Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet - Das Netz für die Sozialwirtschaft

Prof. Dr. Sandra Wesenberg (Hrsg.): Tiergestützte Interventionen in Therapeutischen Jugendwohngruppen

Rezensiert von Lena Grünauer, 20.02.2023

Cover Prof. Dr. Sandra Wesenberg (Hrsg.): Tiergestützte Interventionen in Therapeutischen Jugendwohngruppen ISBN 978-3-947502-57-8

Prof. Dr. Sandra Wesenberg (Hrsg.): Tiergestützte Interventionen in Therapeutischen Jugendwohngruppen. Ergebnisse eines interdisziplinären Praxisforschungsprojekts in der stationären Jugendhilfe. ZKS-Verlag für psychosoziale Medien (Höchberg) 2021. 221 Seiten. ISBN 978-3-947502-57-8. D: 19,90 EUR, A: 20,50 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Thema und Entstehungshintergrund

Tiergestützte Interventionen finden zunehmend einen Zugang in die Praxis pädagogischer und/oder therapeutischer Settings, ihre Wirkungen und Potenziale werden aufgrund alltagspraktischer Beobachtungen beinahe als belegt anerkannt. Dennoch besteht derzeit eine Kluft zwischen der Ausübung in der Praxis und deren wissenschaftlichen Fundierung, welche im Gegensatz zu den zahlreichen Praxisangeboten noch am Beginn der Erschließung des Feldes steht.

Das in dem Buch beschriebene Praxisforschungsprojekt trägt dazu bei, das noch recht unerforschte Feld wissenschaftlich zu fundieren. Mit einem Fokus auf Trauma und Gender wird erprobt, wie Tiergestützte Interventionen mit psychisch hoch belasteten Jugendlichen im Kontext von Therapeutischen Jugendwohngruppen wirken können. Anhand eines Manuals, in dem Ziele, Aufbau und Struktur des Programms „Berliner Schnauzen“ enthalten sind, wurden Tiergestützte Interventionen mit Hunden in Therapeutischen Jugendwohngruppen durchgeführt.

Ausgewertet wurden die zahlreich gesammelten Daten über qualitative und quantitative Verfahren, welche detailliert beschrieben werden.

Autor*innen

Prof. Dr. Sandra Wesenberg: Diplom-Pädagogin und Sozialarbeiterin (M.A.), Gastprofessorin für Klinische Psychologie mit dem Schwerpunkten Beratung und Therapie an der Alice Salomon Hochschule Berlin

Prof. Dr. Siegrid Betzelt: Soziologin und Professorin mit Schwerpunkt Arbeits- und Organisationssoziologie und Sozialpolitik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Conny M. Bredereck: Sozialarbeiterin (M.A.), Zusatzausbildung für Traumapädagogik und Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität Kassel

Marilena de Andrade: Sozialarbeiterin (M.A.), Mitarbeiterin für den Arbeitsbereich Psychosoziale Diagnostik und Intervention an der Alice Salomon Hochschule Berlin

Annett Eckloff: Sozialarbeiterin (M.A.), Zusatzausbildung für Tiergestützte Interventionen (ISAAT)

Prof. Dr. Claudia Gather: Soziologin, bis 2020 Professorin für Ökonomie und Geschlechterverhältnisse an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Joana Lanwehr: Kindheitspädagogin (B.A.), studiert Bildungswissenschaften (M.A.), Zusatzausbildung für Tiergestützte Interventionen (ISAAT)

Svenja Martikke: studiert Soziale Arbeit (B.A.) an der Alice Salomon Hochschule Berlin, arbeitet als studentische Mitarbeiterin im Forschungsverbund Testimony, absolviert Zusatzausbildung für Tiergestützte Interventionen (ISAAT)

Prof. Dr. Silke Birgitta Gahleitner: Studium Soziale Arbeit, Promotion in Klinischer Psychologie und Habilitation in Erziehungswissenschaften, Forschung und Lehre im Bereich psychosozialer Diagnostik und Intervention an der Alice Salomon Hochschule Berlin

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist grob untergliedert in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Es werden zu Beginn die theoretischen Grundlagen gelegt, die für die anschließende Forschung relevant sind. So wird im ersten Kapitel die Therapeutische Jugendwohngruppe definiert und in ihren verschiedenen Facetten und Ausprägungen beschrieben. Die Zielgruppe des Forschungsprojekts, psychisch hoch belastete Jugendliche, wird ebenso genauer erläutert, die Zielgruppe wird in einen fokussierten Kontext zu den Themen Trauma und dessen Bewältigung sowie Gender gesetzt. Neben der Zielgruppe behandelt dieses Kapitel auch die Auseinandersetzung mit den Kompetenzen und Haltungen der pädagogischen Mitarbeiter*innen solcher Therapeutischer Wohngruppen.

Im darauffolgenden Kapitel wird ein Fokus auf Tiergestützte Interventionen in Therapeutischen Wohngruppen gelegt. Zunächst werden die Begrifflichkeiten um Tiergestützte Interventionen definiert und voneinander abgegrenzt, es wird ein besonderes Augenmerkt auf die Arbeit mit Hunden geworfen und deren Wirkungen auf die Klientel sowie die dabei eine Rolle spielenden Wirkfaktoren betrachtet. Neben den Hunden wird beschrieben, welche Qualifizierungen die Fachkraft für Tiergestützte Interventionen vorweisen sollte. Anschließend wird ein Überblick über den Forschungsstand im Feld Tiergestützte Interventionen in der stationären Jugendhilfe gegeben und Tiergestützte Interventionen werden mit den Themen Trauma und Bewältigung sowie Gender in Verbindung gesetzt.

Das dritte Kapitel gibt einen groben Überblick zum Forschungsprojekt, es wird in den Forschungsstand eingeordnet und in seiner Zielsetzung und der Umsetzung umrissen. Im folgenden Kapitel wird daraufhin das hundegestützte Programm „Berliner Schnauzen“ in seinen verschiedenen Facetten beschrieben. So wird berichtet, wie sich der Prozess der Konzepterstellung gestaltete, es werden Voraussetzungen festgesetzt, die von den Mensch-Hund-Teams erfüllt werden müssen, um am Programm teilzunehmen und die Grundhaltung der Mitarbeitenden bzw. des Projekts wird erläutert, auch in besonderem Bezug zu Trauma und Gender. Ein wichtiger Aspekt, der sich durch das gesamte Werk zieht, ist die Achtung und Gewährleistung des Tierwohls, welches an dieser Stelle gesondert beschrieben wird. Am Schluss des Kapitels wird beschrieben, wie die einzelnen Sitzungen aufgebaut wurden.

Der Mixed-Method-Studie in ihrem methodischen Vorgehen wird das fünfte Kapitel gewidmet. Das Studiendesign wird dargelegt und die ausgewählten Forschungsmethoden werden begründet, ebenso die Auswertungsverfahren, jeweils drei qualitative und drei quantitative Methoden.

Die Ergebnisse des Projekts werden im sechsten Kapitel beschrieben. Die Ergebnispräsentation ist teils thematisch, teils methodisch gegliedert. Es konnte herausgearbeitet werden, dass die Tiergestützten Interventionen in verschiedenen Bereichen positive Auswirkungen auf die Jugendlichen hatten, beispielhaft wurde das anhand vier Fallvignetten dargelegt. Auch wurde eine Einzelfallanalyse bei einer Person, welche einen besonders deutlichen Wandel durchlief, durchgeführt. Neben der Beforschung der Jugendlichen wurden auch die pädagogischen Mitarbeiter*innen der Therapeutischen Jugendwohngruppen und die Fachkräfte für Tiergestützte Interventionen befragt. So konnten förderliche und hinderliche Bedingungen herausgearbeitet werden, aber auch die Wirkungen des Programms auf die Jugendlichen.

Anschließend werden im siebten Kapitel die Potenziale und Limitationen der vorliegenden Studie beleuchtet. Zunächst werden bestimmte Limitationen beschrieben, welche den Rahmenbedingungen des Programms geschuldet sind, hauptsächlich ist als Limitation jedoch die kleine Stichprobe und das Fehlen einer randomisierten Zuordnung der Teilnehmer*innen zu den Gruppen zu benennen. Ebenso spielten die verschiedenen Bedingungen und auch Restriktionen der Corona-Pandemie eine Rolle, da diese das Programm in seiner Durchführung tangierten. Als Potenzial einer Mixed-Method-Studie wird eindeutig benannt, dass die Zusammenführung der qualitativen und quantitativen Untersuchungen zu detaillierteren und umfassenderen Ergebnissen geführt hat.

Das Buch schließt mit dem achten Kapitel, welches die Ergebnisse diskutiert und ein Fazit gezogen wird. Es werden vier Thesen aus den Forschungsergebnissen herausgearbeitet. Es zeigte sich, dass das Programm „Berliner Schnauzen“ gut umsetzbar und übertragbar ist und die Forschungsergebnisse die Relevanz Tiergestützter Interventionen im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe untermauern.

Diskussion

Grundsätzlich wird durch das Buch sowohl theoretisch als auch praktisch ein umfassender Überblick über das Praxisforschungsprojekt „Berliner Schnauzen“ gegeben. Der theoretische Input zu Beginn ermöglicht ein Basiswissen, aber auch vertiefende Elemente – v.a. auch Aspekte, die im Bereich der Tiergestützten Interventionen bisher eher unberücksichtigt oder vernachlässigt wurden. Anschließend wird strukturiert erläutert, wie das Forschungsprojekt strukturiert ist und welche Methoden, Ansätze und Haltungen es beinhaltet. Es wird Einblick gegeben in die praktische Umsetzung, die Gelingensbedingungen und hemmenden Faktoren, sodass sowohl für Praktiker*innen als auch Wissenschaftler*innen bedeutende Hinweise für weitere Durchführungen und Forschungen gegeben werden.

Das Buch trägt einen erheblichen Beitrag zur weiteren Erschließung des Feldes der Tiergestützten Interventionen bei. Vor allem durch den bemerkenswert sensiblen und aufmerksamen Einschluss vom Schwerpunkt Gender, der sonst im Kontext Tiergestützter Interventionen eher ausgeschlossen wird, kann ein neuer Blickwinkel erfasst und auch eine intersektionale Perspektive eingenommen werden. Durch die dadurch entstehenden neuen Impulse, wird eine fokussierte Forschung von Gender und Tiergestützten Interventionen angestoßen, auch werden bereits bestimmte Aspekte benannt, die die Studie nicht hat abdecken können. Weiterhin ist hervorzuheben, welch großes Augenmerk auf das Befinden des Hundes gelegt und mit welcher Umsicht ein Fokus auf Tierschutz und individuelle Eignungen der Hunde, die im Projekt teilnahmen, erfasst wurde.

Ein weiterer sehr gelungener Aspekt des Forschungsprojekts ist seine Aufbereitung und Darstellung. Durch die Erläuterung bestimmter akademischer Begrifflichkeiten oder auch der Forschungsmethoden ist es auch für Menschen außerhalb des akademischen Settings, beispielsweise für Praktiker*innen, möglich, das Forschungsprojekt in seiner Gesamtheit nachvollziehen zu können. Jedoch werden auch der Zielgruppe die Ergebnisse des Forschungsprojekts zugänglich gemacht, indem am Ende des Buches die wichtigsten Ergebnisse in leichter Sprache zusammengefasst werden.

Fazit

Das Buch zum Praxisforschungsprojekt „Berliner Schnauzen“ kann sowohl für die Wissenschaft als auch für die Praxis relevante Hinweise und Impulse für die Umsetzung hundegestützter Interventionen geben. Die Einbindung der Schwerpunktthemen Trauma und Gender bei psychisch hoch belasteten Jugendlichen bietet dementsprechend neue Erkenntnisse, die dringend Berücksichtigung finden, aber auch in weiterführenden Forschungen miteingebunden werden sollten.

Rezension von
Lena Grünauer
Sozialarbeiterin (M.A.)
Mailformular

Es gibt 1 Rezension von Lena Grünauer.

Besprochenes Werk kaufen
Sie fördern den Rezensionsdienst, wenn Sie diesen Titel – in Deutschland versandkostenfrei – über den socialnet Buchversand bestellen.


Zitiervorschlag
Lena Grünauer. Rezension vom 20.02.2023 zu: Prof. Dr. Sandra Wesenberg (Hrsg.): Tiergestützte Interventionen in Therapeutischen Jugendwohngruppen. Ergebnisse eines interdisziplinären Praxisforschungsprojekts in der stationären Jugendhilfe. ZKS-Verlag für psychosoziale Medien (Höchberg) 2021. ISBN 978-3-947502-57-8. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29186.php, Datum des Zugriffs 24.03.2023.


Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht