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Gerhard Pott, Annegret Hölscher: Alltagsethik

Rezensiert von Alexandra Günther, 08.07.2022

Cover Gerhard Pott, Annegret Hölscher: Alltagsethik ISBN 978-3-96543-207-9

Gerhard Pott, Annegret Hölscher: Alltagsethik. Mit einem Diskurs zur Corona-Pandemie. Lehmanns Media GmbH (Berlin) 2021. 146 Seiten. ISBN 978-3-96543-207-9. D: 14,95 EUR, A: 15,40 EUR.
Reihe: Medizin.

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Thema

Alltagsethik nimmt in den Blick, warum Menschen anderen Menschen in Not helfen. Kein Algorithmus kann bisher Hilfeleistungen zuverlässig voraussagen. Stattdessen kann der Ansatz einer intuitiven Ethik dazu beitragen, Gefühle als ethische Impulse miteinzubeziehen und eine neue ethische Perspektive auf das Helfen zu entwickeln.

Autoren

Prof. Dr. med. Gerhard Pott, M.A. (phil), eh. ltd. Arzt Euregio-Klinik Nordhorn, Lehrbücher zur Gastroenterologie, Palliativmedizin und angewandter Ethik. Vorlesungen und Seminare UK Münster, Ethikseminar Kloster Frenswegen, Informationen zur Patientenverfügung. Ehrenplakette der Ärztekammer Niedersachsen 2009.

Dr. phil. Annegret Hölscher, Psychologin, Gesundheitsamt Landkreis Grafschaft Bentheim, Leiterin des Büros für Selbsthilfe und Gesundheit. Ethikseminar Kloster Frenswegen. Qualifikationen in Hospizhilfe und Sterbehilfe.

Aufbau

Das Fachbuch ist folgendermaßen aufgebaut:

  1. Einführung
  2. Definition und Theorien zu Moral, Ethik und Moralpsychologie
  3. Moralische Motivation und Intuitive Ethik
  4. Gewissen
  5. Autonomie und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in der Corona-Pandemie
  6. Ethikprobleme des Alltags
  7. Untersuchungen zur ethischen Motivation von ärztlichem und Pflegepersonal
  8. Die Frage nach der Motivation zur guten Handlung anhand einer aktuellen Befragung von ehrenamtlichen Helfern in der Corona-Pandemie
  9. Streit-Thesen
  10. Resümee
  11. Zusammenfassung
  12. Summary
  13. Die Autoren und ihre Ethikerfahrungen in der Corona-Pandemie
  14. Glossar

Inhalt

Die Autoren Gerhard Pott und Annegret Hölscher untersuchen, was Alltagsethik beinhaltet und Menschen dazu motiviert, andere Menschen in Not zu unterstützen. In der Einführung geben sie einen kurzen Überblick über ihr Vorhaben. Unbewusstes ethisches Handeln bzw. das sogenannte Bauchgefühl spielt dabei eine große Bedeutung.

Im zweiten Kapitel geben die Autoren einen Überblick über bisherige, klassische Ethiktheorien. Inhaltlich umfasst dies u.a. die Pflichtenethik, Utilitarismus und Tugendethik. Die Autoren zeigen auf, inwiefern diese nicht beschreiben können, warum und in welchen Fällen Menschen anderen helfen.

Das dritte Kapitel setzt sich mit dem Thema moralische Motivation auseinander. Pott und Hölscher entwickeln ihren Ansatz einer intuitiven Ethik. Hierfür analysieren sie u.a. Situationen aus dem Alltag von professionell und ehrenamtlich Helfenden.

Im vierten Kapitel erläutern die Autoren den Begriff des Gewissens und dessen Querbezüge wie zum Beispiel zur ethischen goldenen Regel nach Kant oder das Christentum. Hierbei gehen sie auch auf kulturelle und gesellschaftliche Bezüge ein.

Das fünfte Kapitel analysiert die besondere Situation der Corona-Pandemie. Hierbei diskutieren die Autoren zentrale, ethische Prinzipien wie u.a. Autonomie, Gerechtigkeit, Solidarität und gehen auf die gesellschaftlichen Probleme bei der Umsetzung ein.

Das sechste Kapitel ist der umfangreichste Teil des Buches. Es umfasst die jährlichen Erklärungen des Ethikseminars im Kloster Frenswegen zu folgenden Themen:

  • Ethik und Ökonomie im Gesundheitswesen
  • Solidarität, Empathie, Mitmenschlichkeit und Freundlichkeit
  • Assistierter Suizid und Sterbebegleitung
  • Ethische Aspekte der Hilfe für Asylsuchende und Migranten
  • Regionalethik
  • Ethik und Gewalt, Umgang mit der Polizei
  • Ernährung und Ethik am Lebensende
  • Ethik und Ärztemangel auf dem Land
  • Ethik, Landschaft, Landwirtschaft und Verbraucher

Im siebten Kapitel erläutern die Autoren ihre Umfrage zur ethischen Motivation von Mitarbeitenden im Gesundheitswesen. Die Ergebnisse daraus zeigen, welche Bedeutung dabei eine intuitiv ethische Grundhaltung hat, unabhängig von Ethik- bzw. Wertediskursen.

Das achte Kapitel nimmt dann die Frage für ehrenamtliche Helfer in den Blick und welche Motivation diese für ihre Hilfe in der Corona-Pandemie hatten. Die Befragung dazu zeigt u.a. auch als ein Aspekt die Religionsbindung.

Im neunten Kapitel zeigen die Autoren Probleme auf, denen sich Helfende des Gesundheitsbereiches gegenübersehen. Es werden als Streitthesen Positionen zur aktuellen Ökonomisierung des Gesundheitswesens, der Arbeitsbelastung von ärztlichen und pflegerischen Mitarbeitenden, Personalmangel und Ethikempfehlungen während der Corona-Pandemie vorgestellt.

Abschließend ziehen Pott und Hölscher im zehnten Kapitel ein Resümee und geben im elften Kapitel eine Zusammenfassung ihres Ansatzes einer intuitiven Ethik. Im Einzelnen erläutern sie die von ihnen herausgearbeiteten Aspekte:

  • was motiviert zu helfen,
  • was Helfende selbst brauchen
  • wie die Gesellschaft das Helfen fördern und Helfende unterstützen kann.

Außerdem beziehen sie Stellung, was Helfende brauchen und wie der Umgang mit Helfenden sich verändert wie z.B. Aggressivität. Sie geben Einblick in die Situation, Motivation, Bedürfnisse und Herausforderungen.

Im dreizehnten Kapitel schildern die Autoren ihre persönlichen Erfahrungen während der Corona-Pandemie, wie sie und ihr Umfeld auf Grundlage einer intuitiven Ethik helfen konnten und Hilfeleistungen ermöglicht haben. Zugleich thematisieren sie auch die erlebten Grenzen einer Institutionenethik und ethische Herausforderungen.

Am Ende jedes Kapitels findet sich aktuelle, weiterführende Literatur zum jeweiligen ethischen Aspekt bzw. Unterthema.

Diskussion

Nach der Lektüre des Fachbuchs der Autoren Pott und Hölscher ist der Blick geschärft für die ethischen Implikationen in den alltäglichen Hilfesituationen unserer Gesellschaft. Die Autoren entwickeln mit dem Ansatz der intuitiven Ethik einen neuen Blickwinkel, der zum einen die klassische Ethikdiskussion erweitert und zum anderen ganz konkrete Gründe zu helfen herausarbeitet.

Das gesellschaftliche Klima hängt davon ab, wie mit professionell und ehrenamtlich Helfenden umgegangen wird. Dafür gilt es, den ethischen Diskurs über Mitmenschlichkeit bzw. Würde zu stärken. Es braucht die öffentliche Auseinandersetzung mit Phänomenen wie Verrohung, Verhinderung von Hilfe, sozialer Kälte oder Folgen aktiver Sterbehilfe etc..

Helfen impliziert das Gefühl, helfen zu wollen. Die Auseinandersetzung mit dem Ansatz der intuitiven Ethik zeigt den moralischen Impuls für die Alltagsethik auf. Empathie, achtungsvolles Miteinander und das Engagement professioneller und freiwilliger Helfer sind unersetzbar und werden in der Zukunft noch wichtiger.

Fazit

Gerhard Pott und Annegret Hölscher analysieren, was Alltagsethik beinhaltet und warum Menschen anderen Menschen helfen. Sie entwickeln ihren eigenen Ansatz einer intuitiven Ethik. Daraus zeigen sie, was die Gesellschaft tun kann, um gute Handlungen zu fördern und Helfende zu schützen.

Die Autoren geben mit ihrem Buch einen neuen ethischen Ansatz und zugleich Einblicke in die Situation von Helfenden in der Gesellschaft als gelebte Ethik. Das Buch ist ein wichtiger Beitrag um in den aktuellen Diskussionen eine ethische Position des Helfens und der Solidarität zu entwickeln.

Rezension von
Alexandra Günther
Sozialpädagogin und Ethikerin
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Es gibt 41 Rezensionen von Alexandra Günther.

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Zitiervorschlag
Alexandra Günther. Rezension vom 08.07.2022 zu: Gerhard Pott, Annegret Hölscher: Alltagsethik. Mit einem Diskurs zur Corona-Pandemie. Lehmanns Media GmbH (Berlin) 2021. ISBN 978-3-96543-207-9. Reihe: Medizin. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29164.php, Datum des Zugriffs 26.03.2023.


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