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Jana Hühmer-Wittig: Pflegewissenschaft

Rezensiert von Prof. Dr. Michael Schilder, 21.04.2023

Cover Jana Hühmer-Wittig: Pflegewissenschaft ISBN 978-3-7585-6002-6

Jana Hühmer-Wittig: Pflegewissenschaft. Verlag Europa-Lehrmittel Nourney, Vollmer GmbH & Co. KG (Haan-Gruiten) 2021. 198 Seiten. ISBN 978-3-7585-6002-6. D: 22,00 EUR, A: 22,70 EUR.
Europa Fachbuchreihe für Berufe im Gesundheitswesen.

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Thema der Publikation

Dieser Band mit dem Titel Pflegewissenschaft beinhaltet eine weitere Publikation in der EUROPA Fachbuchreihe für Berufe im Gesundheitswesen. Sie ist als Lehr- und Lernbuch für die Einführung in den Gegenstandsbereich der Pflegewissenschaft konzipiert. Mit der Bezugnahme auf ausgewählte pflegewissenschaftliche Theorien und deren Transfer auf pflegerische Handlungsfelder, richtet es sich an Auszubildende in Pflegeberufen sowie an Studierende der Pflegewissenschaften wie auch an Lehrpersonen der unterschiedlichen Ausbildungsebenen. Diese Zielsetzung schließt damit an den Rahmenlehrplan der generalistischen Pflegeausbildung an. Neben dem Bereich der Pflegetheorien wird auch die Pflegeforschung mit ihren Grundstrategien und der Transfer von Forschungsergebnissen im Rahmen von Evidence-based Nursing im Überblick angesprochen. Die prüfungsrelevanten Inhalte qua Rahmenlehrplan sind kompetenzbereichsintegrativ ausgearbeitet und mit Lernsituationen ergänzt.

Zu der Autorin

Jana Hühmer-Wittig ist examinierte Krankenschwester, Dipl.-Pflegewirtin (FH) und Master of Science in Pflegewissenschaft. Nach ihrer praktischen Tätigkeit in verschiedenen Handlungsfeldern der Pflege, ist sie im pädagogischen Bereich tätig und verantwortet einen Pflegestudiengang (B.Sc.) als wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Entstehungshintergrund

Hintergrund für die Publikation ist die nach dem Pflegeberufegesetz neu konzipierte Pflegefachausbildung und hochschulische Pflegeausbildung, im Rahmen deren Konzeption und Didaktik sich dieser Band dem Schwerpunktthema Pflegewissenschaft widmet und damit in Konkurrenz zu etablierten Einführungswerken der Pflegewissenschaft tritt, die zum Erscheinungsdatum dieses Bandes jedoch noch nicht an die neue Ausbildungsgrundlage angepasst waren.

Aufbau und Inhalt

  • 1 Einführung in die Pflegewissenschaft
  • 2 Pflegetheorien und Pflegemodell – eine Einführung
  • 3 Ausgewählte Pflegetheorien und ihre Anwendungsmöglichkeiten
  • 4 Pflegeforschung
  • Anhang, Glossar, Bildquellen-, Sachwortverzeichnis und Vita.

Der Aufbau des Buches unterteilt sich zuerst in eine generelle Einführung in die Pflegewissenschaften, bevor dann Pflegetheorien und ihre Unterscheidungskriterien allgemein und dann auf dieser Basis spezifisch im Hinblick auf ausgewählte Pflegetheorien und -modelle dargelegt werden.

Komprimiert werden zentrale Begriffe wie Pflegeforschung und Grundprinzipien der Pflegewissenschaft, gesetzliche Grundlagen, historische Entwicklungen im internationalen und nationalen Bereich und Einblicke in die Expertenstandards skizziert, optisch durch Abbildungen untermalt, durch Zwischenzusammenfassungen pointiert und mit Aufgaben für Lernende beschlossen.

Differenziert werden unterschiedliche Rollen von Pflegefachpersonen in der Umsetzung pflegewissenschaftlichen Wissens in die Praxis. Am Ende eines Kapitels findet sich jeweils ein Literaturverzeichnis, wohingegen im Text selbst Literaturangaben nicht konsequent ausgewiesen sind.

Die ausgewählten Pflegetheorien nehmen auf die Ansätze von Dorothea Orem, Monika Krohwinkel, Erwin Böhm, Hildegard Peplau, Calista Roy und Friedemann & Köhlen Bezug. Sie enthalten biografische Angaben zur jeweiligen Theoretiker:in, Einordnung der Theorie, ausgewählte spezifische Konzepte daraus und für das Selbststudium konzipierte weitere Aufgabenstellungen und Konkretisierung an einem Fallbeispiel mit Aufgaben.

Das vierte Kapitel beleuchtet dann auf dieser Basis den Gegenstand der Pflegeforschung, deren Grundzüge und Ziele zunächst dargelegt werden, bevor einige „Denk-Werkzeuge“ und Wissensquellen der Pflege beleuchtet werden, in deren Kontext dann die Spezifika von Forschung herausgearbeitet werden. Daneben finden auch ethische Aspekte der Pflegeforschung Erwähnung.

Ein Schwerpunkt wird hierbei auf die Einwilligungserklärung gelegt. Auf dieser Basis werden methodische Gesichtspunkte der quantitativen und der qualitativen Pflegeforschung angerissen. Diese werden jeweils in ihren Grundzügen in den Blick genommen: Design, Erhebungs- und Auswertungsformen, Darstellungsweisen und Gütekriterien. Dann wird gesondert auf den Forschungsprozess eingegangen, dessen Varianten mit dem Pflegeprozess verglichen werden. Diese Ausführungen betonen eher die Logik in der Konzipierung und der Umsetzung der zuvor im Abschnitt beschriebenen methodischen Grundlagen. Hierbei wird auch auf Strategien der Literaturrecherche Bezug genommen. Des Weiteren finden auch die kritische Bewertung unterschiedlicher Studientypen Beachtung, wozu ausgewählte „Prüfbögen“ der Universität Halle zitiert werden. Dann wird auf die Forschungsanwendung im Rahmen von Evidence-based Nursing eingegangen.

Diskussion

Die Zusammenstellung einer kompakten Einführung, für die es in der deutschsprachigen Pflegefachliteratur mehrerer Einführungswerke bedarf, die zudem regelmäßig aktualisiert werden, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die diese Publikation im Sinne einer groben Einführung durchaus Rechnung trägt. Dennoch sind im Text kleinere Unschärfen und Ungenauigkeiten zu erkennen. Zudem erfolgt die Darstellung der Pflegetheorien nicht durchgehend auf dem neuesten Stand (Weiterentwicklung Orems Ansatz vgl. Bekel 2021).

Für ein Einführungswerk in ein Studienfach nicht unproblematisch ist, dass Quellen nicht durchgängig angegeben werden (z.B. S. 22, 157). Wo die der Theoriebesprechung angegliederten Fallbeispiele Pflegesituationen beschreiben und theoriespezifische Fragen dazu beinhalten, wäre eine fallspezifische Aufbereitung dieser Daten gewesen wünschenswert gewesen, um in der Gegenüberstellung der dargestellten Theorien ihre jeweiligen klinischen Anwendungsschwerpunkte zu verdeutlichen. So bleibt dieser Schritt der Leserin selbst überlassen. Darin hätte gerade aber eine (weitere) Stärke dieser Publikation bestehen können und sich in dieser Hinsicht von ähnlichen einführenden Lehrbüchern abheben können.

Bei der Visualisierung Krohwinkels Rahmenmodell (S. 52) fehlen mit den Einflussfaktoren entscheidende Komponenten, die für das Verständnis dieses Ansatzes in der Anwendung des Pflegeprozesses notwendig sind. Auch hier werden aktuelle Publikationen, wie in der Ausgabe von 2013 in Form der Neustrukturierung der ABEDL nicht erwähnt (S. 53), auch wenn diese Publikation im Literaturverzeichnis angegeben wird. Zudem fällt auf, dass das zentrale Fallbeispiel sich jeweils in Anschluss an die Darstellung der meisten Theorie wiederholt.

Im Kapitel zur Pflegeforschung hätte im Kapitel ethische Grundsätze der aktuellen Pflegeforschung noch mehr auf die entsprechenden Grundlagen der DGP und der DGSVO eingegangen werden müssen (stattdessen wird sich auf eine ältere Publikation bezogen: Burns & Grove 2005). Im Unterkapitel zum quantitativen Forschungsansatz wird mit einer älteren Ausgabe von Behrens & Langer (2010) gearbeitet (S. 145), auch hier sollte auf aktuelle Literatur zurückgegriffen werden. Bei der Darstellung der Designs qualitativer Forschung wäre es empfehlenswert, die Stringenz auf diese Designs angesichts der Vielfalt und Neuentwicklungen auf diesem Gebiet herausnehmen (S. 153, vgl. hierzu beispielsweise Fringer & Schrems 2018, 2023). Von der Struktur her wäre es logisch zuerst auf die Designs und dann auf die Erhebung einzugehen (S. 152). Noch dazu wird bei der Darstellung des Forschungsprozesses unzureichend auf die Varianten qualitativer Forschung eingegangen: der dargestellte Ablauf orientiert sich eher an der quantitativen Forschungslogik, teils eindeutig an der Begrifflichkeit erkennbar (wie z.B. Hypothese formulieren, Prätest. Diese Begriffe haben natürlich auch in der qualitativen Forschung Bedeutung, nicht aber in der Logik quantitativer Forschung).

In formaler Hinsicht fallen gelegentliche Rechtschreibfehler auf (S. 24, 86, 103, 155). Recht eindimensional wird auch auf ein Schema zur Strukturierung von Forschungsfragen eingegangen (PIKE), wohingegen auch qualitative Denklogiken einbeziehende Strukturen außer Acht gelassen werden (vgl. Nordhausen & Hirt 2022).

Schlussendlich ist zu konstatieren, dass diese komprimierte Einführung in die Pflegewissenschaft durchaus für die berufliche Ausbildung Orientierung und einen ersten Einstieg in die Materie bieten kann. So helfen z.B. die Visualisierungen, die komplexe Materie zu veranschaulichen. Doch bereits im Kontext eines grundständigen Pflegestudiums kann es sich nicht gegenüber etablierten Einführungswerken in die Pflegewissenschaft behaupten, da der vorliegende Band nicht konsequent genug wissenschaftliche Standards einhält. Dennoch ist diese Publikation sehr lesenswert zum Einstieg in den Gegenstandsbereich der Pflegewissenschaft.

Fazit

Diese Einführung in den Gegenstandsbereich der Pflegewissenschaft spannt einen breiten thematischen Bogen auf, kann einen Einstieg in die Materie und für angehende Pflegefachpersonen erste Orientierung bieten. Für ein Pflegestudium sollten die einschlägigen Einführungswerke unbedingt hinzugezogen werden.

Rezension von
Prof. Dr. Michael Schilder
Professor für klinische Pflegewissenschaft an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt
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Es gibt 16 Rezensionen von Michael Schilder.

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Zitiervorschlag
Michael Schilder. Rezension vom 21.04.2023 zu: Jana Hühmer-Wittig: Pflegewissenschaft. Verlag Europa-Lehrmittel Nourney, Vollmer GmbH & Co. KG (Haan-Gruiten) 2021. ISBN 978-3-7585-6002-6. Europa Fachbuchreihe für Berufe im Gesundheitswesen. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29200.php, Datum des Zugriffs 07.06.2023.


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