Claus Nowak, Manfred Gellert: Teamarbeit, Teamentwicklung, Teamberatung
Rezensiert von Thomas Reinhardt, 01.06.2022
Claus Nowak, Manfred Gellert: Teamarbeit, Teamentwicklung, Teamberatung. Ein Praxisbuch für die Arbeit in und mit Teams. Limmer Verlag (Meezen) 2021. 6. veränderte Auflage. 462 Seiten. ISBN 978-3-928922-44-9.
Autor, Thema und Entstehungshintergrund
Seit der ersten Auflage 2002 des Praxisbuchs zur Teamarbeit von Gellert und Nowak sicherte sich dieser rote Band einen festen Platz in der Beratungsbibliothek. Auch ist er in mehrere Sprachen übersetzt worden. Gellert und Nowak sind sowohl Praktiker als auch Lehrende und schöpfen aus einem jahrzehntealten Erfahrungsschatz in der „Arbeit in und mit Teams“. In der vorliegenden 6. Auflage wurde insbesondere für den ersten Teil „Teamarbeit“ das Wissen von Dr. Hilke Posor zur Arbeit mit virtuellen Teams genutzt, um auch Formaten, die nicht im Präsenzmodus stattfinden, gerecht zu werden. Die Autoren betonen, dass für Teamentwicklung und Teamberatung in der Regel Präsenzformate nötig sind. Wer eine frühere Auflage des Werks kennt, findet Neues in diesem Buch insbesondere zum Thema Konfliktmanagement und zu interkulturellen Teams.
Aufbau
Die Autoren lassen sich von zwei Fragen leiten, die sie in der Einführung (Seite 13) formulieren:
- Was ist hilfreich zum Verständnis von Teamprozessen?
- Was ist nützlich für die konkrete Arbeit in und mit Teams?
So ist auch das Buch aufgebaut. Differenziert in die drei Bereiche Teamarbeit, Teamberatung und Teamentwicklung werden zunächst die Themen und Dynamiken beschrieben. Diese drei Teilbereiche schliessen jeweils mit einem «Werkzeugkasten» ab. Dieser stellt Materialien für die konkrete Umsetzung in der Beratung zur Verfügung. Dadurch sind sämtliche Tools aus den vorhergehenden Ausführungen theoretisch unterlegt und können auf der Basis dieses Hintergrundwissens praxisorientiert von Beraterinnen und Beratern und auch von Teams zum besseren Verständnis ihrer Zusammenarbeit eingesetzt werden. Das Buch ist übersichtlich mit grosszügiger Typographie und rosa hervorgehobenen Merkkästchen, resp. zusammenfassenden Grafiken gestaltet.
Inhalt
In der Einführung auf Seite 15 findet sich ein solcher Merkkasten zur Differenzierung der drei Teile und gliedert diese in die Bereiche «Anlass», «Zeitraum», «Zielpersonen» und «Notwendigkeit externer Unterstützung?» Letzteres ist im Bereich der Teamberatung erforderlich. Bei der Teamentwicklung kann sie sinnvoll sein und bei der Teamarbeit ist sie nicht nötig.
Im ersten Teil zur Teamarbeit wird festgehalten, was ein Team überhaupt ist. Die Autoren streichen folgendes hervor: „Aller Erfahrung nach sollte ein Team sinnvollerweise aus drei bis acht Personen bestehen“ (Seite 21). Sie verweisen dabei auf Litke (1995), der die Abhängigkeit der „Gefahr von Denk- und Vorgehensfehlern“ mit der „Teamgrösse“ beschreibt und feststellt, dass ein Optimum bei Teamgrössen zwischen 2–8 Fachleuten erreicht wird. Spannend zu lesen ist auch, die seit 50 Jahren zu beobachtende Entwicklung des Teambegriffs, der in den 1970er Jahren eine regelrechte Bewegung entstehen liess. Zunächst ging es dabei vor allem um die Schaffung „emotionaler Geborgenheit“ (Seite 23 mit Bezug auf Lumma, 1994). Der Teambegriff wurde inflationär gebraucht und hier möchte ich aus dem Buch zitieren (ebda.): „Überall wo Menschen in irgendeiner Weise zusammenarbeiten, definieren sie sich als Team. Die unpräzisen Beschreibungen und die damit verbundenen falschen Erwartungen führten häufig zu grossen Enttäuschungen bei allen Beteiligten.“ Und weiter unten: „Dahinter stand neben einem überhöhten Anspruch freundschaftlicher Nähe oft der Versuch, unbequemen Fragen nach Hierarchie und Leitung aus dem Weg zu gehen (Wir sind doch schliesslich ein Team!).“
Im Folgenden werden die Themenbereiche, die (auch) zum Verständnis der basalen Dynamiken in Teams notwendig sind, behandelt: z.B. Vertrag als Voraussetzung, Feedback, Rollen, Besprechungsgefässe bis hin zur Strategieentwicklung. Abgerundet wird mit dem Exkurs zur Arbeit mit virtuellen Teams von Posor. Sie beschreibt Chancen und Grenzen sowie auch hybride Formen. Ganz praktisch folgt auch eine Gegenüberstellung häufig genutzter Plattformen. Frau Posor weist auf die Tools des Werkzeugkastens hin, die auch für virtuelle oder agile Teamarbeit genutzt werden können. So findet sich zum Beispiel der Hinweis, die SWOT Analyse mit Whiteboards im virtuellen Teamraum durchzuführen. Ganz praxisorientiert – hier wie auch in den beiden anderen Teilen – ist das Buch überaus hilfreich mit dem Werkzeugkasten zur Teamarbeit. Von Spielregeln, über den Aufbau von Workshops, der Gestaltung von Meetings bis hin zur Arbeit mit Szenarien findet sich so ziemlich alles was ein Team mit oder ohne externe Beratung auf dieser Ebene benötigt, um zielorientiert die weitere Entwicklung zu gestalten. Bevor dieser Deckel geschlossen wird, findet sich noch eine Checkliste für hybride Teams.
Teamentwicklung: oft ein Begriff, der für alles verwendet, was in diesem Buch beschrieben wird. Einleitend zum zweiten Teil des Buches folgender Hinweis der Autoren: „Grundsätzlich ist unsere Haltung zur Teamentwicklung dadurch beschrieben, dass wir zunächst versuchen herauszufinden, ob sie tatsächlich erforderlich ist oder ob andere Arbeitsformen die Probleme des Teams oder einzelner seiner Mitglieder besser lösen können“ (Seite 160). Aus diesem Grund gilt es zunächst Fragen zu klären, wer zum Team zählt und welche gemeinsame Aufgabe im Zentrum steht. Romantische Vorstellungen, „vorwiegend amerikanischer Autoren“ (Seite 162), die vom „ganzen Unternehmen als Team“ sprechen, dienen nicht dazu ein Team zu definieren. Auf jeden Fall, so wird in einer Überschrift betont, sollte die Teamleitung grundsätzlich an der Teamentwicklung teilnehmen.
Nachdem Voraussetzungen, Ziele und Rahmenbedingungen geklärt sind, kann es mit der Analyse des Verhaltens losgehen. Die Themenzentrierte Interaktion, das Johari-Fenster und noch einmal, nachdem bereits im ersten Teil darauf hingewiesen wurde, das Rollenmodell nach Belbin finden sich hier als wertvolle und altbewährte Grundlagen zum Einstieg in den Prozess der Teamentwicklung. Ein weiteres Diagnosetool, das „Rangdynamikmodell“ nach Schindler wird zusammengefasst und für den Einsatz umsetzbar beschrieben.
Mit der Anregung zur Selbstreflexion, „Suchen Sie sich aus Teams, mit denen Sie arbeiten, drei aus Ihrer Sicht schwierige Personen heraus und beantworten Sie folgende Fragen (…)“ (Seite 209) schliesst ein Teil zur Identifikation „Blockierender Verhaltensweisen“. Ausführlich werden die Phasen der Gruppenentwicklung beschrieben und Bedeutung und Grenzen der Leitung im Prozess gestreift. Auch Sinn und katalysierender Nutzen von Outdooraktivitäten werden angerissen.
Im Werkzeugkasten finden sich soziometrische Aufstellungen, Paarinterviews, kreative Möglichkeiten sich Rückmeldung zu geben und Varianten zur Bilanzierung der Leistung.
Im letzten Teil „Teamberatung“, der sich teilweise mit der Teamentwicklung überschneiden kann, ist die externe Unterstützung vonnöten. Es geht dabei meist um konfliktbeladene Situationen. Der Berater ist dabei in Gefahr, sich zu verstricken. Da ein Team meist ein Subsystem einer Organisation ist, muss diese im Auftrag miteinbezogen sein und „Dazu gehören insbesondere deren wirtschaftliche Interessen im Rahmen der Kundenbeziehung“ (Seite 298).
Folgende Abgrenzung möchte ich als Rezensent und Berater für Organisationsentwicklung (OE) zitieren: „Teamberatung ist, eben wegen des engen Bezugs von Team und Organisation, häufig ein Bestandteil von OE, aber nicht identisch damit. So differenziert Cornelia Edding (1985) Teamberatung und OE grundsätzlich nach fünf Kriterien und kommt dabei zu folgenden Abgrenzungen und Unterscheidungen (…).“ (Seite 297). Verraten werden hier nur die fünf Kriterien, damit der Leser oder die Leserin dieser Rezension auf das Buch noch neugieriger wird:
- Was ist das Ziel?
- Wer ist der Klient?
- Was steht zur Disposition?
- Was ist die handlungsleitende Perspektive?
- Was muss der Berater können?
Steigen wir nach der Klärung der Fragen in die Beratung ein, müssen wir (Merkkasten in rosa auf Seite 307) immer daran denken: „Hierarchien sind stärker als Berater!“.
Freilich gerade auch in diesem Teil zur Teamberatung legen die Autoren viel Wert auf eine sorgfältige Analyse und sie verwenden unter anderem das Modell von Riemann zu den Persönlichkeitsstilen (Distanz/Nähe & Wechsel/​Dauer).
Die Ebenen der Intervention sind abhängig von der Tiefe der Beratung. Sie beginnen rational und erreichen den intensivsten Punkt bei der intrapersonalen Beratung, bei der es um die eigenen Werte und die Existenz geht. Ein Modell, das aus der Konfliktmoderation bekannt ist. Diese zu beachten sei sehr wichtig. So folgt darauf der Abschnitt zum Konfliktmanagement und Hinweise auf transaktionsanalytische Konzepte, wie beispielsweise das „Dramadreieck“ (Verfolger, Retter, Opfer). Dass es manchmal auch richtig sein kann, den Beratungsprozess abzubrechen ist ein weiterer unverzichtbarer Hinweis.
Es wird der Frage zur Arbeit mit interkulturellen Teams nachgegangen und dabei die Bedeutung der Metakommunikation gerade in diesem Kontext einmal mehr betont.
Im Werkzeugkasten findet sich eine bunte Doppelseite (Seite 406 f) mit Verkehrsschildern für eine Verkehrszeichenübung im Prozess. Stichworte dazu: „Stau“, „Stopp“, „Sackgasse“, „Sprengarbeiten“, „Naturschutzgebiet“. Der Leser oder die Leserin kann sich ausdenken, wo im Prozess welches Schild eingesetzt werden könnte, um eine Aufforderung, einen Hinweis zu verstärken. Fragebögen, die die Autoren auch hier zur Verfügung stellen, warten auf ihren Einsatz. Auch das Tool „kollegiale Beratung“, das zur Emanzipation von der externen Unterstützung angewendet werden will, wird beschrieben.
Im Anhang werden die Checklisten, Übungen und Selbstreflexionen sowie die verwendete Literatur aufgelistet.
Diskussion
Auch dieses Buch vom Limmer Verlag macht erneut (siehe meine Rezension zum Konfliktmanagementbuch von Nowak) durch die Grösse der Typografie, der klaren Gliederung und des kompakten Aufbaus das Lesen zur Freude.
Vollumfänglich ist es ein „Praxisbuch“. Die fundierte Gliederung hilft, sich im oftmals verworrenen und verstrickten Umfeld von Teamprozessen zu orientieren. Die grosszügig zur Verfügung gestellten Tools folgen nicht neuen Moden, sondern stammen aus jahrzehntelanger Praxiserprobung der Autoren. Auch Beraterinnen und Beratern, die eine frühere Ausgabe nutzen, sei diese neue Auflage mit den Ergänzungen und Weiterentwicklungen sehr zu empfehlen.
Fazit
Ein Praxisbuch stellt Teams und Beratungspersonen Handwerkszeug zur Verfügung, um sich zu professionalisieren ohne auf rasch gegoogelte Hypes angewiesen zu sein. In den Ausführungen ist die wertschätzende Haltung der Autoren spürbar. Sie möchten – das scheint ihr Antrieb zu sein, seit über 20 Jahren an diesem Thema zu arbeiten – die Zusammenarbeit zum Wohle der Entwicklung unterstützen. Dabei wird den zusammenarbeitenden Menschen nichts von aussen aufgesetzt, sondern ihre eigenen Ressourcen werden geweckt, ernst genommen und weiter „entwickelt“.
Rezension von
Thomas Reinhardt
Diplomierter Berater für Organisationsentwicklung. Arbeitet als interner Coach im Universitätsspital Basel und freiberuflich in den Bereichen Organisationsentwicklung, Gesundheitsmanagement, Konfliktmoderation, Coaching für Führungsverantwortliche, Teamentwicklung und Supervision. Schwerpunkte: Gesundheit und Führung, Change Management, Leadership, Kommunikation, Psychohygiene und Glück.
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Zitiervorschlag
Thomas Reinhardt. Rezension vom 01.06.2022 zu:
Claus Nowak, Manfred Gellert: Teamarbeit, Teamentwicklung, Teamberatung. Ein Praxisbuch für die Arbeit in und mit Teams. Limmer Verlag
(Meezen) 2021. 6. veränderte Auflage.
ISBN 978-3-928922-44-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29325.php, Datum des Zugriffs 20.09.2024.
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