen: Bewohnerinnen wurden am Boden betreut, Pflegende haben sich zu Patientinnen ins Bett gelegt, die Mitarbeiterinnen haben ihre „weißen Uniformen“ zugunsten von farbigen Kleidern abgelegt, die Ergotherapeutin hat sich in die Wiese gelegt, um ihre Therapie mit einer Patientin durchzuführen, die Pflege hat die Nachtdienste für lange und beruhigende Gespräche mit den Bewohnerinnen genutzt. Gleichzeitig wirkt diese von Zivilcourage getragene Pionierarbeit so leichtfüßig: Beinahe beiläufig schreibt Eduard Falkner über seine Erfahrungen als Pflegender im Nachdienst, in dem er gemeinsam mit einer zweiten Kollegin die Verantwortung für 35–40 schwerkranke, großteils demente Hochbetagte trug: „Wer Hunger hatte oder durstig war, bekam zu essen und zu trinken“ (S. 129).

Ebenso unkonventionell wie der beschriebene neue Weg der Palliativen Geriatrie ist der Band, der diesen Weg beschreibt, eher assoziativ als systematisch geschrieben, voll von lebendigen, glaubwürdigen und anschaulichen Beispielen, immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven auf die zentralen Themen Lebensqualität, Kommunikation und Haltung zurückkommend.

In der Vielfalt der Autorinnenschaften und der Textsorten löst der Band das ein, was er zum Ziel hat: den Weg des interprofessionellen Teams der Abteilung für palliativmedizinische Geriatrie im Wiener Geriatriezentrum am Wienerwald zu beschreiben und damit die Grundlagen für die Palliative Geriatrie zu legen. Dass es im Teil IV gelingt, an den aktuellen deutschsprachigen und internationalen Diskurs anzuschließen, soll hier noch einmal ausdrücklich erwähnt werden. Damit ist der Band von ungebrochener Aktualität, gerade auch in der Situation der COVID-19 Pandemie, die während seines Erscheinens noch immer im Gange ist. Er ist voll der Wertschätzung für die Betreuten aber ebenso für die Betreuenden. In Zeiten wie diesen tut es gut zu lesen, mit welcher Freude und mit welchem Erfolg sich ein Team mit einer so schweren Aufgabe auseinandersetzen kann.

Fazit

Die Herausgeberin Marina Kojer veranschaulicht in dem Band gemeinsam mit dem interprofessionellen Team die Entwicklung der Palliativen Geriatrie anhand des pionierhaften und unkonventionellen Weges, den ihre Abteilung im damaligen Geriatriezentrum am Wienerwald von 1989 bis zum Erscheinen der 1. Auflage 2002 gegangen ist. Heinz Michalek, Koautor des Bandes und ehemaliger Pfleger an der Abteilung, nennt die Palliative Geriatrie „einen Aufbruch in die Menschlichkeit“ (S. 101) – treffender kann man das, worum es in diesem Band geht, nicht beschreiben.

Der Band ist facettenreich, abwechslungsreich und spannend geschrieben, ein Feuerwerk an gut reflektierter und theoretisch fundierter Erfahrung. Er macht die Stärke des Erzählens von Geschichten, des Narrativen, sichtbar, wenn es um das Vermitteln von Haltung und von Fachwissen geht. Er kann, aber er muss nicht in einem gelesen werden, die einzelnen Kapitel stehen für sich. Durch das gesamte Buch ziehen sich über 50 einfühlsam und respektvoll erzählte, gut nachvollziehbare Geschichten von alten Menschen. Die zutiefst mitmenschliche und von Empathie getragene Haltung der Palliativen Geriatrie wird am besten in diesen Beispielen vermittelt, sie sind die Vorbilder, an denen sich die Leserinnen orientieren und von denen sie sich inspirieren lassen können.

Gleichzeitig erläutert der Band sowohl konzeptiv als auch in den praxisnahen Fallbeispielen die zentralen Themen der Palliativen Geriatrie: Lebensqualität, Kommunikation, und Respekt vor den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und ihrer Angehörigen – bis zuletzt. Er geht auf die Rolle der Medizin, der Pflege und der Therapeutinnen ein, erläutert Schmerzerkennung, Schmerzlinderung und Sterbebegleitung und schließt an die aktuellen internationalen Debatten an. Der Band ist somit ein umfassendes und gut in der Praxis verankertes Grundlagenwerk der Palliativen Geriatrie.

Literatur

Fachgesellschaft Palliative Geriatrie 2018: Grundsatzpapier Palliative Geriatrie, https://www.fgpg.eu/grundsatzpapiere/. Abgerufen am 2.2.2022

Rezension von
Assoz. Prof.in Dr.in Katharina Heimerl
Institut für Pflegewissenschaft
Universität Wien
Alser Straße 23/12
1080 Wien
Tel: 0043 1 4277 49814
Mailformular

Es gibt 5 Rezensionen von Katharina Heimerl.

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Zitiervorschlag
Katharina Heimerl. Rezension vom 15.02.2022 zu: Marina Kojer (Hrsg.): Alt, krank und verwirrt. Einführung in die Praxis der Palliativen Geriatrie. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2022. 4., erweiterte und aktualisierte Auflage. ISBN 978-3-17-039162-8. Münchner Reihe palliative care - Band 17. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29145.php, Datum des Zugriffs 11.09.2024.


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