Dörte Weltzien, Heike Wadepohl et al. (Hrsg.): Forschung in der Frühpädagogik XIII
Rezensiert von Dr. Lisa Jares, 11.03.2022

Dörte Weltzien, Heike Wadepohl, Iris Nentwig-Gesemann, Marjan Alemzadeh (Hrsg.): Forschung in der Frühpädagogik XIII. Frühpädagogischen Alltag gestalten und erleben.
FEL Verlag Forschung Entwicklung Lehre
(Freiburg) 2020.
420 Seiten.
ISBN 978-3-932650-96-3.
Reihe: Materialien zur Frühpädagogik - Band 24.
Thema
Der Alltag von Kindertageseinrichtungen birgt viele Ungewissheiten, Herausforderungen und Widersprüche. Unterschiedliche Professionen, Kinder, Eltern sowie Akteure aus dem Sozialraum sind beteiligt an diesem Alltag.
„Interaktions- und Beziehungsgestaltung, alltägliche Praktiken und Rituale, Spiele und Kooperationen zwischen und mit den Kindern, das Arrangement von Bildungs-, Betreuungs- und Pflegeangeboten, die Zusammenarbeit mit Familien und anderen Institutionen“ wie es die Herausgeberinnen formulieren, sind stetigen Veränderungsprozessen unterlegen und müssen auch im Sinne der Qualitätsentwicklung regelmäßig überprüft werden.
Ausgehend davon, stellt das Herausgeberwerk „Forschung in der Frühpädagogik XIII. Frühpädagogischen Alltag gestalten und erleben“ Studienergebnisse mit sehr unterschiedlichen Forschungsfragen und empirischen Zugängen, vor. Gemeinsam ist ihnen aber eine sozialkonstruktivistische Perspektive, bei der „der Alltag als gemeinsame und kontinuierlich hervorgebrachte und veränderliche Leistung betrachtet wird“ (S. 7). Sowohl qualitativ-rekonstruktive und ethnographische Studien sowie Ergebnisse quantitativer Ansätze zur Qualitätsmessung zu ausgewählten pädagogischen Alltags Aspekten in Kitas, finden sich in diesem Buch wieder.
Entstehungshintergrund
Das Buch „Forschung in der Frühpädagogik XIII. Frühpädagogischen Alltag gestalten und erleben“ ist in der Reihe Materialien zur Frühpädagogik des Verlag Forschung – Entwicklung – Lehre (kurz FEL) erschienen. In dieser Reihe werden Forschungsarbeiten und Arbeitsmaterialien aus dem Bereich der Bildung und Erziehung in der Kindheit veröffentlicht. Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff, Leiter des Zentrums für Kinder- und Jugendforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg, ist Leiter dieser Reihe.
Autorinnen und Autoren
Das Buch wurde von Dörte Weltzien, Heike Wadenpohl, Iris Nentwig-Gesemann und Marjan Alemzadeh herausgegeben.
Prof. Dr. Dörte Weltzien ist Professorin für Pädagogik der (frühen) Kindheit an der Evangelischen Hochschule Freiburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen u.a. in der Interaktions- und Beziehungsgestaltung sowie der Kompetenz- und Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen.
Dr. Heike Wadenpohl ist akademische Rätin in der Abteilung Sonderpädagogische Psychologie am Institut für Sonderpädagogik der Leibniz Universität Hannover. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte liegen in der Qualitätsentwicklung der Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung u.a. mit Blick auf die Gestaltung professioneller Fachkraft-Kind-Interaktionen.
Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann ist Professorin für Allgemeine Pädagogik und Sozialpädagogik mit dem Schwerpunkt Frühpädagogik an der Freien Universität Bozen an der Fakultät für Bildungswissenschaften. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte liegen u.a. in der Erziehung und Bildung in der Kindheit, der Dokumentarischen Kindheitsforschung sowie der Professionalisierung und Qualitätsentwicklung.
Prof. Dr. Marjan Alemzadeh ist Professorin für Pädagogik mit dem Schwerpunkt frühkindliche Bildung an der Hochschule Rhein-Waal im Studiengang Kindheitspädagogik. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte liegen u.a. in der Kindheits- und Bildungsforschung sowie der Beobachtung und Dokumentation.
Weitere AutorInnen haben an dem Herausgeberwerk mitgewirkt: Kirsten Amlong, Christine Beckerle, Susanne Böckmann, Peter Cloos, Jan-Henning Ehm, Juliane Engel, Dominik Farrenberg, Carola Frank, Frauke Gerstenberg, Janna Gießelmann, Margarete Jooß-Weinbach, Mirja Kekeritz, Lisa Keller, Christina Küsshauer, Stefani Linck, Steffen Loick Molina, Katja Mackowiak, Matthias Mai, Christoph Mischo, Regine Morys, Lisa-Marie Munk, Svenja Peters, Gabriel Schoyerer, Bastian Walther, Lena Sophie Weihmayer, Marion Weise, Katrin Wolstein.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich nach einem Vorwort von den Herausgeberinnen Dörte Weltzien und Heike Wadenpohl in 14 thematische Kapitel. Es schließt ab mit Angaben zu den mitwirkenden AutorInnen und umfasst insgesamt 420 Seiten.
- Einleitung: Frühpädagogischen Alltag gestalten und erleben: Die Autorinnen Marjan Alemzadeh und Iris Nentwig-Gesemann stellen ausgehend von der Darlegung der Bedeutsamkeit des Alltags in Kindertageseinrichtungen, die Intention und die Inhalte des vorliegenden Herausgeberwerkes, vor.
- Interaktions(spiel-)räume an der Schnittstelle von Kita und Grundschule: Mirja Kekeritz stellt zwei rekonstruierte Interaktionsmuster von PädagogIn – Kind Interaktionen vor, die auf Grundlage von Video- und anderen Beobachtungsdaten im Rahmen einer ethnographischen Studie zur institutionsübergreifenden Kooperationsarbeit zwischen Kita und Grundschule entstanden sind.
- Der pädagogische Alltag in Kindertageseinrichtungen als Ordnungsgeschehen. Ethnographische Einsichten in ein als selbstverständlich vorausgesetztes Begriffskonzept: Dominic Farrenberg reflektiert in seinem Beitrag das „Alltägliche“ der Pädagogik, sowie das „Pädagogische“ des Alltags.
- Zwischen stand-by und action – Zur Akteurschaft von Kindern unter drei Jahren im Freispiel: Die AutorInnen Juliane Engel, Carola Frank, Steffen Loick Molina und Lena Sophie Weihmayer gehen in ihrem Beitrag der Frage nach, wie Kinder das „Freispiel“ als idealtypischen Raum für kindliche Eigenständigkeit ko-produzieren.
- Sprachliche Interaktionsgestaltung von pädagogischen Fachkräften mit Kindern mit Migrations-/​Fluchthintergrund am Anfang des Deutscherwerbs: Christine Beckerle widmet sich in ihrem Beitrag dem Einsatz spezifischer Sprachfördertechniken in dyadischen Bilderbuchbetrachtungen.
- Doing Inclusion in Grenzarbeit. Modi multiprofessioneller Zusammenarbeit in frühpädagogischen Settings: Peter Cloos und Frauke Gerstenberg stellen Ergebnisse ihrer qualitativ-rekonstruktiven Studie vor, bei welcher in Teamgesprächen und im Sprechen von Fachkräften die hervorgebrachte „doing inclusion“ beleuchtet werden.
- Kinder als Akteure – Partizipation in der Eingewöhnung?: Marjan Alemzadeh geht in ihrem Beitrag der Frage nach, inwiefern bereits jungen Kindern Partizipation in der Eingewöhnung ermöglicht werden kann.
- Interaktionen in Kindertageseinrichtungen gestalten – Wie hängen bereichsspezifische Selbstwirksamkeitserwartungen frühpädagogischer Fachkräfte und die Qualität ihres Interaktionsverhaltens zusammen?: Die vorgestellte Studie von Katrin Wolstein, Jan-Henning Ehm, Svenja Peters und Christoph Mischo untersucht, ob es im deutschen Sprachraum Zusammenhänge zwischen Selbstwirksamkeitserwartungen und Interaktionsqualität in Alltagssituationen in der Kita gibt.
- Irritationen an der Schnittstelle zwischen Familie und Kindertageseinrichtung – rekonstruktive Perspektiven von pädagogischen Fachkräften auf die Arbeit mit geflüchteten Eltern und Kindern: Der Beitrag von Regine Morys und Marion Weise geht der Frage nach, welche Orientierung Fachkräfte in der pädagogischen Arbeit mit geflüchteten Kindern und ihre Familien in Transitionsprozessen, leisten.
- Mittagessen in der Kita im Spannungsfeld von Norm und Habitus. Praktiken von Kindern und pädagogische Interaktionen in dokumentarischer Analyse: Iris Nentwig-Gesemann, Bastian Walther und Lisa-Marie Munk gehen der Beantwortung der Forschungsfrage nach, welche Formen des Umgangs Kinder mit dem Spannungsverhältnis zwischen den normativen Rahmungen und der alltäglichen gemeinschaftlichen Praxis des Essens finden und in welchen Interaktionsmodi zwischen Fachkräften und Kindern sich dies entfaltet.
- Kindzentrierung und Gruppenmanagement – ein Spannungsfeld im pädagogischen Alltag: In dem Beitrag von Carola Frank, Margarete Jooß-Weinbach, Steffen Loick Molina und Gabriel Schoyerer werden professionelle Praktiken in den Blick genommen, die aufzeigen wie Fachkräfte im Alltag zwischen individueller Zuwendung eines einzelnen Kindes und Management der Gesamtgruppe wechseln.
- Mikroanalytische Erfassung einer lernunterstützenden Interaktionsgestaltung durch pädagogische Fachkräfte im Kita-Alltag: Matthias Mai, Lisa Keller, Stefani Linck und Katja Mackowiak stellen in ihrem Beitrag das Beobachtungsinstrument B-LuKa sowie erste Ergebnisse aus dem Projekt KoAkiK, vor.
- Die Gestaltung wertschätzender Fachkraft-Kind-Interaktionen im Kita-Alltag -Weiterentwicklung und Ergebnisse des WSI-R-Ratingverfahrens: Heike Wadepohl, Susanne Böckmann, Janna Gießelmann und Christina Küsshauer legen die überarbeitete Version des Wertschätzungs-Ratings (WSI-R) sowie Ergebnisse des WSI-R die anhand von Videodateien aus dem KoAkiK-Projekt gewonnen werden konnten, dar.
- Bildungs- und Erziehungspartnerschaft als Arbeitsbündnis?: In ihrem Beitrag stellt Kirsten Amlon (Professions-)Theoretische Erkundungen zur Zusammenarbeit von pädagogischen Fachkräften und Eltern in Kindertageseinrichtungen, vor.
Diskussion
Die Beiträge aus dem Herausgeberwerk „Forschung in der Frühpädagogik XIII. Frühpädagogischen Alltag gestalten und erleben“ beinhalten aktuelle Erkenntnisse aus Forschungsprojekten zu relevanten Alltagsthemen von Kindertageseinrichtungen.
Das Buch trägt dazu bei, den wissenschaftlichen Kenntnisstand im Feld der Frühpädagogik weiterauszubauen und Forschungsdesiderata im Bereich Alltagsforschung in Kindertageseinrichtungen zu schließen, auch wenn die Autorinnen Almadezeh und Nentwig-Gesemann hier zurecht anmerken, dass noch viel Forschung notwendig ist, um dieses komplexe Feld umfassend zu erschließen (S. 18 f.).
Die Herausgeberinnen verfolgen den Anspruch einerseits Fachbeiträge auf einem hohen wissenschaftlichen und forschungsmethodischen Niveau zu veröffentlichen die andererseits eine hohe Anschlussfähigkeit an die frühpädagogische Praxis haben, diesem Anspruch werden sie gerecht, so zeigt u.a. der Beitrag von Alemzadeh anhand von konkreten Beispielen sehr praxisbezogen auf, dass der Eingewöhnungsverlauf von Kindern in der Kindertageseinrichtung immer einen komplexen wechselseitigen Prozess darstellt (S. 197 ff.).
Der überwiegende Teil der Forschungsbeiträge in diesem 13. Band in der Reihe Materialien zur Frühpädagogik des Verlag Forschung – Entwicklung – Lehre, hat ein qualitativ ausgerichtetes Forschungsdesigne, dass lässt sich darauf zurückführen, dass qualitative Studien bevorzugt werden, um sich das Feld zunächst zu erschließen und Hypothesen/​Theorien zu generieren. Aufgrund der großen wissenschaftlichen Resonanz zu diesem Thema, wird ein zweiter Band zur gleichen Thematik erscheinen, ggf. finden hier mehr quantitativ ausgerichtete Fragestellungen Raum. Interessant wäre außerdem ein international vergleichender Blick auf die Alltagsgestaltung in frühpädagogischen Settings.
Fazit
Das vorliegende Buch bietet einen sehr guten Überblick über aktuelle Studienergebnisse zu Forschungsthemen, die sich mit frühpädagogischen Alltagssituationen auseinandersetzen und bietet gleichzeitig einen Einblick in verschiedene Forschungsdesigns.
Es richtet sich an WissenschaftlerInnen aus dem Feld der Frühpädagogik. Darüber hinaus kann es für Studierende der Kindheitspädagogik und angrenzende Disziplinen interessant sein, um sich tiefergehend mit Forschungsdesigns und Forschungsfragestellungen anhand aktueller Studien auseinanderzusetzen.
Rezension von
Dr. Lisa Jares
Pädagogische Fachberaterin für Kindertageseinrichtungen, Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen in kindheitspädagogischen Studiengängen und Redakteurin des frühpädagogischen Fachportals ErzieherIn.de.
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