Katrin Lepke, Britta Hügel et al.: Elfi im Land der Fantasie
Rezensiert von Prof. Dr. Annemarie Jost, 27.04.2022
Katrin Lepke, Britta Hügel, Sascha Peter Weiß (Illustrator): Elfi im Land der Fantasie. Geschichten aus dem Alltag mit FASD. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2022. 63 Seiten. ISBN 978-3-497-03104-7. D: 16,90 EUR, A: 17,40 EUR.
Thema und Zielgruppe
Das illustrierte kleine Buch wendet sich an Kinder mit Fetalen-Alkohol-Spektrum-Störungen (FASD) im Grundschulalter (ab 6 Jahren) und an ihre Eltern, Pflege- und Adoptiveltern; meiner Meinung nach sollte es am besten beim (Vor-)Lesen mit den Kindern besprochen werden. Darüber hinaus können auch pädagogische Fachkräfte von dem Buch profitieren. Es zeigt in kindgerechter Sprache, wie das Mädchen Elfi die Welt sieht und lässt sehr gut mitfühlen, wie die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen können und warum Elfi trotz guter Absichten in Schwierigkeiten gerät.
Autor*innen
Katrin Lepke ist Traumapädagogin (zert.), Adoptiv- bzw. Pflegemutter von 3 Kindern mit FASD und stellvertretende Vorsitzende von FASD Deutschland e.V., sie leitet Fortbildungen zum Thema FASD. Britta Hügel ist Sozialarbeiterin und Traumapädagogin und betreut an einer Förderschule für ganzheitliche Entwicklung Schüler*innen mit FASD, ihre Eltern und Bezugspersonen. Sascha Peter Weiß ist seit 18 Jahren Tattoo-Artist. Er hat bereits ein Kinderbuch zum Thema Downsyndrom illustriert.
Aufbau
Das Buch beginnt mit einem Vorwort für die Vorlesenden, danach stellt Elfi sich vor und erzählt 9 bebilderte fantasievolle Geschichten. Abschließend finden sich kurze Kommentare, welche Portion Wahrheit hinter den Geschichten zu finden ist. Es folgen noch eine Leseprobe aus dem Buch von Feldmann, Kampe &Graf: „Kindern mit FASD ein zu Hause geben“ sowie ein Passwort für die Online-Materialien: Diese umfassen hilfreiche Tipps und Hinweise für Bezugspersonen (Eltern, Lehrer*innen, Erzieher*innen etc.) von Kindern mit FASD.
Inhalt
Elfi schildert ihren Schulanfang in einer Förderschule. Anfangs war sie traurig, nicht in die gleiche Schule wie ihre Freund*innen gehen zu können, sie fasst jedoch schnell Vertrauen zu den Lehrern. Im zweiten Kapitel schildert sie voller Begeisterung, wie die Delfine bei einer Schiffsreise mit ihr sprechen und wie sie versucht, von der Reling zu springen, um mit den Delfinen zu schwimmen. Später springt sie dann von einer Klippe und lässt sich ins Meer pusten, um mit den Meeresbewohnern Abenteuer zu erleben. In einer anderen Geschichte klettert sie waghalsig auf einen Baum, um für einen Freund, der gehbehindert ist, ein Eichhörnchen zu fangen. Immer wieder findet Elfi einen ganz besonderen Zugang zu Tieren und erzählt, wie sie mit ihnen spricht: sie folgt einem Hund und verläuft sich, sie rettet einen Igel und sie spielt mit Schnecken. Überrascht und manchmal kränkend erlebt sie, wie sie für die Gefahren, in die sie sich begibt, gemaßregelt wird; in ihrer Begeisterung für die Tiere und die Erlebnisse kommen ihr die mit ihren Abenteuern verbundenen Risiken gar nicht in den Sinn.
Die Online-Materialien klären zunächst über FASD auf und behandeln dann sowohl die Stärken als auch die Beeinträchtigungen von Kindern mit FASD. Die Autorinnen geben viele praktische Tipps und Anleitungen für den Umgang mit den Kindern und legen dabei besonderen Wert auf die Stärkung des Selbstwertgefühls. Darüber hinaus thematisieren sie ausführlich Einschränkungen bei der Wahrnehmung, die Unterscheidung von Wahrheit und Fantasie und das mangelnde Gefahrenbewusstsein.
Diskussion
Die Geschichten geben den Leser*innen einen tiefen Einblick in Elfis Welt: ihr Verhalten wird verständlich, man kann sich sehr gut einfühlen und insbesondere ihre guten Absichten erkennen. Das Buch ist liebevoll illustriert. So trägt es sehr zu einem vertieften Verständnis für Kinder mit FASD bei und bietet eine wertvolle Basis, um mit den eigenen Kindern über ihre Stärken und Beeinträchtigungen ins Gespräch zu kommen.
Gewisse Bedenken sind mir bei der Delfin-Geschichte gekommen, als sich Elfi von einer Klippe stürzt. Ich könnte mir vorstellen, dass dies Kinder mit FASD zur Nachahmung anregt. Hier braucht es eine sorgfältige Begleitung beim Lesen. Vielleicht könnte die Geschichte an dieser Stelle aber auch modifiziert werden, denn der Hinweis „bitte nicht nachahmen!“ in Elfis Vorstellung gerät doch schnell in Vergessenheit, zumal das Unbewusste keine Verneinung kennt.
Die Online Materialien sind sehr praxisnah. Am Ende wird es allerdings etwas sprunghaft, und die Abbildung 10 ist schwer lesbar. Die Abschnitte 6–8 des Online-Materials könnten noch etwas besser ausgearbeitet und strukturiert werden.
Fazit
Das Buch bietet Kindern und Erwachsenen einen tiefen und fantasievollen Einblick in das Innenleben eines Mädchens mit FASD. Es eignet sich zum Vorlesen und – auch mit seinen Online Materialien – als Grundlage für eine liebevolle und wertschätzende pädagogische Unterstützung von Kindern mit FASD.
Rezension von
Prof. Dr. Annemarie Jost
Professorin für Sozialpsychiatrie an der Fakultät 4 der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg
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Es gibt 144 Rezensionen von Annemarie Jost.
Zitiervorschlag
Annemarie Jost. Rezension vom 27.04.2022 zu:
Katrin Lepke, Britta Hügel, Sascha Peter Weiß (Illustrator): Elfi im Land der Fantasie. Geschichten aus dem Alltag mit FASD. Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2022.
ISBN 978-3-497-03104-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/29332.php, Datum des Zugriffs 02.12.2024.
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