Gabriele Müller-Engels, Braun: Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis
Rezensiert von Hans-Joachim Dörbandt, 03.08.2022

Gabriele Müller-Engels, Braun: Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis. Carl Heymanns Verlag (Köln) 2022. 6. Auflage. 473 Seiten. ISBN 978-3-452-29799-0. D: 89,00 EUR, A: 91,50 EUR.
Thema
Das Betreuungsrecht dient dem Schutz und der Unterstützung erwachsener Menschen, die wegen einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst regeln können und deshalb auf die unterstützende Hilfe anderer angewiesen sind. Eine solche Situation kann nicht nur aufgrund einer Krankheit eintreten, sondern zum Beispiel auch durch einen Unfall, in dessen Folge die betroffene Person ganz oder teilweise handlungsunfähig wird. In diesen Fällen kann die Bestellung eines rechtlichen Betreuers bzw. einer rechtlichen Betreuerin erforderlich sein.
Die Betreuung nach dem BGB als Rechtsfürsorge zum Wohl des betroffenen Menschen ist an die Stelle von Entmündigung, Vormundschaft für Erwachsene und Gebrechlichkeitspflegschaft getreten. Das Wesen der Betreuung besteht darin, dass für eine volljährige Person ein Betreuer bestellt wird, der in einem genau festgelegten Umfang für sie handelt. Das Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Menschen soll dabei gewahrt bleiben, soweit dies möglich und seinem Wohl zuträglich ist. Seine Wünsche sind in diesem Rahmen beachtlich, was auch bis in den Bereich der Vorsorgeverfügungen reicht.
Im Rahmen der Betreuertätigkeiten und damit im Zusammenhang stehenden Vorsorgefragen ergeben sich oftmals ungeahnte Probleme, mit denen der einzelne ehrenamtliche Betreuer oder auch Berufsbetreuer u.U. völlig überfordert sein kann. Hier ist dann guter Rat notwendig, aber ggf. auch teuer. Das insbesondere dann, wenn dafür juristischer Fachverstand eingeholt wird.
Das vorliegende Buch liefert hier in seiner sechsten Auflage gute Hilfestellungen insbesondere bei aktuellen Rechtsfragen.
Autorin und Autor
Dr. Gabriele Müller-Engels ist Rechtsanwältin und Referatsleiterin für Erb- und Familienrecht am Deutschen Notarinstitut in Würzburg.
Christian Braun ist Notar in Bad Reichenhall.
Entstehungshintergrund
Die Zahl der rechtlichen Betreuungen steigt seit Jahren, nicht zuletzt dadurch gerät das Thema „Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen“ zunehmend in das Bewusstsein der Bevölkerung. Und damit steigt auch der Bedarf an kundiger Beratung in einem so wesentlichen und persönlichen Bereich des Lebens. Mit der größeren Verbreitung offenbaren sich aber auch zunehmend Probleme in der Praxis – sei es in der Beratung, der Beurkundung oder der Ausübung von Betreuungen und der Anwendung von Vollmachten. Das interdisziplinäre Miteinander von Juristen und Medizinern, oftmals in Ausnahmesituationen agierende Angehörige und die Notwendigkeit, für alle Beteiligten eindeutig erkennbare und damit schnell umsetzbare Regelungen zu schaffen, unterstreichen dabei die besondere Anforderung an die Notaren und die von ihnen formulierten Urkunden.
In gewohnt praxisbezogener Weise widmen sich die Autorin und der Autor des unter Notaren bereits als „Klassiker der Vorsorgevollmachtsgestaltung“ geltenden Werks allen „Vorsorgeinstrumenten“, die das geltende Recht den Betroffenen zur Verfügung stellt – immer mit dem Ziel, deren Selbstbestimmungsrecht zu stärken.
Zu jedem Aspekt bietet das Werk konkrete Fallbeispiele und Formulierungshilfen für die Praxis. Letztere können mit dem enthaltenen Code zur Übernahme in die eigene Textverarbeitung heruntergeladen werden. Dazu kann noch die grundlegende Vormundschafts- und Betreuungsrechtsreform genannt werden, die zum 01.01.2023 in Kraft treten wird. Aufgrund dieser umfassenden Strukturreform werden große Teile des Familienrechts nicht nur verschoben und neu gegliedert, sondern auch inhaltlich modernisiert. Die umfangreichen Änderungen im Betreuungsrecht wirken sich auch auf die Vorsorgevollmacht aus, die der Gesetzgeber weiterhin fördern will und deren große Wertschätzung sich in Zubilligung eines eigenen Paragrafen (§ 1820 BGB n.F.) niederschlägt. In diesem Zusammenhang gibt es zahlreiche inhaltliche Neuerungen, wie z.B. die Neuregelung des Widerrufs der Vorsorgevollmacht sowie die Neueinführung einer Suspendierungsmöglichkeit, die Neuregelung der Schenkungsmöglichkeiten durch Betreuer, die Neufassung der betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernisse, die Neueinführung eines gesetzlichen Vertretungsrechts in Angelegenheiten der Gesundheitssorge (§ 1358 BGB n.F.) sowie die erstmalige Einführung eines Begünstigungsverbotes für Berufsbetreuer (§ 30 BtOG).
Viele bereits bekannte Fragen stellen sich im Zusammenhang mit der Reform neu, wie beispielsweise die nach den Anforderungen an die Formulierung von Vollmachten im engeren Personensorgebereich (Konkretisierungserfordernis), die Frage nach dem Kreis geeigneter Bevollmächtigter, der vom Gesetzgeber weiter eingeschränkt worden ist, sowie die Frage nach der Beglaubigungskompetenz der Betreuungsbehörde (§ 7 BtOG). Da viele Änderungen schon jetzt für die Gestaltungspraxis wichtig und zu beachten sind, wurde das Erscheinen der Neuauflage bewusst vor das Inkrafttreten der Reform gelegt. Es ist den Autoren ein großes Anliegen, den beratenden Notar bzw. Anwalt schon jetzt auf die anstehenden Änderungen durch die Reform vorzubereiten. Gleichzeitig gibt es einige Abschnitte im Buch, die angesichts der aktuellen Entwicklungen von Rechtsprechung und Wissenschaft eine grundlegende Überarbeitung erfahren haben, wie z.B. die Ausführungen zu Sorgerechtsvollmachten, zur „digitalen Vorsorge“ sowie zur bereits erwähnten unternehmensbezogenen Vorsorgevollmacht.
Neu in der 6. Auflage ist explizit zu erwähnen:
- Einarbeitung der grundlegenden Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (Inkrafttreten zum 01.01.2023) unter Aufzeigung der für die notarielle Praxis relevanten Änderungen und Neuerungen.
- Darstellung des neu eingeführten gesetzlichen Vertretungsrechts für Ehegatten in Gesundheitsangelegenheiten und dessen Verhältnis zu den Vorsorgeverfügungen.
- Erläuterung der neuen Rahmenbedingungen v.a. für die Vorsorgevollmacht z.B. Neuregelung der Überwachung des Bevollmächtigten (Kontrollbetreuung), des Widerrufs der Vorsorgevollmacht und der Möglichkeit der gerichtlichen Suspendierung der Vollmacht.
- umfassende Aktualisierung anhand der umfangreichen höchstrichterlichen Rspr. z.B. zu Beglaubigungskompetenz der Betreuungsbehörde, Rücktritt vom Erbvertrag gegenüber dem Vorsorgebevollmächtigten des geschäftsunfähigen Vertragspartners.
Aufbau und Inhalt
Das Buch besteht aus vier Kapiteln und einem Anhang. Es handelt sich wie bei der Vorauflage wiederum um einen juristischen Kommentar der Themenbezogen aufgebaut ist. Ein Vorwort, ein Autoren- und Bearbeiterverzeichnis, eine Inhaltsübersicht, ein Inhaltsverzeichnis und ein Abkürzungsverzeichnis sowie ein Literaturverzeichnis sind dem Buch vorangestellt. Das Buch gliedert sich dann in seine vier praxisbezogenen Themenabschnitte, die dann sehr ausführlich kommentiert werden:
Kapitel
Kapitel 1 Betreuungsrecht
Kapitel 2 Vorsorgeverfügungen
Kapitel 3 Sonderfragen (IPR, Unternehmervorsorgevollmacht, Digitaler Nachlass, Sorgerechtsverfügung
Kapitel 4 Formulierungsmuster
Anhänge
Anhang 1 Verordnung über das Zentrale Vorsorgeregister (Vorsorgeregister-Verordnung – VregV)
Anhang 2 Satzung über die Gebühren in Angelegenheiten des Zentralen Vorsorgeregisters (Vorsorgeregister-Gebührensatzung – VRegGebS)
Anhang 3 Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen (ESÜ)
Stichwortverzeichnis
Das Zitieren einschlägiger Kommentarstellen erfolgt mittels eines Randnummernsystems, welches der hergebrachten Kommentierungstechnik im Bereich der Jurisprudenz folgt. Den Text selbst durchziehen in fetter Schrift gesetzte wichtige einzelne Stichworte, sodass auch insofern eine Orientierung und ein Auffinden bestimmter Textstellen möglich sind. Darüber hinaus folgen neben dem Literaturverzeichnis in zahlreichen Kommentierungen zusätzlich Literaturangaben, sodass darüber weitere Literatur erschließbar ist.
Die Formulare des Werkes können mit einem Textverarbeitungsprogramm weiter bearbeitet werden. Dazu bedarf es einer Registrierung mit einem mitgelieferten Zugangscode.
Diskussion
Das Buch verknüpft in bewährter Manier Rechtswissen mit Hintergrundinformationen: Auf kompaktem Raum werden die Gesetze, Verordnungen, Rechtsänderungen und weitere Vorschriften präzise dargestellt. Es ist in der sechsten Auflage grundlegend optimiert für das schnelle Auffinden von Informationen und Rechtsgrundlagen und ist deshalb besonders geeignet als Begleiter für die Praxis sowie für Situationen, bei denen man schnell einen Überblick bekommen muss.
Personen, die im sozialen Bereich ihre Arbeit erfüllen oder eine Betreuung – ehrenamtlich oder als Berufsbetreuer – übernommen haben, sind – wie bereits dargestellt – mit zum Teil schwierigen juristischen Zusammenhängen konfrontiert.
Die Anwendung des Rechts ist nicht allein dem Juristen vorbehalten. Vielmehr beeinflusst und verändert auch der soziale Rechtsanwender Lebenssituationen, indem er Sachverhalte einer konkreten Lösung zuführt. Hierzu benötigt er praxisnahe rechtsübergreifende Fachliteratur.
Der Kommentar erfüllt diese Anforderungen: Insbesondere für Berufs- und ehrenamtliche Betreuer, Notare, Angehörige beratender Berufe und interessierte Laien ist er die zuverlässige Arbeitshilfe in allen Betreuungs- und Vorsorgefragen. Der praktische Nutzen steht im Mittelpunkt dieses Buchs.
Fazit
Der Kommentar ist insgesamt betrachtet vollumfänglich zu empfehlen. Er erläutert mit seinem direkten Praxisbezug das Betreuungsrecht mit dem Komplex der Vorsorgeverfügungen verständlich, praxisnah und auf einem hohen fachlichen Niveau. Mit den online zugänglichen Formularmustern, die in einer Textverarbeitung verwendet werden können, erhält das Werk einen besonderen Praxisbezug. Die Ausführungen sind breit angelegt und gehen in die Tiefe. Er ist daher jedem Praktiker der mit diesen beiden Rechtsbereichen in der Praxis konfrontiert wird zur Anschaffung zu empfehlen. Die Zielgruppe des Buches sind überwiegend Notare, Rechtsanwälte, Beschäftigte in Betreuungsvereinen oder Betreuungsbehörden sowie hauptberufliche Betreuer, ehrenamtliche Betreuer oder sonstige interessierte Personen für die Nutzung in der täglichen Praxis. Das Werk unterstützt nicht nur diese Praktiker der Rechtsanwendung; ihnen allen ist der Kauf des Buches ohne jeden Zweifel sehr zu empfehlen.
Rezension von
Hans-Joachim Dörbandt
Fachautor in den Bereichen Pflege, gesetzliche Pflegeversicherung, gesetzliche Krankenversicherung
Mailformular
Es gibt 132 Rezensionen von Hans-Joachim Dörbandt.