Swantje Allmers, Christoph Magnussen: On the Way to New Work
Rezensiert von Hendrik Epe, 03.06.2022

Swantje Allmers, Christoph Magnussen: On the Way to New Work. Wenn Arbeit zu etwas wird, was Menschen stärkt. Verlag Franz Vahlen GmbH (München) 2022. 402 Seiten. ISBN 978-3-8006-6659-1. 24,90 EUR.
Thema
Das Buch „On the Way to New Work" ist eine Zusammenfassung der laut den Autor*innen wichtigsten Konzepte, Methoden und Ideen rund um das große Thema „New Work“. Es ist als Synopse, basierend auf dem erfolgreichen Podcast, der unter gleichem Titel inzwischen mehr als 320 Interviews mit unterschiedlichsten Menschen fasst und das Thema „New Work“ bzw. neues Arbeiten aus verschiedenen nationalen und internationalen Perspektiven beleuchtet, zu verstehen (vgl. ebd., IX).
Inhaltlich fokussiert das Buch auf drei Ebenen: Zu Beginn wird die individuelle Ebene (Starkes Ich) in den Blick genommen und gefragt, wie es Menschen gelingt, in der „neuen Arbeitswelt“ agieren und individuelle Ansatzpunkte finden zu können, „um mehr Sinn und Erfüllung in der eigenen Arbeit zu erleben“ (ebd., X). Darauf folgt eine Betrachtung der organisationalen Ebene (,Starkes Wir‘), die Methoden zeitgemäßer Organisationsentwicklung und Methoden der Zusammenarbeit in Organisationen fokussiert. Abschließend werden die Entwicklungen rund um die neue Arbeitswelt auf gesellschaftlicher Ebene (,Starke Gesellschaft‘) betrachtet. Intention des Buches ist es, so die Autor*innen, „Menschen für das Arbeitsleben zu stärken“ (https://www.onthewaytonewwork.com/das-buch).
Autor*innen
Swantje Allmers ist Coach und Unternehmensberaterin. Ihr Fokus liegt auf den Bereichen Selbstmanagement, Agilität, Organisationsentwicklung sowie Change und Transformation.
Dr. Michael Trautmann war Unternehmensberater, Agenturchef und Global Chief Marketing Officer (CMO) bei Audi. Heute berät er Unternehmen, an ihrer Ausrichtung zu arbeiten.
Christoph Magnussen ist Unternehmer und berät mit der Firma Blackboat Unternehmen bei der Einführung von technologischen, kulturellen und räumlichen Lösungen.
Aufbau
Wie einleitend bereits geschrieben untergliedert sich das Buch auf 402 Seiten in die drei Bereiche „Starkes Ich“, „Starkes Wir“ und „Starke Gesellschaft“.
Jeder Bereich untergliedert sich dann weiter in die folgenden Kapitel:
Teil 1: Starkes Ich
- Selbstreflexion
- Sinnfindung
- Selbstmanagement
- Gewohnheiten
- Gesundheit
- Freiheit
- Kreativität
- Lernen
- Resilienz
Teil 2: Starkes Wir
- Organisation
- Agilität
- Zusammenarbeit
- Kommunikation
- Meetings
- Räume
- Führung
- Ziele
- Kultur
Teil 3: Starke Gesellschaft
- Bildung
- Diversität
- Technologie
- Nachhaltigkeit
- Utopien
Jedes Kapitel untergliedert sich dann wiederum in verschiedene Unterkapitel und umfasst am Ende des Buches eine umfangreiche Sammlung von Quellen, Links und Literatur.
Die Kapitel werden gerahmt von einem Vorwort von Verena Pausder und einem Nachwort von Prof. Dr. Stefan A. Jansen.
Inhalt
Was ist New Work? Diese Frage steht am Anfang jeder Betrachtung dieses nicht definierten „Containerbegriffs“: So kann alles, was die Entwicklung unserer Berufs- und Arbeitswelt betrifft, unter dem Begriff abgelegt und je nach Bedarf, Zielsetzung oder Kontext herausgezogen werden. Daraus resultiert eine schier unfassbare Breite an Veröffentlichungen und Herangehensweisen, die den Versuch unternehmen, sich dem schillernden New Work zu nähern. Hinzu kommt, dass während und nach der Pandemie „remote work“, das Arbeiten nicht ausschließlich im Büro, enorm an Bedeutung gewonnen hat. Aber – soviel ist klar – New Work ist weit mehr als Homeoffice.
Entsprechend positiv hervorzuheben ist der in vielen Kapiteln des Buchs vorgenommene Bezug zu der Sozialutopie „New Work“ von Frithjof Bergmann, dem „Begründer der New Work Bewegung“ (ebd., 3). Die Absicht Bergmanns war nicht, Organisationen „besser, schneller, agiler, wettbewerbsfähiger …“ zu gestalten. Ihm ging es im Gegenteil dazu um eine Abschaffung des Lohnarbeitssystems bzw. des Kapitalismus, wie wir ihn in der heutigen Form vorfinden und damit übergreifend um eine neue Art, wie Arbeit zu denken ist. Aus Perspektive Bergmanns führt unser bestehendes System zu vielen der heute relevanten globalen und nationalen Probleme, wie bspw. dem Klimawandel, Ungleichverteilung von Reichtum und Armut in der Welt, Massenkonsum und vielem mehr. „Die Lohnarbeit führe zu unzufriedenen und unglücklichen Menschen sowie zu Ungerechtigkeiten“ (ebd., 362). Stefan A. Jansen schreibt im Nachwort zum Buch, dass Bergmann mit seinen Überlegungen recht hatte: „Weder Sozialismus noch der Kapitalismus in seiner aktuellen Form werden uns dabei helfen, den heutigen Herausforderungen der Menschheit in angemessener Weise zu begegnen und notwendige Lösungswege zu beschreiten“ (ebd., 364).
Vor diesem Hintergrund ist die Dreigliederung des Buchs zu betrachten: So war es (unter anderem) Anliegen von Bergmann, Menschen dabei zu begleiten, das zu finden, was sie „wirklich, wirklich tun wollen“ (ebd., 362). Entsprechend fokussiert der erste Teil des Buchs auf diese individuelle Ebene und nimmt Themen von Selbstreflexion über Sinnfindung bis hin zu Fragen zu Gesundheit, Lernen und Resilienz in den Blick.
Im zweiten Teil des Buchs wird dann die Arbeitswelt, die Zusammenarbeit in und das Funktionieren von Organisationen differenziert untergliedert nach den oben genannten Kapiteln betrachtet. Beispielhaft herausgegriffen wird das Thema „Meetings“ (vgl. ebd., 193ff) auf 24 Seiten in unterschiedlichen Facetten – von der Gestaltung hybrider Meetings über die Unterscheidung verschiedener Formen und Anlässe von Meetings bis hin zur inhaltlichen Strukturierung von Meetings – beleuchtet.
Der dritte Teil versucht abschließend unter den Kapiteln Bildung, Diversität, Technologie, Nachhaltigkeit und Utopien Antworten auf gesellschaftliche Fragen der Entwicklung der Arbeitswelt zu liefern. Auch hier werden neben übergreifenden Betrachtungen konkrete Methoden zur gesellschaftlichen Veränderung, wie bspw. die Theorie U von Otto Scharmer, beschrieben.
Mit der Dreigliederung des Buchs und den darin beschriebenen konkreten Ideen, Methoden und Konzepten wird eine Idee von dem deutlich, was unter dem schillernden Begriff „New Work“ alles verstanden werden kann. Es wird auch deutlich, dass eine alleinige Betrachtung von der organisationalen Seite von New Work nicht ausreichend ist, sondern sehr ganzheitlich und aus unterschiedlichsten Perspektiven geschaut werden muss, um ein Gesamtbild „New Work“ zu generieren, das den komplexen Anforderungen der Arbeitswelt und Gesellschaft standhält.
Diskussion
Die Autor*innen schreiben zum Einstieg, dass das Buch „entweder von vorn bis hinten durchgelesen werden kann oder dass die Kapitel, je nach Interesse, einzeln gelesen werden können“ und weiter: „Dieses Buch soll als Reiseführer dienen“ (ebd., X).
Wenn die Betrachtung eines Reiseführers zugrunde gelegt wird und man nicht erwartet, tief in bestimmte Themen einzutauchen, ist das Buch enorm hilfreich. Es ermöglicht, je nach individuellem Standpunkt und je nach individueller Fragestellung, die Themen herauszunehmen, die je individuell von Relevanz sind und sich darüber einen Eindruck zu verschaffen, was unter bestimmten Aspekten der neuen Arbeitswelt zu verstehen ist.
Diese Stärke des Buchs ist gleichzeitig als Schwäche zu werten: Die jeweiligen Kapitel sind sehr „breit“ gewählt. Entsprechend bleiben Aspekte immer unberücksichtigt, die für ein tiefes Verständnis des jeweiligen Themenfeldes hilfreich und zu Teilen auch notwendig wären. Beispielhaft wird das Thema „Selbstwirksamkeit“ im ersten Bereich des Buchs (,Starkes Ich‘) auf drei Seiten unter dem Kapitel „Resilienz“ behandelt. Damit ist nicht mehr als ein erster Eindruck zu gewinnen, der, sofern man sich selbst tiefergehend mit bestimmten Themen auseinandergesetzt hat, sehr an der Oberfläche bleibt bzw. bleiben muss. Als weiteres Beispiel beschreiben die Autor*innen unter dem Kapitel „Organisation“, „wie in selbstorganisierten Teams entschieden wird“, stellen dann jedoch nur den Beratungsprozess (konsultativer Einzelentscheid) und den Konsent in Ansätzen vor, auch wenn es bei näherer Befassung mit Entscheidungsmethoden in selbstorganisierten Teams noch deutlich mehr Ansätze gibt und diese je nach Entscheidungskontext eingeordnet werden müssen.
Inhaltlich wünschenswert wäre noch der Aspekt der Unternehmensgründung, der zwar auch breit ist und je nach Geschäftsmodell, Branche, Ausrichtung etc. ganz individuelle Anforderungen mitbringt, jedoch zwingend zu einer neuen Arbeitswelt, die Menschen stärken soll, gehört. Hier bleibt die Hoffnung, dass dieses Thema in einer der nächsten, sehr hörenswerten Podcastepisoden vertieft aufgegriffen wird.
Abschließend noch ein Blick auf Organisationen der Sozialen Arbeit „on the way to new work“: Viele der im Buch beschriebenen Ideen, Lösungen und Methoden entspringen Menschen und Organisationen, die keine Verbindung zur enorm komplexen Realität Sozialer Arbeit und den Widersprüchen haben, denen soziale Organisationen tagtäglich ausgesetzt sind. Allein der Blick auf die neuen Möglichkeiten der „remote work“, wie eingangs beschrieben, hält selbst in einer Pandemie den Bedingungen sozialer Organisationen nicht stand. So ist für insbesondere die stationären Angebote Sozialer Arbeit die Anwesenheit der Mitarbeiter*innen zwingend notwendig. Gleichzeitig erwachsen daraus Konflikte innerhalb der Organisationen. Bspw. stellt sich die Frage, ob Verwaltungsmitarbeiter*innen von zu Hause arbeiten können, während Betreuung der Klient*innen immer vor Ort stattfinden muss? Entsprechend gilt es, die im Buch angebotenen Ideen und Methoden immer mit der eigenen Realität abzugleichen, zu reflektieren und in Beziehung zu den jeweiligen Möglichkeiten des Arbeitsfeldes zu setzen. Dann jedoch ergeben sich viele Anregungen, die für das eigene Leben, das Arbeitsleben und für Fragen der Entwicklung der Gesellschaft genutzt werden können. Aber gerade in der Sozialen Arbeit lohnt es sich, in das Konzept „New Work“ einzusteigen und die Ideen von Bergmann mit der Intention Sozialer Arbeit abzugleichen. So liegt die Begleitung von Menschen hin zu dem, was sie wirklich, wirklich tun wollen (Bergmann) und der Förderung von Autonomie und Selbstbestimmung (Definition der Sozialen Arbeit) sehr nah beieinander ebenso wie die Förderung gesellschaftlicher Entwicklungen und die notwendige Veränderung unserer aktuellen Form des Kapitalismus.
Fazit
Das Buch wird von den Autor*innen ist ein Reiseführer „on the way to new work“ bezeichnet. Es liefert damit genau das: Einen ersten Blick auf verschiedene Themen, verschiedene Orte, verschiedene Begriffe und Methoden, die sich hinter dem Konzept der neuen Arbeit verbergen. Eine tiefgehende Erkundung jedoch wird den Leser*innen überlassen, die sich – auch über die Quellenangaben – weiter und tiefergehend mit den jeweiligen Aspekten befassen können und auch müssen, um die auch herausfordernden Seiten einer neuen Arbeitswelt verstehen zu können. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die im Buch angebotenen Methoden und Tools eins zu eins auf die eigene Arbeit übertragen werden und die damit möglicherweise einhergehenden Widerstände aufseiten der Betroffenen überraschend sind und eher zum Gegenteil führen – einer Arbeitswelt, die schwächt anstatt stärkt.
Rezension von
Hendrik Epe
M.A.
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